Göttertrank, Wildschweine und ranzösische Hörner.

Um sechs Uhr setzten wir uns zu Tische, auf dem ich nicht weniger als neun verschiedene Sorten Weine zählte; alle diese dünkten unserem verehrten Gastfreund indes noch nicht ausreichend, um seiner Wertschätzung der englischen Gäste Ausdruck zu geben; denn später erschien obendrein noch eine köstliche Ananasbowle, aus auserlesenen Weinen und Champagner zusammengegossen. Eine ganze Ananas, die dem Getränk den Namen gibt, wird in Scheiben in dieses hineingeschnitten und verleiht ihm ein delikates Aroma. Ich brachte es bis auf drei, keineswegs kleine Gläser dieses Göttertrankes, spürte aber am nächsten Tage keine bösen Folgen.

Am Sonntag, den 24. August, besuchten wir die Kennels und besichtigten einige Wildschweine, die eingefangen waren. Die Fuchsmeute besteht aus fünfundzwanzig Koppeln, von denen mehrere in England gezogen sind. Die Hunde werden im Zwinger ganz nach englischem Muster gehalten, nur wird neben dem Fleisch statt Hafermehl Gerstenmehl gefüttert. Die Saumeute ist in einem langgestreckten Gebäude untergebracht, in dem die Hunde auf beiden Seiten an der Wand angekettet sind, so dass sie einander nicht erreichen können. Ich schritt zwischen beiden Reihen hindurch, ohne dass mich auch nur ein einziger Hund angeknurrt hätte, ja einzelne von Ihnen scheinen ganz zutraulich zu sein; ich verzichtete jedoch auf die Ehre einer näheren Bekanntschaft.


25. August. – Wie es sich für „Nimrod” gehört, wurde ich durch Hörnerklang und Hundegebell geweckt. Acht oder zehn französische Hörner schmetterten unter meinem Fenster und die Hunde antworteten auf die wohlbekannten Klänge mit freudigem Gekläff. Schlechtes Wetter heute; es gibt wieder keinen Sport” meinte Jemmy, als er hereinkam; aber er sollte sich gründlich irren: Das Wetter klärte sich auf, und wir erjagten unser Schwein, verloren unseren Fuchs und erlegten verschiedene Völker Rebhühner und Wachteln. Ich muss mich kurz fassen, darum sei nur gesagt, dass der Keiler bald von den Hunden gestellt war und, da er nicht das Freie gewinnen konnte, von vier Koppeln gedeckt wurde. Der Graf rief mir zu, abzusteigen und den Fang zu geben. Ich hätte diese Ehre, die allerdings bei der Kraft und Größe der Hunde kaum gefährlich war, gern abgelehnt, aus Mitleid mit dem ritterlichen Schwarzrock tat ich jedoch, wie mir geheißen und stieß ihm meine Klinge in das Herz. Er war sofort verendet und zu seiner Ehre sei es gesagt, lautlos, wodurch sich das edle Wild von seinem bürgerlichen Vetter, dem Hausschwein, rühmlich unterscheidet. Das deutsche Wildschwein unterscheidet sich wohl kaum von dem anderer Länder; seine Farbe ist eisengrau, die Lauscher sind kürzer und die Schnauze ist länger als bei einem gewöhnlichen Schwein. Die Gewehre des Keilers sind eine furchtbare Waffe, zumal dieser in den Nackenmuskeln eine Riesenkraft besitzt. Vergegenwärtigt man sich, welchen Schaden das Schwarzwild in Wald und Feld anrichtet, so muss es wundernehmen, dass Graf Hahn auf seinem Besitz einen Bestand von über 150 Stück duldet. – Es mag dies vielleicht mit als Erklärung dafür dienen, dass die deutschen Edelleute ihre so ausgedehnten Besitzungen selbst bewirtschaften, denn kein Pächter würde bei solchem Wildreichtum säen wollen; kann doch ein einziges Wildschwein in einer Nacht ein ganzes Weizen- oder Kartoffelfeld verwüsten. – Allein im Laufe der letzten Jagdzeit hat Graf Hahn eigenhändig dreiundzwanzig Keiler zur Strecke gebracht, und sein Stallmeister erlegte an einem Tage drei. Ohne Frage gehört hierzu ebenso viel Mut als Geschicklichkeit. Die tödliche Stelle ist unmittelbar hinter dem Blatt, wo die Klinge sofort in das Herz dringt; aber selbst dem erfahrensten Jäger kann es passieren, dass der Stoß fehl geht, und es kann ihm teuer zu stehen kommen, wenn die Hunde den verwundeten Recken fahren lassen. Meine Erfahrungen sind zu gering, um mich über die Wissenschaft der Saujagd zu verbreiten. Bei der Meute befinden sich etwa sechs Koppeln kleiner, rauhaariger Hunde, unseren sogenannten „Wolfshunden” sehr ähnlich; diese werden als „Finder” benutzt, indem sie die Fährte des Schwarzwildes ansprechen und es stellen, worauf die eigentlichen „Saupacker” losgekoppelt werden. Die Geschwindigkeit der Wildschweine ist bekannt, und es soll vorkommen, dass diese, von Hunden gejagt, große Strecken zurücklegen, um den heimatlichen Wald zu erreichen, hierbei halten sie ihren Strich über das Gelände wie ein Fuchs und lassen sich, wie dieser, durch nichts und niemand aus der Richtung bringen. Bei den deutschen Saujagden wird allerdings sehr viel Menschenhilfe in Anspruch genommen, und die Treiber vollführen in den Dickungen einen Heidenlärm. Das Abfangen des Schweins geschieht, glaube ich, in den verschiedenen Ländern verschieden. Die Franzosen tun es, wie ich mir habe sagen lassen, vom Pferd aus mit der Saufeder, wenn sie nicht einen Büchsenschuss als sicherer vorziehen; die Deutschen, nach Art der alten Römer, geben dem Kampf zu Fuß als mutvoller den Vorzug.

Nachdem das Jagen auf Schwarzwild beendigt war, wurde in einer kleinen Waldparzelle ein Kastenfuchs ausgelassen. Derselbe war bald ins Freie gedrückt, behielt aber bei dem mäßigen Szent das bessere Ende für sich. Nachdem die Fährte einmal verloren, war es aussichtslos, sie wiederzufinden; denn der Mann, der die Rolle des Huntsman spielte, hatte von seinen Pflichten auch nicht den leisesten Schimmer, selbst vom „Umschlagen” hatte dieser Würdenträger keine blasse Ahnung. Ich habe dem Grafen dringend empfohlen, sich einen englischen Huntsman für seine Meute zu verschreiben, denn in dieser waldreichen Gegend ist das Geschäft des Huntsman besonders schwierig. Ich bin deshalb auch der Ansicht, dass die Gegend sich mehr für eine Hirschmeute als für Fuchshunde eignet. Für Fuchsjagden sind die Waldkomplexe zu groß – wenigstens um einen reiterlichen Sport zu gewähren –, aber einen Hirsch kann man in das offene Gelände bringen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus alten Zeiten - Nimrods Tagebuch