Vorwort

Verzeiht es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen,
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Man gedacht,
Und wie wir's dann zuletzt herrlich weit gebracht.
Faust I.

Wenn ich mit den nachfolgenden „Ausgrabungen”, die bereits im Winter 1908/09 als Feuilleton der „Sportwelt” erschienen, heute vor eine breitere Öffentlichkeit trete, so geschieht dies in der Erwartung, dass die Aufzeichnungen Nimrods auch über den engeren Kreis der Sport- und Vollblutfreunde hinaus Interesse finden dürften. Wenn auch das Tagebuch des englischen Herrenreiters einen durchaus intimen Charakter trägt und sich in erster Reihe an Züchter und Rennleute wendet, so findet sich zwischen den fachmännischen Betrachtungen über Rennsport und Vollblutzucht auf dem Kontinent eine Fülle treffender Beobachtungen über Land und Leute, ihre Sitten und Gebräuche. Denn Nimrod war nicht nur „a good sportsman”, wie es unter jenem bekannten englischen Bilde heißt, sondern auch „a great ladiesman”, der für schöne Frauen nicht weniger Blicke hatte als für schöne Pferde, und der die Freuden des Bechers und der Tafel nicht minder zu schätzen wusste als die des Weidwerkes; ja ich möchte glauben, der alte Bösewicht war auf dem grünen Tuche bei Pharao und Tempel ebenso zu Hause wie auf dem „grünen Rasen” im Rennsattel. Mit dieser liebenswürdigen Kunst des Genießens und einem prächtigen Humor verband der englische Verfasser einen offenen Blick für die Bedürfnisse jener Zeit, namentlich der Landwirtschaft, und ein treffendes Urteil über die sozialen Verhältnisse seiner Tage. So gewann sein Reisebericht, man darf beinahe sagen, eine kulturhistorische Bedeutung, die ihn auch für ein größeres Publikum lesenswert macht.
In erster Reihe besitzen Nimrods Schilderungen naturgemäß für den Rennsport und seine Anhänger historisches Interesse: Setzt doch die älteste sportliche Berichterstattung bei uns erst 1832 ein. Also drei Jahre vor der Geburt einer deutschen Fachpresse (Graf Hollmers, „Hippologische Blätter”, Kiel) lässt uns die englische Darstellung des „Sporting Magazine” bereits einen Blick in die Anfänge des kontinentalen Rennsports und die Verhältnisse der deutschen Vollblutzucht tun. Jener Band der englischen Zeitschrift, den mir ein Zufall in die Hände spielte, entstammt der alten Gräflich Hahn'schen Bibliothek und wurde mit nur wenigen anderen Werken beim Brande des Basedower Schlosses gerettet. In deutschen Besitz dürfte dieser Jahrgang des englischen Fachblattes sich nur noch in sehr wenigen Exemplaren finden. Wer das englische Original meiner Übersetzung kennt und einzelne Stellen vermissen sollte, für den sei bemerkt, das deren Wiedergabe mit Rücksicht auf die Geduld des modernen Lesers unterbleiben musste. Abgesehen von der Freiheit des Übersetzers, musste, um dem heutigen Geschmack Rechnung zu tragen, der epische Stil des englischen Chronisten häufig gekürzt werden.
Nimrod selbst, unter diesem Pseudonym verbirgt sich Charles James Apperley, genoss in seinem Heimatland einen gleich hohen Ruf als Sportsmann wie als Schriftsteller. Vornehmlich stellte er seine Feder in den Dienst des „Sporting Magazins”. Seine bekanntesten in jener Zeitschrift veröffentlichen Arbeiten waren: Remarks on the Condition of Hunters (1822-28), übersetzt in den „Hippologischen Blättern” 1833; Nimrods Hunting Tours (1835), Northern Tour (1838), The Horse and the Hound (1842), The Life of a Sportsman (1842). „The German Tour”, die 1829 in dem „Sporting Magazin” erschien, dürfte vornehmlich im Heimatlande der Biels, bei den Nachkommen der Grafen Hahn, Plessen, Baßwitz, Voß usw. Anklang finden. Um das kleine Werk für diese Kreise noch wertvoller zu gestalten, hat der Verlag keine Opfer gescheut, es mit einem historischen Bilderschmuck zu versehen. Allen denjenigen, die mich beim Sammeln des Illustrationsmaterials so liebenswürdig unterstützten, sei hierfür an dieser Stelle aufrichtigst gedankt.


Demmin, im Herbst 1909.
Frhr. H. A. von Esebeck

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus alten Zeiten - Nimrods Tagebuch