Braunschweig bis Rotterdam.

Sonntag, den 7. September. – Um acht Uhr früh verließen wir Braunschweig, eine große, aber nicht sonderlich einladende Stadt; unser Tagesziel war Göttingen, wo wir übernachten wollten. Es war ein herrlicher Morgen und die Straße in vorzüglicher Verfassung. Abgesehen davon, dass unser Spitzpferd in das Haus des Chausseegeldeinnehmers hineinlief, ereignete sich nichts von Belang. Dies schien indessen ein alltägliches Vorkommnis zu sein, und bei der Art, wie dies dritte Pferd angespannt war, durfte das nicht weiter wundernehmen. Der Leser wird glauben, ich dichte, wenn ich konstatiere, dass auf einer unserer heutigen Etappen der Postillion das Vorderpferd nur mit einem Zügel fuhr, d. h. mit einem Strick, der in den linken Trensenring eingebunden war. Man musste sich also vergeblich fragen, wie das Spitzpferd nach rechts gelenkt werden sollte? Dies wäre in der Tat unmöglich gewesen, war aber bei der Gutmütigkeit des Tieres gar nicht nötig, so genau kannte es jede Schrittbreite des Weges. Indessen der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht; bei aller Gutmütigkeit der deutschen Postpferde könnte der Mangel jeglicher Herrschaft auf Seiten des Postillions für die Insassen der Kutsche doch einmal verhängnisvoll werden. Ich fragte Jemmy, warum er nicht einmal mit diesen Kerlen deutsch rede und ihnen sage, dass sie kürzer anspannen müssten.

„Meiner Treu”, war die Antwort, „die haben dreihundert Jahre so gefahren, und für Sie werden sie sich nicht ändern.”


Heute, wie überhaupt auf dem ganzen Wege bis Frankfurt fuhren wir auf einer vorzüglichen Chaussee, die, soweit man sehen konnte, alle zwanzig Meter von großen Haufen geklopfter und geweißter Steine eingefasst war. Auch das Postfuhrwesen begann sich etwas zu bessern; auf den Sattelpferden sah ich heute zwei Kandaren und zu meiner freudigen Überraschung zum ersten Mal auch Aufhalter. Der Mangel an letzteren macht das Reisen hierzulande sehr unbequem; was nützt z. B. die schönste Chaussee, wenn man bei der geringsten Böschung auf dem holprigen „Sommerweg” durchgerüttelt wird, weil die Pferde auf der glatten Straße den Wagen nicht aufhalten können. Die Aufhalter nutzten jedoch wenig, da sie nicht am Kummet befestigt waren, sondern lose um den Hals der Pferde liefen und diesen fast bis an die Ohren rutschten.

Da es Sonntag war, war die Straße sehr belebt, um so mehr, als in Braunschweig der Jahrestag des Religionswechsels gefeiert werden sollte. Der Sonntagsstaat der Landbevölkerung machte mir viel Vergnügen; die Männer gingen in hohem Hut, weißem, rot gefüttertem Rock, der bis auf die Hacken reichte, leidlich sauberen Kniehosen aus weißem Leder, schwarzen oder roten Strümpfen und Schuhen mit großen Schnallen. Den Anzug der Frauen genauer zu beschreiben, ist meine Feder nicht imstande: Es war alles – Unterrock! Die Umgegend von Braunschweig ist nicht nur für das Auge reizvoll, sondern auch reich an Herrensitzen, ein seltener Anblick in Deutschland, wo man siebzig und mehr Meilen reisen kann, ohne für jene Bevölkerungsklasse zwischen den Fürsten und den Bauern einen einzigen Wohnsitz zu finden. Auch der Boden, den wir heute passierten, schien sehr gut zu sein; und trotz des Feiertages sahen wir viele Leute bei der Feldarbeit. Wir kamen an zwei herrlichen Ruinen vorbei, von denen die eine dem schon früher erwähnten Grafen Hardenberg gehörte; auch an dem schönen Schloss des General von Decken, Adjutanten des Herzogs von Cumberland, fuhren wir vorüber. Mehrere Meilen weit hatten wir die Aussicht auf einen der schönsten Berge der Welt, der fast bis zum Gipfel bewaldet war.

Ungefähr auf der Mitte unserer Tagesetappe kamen wir an einen weiß angestrichenen Pfahl, der die Buchstaben G. R. trug. Dies zeigte uns an, dass wir das Territorium unseres eigenen Königs betreten hatten (Hannover), und wir zogen den Hut vor seinen Initialen. Die Postillione trugen hier rote Röcke mit blauem Besatz, und um uns des weiteren an unser Heimatland zu erinnern, fuhren wir auf der nächsten Etappe mit drei edelgezogenen Pferden, die spielend neun englische Meilen in der Stunde gingen. Da ich einmal von Postpferden spreche, so dürfte es interessieren, wie diese Tiere in anderen Ländern gefüttert werden: Ich betrat heute den Stall auf einer der Posthaltereien; soviel ich feststellen konnte, erhielten die Pferde als einziges Kornfutter Hafer und sehr viel Häcksel, aber wenig Heu; die Postillione schliefen in dem Stall. Sehr belustigte es mich, bei einer Gelegenheit zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit sich ein solcher Bursche umkostümierte. Im Umsehen war er aus seinen Lumpen heraus, fuhr, da er keine Strümpfe trug, ohne Aufenthalt in seine Lederhosen und Kanonenstiefel hinein; Hut und Jacke vollendeten den Anzug, im Hinausgehen hing ein Kollege ihm das Horn um, steckte ihm die Pfeife in die Tasche, und drei Sekunden später saß er auf dem Pferde. Ich habe den Nutzen dieser gewaltigen französischen Hörner nie einsehen können, um so weniger, als die meisten Postillione ohnehin schon genug Gewicht in den Sattel bringen. Angeblich sollen sie den Lenkern anderer Gefährte ankündigen, dass für die „Königliche Post” die Straße frei zu machen ist; aber in der Praxis habe ich selten gesehen, dass dies geschah. In den sandigen Wegen Mecklenburgs mussten wir trotz aller Hornsignale fast regelmäßig ausweichen, wenn ein beladener Wagen vor uns herfuhr oder uns begegnete. Da fast jeder Deutsche musikalisch ist, so hört man freilich von Zeit zu Zeit eine hübsche Weise von den Postillionen blasen, was in den großen Waldungen besonders wirkungsvoll war. Der Postillion, der uns nach Magdeburg hineinfuhr, hatte ebenso wie der des Grafen Putbus früher als Trompeter bei den Dragonern gedient; als wir auf dem Markt dieser großen Garnisonstadt anlangten, fuhren sie ihre Gespanne nebeneinander auf und stimmten einen militärischen Marsch an, so dass eine Gesellschaft von Offizieren, die in dem Gasthof bei Tische saßen, die Fenster aufriss, um zu sehen, was für ein Regiment einrücke.

In Göttingen betraten wir klassischen Boden, denn unter allen Universitäten des Kontinents genießt keine höheren Ruf. Schon als wir uns der Stadt näherten, trafen wir verschiedene Jünger der Wissenschaft, teils zu Pferde, teils zu Fuß oder zu Wagen. Später sahen wir sie in der Stadt trinken, singen und rauchen; alles Dinge, die unsere Musensöhne nicht anders treiben; allein den gesellschaftlichen Schliff, der unsere Jünger der beiden englischen Universitäten auszeichnet, habe ich an den Göttinger Studenten vermisst. Auch die Rostocker Studenten, die ich in Doberan während der Rennwoche gesehen hatte, konnte man für alles andere halten, nur nicht für „gentlemen”.

8. September. – Zur gewohnten Zeit brachen wir von Göttingen auf und legten die 60 englischen Meilen bis zu unserem Nachtquartier Jesseberg in ungefähr fünfzehn Stunden zurück. Bei herrlichem Wetter führte unser Weg über blühende Felder, über Berg und Tal, durch große Waldungen und über zahlreiche Flüsse, und ich muss gestehen, dass ich etwas Hübscheres als die Umgegend von Minden in ganz England nicht kenne. Die Straße führt hier unmittelbar an der Weser entlang und erinnerte mich lebhaft an das berühmte Tal von Llangollen in Nordwales. Eine sehr schöne Stadt mit großen Plätzen und Palästen von eigenartiger, zum Teil phantastischer Bauart ist Kassel, wo wir im Hotel „König von Preußen” zu Mittag speisten. Wir besichtigten ganz flüchtig das Palais Jerome Bonapartes, das Museum mit seinen herrlichen ionischen Säulen und das Denkmal des verstorbenen Landgrafen auf dem Friedrichsplatz. Eine Woche würde indessen nicht ausreichen, um alle Sehenswürdigkeiten dieses entzückenden Ortes zu genießen, der mit seiner reizvollen Umgebung, in der auch das berühmte Schloss Wilhelmshöhe liegt, wohl auf der Welt seinesgleichen sucht.

Im weiteren Verlauf unserer heutigen Reise sahen wir gewaltige Herden von Gänsen, Schweinen und Ziegen, die mein Staunen erregten, weil ich jede Herde als einem Besitzer gehörig wähnte. Als wir jedoch gegen Abend durch ein Dorf fuhren, sah ich, dass jedes einzelne dieser Tiere den Stall seines Besitzers aufsuchte, um sich am Morgen wieder auf der Weide zu sammeln. Das Kostüm der hessischen Postillione ist noch der Beschreibung wert: Eine braune Jacke mit rotem Besatz und einer breiten Silbertresse auf dem rechten Ärmel, eine ebensolche um den runden Hut, der unter dem Kinn mit einem Riemen festgeschnallt und obendrein mit einer Militärkokarde und einer fußhohen Feder geschmückt war, gelbe Lederhosen und gewaltige Kanonenstiefel. Zu diesem imposanten Aufzug passten die elenden Strickgeschirre und die mageren Postpferde allerdings wenig; einer dieser Kerle benutzte tatsächlich eine Hemmkette als Handleine. Wir fuhren heute mit einer so genannten Post-Royal; der Sinn dieser Bezeichnung ist mir nicht klar geworden, nur dass wir für diese Ehre die doppelte Fahrgebühr zahlen mussten. Im Großen und Ganzen fährt die Post in Süddeutschland nicht schlecht. Gewiss dauert es geraume Zeit, bis die Pferde aus dem Stall gezogen sind, und noch länger, bis sie mit diesen menschenunwürdigen Stricken angesträngt sind; aber wenn man glücklich unterwegs ist, wird die festgesetzte Zeit ziemlich genau eingehalten. Allerdings herrscht hierin ein gewaltiger Unterschied je nachdem, ob der Postverkehr unter Kontrolle der Behörden steht oder nicht. Wo dies der Fall war, gab es keinen unnötigen Aufenthalt wie in Mecklenburg, wo unser Postillion auf jeder Etappe zwei- oder dreimal anhielt, um sich und seine Pferde zu stärken. Da auch alle Gebühren von der Regierung festgesetzt sind, so ist jede Übervorteilung ausgeschlossen. Auf den Chausseen konnten wir uns im Allgemeinen über das Tempo nicht beklagen. Schelten und Schimpfen ist in dieser Hinsicht auch nutzlos; aber ein in Aussicht gestelltes Trinkgeld an den Postillion wird seine Wirkung nicht verfehlen. Der Sitz des deutschen Postillions muss für das Pferd sehr unbequem sein, da er sich nie im Bügel hebt, um den Rücken des Tieres zu entlasten, sondern sich den ganzen Weg über werfen lässt. Obendrein sind die Leute meist sehr schwer, und die armen Pferde tragen selbst im heißen Sommer als Sattelunterlage ein großes Schaffell. Eine merkwürdige Einrichtung der deutschen Reisepost muss noch erwähnt werden: Auf jeder Station wird der Name des Wageneigentümers auf dem Billett vermerkt. Postillion, Wagenmeister und Chausseegeld sind in der Fahrgebühr einbegriffen; hat ein Reisender Grund zur Klage, so vermerkt er dies auf dem Fahrschein und gibt diesen zurück. Sofern wir nicht mehr Pferde bestellt hatten, brauchten wir immer nur für drei zu bezahlen, obwohl wir auf Veranlassung der Posthalter häufig vierspännig fuhren; nur ein- oder zweimal hatten wir wegen der Entfernung und weil die Wege sehr tief waren, vier Pferde bestellt. Da verschiedene Postmeister im Knopfloch Dekorationen trugen und auch sonst einen militärischen Eindruck machten, so nehme ich an, dass es verabschiedete Offiziere waren, die für ihre guten Dienste durch diese Stelle eine Versorgung erhielten; ob diese einträglich war, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, jedoch nach den sehr geringen Fahrgeldern möchte ich es kaum glauben: Mir schien, dass die Postillione den größten Schnitt machen. Über die sogenannte Diligence kann ich zum Glück aus eigener Erfahrung nichts sagen. Schon auf den Chausseen im Süden schien diese schlimm genug zu sein, auf norddeutschen Wegen aber muss im Bettuch geprellt werden, ein Zustand der Ruhe ein im Vergleich zu der Fahrt in einer solchen „Landkutsche”. Da jeder männliche Insasse seine Pfeife raucht, so müssten die Reisenden dort auch feuersicher sein. Wir begegneten heute einem eleganten englischen Reisewagen, dieser war der einzige seiner Art, den wir auf unserer ganzen Tour gesehen haben.

Wir übernachteten in Jesseberg, während Graf Putbus, der an seinem Wagen Laternen hatte, es vorzog, die Nacht hindurch weiterzureisen; wir sollten ihn am nächsten Abend im „Weißen Löwen” zu Frankfurt a. M. wieder finden. Da ich noch nichts über die Preise in deutschen Gasthäusern gesagt habe, so will ich hier einschalten, was wir in Göttingen bezahlen mussten. Unsere Rechnung betrug: 5 Abendessen, 3 Frühstücke, 3 Flaschen Lafitte, 1 Flasche Bier, 1 Glas Limonade, 8 Wachskerzen, 5 Logis; hierfür hatten wir 16 Taler oder in unserem Gelde etwa 2 Pfund 16 Schilling zu entrichten. Da mir der genaue Wert der kleineren Münzen nicht geläufig ist, so vermag ich die einzelnen Posten nicht anzugeben. Der Rotwein war jedenfalls sehr gut und kostete etwa 4 englische Schilling die Flasche. Verpflegung und Logis mochte auf den Kopf 11 Schilling betragen.

9. September. – Ein herrlicher Morgen sah uns schon um 6 Uhr im Wagen. Durch den Diener des Grafen Putbus hatten wir Pferde bestellt, die uns angeschirrt erwarten sollten, doch bestätigte sich dies nur auf einer Station, so dass unsere Ansicht über das deutsche Postwesen nicht verbessert wurde. Wir fuhren durch schöne Gegend, besonders bei Marburg, wo auch sehr guter Boden zu sein schien; ein tiefer Fluss, von saftigen Wiesen eingefasst, lief durch das üppige Tal. Doch sahen wir dort weder Schlösser noch schöne Parks, wie wir es eigentlich in diesem Lande erwartet hätten. Ich war wirklich überrascht, in welch vorsintflutlicher Art die Landwirtschaft hier betrieben wurde. So sahen wir zwei Kühe, von einer alten Frau an den Hörnern gelenkt, vor einem Pfluge. Schwer beladene Lastwagen wurden von zwei kleinen Ochsen mit den Köpfen gezogen. Auf der Fahrt zwischen Jesseberg und Frankfurt trafen wir eine Menge Frachtwagen, da in letzterer Stadt gerade großer Jahrmarkt war. Diese Wagen waren mit Stroh gedeckt, was sehr merkwürdig aussah, aber als Schutz gegen Wetter und Diebe gewiss sehr praktisch ist.

Der Ackerbau des Landes interessierte mich sehr. Man war gerade mit der zweiten Heuernte beschäftigt, und da man alles Gras abschneidet, so dass die ganzen Wiesen wie rasiert aussehen, lagen die Heuhaufen sehr dicht. Die Fruchtfolge gibt der Gegend ein Aussehen wie das Musterbuch eines Schneiders. Große Erbsenfelder standen in voller Blüte, doch was diese in der späten Jahreszeit für Nutzen haben sollen, begreife ich nicht, da die Schoten nicht mehr zur Reife gelangen. Wir sahen auch viel Klee, an Stangen in die Höhe gebunden, was bei nassem Wetter ausgezeichnet ist; doch würden die Ausgaben in England zu groß sein.

In Gießen waren Post und Hotel vereinigt, und wir aßen dort. Obgleich man Deutschland das Land der Würste nennt, bekam ich solche höchstens zweimal, auch das berühmte Sauerkraut nicht öfter. Eine gute Suppe aß ich vielleicht dreimal während meiner ganzen Reise, und da ich gesehen hatte, dass alle Hotelgäste, ohne ein Wort darüber zu verlieren, das Spülwasser an der Table d'hôte aßen, schloss ich, dass der Deutsche nichts von Suppen versteht. In Gießen ist das Grab des berühmten Werther. Gleich hinter der Stadt kamen wir an ausgedehnten Salzwerken vorbei, deren Maschinerien ein wahres Kunstwerk zu sein schienen. Viele Häuser und Scheunen waren aus Lehm erbaut, eine Bauart, die, wenn richtig ausgeführt, viele Jahre hält, aber merkwürdigerweise in England nicht beliebt ist. In Frankfurt a. M. kamen wir gegen neun Uhr an, nachdem wir für 70 englische Meilen 15 Stunden gebraucht hatten, in Anbetracht des leichten Wagens, der drei Pferde und der ausgezeichneten Wege eine endlose Zeit.

Trotz des Jahrmarktes, der die ganze Stadt in Unruhe versetzte, fanden wir ein gutes Unterkommen im „Römischen Kaiser”, wo Graf Putbus schon Zimmer für uns bestellt hatte und uns mit einem vorzüglichen Souper erwartete, zum ersten Mal auf dem Kontinent fanden wir in Frankfurt die Straßen mit Gas beleuchtet, die Straßen sind gut gepflastert, die Häuser sauber und mit jeder Bequemlichkeit ausgestattet; man sieht schöne Läden, aber solche Bauten wie in Berlin und Kassel gibt es dort nicht. Das Rathaus, in dem alle Kaiser gekrönt worden sind, wurde uns gezeigt, sein Besuch jedoch nicht als lohnend bezeichnet.

Als erstes am Morgen nach unserer Ankunft in Frankfurt a. M. besahen wir den neuen Wagen, den Graf Putbus sich eigens für die Reise nach Italien dort bestellt hatte; seine von Hopkinson in London gebaute Reisechaise ließ der Graf hier zur Reparatur zurück. Wir waren ganz überrascht von der vorzüglichen Arbeit des Frankfurter Wagenbauers, und dies noch mehr, als wir hörten, dass der Wagen, ein Halbverdeck mit Dienersitz und Hinterkasten für das Gepäck, nur 130 Guineen kosten sollte; ein Londoner Wagenbauer hätte diesen nicht unter 250 Guineen geliefert. Unser nächstes Ziel waren die Keller des berühmten Weinhändlers Herrn Peter Gebhard, der nur Schaumwein, und davon einige zwanzig Sorten, führt. Nach verschiedenen Proben kaufte Mr. Tattersall 30 Dutzend Flaschen einer sehr guten Marke für sich und seine Bekannten. Mit Ausnahme des schon erwähnten Strohweines, der bis zu zehn Schillinge kostet und der alten „Johannisberger” Jahrgänge 1753,1748 usw., von denen die Flasche fünfzehn Schillinge kostet, fand ich die Preise für ein so renommiertes Haus nicht hoch; man bekommt schon einen recht guten Weißwein das Gebinde von 160 Flaschen für 600 Mark (30 Guineen).

Gegen Mittag gingen wir auf die Messe, die uns sehr enttäuschte; mit Ausnahme von irdenem Geschirr und Tabakspfeifen war alles, was feilgeboten wurde, Plunder; der Handel scheint auch nachgelassen zu haben. Da es sehr heiß war, so waren wir froh, aus dem Gedränge hinauszukommen, nachdem wir noch die 400 Fuß lange, sehr sehenswerte Mainbrücke besichtigt hatten.

Nachdem wir zu Mittag gespeist, fuhr unser Wagen vor, und wir verabschiedeten uns nunmehr endgültig von dem Grafen Putbus und seinem Neffen, die am nächsten Morgen ihre Reise nach Italien fortsetzten. Als Junggeselle und in guter Lage wechselt der Graf seinen Wohnsitz mit der Jahreszeit und bringt den Winter gewöhnlich in Rom zu.

Als Mr. Tattersall uns in Doberan miteinander bekannt machte, geschah es mit den Worten: „Dies ist Graf Putbus, je länger Sie ihn kennen werden, desto mehr werden Sie ihn schätzen.” – Ein wahreres Wort ward nie gesprochen; denn auf allen meinen Reisen habe ich keinen vollendeteren Gentleman getroffen.

Über die Umgegend von Frankfurt ist nichts zu berichten, es sei denn, dass wir alle 400 Schritt einem Heiligenbild begegneten, was uns einigermaßen peinlich berührte. Unser Postillion fuhr uns auf der besten Straße Europas fünf englische Meilen in der Stunde – mit einem Aufhalter! Auf der zweiten Etappe hatten wir jedoch gute Pferde und einen mehr als halb betrunkenen Kutscher, der uns flott nach Mainz brachte. Gegen Abend kamen wir durch das berühmte Dorf Hochheim; während unser Postillion sich dort stärkte, bestellte ich mir gleichfalls eine Flasche. Noch vor wenigen Jahren galt eine Flasche Rheinwein in einem Londoner Gasthof als unerhörter Luxus, und wer sich eine solche bestellte, war der Gegenstand allgemeinen Staunens; in Hochheim zahlte ich für meine Flasche einen Schilling zwei Pence, es war allerdings erbärmliches Zeug, ein so g. „Rachenputzer”. Bis Mainz ist die Gegend ein einziger Weinberg. Dank unserem frommen Postillion, der es nicht gewagt hätte, an den Heiligenbildern schnell vorüberzufahren, kamen wir erst bei Dunkelheit in Mainz an, so dass wir von der eine Viertelmeile langen Schiffsbrücke über den Rhein wenig sehen konnten. Das uns empfohlene Hotel war besetzt, wir kamen jedoch im „Römischen Kaiser” unter, wo man uns für eine halbe englische Krone (2,50 Mark) à Person nachfolgendes Menü vorsetzte: Suppe, Aal, Beefsteaks, Geflügel, Ochsenragout mit Kartoffeln und Sauerkraut, saurer Lachs mit Salat- Mayonnaise, Plumpudding, Konfekt und Früchte. Für diese Verpflegung mussten wir allerdings in den Kauf nehmen, dass es nur noch ein Zimmer mit zwei Betten gab, für Mr. Tattersall und seinen Sohn, während ich in dem Raum schlafen musste, in dem wir zu Abend gegessen hatten. Während sich Mr. Tattersall vor dem Pfeilerspiegel rasierte, sein Sohn unsere Namen in das polizeiliche Meldebuch eintrug und Jemmy sich mit dem Kellner um zwei Groschen zankte, lag ich bereits im Bett und bemühte mich vergebens, einzuschlafen.

11. September. – Um sechs Uhr waren wir bereits auf dem Dampfer, der uns bis sechs Uhr abends nach Köln bringen sollte. Die Entfernung beträgt 100 Meilen, und wir hielten die Zeit auch inne. Da die Schiffe ihre Reise in einem Tage machen, so sind die Kabinen – ohne Betten – sehr geräumig und bequem; auch die Verpflegung war gut und die Reisegesellschaft nicht zu zahlreich und sehr anständig. Den Rhein in seiner ganzen Schönheit zu schildern, wäre meine Feder nicht imstande; darum sei nur so viel gesagt, dass unsere heutige Reise alles übertraf, was ich von dem berühmten Strom gehört und gelesen hatte. Kein Naturschwärmer sollte es versäumen, vor seinem Tode diese herrliche Gegend kennen zu lernen, vorausgesetzt dass er das nötige Kleingeld hat. Unter anderem kamen wir an dem berühmten Schloss Johannisberg vorbei, wo der gleichnamige Wein herkommt; die Aussicht von diesem Schloss gilt als eine der schönsten auf der ganzen Welt. Als die Franzosen Herren des Landes waren, wollte General Hoche die Kellereien des Schlosses in die Luft sprengen und stand nur auf die Bitten General Lefèvres hiervon ab. Noch ist es nicht lange her, dass blutgetränkte Hände die Trauben in dieser heute so tiefen Frieden atmenden Gegend gepflückt haben. Auch die Stelle, wo der unsterbliche Blücher mit dem preußischen Heer den Strom überschritten hat, wurde uns gezeigt. Eine vorzügliche Straße, von Napoleon mit ungeheuren Kosten gebaut, begleitet den Rhein auf der ganzen Strecke. Wir hätten diese viel schneller zurückgelegt, wenn wir nicht eine große Zahl von Städten und Dörfern angelaufen hätten, um Passagiere und Frachtgut zu nehmen oder abzusetzen. Etwa auf halbem Wege zwischen Mainz und Köln, am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, liegt die hübsche Stadt Koblenz, wo ich an Land ging; das großartige Schloss ebenso wie der erzbischöfliche Palast dienen heute als Kasernen für Soldaten. Im Laufe der Fahrt zeigte man uns das imposante Schloss des Herzogs von Nassau ebenso wie sein Jagdhaus in den Bergen. Der Herzog ist ein leidenschaftlicher Jäger und steht um zwei Uhr morgens auf, um zu pirschen, was nicht immer nach dem Geschmacke seiner Gäste sein soll. In der Nähe des Schlosses liegen auch die Soda- und Selterwasserwerke, die dem Herzog gehören, ebenso wie das schon zur Römerzeit berühmte Bad Wiesbaden, das nicht weniger als vierzehn warme Quellen hat.

An Bord befand sich ein Engländer, der seit langem in Deutschland lebte und den ich über die landläufigen Preise befragte; er erzählte mir, dass, wenn er ohne seine Familie reise, sieben Schilling ausreichten, um für sich, seinen Diener und sein Pferd den täglichen Lebensunterhalt in einem Gasthof zu bestreiten. Um drei Uhr setzten wir uns zu Tische; es war vortrefflich gekocht, jeder Reisende hatte ein Maß Moselwein neben seinem Gedeck, was mit dem Kuvert in dem Fahrpreis von ungefähr zwei Pfund Sterling enthalten war. Der Wasserstand war zur Zeit so hoch, dass wir an dem Ufer nahe genug entlang fuhren, um die Unterhaltung der Leute auf dem Lande hören zu können.

Um sieben Uhr abends langten wir in Köln an; da wir indessen noch in dieser Nacht bis Düsseldorf wollten und die Entfernung dorthin vierundzwanzig englische Meilen betrug, so hatten wir keine Zeit uns die Stadt näher anzusehen. In Köln befindet sich die berühmte Rheinburg, in der sehr viel Wein lagert. Es war fast neun Uhr, ehe wir unser Gepäck und den Wagen an Land hatten und die Stadt verlassen konnten. Da wir in Düsseldorf am nächsten Morgen bereits um drei Uhr auf dem Dampfer sein sollten und die Posthalterei, auf der wir die Pferde wechselten, ein Gasthof war, so aßen wir dort zur Nacht und streckten uns danach zwei Stunden in dem Gastzimmer auf unseren Mänteln hin, um dann direkt auf das Schiff zu gehen, das uns nach Rotterdam bringen sollte. Dasselbe war ziemlich gefüllt; unter den Passagieren befanden sich bereits viele Holländer.

Über die Gegend unterhalb Düsseldorfs ist nichts zu berichten, da wir sehr bald in das flache Land des unteren Rheins kamen. Um ein Uhr wurde zu Mittag gegessen; ich hatte das Glück, eine schöne Frau zu meiner Linken zu haben; aber mir gerade gegenüber saß ein dicker, fettig aussehender Kerl, der mir auf folgende angenehme Art den Appetit verdarb: Nachdem er seine Weste aufgeknöpft hatte, begann er, wie ein Roarer schnaufend, sich von Kopf und Gesicht den Schweiß mit einem Taschentuch abzuwischen, das seit mindestens acht Tagen für den Waschzuber reif war; das hielt ich noch aus! Dann, in der Mitte des Mahles etwa, stocherte er sich mit der Gabel in den Zähnen herum und wischte die Zinken auf dem Tischtuch ab. – Auch das ertrug ich!! Fünf Minuten später aber schlug er dem Fass den Boden aus: Er räusperte sich und – spuckt mir vor die Füße. Da nahm ich Reißaus wie ein Kampfhahn aus dem Ringe! Der Nachmittag wurde reichlich lang; mit guter Lektüre ließ er sich jedoch unterbringen, und um sieben Uhr setzten wir uns wieder zu Tisch, wo es die besten Hammelkoteletten gab, die ich in meinem ganzen Leben gegessen habe, jedenfalls war es das erste gute Stück Hammelfleisch, das man seit der Abreise aus der Heimat uns vorsetzte; denn in Deutschland ist dieser Begriff allem Anschein nach unbekannt. Ein anderer Genuss, wenn auch nicht materieller Art, blühte uns während dieser Mahlzeit dadurch, dass an dem Nebentische vier reizende Belgierinnen saßen. Da unser kleiner Kreis nur aus Hippologen bestand, so waren wir uns gleich einig, dass das flandrische Blut, dass sich in unserer Pferdezucht so nützlich erwiesen hat, auch in diesen vier herrlichen Exemplaren mit ihren schwarzen Locken, den prachtvollen Zähnen und der wohlgeformten Büste die englische Rasse unbedingt verbessert haben würde.

Um zehn Uhr abends legten wir in Rotterdam an und begaben uns in das „Alte Bad-Hotel”, wo wir vorzügliche Zimmer bekamen; zu unserer freudigen Überraschung fand sich im Wohnzimmer ein Teppich und im Schlafzimmer standen Himmelbetten mit Gardinen. Das war ein lang entbehrter Luxus. Nach einer vorzüglichen Tasse Kaffee begaben wir uns zur Ruhe.

Sonntag, den 13. September. – Wir standen frühzeitig auf; die Aussichten für unsere Reise waren indessen nicht viel versprechend, es regnete in Strömen und ein heftiger Sturm blies uns von der englischen Küste direkt in das Gesicht; allen Anzeichen nach versprach er bis zum nächsten Tage anzudauern. An diesem aber war unser Schiff fällig; für mich wäre es auf ein paar Tage nicht angekommen, aber Mr. Tattersall musste unbedingt in Doncaster sein, um während der Rennen Lord Warncliffes Stall zu verkaufen. Da war freilich guter Rat teuer. Der Kapitän sollte befragt werden; ich begab mich auf den Kgl. Holländischen Postdampfer, der fast unter unseren Fenstern festgemacht hatte.

„Schlechte Aussichten für Old England, Kapitän?”

„Sehr schlecht”, lautet die Antwort, „aber unser Schiff kommt rechtzeitig hinüber.”

„Ohne mich, denn ich reise selbst bei Sturm, wenn wir mit dem Winde fahren, aber grundsätzlich nicht gegen diesen.”

Ich muss zur Ehre des Kapitäns sagen, dass er mir nicht weiter zuredete, sondern sich mit der Bemerkung begnügte, dass möglicherweise der Sturm bis zum nächsten Morgen abflauen könne. Wir beschlossen, dies abzuwarten und andernfalls über Ostende zu reisen.

Noch in anderer Hinsicht verdarb das miserable Wetter uns die Laune: Wir hatten uns viel von einer Fahrt nach dem Haag versprochen, und ich freute mich besonders darauf, etwas von der holländischen Landwirtschaft zu sehen. Das wurde nun zu Wasser, und wir mussten uns damit begnügen, die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein zu nehmen. Ein Gang durch die Straßen ist jedoch nicht ohne Reiz, wenn es auch an prunkvollen Bauten fehlt, so sieht man doch genug des Interessanten. Alle paar Schritte kommt man ans Wasser, und es ist ganz eigenartig, große Seeschiffe dicht vor den Ladentüren liegen zu sehen. Wie überall auf dem Kontinent, schickt man auch hier die Fremden, die sich amüsieren wollen, in die Kirche. In einer solchen sahen wir die Grabmäler von Admiral de Witte und Erasmus, beide gleich berühmt auf ihrem Gebiet. Jedenfalls haben unsere gotischen Vorfahren für die Seelenerbauung der fernsten Geschlechter gesorgt; trotz seines Alters schien dieser ehrwürdige Bau noch vielen Jahrhunderten und tausend solchen Stürmen wie dem heutigen trotzen zu können. Eine große Rolle – um einen Gedankensprung zu machen – spielt Rotterdam auf dem Liebesmarkt. Es gibt wohl kein Volk, das sich der Macht weiblicher Reize entziehen kann, allein es mutete uns doch etwas eigenartig an, die käufliche Schönheit hier in den Fenstern ausgestellt zu sehen; als Überschrift für ein solches Schaufenster hätte ich die Warnung König Salomons sehr passend gefunden: „Wer einfältigen Gemütes ist, der trete näher.”

Gegen vier Uhr kehrten wir zur Table d'hôte in unser Hotel zurück. Die Tischgesellschaft war nur klein, was wir nicht weiter bedauerten. Wir machten die Bekanntschaft eines deutschen Grafen, der mit dem Grafen Veltheim verwandt war und der uns einige Sportanekdoten aus seiner Heimat zum Besten gab, u. a. erzählte er, dass der Herzog von Braunschweig im Laufe einer einzigen Saison 365 Wildschweine erlegt habe. Nach der Landessitte saß der Wirt mit am Tisch, was ihm Gelegenheit gab, uns eine große Gefälligkeit zu erweisen. Wir hatten am Morgen Jemmy beauftragt, einen Käufer für unseren Wagen zu finden, der uns in Hamburg 800 Mark (40 Pfund) gekostet hatte.

„Leicht gesagt”, meinte Jemmy, „wäre es ein Boot, das würde ich im Umsehen los, aber wer braucht hier in Rotterdam einen Wagen.”

Ausnahmsweise sollte Jemmy einmal Recht behalten, und wir sahen schon ein, dass es ohne einen größeren Verlust nicht abgehen würde. Da erbot sich der Wirt, der von unserer Ver-legenheit hörte, uns den Wagen nach der Taxe eines Wagenbauers abzukaufen. Jemmy ermittelte, dass 15 Pfund der äußerste Wert sei, und uns war geholfen. Nachdem wir dem vorzüglichen Wein sehr mäßig zugesprochen hatten, begaben wir uns alle in das Theater. Auf dem Wege dorthin, der kaum eine Meile lang war, hatten wir mindestens ein Dutzend Brücken zu passieren. Es wurde „Titus” gegeben, was auf dem Kontinent gegenwärtig sehr beliebt zu sein scheint, wenigstens sahen wir dies Stück auf unserer Reise schon zum dritten Mal. Das Theater in Rotterdam hat uns arg enttäuscht, von den Schauspielern konnten nur zwei auf diese Bezeichnung Anspruch erheben. Es folgte noch „Don Juan”; die Musik soll gut gewesen sein.

14. September. – Die Götter, die Wind und Wetter beherrschen, waren uns gnädig. Der Sturm hatte über Nacht nachgelassen, am Morgen wehte der Wind noch ziemlich heftig, aber günstig für unsere Fahrt, und die Flut gestattete uns, zu angenehmer Zeit die Sperre zu kreuzen, so dass wir erst um acht Uhr an Bord zu sein brauchten. Nachdem wir unsere Plätze belegt und uns überzeugt hatten, dass der Dampfer nicht überfüllt sein würde, verließen wir in gehobener Stimmung das Hotel: Bald sollten wir den Fuß auf heimatlichen Boden setzen, und der ist kein rechter Mann, der diesen nicht über jeden andern liebt! Unsere letzte Tat im fremden Lande war der Abschied von Jemmy, der nun sehen musste, wie er nach Hamburg zurückkam. Man täuscht sich oft, aber die Dankbarkeit dieses braven Burschen war, glaube ich, echt, als er unter Tränen versicherte, dass er mit drei besseren Herren nie gereist sei. Wir konnten ihm dies Kompliment voll zurückgeben, denn einen ehrlicheren und sorgfältigeren Diener hat es wohl nie gegeben. Ein Regenschirm, der ihm in Köln gestohlen wurde, war alles, was wir auf der ganzen Reise von den zahllosen, seiner Obhut anvertrauten Gepäckstücken eingebüßt haben. Wir gaben ihm ein entsprechendes Zeugnis, das ihm auch sofort zu einer ähnlichen Stellung verholfen hat, wie diejenige, die er mit so viel Ehren bei uns ausfüllte. Um acht Uhr lichteten wir die Anker und um Punkt neun Uhr saßen wir bei einem vortrefflichen Frühstück, und wir taten gut daran, uns damit zu beeilen; denn eine halbe Stunde später saßen wir auf der Barre, mit nur einem Fuß Wasser unter dem Kiel, was ungemütlich genug war, um nervenschwachen Leuten den Appetit zu verderben. Da unser Kapitän ein alter Seebär war und ich ihn selbst am Steuer erblickte, so ließ ich mir meine Zigarre genauso schmecken wie auf dem Lande. Als wir wieder im tiefen Wasser waren, erzählte er mir, er sei kurz zuvor mit solcher Wucht aufgefahren, dass ihn der Anprall lang auf das Deck warf, „allein”, schloss er, „da unser Schiff darauf eingerichtet ist, und wir niemals bei Dunkelheit auslaufen, so läuft es immer ohne ernsten Schaden ab.” Bald nachdem wir die Schranke passiert hatten, sahen wie einen Streifen Wasser von gänzlich anderer Färbung sich durch die See einen Weg bahnen. Der Kapitän belehrte uns, dass dies die Strömung des Rheins sei, die viele Meilen in die See hinausragt. Der plötzliche Wechsel des Windes seit gestern hatte die See besonders aufgewühlt; unser Schiff rollte, dass nur „Seebeine” dem gewachsen waren und die „Magenpumpe” unter den Passagieren unaufhörlich arbeitete. Ich für mein Teil halte in solchen Lagen das Bett für den geeignetsten Aufenthalt; um sechs Uhr lag ich in meiner Koje und schlief bis zum nächsten Morgen durch. Zu den Unannehmlichkeiten einer Seereise pflegt es zu gehören, dass man in einem Raum frühstücken muss, in dem so viele Leute geschlafen haben; um halb sieben erschien jedoch der Steward, um uns zu verkünden, dass wir in der Thames seien, und dass in einer halben Stunde die Steuerbeamten an Bord kommen würden. Dies hatte den Erfolg, dass in einer Stunde die Kabine geräumt und in einer weiteren ein gutes Frühstück hergerichtet war.

Ganz abgesehen von dem Lokalpatriotismus, der den Engländer die Themse allen „Rheinen” der Welt vorziehen lässt, hat dieser Strom zwischen Gravesend und London doch etwas Imposantes: Es scheint, als wären in dem Gewühl von Schiffen, dass sich dort vor unserem Blicke ausbreitet, der Reichtum und der Fleiß aller Nationen vereinigt. Im Vergleich mit dem Ozean ist die Themse freilich ein Graben und auf diesem sahen wir dicht bei Gravesend das Wrack eines stolzen Indienfahrers, der, nachdem er den Ozean wohlbehalten durchquert hatte, hier wenige Meilen vom Ziel gestrandet war.

Mit dem Glockenschlage zwölf machten wir an der Treppe zum Zollhaus fest, und nachdem unser Gepäck visitiert war, suchte jeder von uns seine eigenen vier Räume auf, höchlichst befriedigt von der Reise, die nun hinter uns lag. Wie ein Schlauch Wein durch eine Seefahrt geläutert wird, so war es auch unsere Seele durch diese Reise, vor allem durch die Güte unserer deutschen Freunde, die vielleicht ihresgleichen finden mag, niemals aber übertroffen werden kann.

Wenn ich nicht meinen Lokalpatriotismus hätte und in ein anderes Land ziehen möchte, so würde ich mich für Deutschland entscheiden, da es England am ähnlichsten ist. Ich liebe es, weil es ein landwirtschaftliches und kein Industrieland ist. Die Landwirtschaft scheint, wie bei allen vernünftigen Menschen, auch bei den Deutschen hoch geachtet zu sein. Gern würde ich dort drei oder vier gute Hirschmeuten sehen, wofür sich das Land vorzüglich eignet; aber für Fuchsmeuten ist es nicht geschaffen. Der Wildschutz ist auch nicht annähernd so verbreitet wie bei uns, wo er viele gute Beziehungen zerstört hat, die in Deutschland noch in voller Blüte zu sein scheinen. Rennen und aller andere Sport sind auch im Aufblühen, und ich glaube sicher, in einigen Jahren werden viele meiner Landsleute den mecklenburgischen Meetings beiwohnen und ebenso wie ich von dem liebenswürdigen Entgegenkommen dort entzückt sein.

Höflichkeit ist eine Eigenschaft, die ich bei jeder Nation zu schätzen weiß, aber in einer Beziehung übertreibt sie der Deutsche, nämlich darin, dass er beständig den Hut abnimmt. Diese Sitte kann sehr teuer werden, denn wer in einer Stadt sehr bekannt ist, kann den Hut nicht zwei Minuten auf dem Kopfe behalten. Mir fiel diese Sitte zuerst als merkwürdig auf, als ich Wilhelm Biel mit seinem Inspektor sprechen sah und beide den Hut abnahmen. Dasselbe sah ich, als ich mit Biel in einen Laden ging, wo er vor dem Ladeninhaber den Hut zog. Da die Deutschen sich durch männlichen Charakter auszeichnen, war ich erstaunt, öfter Ohrringe bei den Männern zu sehen. In Doberan sah ich sogar einen sehr eleganten jungen Mann mit diesem Schmuck. Ich würde diesen den Frauen überlassen und niemand seinen Charakter nehmen; ich weiß nicht, was schlimmer ist, ein Mannweib oder ein weibischer Mann. Eine noch merkwürdigere Sitte lernte ich in Holland kennen, doch ist sie wohl nur in den mittleren Ständen üblich. Ich meine die, dass zwei Männer sich küssen. Ich sah einmal solche alberne Szene, als zwei ungeschlachte Menschen sich umarmten und auf beide Backen küssten. Ich liebe Küsse von schönen Frauenlippen wie wohl jeder Erdensohn und hoffe, mir diesen Geschmack bis zu meinem letzten Atemzug zu erhalten, aber Männerküsse!...

Viel Freude machte es mir, die Hochachtung zu sehen, mit der man in Deutschland dem von Moses Zeit den unreinen Tieren gezählten Storch begegnet. Er gilt dort fast als heilig, und das mit einem Storchnest gekrönte Haus soll besonders vom Himmel begünstigt sein. Einen solchen Vogel zu töten, gilt als Verbrechen. Es ist eine Tatsache, dass diese Tiere nach ihrem Winteraufenthalt im Süden ihre alten Nester im Frühjahr wieder aufsuchen. Ich bin am Ende und gern kehrte ich noch einmal an den Ausgangspunkt meiner Schilderung zurück, denn nicht immer lief meine Feder mir zu Dank. „Sunt bona, suntquaedam mediocria, sunt malae plura.” In den eigenen Augen bescheiden dastehen ist jedenfalls besser, als einen Ruhm zu heischen, den man in den Augen anderer nicht verdient.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus alten Zeiten - Nimrods Tagebuch