Liebeszauber

Ungemein verbreitet, insbesondere unter dem weiblichen Teile der Bevölkerung von Sfax und den Nomadenfrauen der Umgebung, ist der Glaube an den Liebeszauber, durch den man die Liebe geliebter Personen zu gewinnen oder sich erhalten zu können meint. Die Prostituierte nimmt Zuflucht zu ihm, um sich einen guten Kunden zu erhalten, wie die geängstigte Ehefrau, die mit Schmerzen gewahr wird, dass ihr Mann andere Frauen schöner findet; es benutzt den Liebeszauber die Nomadin, die ihren Liebhaber dadurch an sich zu ketten glaubt, um durch seine Zärtlichkeit für die raue Behandlung, die ihr von Seiten ihres Eheherrn zuteil wird, entschädigt zu werden.

Es gibt verschiedene Mittel, denen die Kraft zugeschrieben wird, in zauberhafter Weise derart auf ein Individuum einzuwirken, dass es in unwiderstehlicher Liebe zu einem anderen entbrenne. Eines der interessantesten ist sicherlich der in den folgenden Zeilen beschriebene. —


Die Nomadinnen verfahren dabei auf folgende Weise:

Die Frau, welche sich die Liebe eines anderen Mannes zuwenden will, hat sich vor Allem bei Nachbarinnen (bei denen sie aber niemals gegessen haben darf) die folgenden neun Dinge zu verschaffen: Koriander, Feldkümmel, Mastix, Kalk, Kümmel, Grünspan, Balsam, das Blut geschlachteter Tiere und endlich ein Stückchen von einem Besen, den sie auf einem Friedhof gefunden hat. In dunkler Nacht nun, wenn Alles schläft, entkleidet sie sich vollständig, geht hinaus auf einen verlassenen, einsamen Platz im Freien, zündet in einem mitgebrachten Gluttopf ein Holzkohlenfeuer an und sagt, indem sie die obengenannten Dinge — eines nach dem andern — in das Feuer wirft, folgende Zaubersprüche her:

„Koriander: bring' ihn her verrückt!
Feldkümmel: bring' ihn zu mir in der Irre schweifend ohne Pfad!
Mastix: erwecke in seinem Herzen Sehnsucht und Weinen!
Weißer Kalk: bereite seinem Herzen eine unruhige Nacht!
Kümmel: bring' ihn her besessen!
Grünspan: zünde in seinem Herzen das Feuer an!
Balsam: bereite ihm eine abscheuliche Nacht!
Blut der Schlachttiere: bring' ihn bellend her!
Besen vom Friedhof: bring' ihn an meine Seite!"

Dann fahrt sie in einem anderen Tone fort:

„Wenn er ruhig dasitzt, brennt ihn!
Wenn er vergessen sollte, erinnert ihn!
Wenn er auf der Matte sitzt, bringt ihn im Fluge!
Wenn er auf der Strohdecke ruht, bringt ihn daher gerollt!
Wenn ein Mädchen vor ihm steht, verwandelt sie für ihn in eine ausländische Negersklavin!
Wenn ein Mann vor ihm steht, verwandelt ihn in einen Tiegel!
Wenn eine Frau vor ihm steht, verwandelt sie in Dreck!
Wenn ein kleines Mädchen vor ihm steht, verwandelt es in eine Spinne!"

Wer die, den Zauber vornehmende Frau bei der Ausführung dieser
ihrer Beschäftigung überrascht, redet sie mit folgenden Worten an:

„Alles ist aus und umsonst und hinter die Mauern geworfen!
Zum Nachteile gereiche es der, die es getan hat!
Eine schwere Sünde hat sie vor Gott begangen, und die Eule hat es
weggetragen!“

Darauf pflegt die Zauberin zu entgegnen, um den Gegenzauber wieder
zunichte zumachen:

„Es hat seine Wirkung getan, es hat seine Wirkung getan!
Gerade wie der Kalk zum festen Estrich geworden ist!“

Von anderen, weniger unheimlichen Liebeszaubereien seien erwähnt die Talismane, die man sich von einem der zahlreichen „Wahrsager“ schreiben lässt und sie bei sich trägt.

Ebenso soll ein Ei, das von einem schwarzen Huhn am Donnerstage gelegt worden und von einer Frau dem von ihr ersehnten Manne zu essen gegeben worden ist, diesen wahnsinnig in sie verliebt machen!

Andere Frauen geben dem Gegenstande ihrer Sehnsucht Würste zu essen, zu deren Herstellung das Eingeweide eines im Mai geschlachteten Lammes verwendet und in welche eine zu Pulver gestoßene verbrannte Maus beigemischt worden ist. Man sagt darum von einem Manne, der seiner Frau so ergeben ist, dass er nichts denkt und nichts tut, als was auf sie Beziehung hat: „er hat eine Maiwurst gegessen.“ Nun, gegen Liebeszauber gibt es aber auch wieder verschiedene Mittel, die ihn vereiteln und zunichte machen können.

Schon oben haben wir erwähnt, wie man sich zu verhalten habe, wenn man eine, Liebeszauberei vornehmende Frau im Freien überrascht.

Sonst wendet man noch den fsûh oder fâsûh an, der in Wasser aufgelöst, den Liebeszauber zerstört, oder dieselbe Wirkung entfaltet, wenn man ihn aufs Feuer wirft und die sich entwickelnden Dämpfe einatmet. — Die gleiche Kraft kommt Eierschalen zu, die ins Feuer gebracht werden.