Abschnitt 3

15 Der italienische Krieg 1848.


Meine Stellung wurde mit jedem Tage angenehmer. Alles war bemüht, mir Beweise von Aufmerksamkeit zu geben. Clam führte, als einer der reichsten böhmischen Cavaliere, ein großes Haus. Er war ein durchaus ritterlicher Charakter und hatte sich in diesem Kriege sehr ausgezeichnet und das Theresienkreuz erhalten, weßhalb er große Achtung genoß. Dabei liebte er auch sehr die Kunst. Ich fand es darum sehr erwünscht, in Mailand einen solchen Mäcenas gefunden zu haben.


Von nun an war ich in Mailand doppelt angenehm gestellt, sowohl durch das liebreiche Entgegenkommen bei dem Feldmarschall, wie auch durch den so sehr geachteten Grafen Clam.

Meine beabsichtigte Reise auf die Schlachtfelder wurde nun freilich durch diese Arbeit, sowie durch ein Portrait zu Pferd, welches ich von dem Feldmarschall malte, um mehrere Wochen verzögert. Radetzky saß mir zu seinem Bilde eine ganze Stunde zu Pferd und gab mir ein paar Sitzungen im Zimmer, was mich in den Stand setzte, ein recht ähnliches Portrait von ihm zu machen.

Ich kann nicht umhin, eine Scene zu erwähnen, welche mir damals begegnete und bezeichnend ist für die Stimmung, welche in der österreichischen Armee herrschte. Als ich mit dem Bilde des Feldmarschalls so weit war, daß ich von Reiter und Pferd keine Sitzung mehr nöthig hatte, wünschte ich es in das Palais Greppi zu bringen. Da es aber noch nicht trocken genug war, hegte ich Besorgnisse wegen des Transportes. Man ließ mir darum den Wagen des Marschalls einspannen und brachte mich in ihm sammt dem Bilde nach dem Hause. Clam hatte ein Piquet Kroaten damals als Wachtposten bei sich; etwa acht Mann desselben standen vor dem Hause, und neugierig, wie es ihre Art ist, streckten sie schon von Ferne, als sie den Wagen sahen, ihre langen Hälse. Als ich ausstieg, riefen sie laut: „Ah, dos is jao unser aolter Heer!“ und wollten mir das Bild abnehmen; aber ein paar Artilleristen machten sich mit dem Ellenbogen Platz durch den Haufen, nahmen das Bild und trugen es hoch in der Luft, damit es ja nicht beschädigt werde, wie ein Heiligenbild, zwei Treppen hoch hinauf in mein Zimmer. Der ganze Schwarm Kroaten lief hinter ihnen her; erst vor meiner Thüre, nachdem ich das Bild in Empfang genommen, machten sie Halt.

Meine Stellung ließ mir nichts zu wünschen übrig: ich war überall der Gefeierte und alles bemühte sich, mir Aufmerksamkeit zu beweisen; selbst gute Pferde zum Reiten standen mir zu Gebote, was mir sehr großes Vergnügen bereitete. Sehr oft ritt ich mit, wenn Radetzky mit großem Gefolge auszog, um Truppen zu begrüßen und zu mustern, was er jedesmal that, so oft neue in Mailand an- oder durchkamen.

Sobald ich die beiden begonnenen Bilder so weit gebracht hatte, daß ich sie überall vollenden konnte, wo es mir beliebte, schickte ich mich an zur Reise auf die Schlachtfelder. Das Bild für Graf Clam hatte mir viele Arbeit gekostet, da außer andern Episoden noch fünf Reiterportraits auf demselben sich befinden. Mein Sohn machte, während ich diese Arbeiten in Händen hatte, viele Studien, die mir später bei Ausführung größerer Werke sehr gute Dienste leisteten.

In Begleitung eines Hauptmanns vom Generalstabe und meines Sohnes Eugen machte ich mich zu Anfang September auf den Weg. Unser erster Halt auf dem Kriegsschauplatze war bei Volta, diesem sowohl durch seine schöne Lage, als auch durch die dort vorgefallenen Gefechte höchst interessanten Ort. Von da gingen wir nach dem ebenso schön gelegenen Valleggio. Beide Orte liegen in einem fruchtbaren Hügellande, das vom Mincio durchschlängelt ist. Wir durchwanderten es an einem schönen Abende und wunderten uns nicht wenig, daß alle Spuren des Krie ges verschwunden waren. Singend durchzog Arm in Arm eine lange Reihe schöner Landmädchen das üppige Thal. Hell wiederhallten die vollen Töne ihrer Kehlen an der Mauer eines alten Schlosses, das sich auf einem Hügel über Valleggio erhebt. Alles, was wir hier sahen, erregte in uns ganz eigene Eindrücke: wir waren gekommen die Spuren des Krieges zu suchen, und es hatte das Aussehen, als ob dort ewiger Friede herrschte, denn auch die Einwohner sahen fröhlich aus und begegneten uns sehr freundlich.

Am folgenden Morgen brachen wir nach Custozza auf. Hier waren wir nicht glücklich in der Wahl der Situation, die wir zeichneten. Unser Begleiter, obwohl er der Schlacht beigewohnt, war entweder nicht genügend von dem ganzen Verlauf derselben unterrichtet, oder zu bequem, das große und sehr unebene Terrain mit uns zu durchwandern. Er führte uns nach Custozza, aber hier hatte die Schlacht ihr Ende gefunden. Dieser Punkt bot darum zu wenig Stoff, um ein anschauliches Bild von dieser bedeutenden Schlacht geben zu können. Wir machten eine saubere Zeichnung von Custozza und verloren unsere Zeit. Erst zwei Jahre später, als ich von König Ludwig den Auftrag erhielt, ein größeres Bild dieser Schlacht zu malen, gelang es mir, eine genaue Kenntniß des Terrains und des Herganges der Schlacht zu bekommen. Ich ging damals von München aus nochmals dorthin. General Salis und ein tüchtiger Generalstabsoffizier waren so gefällig, mich auf das Schlachtfeld zu begleiten und mich auf alle wichtigen Punkte aufmerksam zu machen. Das Terrain, auf welchem dieser blutige, zwei Tage lang dauernde Kampf vor sich ging, bietet außerordentlich schöne Stoffe für Bilder; man könnte recht gut ein halbes Dutzend interessanter Darstellungen davon machen. Es ist ein Hügelland, durchbrochen von Thälern und Schluchten, und hat südlich schön geformte Gebirge zum Hintergrunde. Die Schlacht von Custozza, obwohl sie ein großes Ganzes bildet, theilte sich in viele einzelne Gefechte, die unzählige Beweise der Tapferkeit und Ausdauer der österreichischen Truppen boten. Alles, was ich darüber hörte, setzte mich in Begeisterung.

Von Custozza gingen wir nach Sommacampagna, das sich auf einer üppig bewachsenen Anhöhe erhebt, die sich bis gegen den Gardasee mehrere Stunden weit hinzieht. Auch dieser Ort bietet sehr guten Stoff zu bildlichen Darstellungen. Er ist an dem Hügel hinaufgebaut und endet oben mit einer ansehnlichen Kirche, die einen hohen Thurm hat und von einer Cypressengruppe umgeben ist, wodurch sich dieser Punkt in weiter Ferne bemerkbar macht. Hier wurde heftig gekämpft, da die Anhöhen Schritt für Schritt mit Sturm genommen werden mußten. Die Piemontesen leisteten hartnäckigen Widerstand.

Von da gingen wir nach Verona und am folgenden Morgen auf das Schlachtfeld von Santa Lucia, ein Ort, der besonders merkwürdig dadurch geworden ist, weil hier durch die außerordentliche Tapferkeit der österreichischen Truppen und ihrer Anführer dem Vordringen der Piemontesen Grenzen gesetzt wurden. Hier endete die kurze Heldenlaufbahn Karl Alberts; er hatte sich keines Sieges mehr über den österreichischen Doppeladler zu rühmen.

Hierauf besuchten wir Vicenza. Diese schöne Stadt mit ihren interessanten Gebäuden und Palästen liegt in einer der reizendsten Gegenden der Lombardei am Fuße des Monte Berico. Das anmuthige Thal, in dem sich die Stadt ausdehnt, macht durch seine üppige Vegetation einen so freundlichen Eindruck, daß man Mühe hat, sich eine Schlacht dort recht zu vergegenwärtigen. Es ist immer schwer, da, wo die Landschaft so sehr dominirt, ein ansprechendes Schlachtgemälde zu machen, weil sich die Figuren in der Vegetation zu sehr verlieren und klein und armselig aussehen. Solche Bilder erregen immer mehr den Eindruck einer staffirten Landschaft, als den eines tragisch-historischen Bildes, was doch ein Schlachtgemälde sein soll.

Von dem herrlichsten Wetter begünstigt stiegen wir tagelang bergauf, bergab. Alles was ich sah und von der hier vorgefallenen Schlacht in Erfahrung brachte, interessirte mich im höchsten Grade, aber ich konnte keinen Punkt finden, von dem aus sich ein Bild der ganzen Schlacht darstellen ließ, wenn ich nicht wenigstens eine Leinwand von 40–50 Fuß dazu nahm. Dagegen bieten die Höhen des Monte Berico ungemein schönen Stoff zu Darstellungen einzelner Gefechte. Es wurde dort mit Heldenmuth eine Höhe nach der andern erstürmt. Unter so vielen Braven, die in diesen Kämpfen fielen, war auch der tapfere Oberst Kobalt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers