Abschnitt 12

03 Feldzug von 1809.


Diese beiden Herren waren Niemand anders als der Prinz Eugen 6) und sein Adjutant, der Obrist Bataille, welcher leidlich gut deutsch sprach. De Bonti ließ mich am folgenden Morgen ganz früh an sein Bett rufen und lachte herzlich, daß ich den Prinzen nicht erkannte. Dieser hatte noch an demselben Abende nach dem Theater in Schönbrunn mit de Bonti gesprochen und ließ mir durch ihn wissen, daß er mich nach Italien mitnehmen wolle. Ich erbat mir seinen Rath hierüber und äußerte, daß ich ebensogerne mit ihm nach Frankreich gehen würde. Er erwiderte, daß ich ein solches Anerbieten vernünftigerweise nicht zurückweisen könne, ich wäre durch dasselbe zeitlebens geborgen und würde unter dem Schutze des Prinzen, der an meinen Arbeiten und meinem Benehmen großes Wohlgefallen gefunden, einer sehr angenehmen Stellung entgegengehen.


Nach einigen Tagen kam Obrist Bataille wieder und machte mir officiell die Mittheilung, daß Prinz Eugen mich in seine Dienste nehmen wolle, wenn ich mich entschließen könne, ihm auf Reisen und im Kriege überallhin zu folgen. Zugleich wurde ich gefragt, unter welchen Bedingungen ich hierauf einzugehen gesonnen sei. Meine Antwort war, daß ich dieses Anerbieten mit Dank annehme, daß ich aber weit entfernt sei, dem Prinzen Eugen Bedingungen zu stellen, ich glaube von einem so edeln Fürsten erwarten zu dürfen, daß er mir die Stellung anweisen werde, welche ich verdiene. Es war dies der natürliche Ausdruck meiner Denkart und der Bescheidenheit; aber ich hatte unter den gegebenen Umständen nicht ganz Recht, ich hätte meine Bedingungen ziemlich hoch stellen dürfen, wie ich später aus sicherer Quelle erfuhr.

Am 6. Oktober erhielt ich den ersten Auftrag von meinem neuen Gebieter: ich wurde in Begleitung des Obristen Bataille nach Raab in Ungarn geschickt, um das dortige Schlachtfeld zu zeichnen. Unter erschwerenden Umständen erfüllte ich zu großer Zufriedenheit des Prinzen diese Aufgabe.

Diese Mission wurde mir nämlich während des Waffenstillstandes zu Theil, und das Schlachtfeld, welches zwei kleine Stunden von Raab entfernt lag, war mehr als zur Hälfte in den Händen der Oesterreicher, besonders jener Theil, wo ich meine Zeichnung machen sollte. Gleich am Tage nach unserer Ankunft, an einem heitern, schönen Herbstmorgen, ritt eine ganze Kavalkade von Generalstabs- und anderen Offizieren mit uns hinaus; es machte diesen Herren Vergnügen, den Obristen Bataille und Adjutanten des Prinzen Eugen als Gast dadurch zu ehren. Nöthig hätten wir ihrer nicht gehabt, denn Bataille, der die Schlacht mitgemacht, war genugsam orientirt. Bei dem letzten Vorposten saßen wir ab und überschritten zu Fuß, um weniger aufzufallen, die Demarkationslinie; aber nach kaum hundert Schritten zeigte sich in der Ferne unter den österreichischen Vedetten eine Unruhe. Es dauerte auch nicht lange, so ritt ein Trupp Husaren auf uns zu. Wir waren eben an einer kleinen Brücke angelangt, die über einen Bach führte, welcher die Gränze bezeichnete. Bataille rieth mir, meine Mappe mit dem Zeichenmateriale unter die Brücke zu verbergen; kaum hatte ich diesen Rath befolgt, als die Husaren uns umringten. Ein Wachtmeister fragte, was wir hier wollten? Die Antwort lautete: Wir wollten eine kleine Promenade machen; jener bemerkte hierauf, daß wir drüben Platz genug zum Spazierengehen hätten, wir sollten machen, weiter zu kommen, um nicht Unannehmlichkeiten ausgesetzt zu sein. Ich barg mich hinter der Brücke. Die Husaren aber ritten, nachdem die Offiziere sich entfernt hatten, zurück und achteten nicht weiter auf mich. Ich schlich mich mit meiner Mappe fort und suchte auf Umwegen unbemerkt mich einem Platze zu nähern, um die verlangte Zeichnung zu machen. Eben bei einigen Häusern angelangt, hörte ich Fußtritte von Pferden; ich schlich sofort in einen Hof und verbarg mich unter Gesträuchen. Es war eine Husarenpatrouille, welche vorüberzog. Ich trug 150 Louisd’ors in meinem ledernen Gürtel unter den Kleidern, und es wäre mir übel ergangen, wenn jene Kerls mich erwischt hätten.

Sobald die Husaren aus dem Gesichtskreis entschwunden, gab ich Fersengeld und erreichte glücklich die französischen Vorposten. Somit mußten wir unverrichteter Dinge nach Raab zurückkehren.

Nunmehr verlegte man sich auf Unterhandlungen. Der Gouverneur von Raab, General Narbonne, schrieb an den österreichischen Kommandirenden, Feldmarschall-Lieutenant Hiller, mir die Erlaubniß auszuwirken, daß ich eine ganz flüchtige Skizze des Schlachtfeldes zeichnen dürfe, welche Prinz Eugen als Andenken zu besitzen wünsche. Dieser aber lehnte es ab und verwies an den Feldmarschall Bellegarde, und dieser an den Erzherzog Johann. So verstrichen sechs Tage mit Unterhandlungen über eine so geringfügige Sache. Obrist Bataille war indessen nach Wien zurückgegangen und ließ mich auf gut Glück in Raab. Als noch immer kein Bescheid kam, riß mir die Geduld, ich ersuchte den Gouverneur, mich mit seinem Wagen unter Eskorte bis an den äußersten Vorposten bringen zu lassen. Dann setzte ich mich, nachdem die Pferde ausgespannt waren, um etwas erhöht zu sein, auf das Dach des Wagens und zeichnete unter den Augen der Oesterreicher und unter dem Schutze französischer Chasseurs à cheval, soviel man von diesem Standpunkte aus sehen konnte. Zu Hause berichtigte ich mit Hilfe von Karten und Plänen das Mangelnde, setzte die Zeichnung in einen andern Augenpunkt und erreichte so meinen Zweck.

Bei dieser Mission gab ich aber dem Gouverneur mein Gold in Verwahrung; das Herzklopfen, welches dasselbe mir sechs Tage früher gemacht hatte, war mir noch zu lebhaft im Gedächtnisse.

Hier machte ich auch an dem würdigen, alten Generale Narbonne, welcher Gouverneur in Raab war, eine mir sehr angenehme Bekanntschaft: ich erwarb mir seine Gunst, war sein täglicher Gast und in den schönen Gesellschaften anwesend, welche er gab. Er fragte oft, wenn er mich nicht bemerkte: „Où est donc mon petit peintre?“ Oft fand sich in seinem Hause eine Elite schöner Damen zusammen, denn Narbonne war trotz seiner Silberhaare sehr galant und die Damen schaarten sich gerne um ihn.

So verlebte ich auch hier sehr angenehme Tage; um jedoch nicht ganz müßig zu gehen, machte ich, weil ich keine Farben bei mir hatte, eine Sepiazeichnung Narbonne’s zu Pferd. Er war ein guter Reiter und ritt ein junges noch nicht vollkommen zugerittenes Pferd, das ihm viele Freude machte. Ueberhaupt fand man damals bei der Armee noch recht gute Reiter, besonders unter den älteren Herren, welche aus der Schule von Versailles waren. Maret saß zu Pferde trotz einem Stallmeister, auch Savary ritt, als ich ihn malte, ein schönes spanisches Pferd mit vielem Anstande. An kühnen und raschen Reitern fehlte es natürlich nicht, deren gab es genug.




6) Eugen, Herzog von Leuchtenberg, geb. 3. September 1781, Sohn des Generals Beauharnais und der Josephine Tascher de la Pagerie, wurde 1796 Stiefsohn Napoleons, hierauf schnell Oberst, Brigade- und Divisionsgeneral, 1805 Prinz und Vice könig von Italien, 1806 mit der Prinzessin Amalie von Bayern vermählt, zeichnete sich im Kriege 1809 aus, wurde 1810 zum Großherzog von Frankfurt designirt, war 1812 mit in Rußland, 1813 bis zum Waffenstillstand in Deutschland, vertheidigte hierauf Oberitalien bis zu Napoleons Sturz, lehnte zu Paris die Anträge Ludwigs XVIII. ab und ging nach München, wo er den 21. Februar 1824 starb. Sein Mausoleum von Thorwaldsen befindet sich daselbst in der Michaelskirche. Vgl. die seither vergessene, immer noch nicht überbotene Monographie. Erinnerungen aus den Zeiten und dem Leben Eugens, Herzogs von Leuchtenberg, nach authentischen Quellen von Heinrich Seel (Sulzbach 1827). Die im Besitze der Stadt München befindliche sogen. Maillinger-Sammlung (Bilderchronik der königl. Haupt- und Residenzstadt München von Jos. Maillinger. München 1876, I. 192, Nr. 2015–2036) besitz zweiundzwanzig Portraits des Prinzen nach verschiedenen Meistern in Stich und Lithographie (darunter auch eines, den Prinzen zu Pferd in der Schlacht an der Moskwa darstellend, bezeichnet: „dess. sur les lieux par Albrecht Adam.“ Gr. Fol. Lithogr.), ein sprechender Beweis für die große Popularität, welche der Prinz zu München genoß.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers