Aus dem Lande der Joloffen.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1875
Autor: O. M., Erscheinungsjahr: 1875

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Westafrika, französische Kolonie, Schwarzafrika, Sklavenhandel, Baumwolle, Handelshäuser, Indigo, Gummi, Dakar, Handel,
Das ungeheure Reich Senegambien in Westafrika, der westlichste Teil Schwarzafrikas und zugleich des ganzen Erdteils Afrika, war zur Zeit, als noch der Sklavenhandel und die Sklavenausfuhr nach den amerikanischen Kolonien blühte, für diesen von größter Bedeutung, denn von den großen Eingeborenenstämmen dieser Küste und des ganzen fruchtbaren Innern zwischen dem Senegal und dem Gambia holten die Sklavenhändler ihre schönste und teuerste Ware, nämlich die auf dem ganzen amerikanischen Markt wegen ihrer Körperkraft, Stattlichkeit und Anstelligkeit so sehr geschätzten Fullah-, Joloff- und Mandingo-Schwarze. Nach der Aufhebung und Verfolgung des Sklavenhandels ward Senegambien weniger beachtet, bis die Franzosen sich die Oberherrschaft über den ganzen westlichen Küstenstrich von: Kap Blanco bis zur Mündung des Gambia aneigneten und in den letzten dreißig Jahren hier Kolonien: anlegten, die allerdings bei der geringen Geschicklichkeit der Franzosen im Kolonisieren seither nur wenig ertragen haben. Diese Oberherrschaft war aber die Veranlassung, dass die französische Regierung jene Gegenden neuerdings mehrfach wissenschaftlich erforschen und bereisen ließ und den ungeheuren Reichtum an den herrlichsten Naturprodukten wie an den großartigsten Naturschönheiten jener Landschaften zwischen Senegal und Gambia erkannte. Unter Anderen hat der aus dem jüngsten deutsch-französischen Kriege bekannte General Faidherbe, welcher früher eine einflussreiche Stelle in der Militär-Verwaltung jener Kolonie bekleidete, wesentlich zur Kenntnis jenes Landes beigetragen.

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Nach jenen Ländern von Westnigritien nun führen wir heute unsere Leser an der Hand der fünf schönen Bilder auf S. 372 bis 377, und zwar zunächst in das Land der Joloffen, jenes zahlreichen schwarzen Volksstammes, welcher die weiten flachen Anschwemmungsländer zwischen dem Senegal, Falehme und Gambia bewohnt, und unter denen die Franzosen das sogenannte Gouvernement des Senegal errichtet haben.

Senegambien erstreckt sich der Küste entlang vom 10. bis etwa zum 17.° nördl. Breite und geht hier allmählich in die große Sahara über, welche auch im Osten eine Strecke weit die Grenze bildet. Westlich wird Senegambien vom Atlantischen Ozean, östlich von der südlichen Sahara und Sudan, südlich von Guinea begrenzt. Es steigt das Gelände gen Osten leicht an und erreicht erst in dem etwa 3.000 Fuß hohen Konggebirge und tiefer landeinwärts in dem bis zu 7.000 oder 8.000 Fuß sich erhebenden Futa-Djalo-Gebirge seine höchste Erhebung. Außerdem ist es, wie alles Schwemmland, meist flach, durch zahlreiche kleinere Flüsse und die Nebenflüsse der großen Ströme Senegal, Cazamanco, Rio Grande, Falehme und Gambia gut bewässert, hat mehrere große Seen von 7—12 Quadratmeilen Flächenraum und ein heißes fruchtbares Klima, das für Europäer nicht sehr gesund und wegen der feuchten Hitze, welche die Üppigkeit des Pflanzenlebens in erstaunlichster Weise entwickelt, an der Küste sehr lästig, in den höher gelegenen Strichen des Binnenlandes dagegen milder und gemäßigter ist. Das Jahr teilt sich dort nur in eine trockene und eine nasse Jahreszeit, welch letztere von: Juni bis November andauert und zugleich die heißeste und ungesundeste ist und wo beinahe täglich furchtbare Gewitter mit bedeutendem Donner und überwältigenden Regengüssen stattfinden. Allein gerade diese Vereinigung von Feuchtigkeit und Wärme erzeugt unter diesem tropischen Himmelsstrich jene wuchernde Üppigkeit der Pflanzenwelt, für welche diese Zone, trotz einer gewissen Eintönigkeit der Formen und geringen Mannigfaltigkeit der Arten, bekannt ist. Der Graswuchs erreicht in den Ebenen der Küstenzone eine fabelhafte Höhe und bildet in Verbindung mit Mesembryanthemen und anderen salz- und alkali-haltigen Pflanzen unabsehbare Savannen von mannshohem Grase, welche von Raubtieren und Schlangen wimmeln, so dass man genötigt ist, in der dürren Jahreszeit diese Pflanzendecke anzuzünden, um das Ungeziefer zu verjagen oder zu vertilgen, wodurch auf längere Zeit jede Spur von Vegetation in jenen Ebenen zerstört und denselben ein ungemein ödes, trauriges und nacktes Ansehen gegeben wird. Die feuchten Niederungen und die Flussufer dagegen sind mit ziemlich dichten Wäldern von Terebinthaceen und Mimosen, also mit Gummibäumen bestockt, welche das aus Senegambien so reichlich ausgeführte Gummi liefern. Der Wald in Senegambien, besonders auf den Ebenen am Rande der Flüsse, zeigt einen ganz eigentümlichen Charakter: soweit nämlich der Einfluss des Salzwassers reicht und die Überschwemmungen sich erstrecken, besteht der Wald aus den dichtverschlungenen und oft ungeheuren Mangroven, deren Neste sich immer wieder in dem nassen Boden herabsenken und Wurzel schlagen und sich dadurch weiterverbreiten. Tiefer landeinwärts und jenseits der Grenze der Überschwemmungen besteht die Waldvegetation aus den riesigsten Exemplaren der eigentümlich geformten Baobabs oder Affenbrot-Bäume, von denen unser erstes Bild S. 372 eine deutliche Vorstellung geben kann. Stämme von 77 Fuß Umfang und 25 Fuß Durchmesser von diesen Baobabs sind am untern Senegal keine Seltenheit und nähren mit der Fülle ihrer Früchte eine Unzahl Tiere. Mit ihnen abwechselnd kommen Ölpalmen, afrikanische Ebenholz-, Tik- und Mahagoni-Bäume, Pterocarpeen, Kalebassen-, Gurunuss-, Drachenblut-Bäume und vor Allem die prachtvollen domartig sich ausbreitenden senegambischen Wollbäume vor, alle umrankt und durchzogen von zahllosen prächtig blühenden Schlingpflanzen, welche den Wald zu einem für Menschen fast undurchdringlichen Dickicht verfilzen, worin zahllose Affen von jeder Größe, Löwen, Panther, Büffel, Flusspferde, Antilopen u. s. w. nebst einer Unzahl von Vögeln hausen, während die Gewässer einen unerschöpflichen Reichtum von Fischen, Schildkröten, Weichtieren, aber auch von Krokodilen bergen. Dürftiger sind die Schätze des Mineralreichs, die vorzugsweise in Eisen und Gold bestehen, welch letzteres besonders im Innern des Landes in allen Flüssen gewaschen und im Lande selbst verarbeitet wird, denn man findet unter den Joloffen sehr viele geschickte Goldschmiede.

Alle neueren Erfahrungen und Beobachtungen der Franzosen haben dargetan, dass Senegambien mit der Zeit eine ganz ausgezeichnete Kolonie werden kann, weil Klima und Boden für Viehzucht wie für die Kultur der meisten Handelsgewächse außerordentlich günstig sind, denn abgesehen davon, dass Orangen, Zitronen, Johannisbrot, Bananen, Feigen, Ananas u. s. w. in Menge wild vorkommen, so gewinnt die Kultur hier mit Leichtigkeit vortreffliche Baumwolle, die der westindischen an Güte gleichkommt, wunderschönes Zuckerrohr, Indigo, vorzüglichen Tabak, Erdnüsse, Palmöl, Pistazien, Wallo, Yams- und Maniok-Wurzeln und verschiedene wertvolle Gummis und Farbestoffe. Dabei ist die eingeborene Bevölkerung Senegambiens, obwohl in viele Stämme zersplittert, doch bildsamer und anstelliger als die übrigen Völkerschaften Schwarzafrikas und diesen an Körperkraft und Schönheit wie an geistigen Eigenschaften überlegen. Die drei Hauptvölkerstämme Senegambiens sind die Fullahs mit heller, etwas bräunlicher Hautfarbe und halb europäischen Gesichtszügen, die nicht ganz schwarzen stattlichen Mandingos mit ihren vielen Abzweigungen, und die Jolofs, Dhiolofs oder Wolofs, vom reinsten dunkelsten Schwarz, welche das ganze westliche Gebiet zwischen Senegal und Gambia, also das eigentliche Senegambien bewohnen und unter welchen die Franzosen nun die Segnungen der Zivilisation zu verbreiten bemüht sind. Von dieser merkwürdigen Völkerschaft, welche sich zum Islam bekennt und, in kleine Stämme abgeteilt, eingeborenen Häuptlingen gehorcht und sich der französischen Oberherrschaft unterworfen hat, wollen wir diesmal unsere Leser speziell unterhalten.

Die Joloffen bildeten auf diesem Gebiet einst ein mächtiges Reich und unterschieden sich als selbstständiges Volk von allen Nachbarstämmen schon durch ihre eigentümliche Sprache, welche derjenigen der Kaffern verwandt ist und auf der ganzen Erde keine andere verwandte von ähnlichen Eigentümlichkeiten hat. Jetzt ist ihr einstiges Reich in verschiedene Staaten zerfallen, aber das Volk selbst seinem Charakter im Wesentlichen treu geblieben. Die Joloffen sind gut und kräftig gebaut, haben regelmäßige Züge von beinahe kaukasischem Schnitt und regelmäßiger Form, mit geraden, etwas gerundeten Nasen aber dicken Lippen. Namentlich unter ihren Frauen findet man herrliche Gestalten, auch mit schönen Gesichtern, so dass sie künstlerisch vollendeten Statuen aus poliertem Ebenholz gleichen. Ihre tiefschwarze glänzende Hautfarbe und das krause Wollhaar tun der Körperschönheit der Joloffen keinen Eintrag. Die hohen schlanken Gestalten haben durchschnittlich eine Höhe von 5 ½ bis 6 Fuß rhein., die Gesichter einen intelligenten lebendigen Ausdruck, der von lebhaftem Geist zeugt. Die Verwandtschaft der Joloffen mit der großen schwarzafrikanischen Familie macht sich nur durch die Hautfarbe und jene wenigen Eigentümlichkeiten der afrikanischen Rasse geltend, welche die unverwischbaren typischen Charakterzüge der letzteren sind, nämlich den platten Fuß ohne Spann und ohne hervortretende Ferse, das wadenlose hagere Bein und die in die Breite entwickelten Lenden. Allein außerdem erinnert der Wuchs und der Körperbau der Joloffen unbedingt mehr an die kaukasische Rasse, deren Typus auch in den Physiognomien der Menge unverkennbar ist. Das Volk ist im Allgemeinen sanft und rührig, umsichtig, kriegerisch, energisch und voll Selbstbewusstsein, und schaut geringschätzig auf die benachbarten Stämme herab. Jeder Einzelne ist arbeitsam und erwerbsüchtig, und in den Händen der Joloffen war früher ein großer Teil des Sklavenhandels an der afrikanischen Westküste, und noch heute blühen Handel und Gewerbe in ungewöhnlicher Weise unter diesem Volk.

Die Institutionen des Islam bringen es mit sich, dass die Joloffen nicht nur Schulen für ihre eigene Sprache, sondern auch für das Arabische und den Koran haben, mit denen sich alle ihre Marabus oder Priester genau vertraut machen müssen, da sie Geistliche, Schriftgelehrte und Richter in Einer Person sind. Unser zweites Bild S. 372 zeigt einige Knaben der Marabus, an dem ganz geschorenen Köpfen kenntlich, in dem Bemühen, den Koran lesen zu lernen. In den Händen der Marabus liegt beinahe der einzige Einfluss, welchem heutzutage die Joloffen gehorchen, die sich in der Nähe des Capo Blanco und des Capo Verde meist für sehr eifrige Muhamedaner ausgeben und dem Islam auch offenbar zum größten Teil die von ihnen eingenommene Kulturstufe verdanken, obschon ein vollständiges Exemplar der Koran-Abschrift unter ihnen selten ist und sie sich meist nur mit einzelnen Suren oder Koranversen begnügen, welche auf polierte Holztafeln mit plumper Schrift geschrieben sind, wie wir sie in der Hand der Marabu-Knaben sehen.

Der Hauptort des Joloffenlandes ist die französische Kolonie und Handelsstation Dakar, an einer schönen breiten Meeresbucht gelegen, der Haltepunkt für die Brasilienfahrer. Hier haben die Franzosen ein Hospital, eine Kirche, Klöster und Kasernen angelegt und große Proviant-Magazine für ihre Marine, namentlich für das atlantische Geschwader gebaut, und gedenken hierher mit Zeit und Weile die Hauptstadt ihrer senegambischen Kolonie zu verlegen, die bisher in St. Louis war. In Dakar residiert auch einer der alten Häuptlinge oder Könige der größeren Joloffenstämme und wird von seinen schwarzen Untertanen wie ein Fetisch verehrt. Die Stadt zerfällt in zwei, durch eine tiefe Schlucht geschiedene Teile: die weiße Stadt, wo die Kolonialbeamten und Kaufleute und einige Mulattenfamilien wohnen; und die schwarze Stadt, ein wirrer Haufen strohgedeckter Hütten, welche zum Teil auf Pfählen ruhen und nur den bescheidensten Ansprüchen an Behaglichkeit genügen. Von der Bauart dieser Hütten, zumal in den Niederungen, welche den periodischen Überschwemmungen ausgesetzt sind, vermag unser drittes Bild S. 373 einen Begriff zu geben. Derartige Häuser bilden auch einen Teil der Schwarzenstadt von Dakar.

Auf dem vierten Bilde S. 376 führen wir einige eingeborene Frauen vor; die mit Wasserschöpfen beschäftigte und die mit dem Wassernapf auf dem Kopfe sind gewöhnliche Joloffenweiber, deren Kleidung nur aus einem Schurztuche um die Lenden und einem leichten Überwurf besteht. Das besser gekleidete junge Weib mit den beiden Kindern und mit dem um das Haupt geknüpften bunten Tuche ist eine Mulattin, die auf der geselligen Stufenleiter schon etwas höher steht.

Die Joloffen von Dakar und der ganzen Küste sind emsige Ackerbauer und betreiben neben einer lebhaften Geflügelzucht auch noch verschiedene Handwerke. Sie verarbeiten das gefundene Waschgold aus den Flüssen zu Schmuckgegenstünden von roher Zeichnung, aber fleißiger und geschickter Ausführung und verfertigen hübsche Flecht- und Webe-Arbeiten, Töpfergeschirre u. s. w. Die Joloffen führen überdem ein halb amphibisches Leben, denn sie kennen keinen höheren Genuss als Baden, Schwimmen und Tauchen, und sind sehr geschickte Ruderer und Matrosen. Mit ihren leichten Kähnen, deren wir auf unserem letzten Holzschnitte S. 377 zwei abbilden, fahren sie mit merkwürdiger Sicherheit durch die furchtbare Brandung dieser Küsten, welche ein europäisches Boot kaum zu bewältigen vermag. Diese Kähne sind nichts Anderes als sogenannte Einbäume, schwere lange hölzerne Balken von Halbmondform, an jedem der beiden Enden in einen langen Sporn auslaufend, an der Oberseite leicht ausgehöhlt und mit einem künstlichen Rand oder Schamdeck aus dünnen Brettern versehen, deren Fugen mittelst Strohbäuschchen verstopft sind. Das Schutzbrett am Bug, um von dem Passagier im Kahn den Anprall der durchschnittenen Brandung abzuhalten, ist mit zwei ohrenartigen Ausladungen versehen, von denen die Grigris oder Amulette herabhängen — lederne Säckchen, mit denen die Joloffen sich selber, ihre Haustiere und alle Gegenstände ihres täglichen Gebrauchs behängen. Die Kähne werden mittelst Stangen- oder Schaufelrudern überraschend schnell fortbewegt, und die Ruderer stehen hinten im Boote; die Kähne schlagen nur selten um, allein ein solcher Unfall hätte auch nicht viel zu bedeuten, da die Joloffen schwimmen wie die Fische, trotz aller Haie, die diese Gewässer beleben. Eine Menge Joloffen dienen als Matrosen oder Laptots an Bord der französischen Küstenfahrer und sind wegen ihrer Zuverlässigkeit sehr beliebt.

So geht die Kolonie Dakar, unter welchem Namen man die ganze Halbinsel, welche nach Westen in das Cap Verde (das grüne Vorgebirge) ausläuft, versteht, unverkennbar noch einer bedeutenden Zukunft entgegen. Dafür zeugt auch schon der Umstand, dass die hier und in der Umgebung angelegten Baumwollen- und Zuckerrohr-Pflanzungen einen ausgezeichneten Ertrag liefern; die Baumwolle fand einen guten Markt in Frankreich, und die Handelshäuser in Bordeaux, Marseille und Havre unterstützten durch Anlegung von Kommanditen den Aufschwung des Handels der Kolonie in Baumwolle, Indigo und namentlich in den verschiedenen Gummi-Arten, für welche der Hauptmarkt sich hierher nach Dakar gezogen, so dass in den letzten Jahren eine sehr bedeutende Ein- und Ausfuhr daselbst stattgefunden hat.

Aus dem Lande der Jolossen, Eine Piroge

Aus dem Lande der Jolossen, Eine Piroge

Aus dem Lande der Jolossen, Junge Marabus, den Koran lesen lernend

Aus dem Lande der Jolossen, Junge Marabus, den Koran lesen lernend

Aus dem Lande der Jolossen, Ansicht eines Dorfes

Aus dem Lande der Jolossen, Ansicht eines Dorfes

Aus dem Lande der Jolossen, Eingeborene Frauen

Aus dem Lande der Jolossen, Eingeborene Frauen

Aus dem Lande der Jolossen, Affenbrotbäume

Aus dem Lande der Jolossen, Affenbrotbäume