Abschnitt 2

15 Der italienische Krieg 1848.


Als wir auf die Terrasse heraustraten, wandte sich Graf Ingelheim etwas nach rechts. Dort saß ein kleiner Herr mit einem röthlich-blonden Perrückchen und Vertrauen einflößender Miene zwischen zwei Generälen auf einer Gartenbank. Diesem näherte er sich ehrerbietig; es war der Feldmarschall. 1)


Ich war in einiger Entfernung zurückgeblieben, sobald aber Ingelheim mich gemeldet hatte, stand Radetzky aus, kam auf mich zu und rief, indem er mir treuherzig beide Hände entgegenstreckte: „Seien Sie uns herzlich willkommen hier im Hauptquartier!“ In dem freundlichsten Tone sprach er geraume Zeit mit mir und erkundigte sich nach den Zuständen in Bayern. Dann wandte er sich an den Feldmarschall-Lieutenant Heß: „Sorgen Sie dafür, daß dem Herrn Adam ein wohl unterrichteter Offizier beigegeben wird, der ihn an alle wichtigen Punkte begleitet; auch müssen wir darauf bedacht sein, daß dem Herrn Adam keine Kosten durch die Reise bereitet werden.“ Dann stellte er mich noch einigen der bedeutendsten Generäle vor, darunter Wallmoden und Schwarzenberg. Die übrigen kamen nach solchem Empfange selbst, mich anzureden. Verwundert blickte ich um mich her, so plötzlich in den Kreis der hervorragendsten Persönlichkeiten jener Zeit mich versetzt zu sehen. Der alte General Graf Wallmoden, d’Aspre, zwei Fürsten Lichtenstein, drei Schwarzenberg, Schönhals und eine Menge Generäle und Obristen, darunter der kühne tapfere Obrist des Regimentes Prohaska, Baron von Reischach, nebst einer großen Anzahl von Adjutanten und Offizieren aller Grade war auf jener Terrasse in traulicher Unterhaltung versammelt: ein wahrer Heldenkreis. Erstaunt war ich über den cordialen, zwanglosen Ton, der dort herrschte. Man merkte deutlich, daß man sich in einem Kreise befand, in dem nur das wahre Verdienst galt und der Werth des Mannes nach seinen Thaten gewogen wurde. Radetzky aber hieß die Seele des Ganzen. Nicht blos durch sein militärisches Talent wirkte er die Wunder, welche Europa in Erstaunen setzten; sein richtiges Gefühl, sein treffliches Herz voll Menschenliebe war es, das einen Zauber über alles verbreitete, was ihn umgab und das ein so festes Band um alle schlang, die unter seinen Befehlen standen. Wer das nicht gesehen und keinen tiefern Blick in das Hauptquartier Radetzky’s gemacht, dem wird es immer schwer bleiben, sich eine klare Vorstellung von dem Geiste der Einheit zu bilden, der hier herrschte.

Mit vielen Anwesenden wurde ich noch an diesem ersten Tage bekannt; ich wurde sichtlich ausgezeichnet und konnte aus allem schließen, daß ich ein willkommener Gast sei.

Als ich bemerkte, daß der Kreis sich zu lichten anfing, näherte ich mich noch einmal dem Feldmarschall, um mich zu verabschieden und ihm für die liebreiche Aufnahme zu danken. Er sagte: „Sie sind hier kein Fremder, ich kenne Sie schon lange aus Ihren Werken und freue mich recht, daß Sie mir das Vergnügen verschafft haben, Sie persönlich kennen zu lernen; ich muß Sie nun noch mit unserer Hausordnung bekannt machen: um halb 7 Uhr wird gefrühstückt, um 4 Uhr zu Mittag gegessen. Je öfter Sie kommen, desto angenehmer wird es für mich sein.“

Nachdem ich mich verabschiedet hatte, lud mich der Obrist Baron von Reischach ein, mit ihm zu fahren, um mich mit einem interessanten Offiziere, dem Rittmeister Grafen von Mensdorf bekannt zu machen. An diesem lernte ich einen geistvollen Mann kennen, der viel Talent für die Kunst zeigte und geniale Compositionen aus dem neuesten Kriegsleben gemacht hatte. Besonderen Geschmack hatte er jedoch für Karikaturen, die gewöhnlich sehr treffend waren. Er würde, wenn er eine ernstere Richtung verfolgt hätte, Tüchtiges geleistet haben; aber in Oesterreich ist der Witz voran beliebt, und dabei verliert man nur zu leicht das Ernste aus den Augen. Leider war Mensdorf damals fieberkrank und reiste bald darauf von Mailand ab.

So kam der späte Abend heran, und ich gelangte gar nicht recht zur Besinnung über all das, was in so kurzer Zeit um mich her vorgegangen. Wie ein Trunkener kehrte ich in meinen Gasthof zurück.

Der Empfang im Hauptquartier hatte alle meine kühnsten Erwartungen weit übertroffen, das Glück kam mir in allem entgegen und gab mir reichsten Ersatz für einige muthvoll durchgekämpfte, trübe Jahre. Erst als ich zu Hause etwas zur Ruhe gelangte, konnte ich über die Erlebnisse des Tages nachdenken. In derselben Villa, in der Prinz Eugen mir in meinen Jugendjahren Beweise seiner Gunst gegeben, wo ich ihm die ersten größern Werke meiner Hand vorstellen durfte, wo 1814 der Feldmarschall Bellegarde mich ausgezeichnet und unter den Helden jener Zeit wie ein gefeierter Künstler mich geehrt hat, wurde mir 34 Jahre später ein solcher Empfang zu Theil. Welche Erinnerungen mußte das in mir hervorrufen!

Hätte ich mich nicht nach zwei beschwerlichen Nachtreisen und diesem unruhigen Tage so ermüdet gefühlt, würde ich kaum viel geschlafen haben. So erwachte ich am nächsten Morgen frühzeitig nach einem erquickenden Schlafe recht heiter.

Ich saß eben recht behaglich bei einer guten Tasse Kaffee, als ein Gensdarm mir folgendes Schreiben überbrachte: „E.W.! Seine Excellenz, der Herr Feldmarschall hat mich beauftragt, Sie zu erinnern, daß um 4 Uhr gespeist wird, und zu sagen, daß es ihn freuen würde, wenn Sie, solange Ihr Aufenthalt in Mailand dauert, sein Gast sein wollten. Hochachtungsvollst etc. Eberhardt, Major.“ Den Empfang des Schreibens mußte ich quittiren. Ich machte von der Einladung Gebrauch und saß bei Tische Radetzky gegenüber zwischen zwei Generälen.

War ich den Abend vorher verwundert über den cordialen Ton in der Versammlung, die ich auf der Terrasse traf, so war ich es jetzt noch mehr über die zwanglose Heiterkeit, die bei Tische herrschte. Es waren fast immer vierzig und auch noch mehr Gäste anwesend. Witz und heitere Einfälle, an denen Radetzky selbst Antheil nahm, wechselten mit ernster Unterhaltung und der gute, alte Herr saß fröhlich unter seinen Gästen und ließ sich sein Mittagsmahl trefflich schmecken.

Uebrigens lebte er sehr einfach: des Morgens trank er Thee, während den Gästen Kaffee servirt wurde. Abends nahm er blos Suppe. Nach Tische begab man sich gewöhnlich auf die Terrasse im Garten, wo die Conversarion 1–2 Stunden dauerte und die treffliche Musikbande des Regimentes Prohaska spielte. Ein Theil der Gäste erging sich auch nach Belieben in dem schönen Garten. Die verschiedenen Uniformen derselben boten zwischen dem dunklen Grün der Bäume einen hübschen Anblick.

Nach der Tafel sagte mir der Obrist Baron Reischach, daß der General Graf Clam-Gallas meine Bekanntschaft zu machen wünsche und ihn ersucht habe, mich am nächsten Morgen zu ihm zu bringen. Dort wurde mir eine neue Freude zu Theil. Graf Clam-Gallas drückte den Wunsch aus, sein Portrait zu Pferde mit irgend einer Episode aus der Schlacht von Custozza (Valleggio) von mir gemalt zu haben, ein Auftrag, den ich um so lieber übernahm, als der Stoff ein sehr dankbarer war.

Clam-Gallas, von äußerst vortheilhafter Erscheinung, galt als einer der schönsten Männer und besten Reiter in der Armee, groß, wohlgestaltet, mit einem charaktervollen Kopf. Sein Stall war mit acht edlen Pferden besetzt, aus denen ich das für mein Bild geeignetste wählen konnte. Ich wurde im Hause des Generals einlogirt, sehr liebreich empfangen und mit großer Auszeichnung behandelt; dort fand ich auch ein passendes Lokal zum Malen. Ungesäumt besorgte ich das Nöthige, um das Bild zu beginnen.

Graf Clam bewohnte ein sehr geräumiges Haus, die Casa Greppi, in welcher der Sardenkönig Karl Albert mehrere schmachvolle Stunden zugebracht hatte, als er, der geschlagene Feldherr, auf dem Rückzug in Mailand verweilte. In meinem Zimmer steckten in den Fensterrahmen und im Plafond noch ungefähr ein Dutzend Kugeln, welche die Mailänder auf ihn abgefeuert hatten, zum Danke für die Bemühungen, die er sich ihretwegen gegeben hatte.




1) Joseph Graf Radetzky, kais. österreichischer Feldmarschall, geb. 2. November 1766 zu Trebnitz in Böhmen, gest. 5. Januar 1858 zu Mailand. Vgl. Wurzbach, Lexikon 1872, XXIV. 177 ff. In diesem bewunderungswürdig gearbeiteten Werke finden sich auch die Biographien der nachfolgend von Adam genannten höheren Offiziere, worauf wir hier der Kürze wegen verweisen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers