Abschnitt 13

03 Feldzug von 1809.


Es drängt sich mir hier unwillkürlich eine Anekdote in die Feder. Als ich 1811 in Nördlingen auf Besuch war, wünschte die Fürstin von Wallerstein mein Portefeuille zu sehen. Unter den Zeichnungen befand sich auch das Portrait eines Adjutanten von Berthier, des Obristen Flahout. Der Stallmeister Baron von Falkenstein, der mit Recht den Ruf eines vorzüglichen Reiters genoß, sagte, als diese Zeichnung betrachtet wurde: „Wie der Kerl doch zu Pferde sitzt! Die Franzosen können halt nicht reiten!“ Prinz Ludwig, 7) der spätere bayerische Minister, erwiderte: „Mag sein, aber sie kommen damit doch weiter, als wir!“ Falkenstein, der sein Lehrer war, warf ihm einen strafenden Blick zu und war so ärgerlich, daß er während der Tafel kein Wort mehr sprach.


Sobald ich meine Zeichnung des Schlachtfeldes bei Raab geordnet hatte, eilte ich mit Extrapost nach Wien zurück. Narbonne hatte mir ein Schreiben an Prinz Eugen mitgegeben; dieser lachte, als er die Umständlichkeiten vernahm, welche die Sache verursacht hatte. Er zeigte sich sehr zufrieden über die Art und Weise, wie ich die Aufgabe gelöst, fand meine Zeichnung genügend und entließ mich sehr gnädig. Ich erhielt den Auftrag, für den Prinzen noch einige Souvenirs zu zeichnen. Am 14. Oktober verkündete der Donner der Kanonen den Friedensschluß. Ich trachtete von meinen Arbeiten zu vollenden, was möglich war. Indessen wurde es Mitte November und es ward mir bedeutet, daß ich mich bereit halten sollte, in nächster Zeit nach Italien abzureisen.

Freudig konnte ich auf eine Zeit von acht Monaten zurückblicken. Reiche Erfahrungen, bedeutungsvolle Erlebnisse, eine interessante Ausbeute an Zeichnungen, Ehre, Geld und was so gewöhnlich die armen Sterblichen beglückt, hatte ich erreicht.

Zur Mahnung aber, daß des Glückes unvermischte Freude keinem Sterblichen zutheil werde, traf mich noch etwas recht Schmerzliches, bevor ich Wien verließ.

Ein edles Wesen, mit dem mich die zartesten Bande inniger Freundschaft verknüpften, war geschieden aus dem Kreise der Lebenden. Die gute Maria starb am 4. Oktober am Nervenfieber, vierzehn Tage vor meiner Anstellung bei dem Prinzen Eugen. Dieser Verlust ging mir sehr nahe. Während meines Aufenthaltes in Wien war dieses Verhältniß immer inniger geworden, so daß es mir Besorgniß einzuflößen begann, da ich nicht daran denken konnte, mich jetzt schon zu binden und ich sie zu sehr verehrte, um nicht Anlässe zu vermeiden, welche sie zu Hoffnungen berechtigt hätten, die ich nicht realisiren konnte. Ich sah sie daher seltener als sonst, aber dieser Umstand war nur geeignet, ein glimmendes Flämmchen in eine verzehrende Flamme zu verwandeln.

Am Abende, bevor ich mich auf das Schlachtfeld von Wagram begab, war ich noch bei ihr und als ich des Morgens hinausritt, stieg ich einen Augenblick vom Pferde, sie noch einmal zu grüßen, weil ich sie den Abend zuvor so sehr bewegt gefunden. Beim Scheiden gab sie mir folgendes Briefchen in die Hand, mit der Bitte, es erst zu lesen, wenn ich Wien längst im Rücken hätte. „Lieber Adam! Ihr Abschied war mir gestern zu überraschend, weßhalb ich mich entschließe, ihn schriftlich zu wiederholen, und da Sie mich nicht mit einem forschenden Blicke dabei ansehen können, wenn Sie diese Zeilen lesen, so kann ich schriftlich offenherziger mit Ihnen sein. Wie ich Ihre Gegenwart vermissen werde, wissen Sie selbst, denn sie ist mir schon zum Bedürfniß geworden, ob Sie gleich nicht halb so oft zu mir kommen, als ich wünschte. Es thut mir oft recht leid, daß ich Sie nicht so empfangen und unterhalten kann, wie mein Herz mir sagt. Sie kennen meine dermalige Lage, daher hoffe ich, Sie schreiben es nicht auf Rechnung einer erkalteten Freundschaft. Wie selig fühlte ich mich bei jeder Rückerinnerung an München und Schleißheim, wo wir oft so kindlich heiter waren. Auch hier habe ich Ihnen manch’ frohe Stunde zu danken, die mich für so viele trübe entschädigen muß. Davon bleibt mir nichts als das Andenken zurück, das mir manche bange Sorge machen wird, wenn ich lange nichts mehr von Ihnen sehen oder hören sollte. Ich bitte Sie daher recht innigst, sich nicht ohne Noth in Gefahr zu begeben; erinnern Sie sich öfters Ihrer Eltern, die Ihrer so sehr bedürfen und denken Sie stets, daß Ihre Gesundheit und Ihr Glück zu den heißesten Wünschen Ihrer Freundin gehören. Ich weiß, Ihr treffliches Herz erkennt es, daß ich es redlich meine, so wie Sie glauben, ich sei die Ursache Ihrer dermaligen glücklichen Existenz. Das Schicksal wollte es so, daß wir uns finden, einander dienen und wieder verlieren sollten! Statt Dankbarkeit schenken Sie mir noch ferner Ihre aufrichtige Freundschaft. Mehr werden uns unsere Verhältnisse wohl nie erlauben können. Eben schlägt’s 12 Uhr, ich sage gute Nacht! Wenn Sie diesen Brief lesen, müssen Sie mit Ihrem Engländer schon lange im Freien sein. Noch einmal leben Sie wohl! Gott erhalte Sie, kommen Sie bald und gesund wieder und vergessen Sie nicht im Tumulte der Schlachten, daß in Wien im stillen Winkel Jemand sitzt, der sich nennt Ihre treue Freundin M.G. Wien, am 5. Juli 1809.“ – Es war in der That ein Abschiedsbrief und die letzten Zeilen von ihrer Hand, die mir heilig sind. Bei meiner Rückkehr fand ich sie schon kränkelnd. Ich mußte wieder nach Schönbrunn zurück, ritt aber des Abends öfters nach Wien, sie zu sehen. Sie starb als Opfer des Typhus, wie sie gelebt, edel und rein. Es war mir ein schmerzlicher Abschied für das ganze Leben. Nun schien mir meine neue Stellung zum Prinzen Eugen um so angenehmer, weil ich, in einer andern Weise beschäftigt, die Hoffnung hatte, Wien bald verlassen zu können, wo es mir unbehaglich geworden war. Ich sehnte mich nach dem Tage der Abreise.




7) Ludwig Fürst von Oettingen-Wallerstein (vgl. oben S. 9, Anmerkung).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers