Abschnitt 3

01 Jugendjahre.


Unter diesen Verhältnissen verstrich meine Jugend bis 1804 unter rastlosem, mühevollem Streben, mich in der Kunst emporzuarbeiten. Viele Zeit ging dabei verloren, weil ich zu Vielerlei zugleich trieb, ich hatte eben weder Lehrer noch Wegweiser und mußte daher mühsam meinen Weg selbst suchen.


Mein Vater beharrte noch immer darauf, daß ich bei der Conditorei verbleiben solle, und ich hatte zu viel Pietät, mich seinem Willen gewaltsam zu widersetzen. Mittlerweile kam mir aber der Zufall zu Hilfe.

Nördlingen fiel in Folge der Umwälzungen, welche im deutschen Reiche vorgingen, 1802 an die Krone Bayern und erhielt damit die Conscription. Mein Vater, für den es nichts Schrecklicheres gab als den Gedanken, daß ich Soldat werden müßte, dachte deßhalb daran, mich in die Fremde zu schicken. Es wurde ein passender Platz in Nürnberg ausgemittelt. Das Geld, welches ich mir in Wallerstein erworben, sollte als Reisegeld und zu einer Equipirung dienen. Noch sehe ich den fürstlichen Diener vor mir, welcher mit einem kleinen Säckchen Kronenthaler in das Zimmer trat. Wie reich fühlte ich mich, welche freudigen Hoffnungen lebten in mir auf! Es drängte mich gewaltig hinaus in die Welt; meine Vaterstadt war mir schon seit lange zu enge geworden. Aber ich hatte noch einen harten Strauß zu bestehen, ehe ich an das Ziel meiner sehnlichsten Wünsche gelangen konnte.

Die Anstrengungen und Aufregungen in letzter Zeit waren zu groß; die Natur erlag, ein heftiges Nervenfieber überfiel mich und brachte mich an den Rand des Grabes. Lange lag ich darnieder, länger brauchte ich, bis ich mich erholte. Indessen kam mit dem November die schlechte Jahreszeit, und alles rieth mir ab, zu reisen. Ich ließ mich aber durch nichts irre machen, packte meine Habseligkeiten zusammen und verließ das elterliche Haus zu Anfang des Novembers bei dem schlechtesten Wetter und unter den ungünstigsten Verhältnissen. Theils durch die lange Krankheit, theils durch die mißliche Lage, in welcher sich meine Eltern selbst befanden, war mein Reichthum bis auf drei Kronenthaler zusammengeschmolzen. In der Nacht vor meiner Abreise theilte ich mit meiner Mutter, gab ihr einen derselben und ging mit zwei Kronenthalern in der Tasche in die Welt hinaus.

Dies ist das ganze Vermögen, das ich von Hause mitnahm; damit beginnt alles, was ich erstrebt, erreicht, erworben habe. Ein anderes werthvolleres Vermögen jedoch konnte ich mein eigen nennen: ich hatte arbeiten und meine Bedürfnisse beschränken, den Werth der Zeit und des Geldes kennen gelernt und, was noch mehr ist, ich nahm den Segen der Eltern mit in die Welt. Zudem hatte ich nun meine Freiheit und dünkte mich reich genug.

Ich verließ das elterliche Haus mit dem festen Vorsatze, bald die Stütze der Familie zu werden, und nach wenigen Jahren war ich auch in der Lage, die guten Vorsätze, welche ich gefaßt, verwirklichen zu können.

Das ehrwürdige, alte Nürnberg sollte ich nun sehen! Wie freute ich mich bei dem Gedanken, in eine ganz neue, weitere Welt zu kommen, wie lebhaft interessirte mich alles, was ich dort sah!

Die Thore mit den großen, ernsten Thürmen, so fest, als wären sie für eine Ewigkeit gebaut, die schönen gothischen Kirchen und Häuser mit den hohen Giebeln und Erkern, die schöne, breite Straße vom Spittler-Thore herein, durch welche ich in Nürnberg eintrat, all das versetzte mich in eine ganz feierliche Stimmung.

Mit einigem Herzklopfen betrat ich das Haus meines künftigen Prinzipals; es wurde nicht schwächer, als ich die Ehre hatte, mich ihm vorzustellen. Sehr groß von Gestalt, derb und breitschulterig, starkknochig, erinnerte er mehr an den Hausknecht eines Gasthofes als an einen Mann, dessen Beruf es war, mit Süßigkeiten und Näschereien umzugehen; indessen war er nicht so gefährlich als er aussah, wir kamen gut mit einander aus. Fein war er in der That nicht, doch hatte er auch, ohne viele Feinheit zu besitzen, bald gefunden, wozu ich zu brauchen sei; er befreite mich vom Tortenrühren und vom Backofen und beschäftigte mich mit solchen Arbeiten, welche eine gewisse Geschicklichkeit erfordern und ein wenig in das Kunstfach einschlagen: wie Tafelaufsätze und dergleichen. Dieser Artikel hatte bisher in seinem Geschäfte ziemlich brach gelegen und blühte nun durch mich ganz neu auf, was mich in einigen Respekt setzte.

Einen angenehmen Eindruck machte auf mich die Prinzipalin, eine recht lebendige Frau, deren volle Gunst ich mir in kurzer Zeit erwarb, ohne mich eben sehr darum bemüht zu haben.

Es war nichts weniger als meine Absicht, unter diesen Verhältnissen lange auszuhalten, obwohl es mir im ganzen nicht schlecht ging. Ich hatte das elterliche Haus schon mit dem Vorsatze verlassen, bei der ersten Gelegenheit umzusatteln, nur wollte ich mich erst ein wenig umsehen, wie das anzufangen sei, um mich nicht zwischen zwei Stühle zu setzen.

Gleich zu Anfang meines Aufenthaltes in Nürnberg wurde ich in einer höchst achtbaren Familie eingeführt, in die des Direktors der dortigen Zeichenschule, Christoph Zwinger,5) eines höchst ehrenwerthen Mannes von gutem, altem Schrot und Korn, dem ich unendlich viel verdanke. Er hatte einen Sohn mit Namen Gustav,6) der einige Jahre älter als ich und Künstler war. Mit diesem wurde ich rasch auf das Innigste befreundet. Ich galt wie ein Sohn des Hauses in dieser Familie und brachte alle meine freien Stunden in dieser meiner zweiten Heimath zu. Der alte Herr hatte große Freude an meinem Fleiße und Eifer in der Kunst und stützte mich darin, wo er konnte. Die Akademie, wo diese friedliche Familie wohnte, war in einem ehemaligen Kloster, zu St. Katharina genannt. Durch ein gothisches Pförtchen kam man in einen Garten und dann erst in das Gebäude, welches noch sehr an das Kloster erinnerte. Immer war es mir so wohl um das Herz, wenn ich in dieses Haus trat; hier war so ganz das, was ich wünschte und suchte. Fern von allem Geräusche konnte ich hier über das, was ich vorhatte, nachdenken, guten Rath annehmen und ernstlich studiren, soweit meine freie Zeit es erlaubte.

Hier zeichnete ich nach guten Handzeichnungen, nach Plastik und später auf der Akademie nach dem Akte. Bei Zwinger erhielt ich auch den ersten Unterricht in der technischen Behandlung der Oelfarben und der Oelmalerei überhaupt, in der ich mich wohl schon früher, aber ohne alle Anleitung und Sachkenntniß versucht hatte.7)

Unter diesen Verhältnissen verstrichen fünf Monate und das Frühjahr kam herbei; ich hatte meinem Prinzipale den Dienst gekündigt mit dem Bemerken, mich ganz der Malerei zu widmen; er machte ein sonderbares Gesicht dazu, hatte aber wohl lange schon gemerkt, wo ich hinaus wollte.

Ich miethete ein kleines Zimmerchen und vertraute auf mein gutes Glück und das, was ich gelernt hatte. Mit der Portraitmalerei war hier nicht viel zu machen, auch war es mir mehr um ernste Studien zu thun als blos zu malen, um ein armseliges Stückchen Geld zu verdienen; ich sann daher auf einen andern Erwerb.

Im Formschneiden hatte ich mir schon zu Hause viele Geschicklichkeit erworben, ich benützte daher die Nächte und schnitt Model in Birnbaumholz von allerlei Gegenständen, wie sie der Conditor braucht; auch schnitzte ich aus Lindenholz Figuren und Thiere, ganze Jagden und dergleichen, malte sie sauber und verkaufte sie an das große Spielwaaren-Magazin Bestelmayer. Alles das geschah Nachts, so daß ich selten vor Mitternacht zu Bette ging. Auf diese Weise verdiente ich das Wenige, was ich zu meinem Lebensun terhalte bedurfte und hatte den Tag für ernstere Studien frei. Ich malte einige Portraitchen in Oel, um mich hierin zu üben, machte mich auch mit der Radirnadel und mit dem Aetzen mit Scheidewasser bekannt, eine Beschäftigung, die mir besonderes Vergnügen bereitete. Ich radirte mehrere Blättchen, von denen ich einige an den Kunst- und Buchhändler Campe 8) verkaufte. Inzwischen zeichnete ich auch mit großer Liebe Landschaften nach der Natur.




5) Christoph Joh. Zwinger, geb. zu Nürnberg 1744, gest. das. 1809. Vgl. Nagler, Lexicon 1852, XXII. 359.
6) Gustav Philipp Zwinger, geb. 3. Januar 1779, gest. 15. Januar 1819. Vgl. Nagler, Lexicon 1842, XXII. 360; Nagler, Monogrammisten 1863, III. 87 (Nummer 282). Andresen, Maler-Radirer 1870. IV. 292–299. Seubert 1879, III. 641.
7) Von diesem ersten Versuch berichtet Heinrich Adam: „Da einmal in Nördlingen eine kleine Gemäldesammlung verauctionirt wurde, bekamen mir Gelegenheit, viele Oelgemälde zu sehen und dadurch die Lust im Oelmalen Versuche zu machen. Wir wußten uns einige dieser Gemälde zu verschaffen, und da ging es an ein Pinseln, daß es eine Lust war. Nun standen wir auf der Höhe unserer Herrlichkeit: die Künstler waren fertig.“
8) Eine Anzahl Bilderbogen, welche Adam für den Verlag von Fr. Campe radirte und die dann colorirt wurden, erwähnt Jul. Meyer, Künstler-Lexicon, Leipzig 1872, I. 66.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers