Abschnitt 4

08 Durch die Schweiz nach Italien. Idylle am Comersee. München.


In frühester Jugend schon hatte ich zwei Dinge gelernt, welche Charakter eines Mannes eine große Selbständigkeit und Festigkeit geben. Sie heißen Entbehren und Arbeiten. Wer diese richtig erfaßt und etwas gelernt hat, wodurch er sich eine Existenz zu gründen im Stande ist, wird niemals ängstlich in die Zukunft blicken. Mit dem Muth, welchen sie uns einflößen, habe ich oft Schritte gethan, welche ein Anderer kaum zu denken wagt, und selbe immer glücklich zum Ziele geführt. Nie beschlich mich die Sorge, durch eine Anstellung meine Zukunft zu decken; ich war mir meiner Kraft bewußt und Arbeit war mir schon zur Lust geworden.


Nun nachdem die ersehnte Erlaubniß des Vicekönigs erfolgt war, ergab sich der Abschluß der Civilehe ohne Schwierigkeit; dagegen begannen erst die Monate lang dauernden Plagereien wegen der kirchlichen Trauung, wobei der Umstand erschwerend wirkte, daß ich Protestant war und demnach eine Verschiedenheit der Religion bestand, weßhalb ganze Stöße Papier verschrieben und bezahlt werden mußten. Endlich riß mir die Geduld. Da mir aus Rücksicht auf meine Schwiegereltern die bloße Civilehe nicht genügte, so machte ich ihnen den Vorschlag, ihre Tochter mit einem wackern alten Onkel als Bevollmächtigten der Eltern und in Begleitung meines Bruders nach München reisen zu lassen. Mein Bruder leitete in München das Nöthige ein, und sobald ich Nachricht erhielt, daß kein weiteres Hinderniß meiner Trauung im Wege stehe – erst später erfuhr ich, daß ich es den loyalen Gesinnungen des vortrefflichen alten Königs Max zu danken hatte – nahm ich Urlaub und eilte nach München, wo ich drei Tage nach meiner Ankunft mit meiner Magdalena Sander kirchlich getraut wurde.

Vor meiner Abreise von Mailand brachte ich mein Bild von der Schlacht bei St. Michael zur Vollendung. Es war trotz so mancher Störungen eines meiner besten Werke und machte meinem gnädigsten Herrn große Freude. Ich war angewiesen, das Bild in einem Saale der Villa Napoleone aufzustellen, als eben ein Theil des Hofes dort versammelt war. Nahezu eine Stunde stand ich so allein vor meinem Bilde und fühlte eine entsetzliche Unzufriedenheit mit meiner Leistung. Plötzlich öffneten sich die Flügelthüren, der Prinz trat mit seiner Gemahlin und übrigen Begleitung ein, verweilte sehr lange vor dem Bilde, erklärte seiner Gemahlin alles und bezeugte seine größte Zufriedenheit. Es konnte mir unter diesen Verhältnissen an Beglückwünschungen nicht fehlen, welche mich nicht rührten, weil sie doch nur das Echo von oben waren. Nachdem der Hof sich entfernt hatte, eilte de Saive noch einmal zurück und sagte: „Das muß Sie doch recht freuen!“ – „Ja,“ sagte ich, „es freut mich, daß es mir gelungen ist, den Prinzen zu befriedigen; aber wissen Sie, was ich dachte, eh er kam? Ich dachte bei mir selbst: wenn ich nur ein Messer nehmen und das ganze Bild in Stücke schneiden dürfte, um es wieder ganz neu anzufangen, so wäre ich recht froh darüber.“ De Saive ging kopfschüttelnd weg und sagte: „O wunderliches Künstlervolk!“

Nur wenige Monate war es uns in München gegönnt unser Glück zu genießen, ein feindseliges Geschick riß mich nur zu bald von meiner geliebten Gattin.

Der Krieg mit Rußland war beschlossen! ich hatte mich verbindlich gemacht, die Befehle des Vicekönigs in München abzuwarten. Man rechnete mit ziemlicher Bestimmtheit darauf, daß er über München kommen würde, später erfuhr ich aber, daß er nach Paris gegangen, und sehr lange war ich in Unkenntniß, was über mich beschlossen sei. Diese Stille fing an mich zu beunruhigen, der Gedanke, der Prinz oder die Offiziere, welche ihn umgaben, könnten glauben, ich habe mich zur rechten Zeit feige mit meiner Gattin davon geschlichen, um mich in Vergessenheit zu bringen, wäre mir unerträglich gewesen, und so schmerz voll der Gedanke an die baldige Trennung von meiner Gattin war, so überwogen doch meine strengen Begriffe von Ehre und Pflicht alles andere; ich würde es für eine Schande gehalten haben, wenn mich der Prinz ruhig in München gelassen hätte. Doch der Befehl zur Abreise ließ nicht mehr lange auf sich warten.

An einem wunderschönen Maitage machte ich mit meinem lieben Weibchen einen Spaziergang nach dem nahe gelegenen englischen Garten, wir waren aber noch nicht weit gekommen, als wir an einer Brücke Offiziere herannahen sahen. Mein armes Weibchen entfärbte sich, schrak zusammen und sagte: „Ein Adjutant des Vicekönigs! Nun wird’s Ernst!“ Auf der Mitte der Brücke begegneten wir uns. Nach der ersten Begrüßung redete mich der Adjutant an: „Ich habe Befehle des Prinzen für Sie zur schnellen Abreise.“ Somit war das harte Loos entschieden, welches uns für lange Zeit trennte.

Bald nach unserer Trauung fand ich in einer freundlichen Straße Münchens eine recht passende Wohnung. Ich hatte den jüngsten Bruder meiner Frau aus Mailand mitgebracht, er sollte nach dem Wunsche seiner Eltern in München die Schulen besuchen. Ebenso wohnte bei mir meine jüngste Schwester, welche ich aus Ulm hatte kommen lassen, und mein Bruder Heinrich. Unter deren Schutz und der Obhut einer sehr achtbaren nahe verwandten Familie ließ ich mein liebes Weibchen in München zurück und trat am 11. Mai den Marsch in den unheilvollen Feldzug an, aus dem so wenige wiederkehrten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers