Regen, Regenzauber und Verwandtes

Die Regen sind die großen Ereignisse im trockenen Süden Tunesiens, hängt doch von ihrem rechtzeitigen Eintreten der Ausfall der Ernte und damit das Wohl und Wehe der Eingeborenen ab! Es erhellt daher von selbst, dass sich der Geist jener Leute mit diesem Naturereignisse viel beschäftigt; gar gern möchte man bisweilen den ersehnten Regen durch Gebet oder durch Zauberei herbeiholen, — könnte doch bisweilen ein einziger Regenguss im Beginne des Sommers die verdurstenden Saaten vor dem Vertrocknen bewahren. Ein Sprichwort sagt: „ein Sommerregen ist wie die Erzählung eines Gastes“, — nämlich angenehm und wohltuend.

Fast alljährlich werden hier Gebete um Regen abgehalten (man vergleiche in Bezug auf diese Zeremonie meinen Aufsatz im Pester Lloyd, 1903, No. 134). Als neu teile ich folgendes mit: in den Jahren großer Trockenheit halten hier in Sfax die kleinen Mädchen Umzüge in den Straßen, eben um Regen herbeizuzaubern. Sie legen zwei Hölzchen in Form eines Kreuzes übereinander, bekleiden dieses Gerüst mit einer Jacke und bedecken den unteren Teil derselben mit Tüchern, so dass das Ganze wie eine kleine Puppe aussieht, die einer arabischen Frau entfernt ähnelt.


Diese Puppe tragen die Kinder in den Straßen herum, halten ab und zu vor einem Hause von Bekannten an und sprechen dazu in singendem Tone die folgenden Verse:

„Tatâmbu mit ihrem Gürtelchen
betete zu Gott, dass er ihre Gebete nicht unerhört lassen möge;
Tatâmbu, ihr Frauen, mit bezzîna (d. i. ein Teig aus Stärkemehl und Öl) und hasâ (d. i. ein Griesbrei);
Tatâmbu, ihr Mädchen, mit bezzîna und qlâja (d. s. in Öl gebratene Leber- oder Nierenstücke)!
Das ist das Kopftuch des jungen Mädchens, —
möge es uns einen starken Regen verschaffen!
Das ist das Kopftuch der Witwe, —
möge es uns einen schnellen Regen geben!
Das ist das Kopftuch der verheirateten Frau, —
möge es uns einen Regen in die Zisterne geben!
Das ist das Kopftuch der Schönen, —
möge es uns heute Abend noch Regen geben!"

Die Kinder schließen ihren Spruch stets mit dem Ausdrucke: „O Frau!" bedeutet, und bitten damit die Hausfrau, die ihnen dann die Tür auftut, um etwas Speise.

Erfolgt nun — herbeigezaubert oder auf natürlichem Wege — der
ersehnte Regenguss, so begrüßen ihn verschiedene Lieder; so z. B.:

„Regen, o Regenguss,
tränke die Wurzeln des Feigenbaumes!
Tränke Muhammed und Ali
und Fâtma, die Tochter des Propheten!
Es kam der Freund sie zu besuchen,
und traf sich mit ihr in ihrem Hause.
Er fand Steine und fand den Regen
und traf ein Knäblein, das einen Monat alt war.
Weggeworfen am Ufer des Meeres.“

Ähnliche Lieder vgl. bei Stumme, Neue tunis. Samml. (Nr. 4 — 6) und Märchen u. Ged. aus Tripolis (S. 62—65).

Bei einem stark strömenden Regen hört man z. B. auch folgende Aussprüche:
„was den Durst löscht, möge dir zum Heile gereichen!“; so sagen die Leute, die sich nach einem starken Regen begegnen. Darauf antwortet der Angeredete: „möge dir das Glück zuteil werden!“ Einen starken Regen nennt man: „Glück Gottes.“ Erzählt man von einem Regen, der vor kurzem gefallen, so setzt man sofort dazu: „Möge Gott (alles) zu gutem Ende führen!“

Herrscht einmal großer Regenmangel, so hat dies nach dem Glauben der Sfaxer darin seinen Grund, dass eine junge Negerfrau die zelua (s. S.6 Nr. 6) durchgemacht habe! Unter den Arabern der hiesigen Gegend wohnen zahlreiche Neger und Negerinnen, meist Abkömmlinge ehemaliger Sklaven, die so ziemlich die Sitten und Gebräuche ihrer einstigen Herren angenommen haben, jedoch gewissen Zeremonien (so auch die der erwähnten, sich nicht unterziehen. Kommt es nun aber doch einmal vor, dass eine Negerin sich wie eine Weiße als Braut die zélua leistet, so hat es die obenerwähnte Folge: der Regen mag nicht herabfließen!

Vorzeichen des Wetters sind natürlich auch hier bekannt. So schließen die Eingeborenen hier z. B. nach dem Verhalten des Himmels an den drei ersten Tagen des Augusts, die arabischen Hundstage auf die Witterung.

Erscheinen am ersten Tage dieser Periode Wolken, so wird der Herbst regnerisch sein; steigen sie erst am zweiten Tage auf, so ist ein nasser Winter zu erhoffen; bedeckt sich der Himmel am dritten Tage, so verspricht dies reichliche Niederschläge im kommenden Frühjahre. Als ein sicheres Zeichen bald eintretenden Regens gilt: wenn ein Hund ins Feuerbecken uriniert. Ich erinnere mich eines solchen Vorfalles in einem Beduinendorf der Umgebung von Sfax. Kaum war es geschehen, so begannen die Frauen ihre Habe und die Tiere in Sicherheit zu bringen und lachten dann spöttisch meiner Ungläubigkeit, als wirklich nach ungefähr einer Stunde ein Gewitter über die Zelte niederging.