Ein Hochzeitsfest.

Der Bojar Alexei Iwanowitsch in Moskau macht Hochzeit; er heiratet Xenia, die Tochter des Bojaren Feodor Schisin. 55) Es ist ihm nicht möglich gewesen, die Wachsamkeit ihrer Hüter zu täuschen und seine Braut zu sehen; der Sitte gemäß wird er ihr Angesicht erst erblicken, wenn sie ihm angetraut ist und er zu ihr in die Brautkammer tritt. Doch hofft er das Beste.

Die beiden Swachä, die Hochzeitsschaffnerinnen, haben in dem Hause der Braut, wo das Fest beginnen wird, alles geordnet. Nun begibt sich die eine nach dem Hause des Bräutigams. Mit ihr gehen hundert Diener, gleichmässig in Kaftane gekleidet, und ein jeder Diener trägt auf dem Kopfe irgend ein Gerät, irgend einen Zierat für die Brautkammer.


Das Haus Alexei's ist nicht mehr das kleine unansehnliche, welches sein Vater Iwan, der doch reicher war, bewohnte, sondern ein palastähnliches Gebäude, stattlich anzuschauen, obgleich von Holz. In dem Zimmer, welches zur Brautkammer eingerichtet wird, sieht man vierzig Roggengarben neben und auf einander geschichtet; sie bilden die Unterlage für das Brautbett. Zur Seite stehen drei Tonnen, eine voll Weizen, eine voll Gerste, eine voll Hafer. Dies bedeutet die Fülle an Nahrung, welche der künftige Ehestand haben soll.

Der Abend bricht herein, endlich ist die Swacha auch hier mit den Vorbereitungen fertig. Nun werden die schön geschmückten Rosse vorgeführt; zuerst sitzt der Pope auf, dann der Bräutigam, zuletzt dessen Gäste. In dieser Ordnung reiten sie zum Hause der Braut. Hier empfängt sie mit Willkommengruß die Familie Schisin, und Alexei wird mit seinen nächsten Angehörigen an einen gedeckten Tisch genöthigt, auf welchem drei Gerichte stehen. Doch auf seinem Stuhle sitzt ein Knabe, diesen muss er erst durch ein Geschenk bewegen, ihm den Platz zu räumen. Nun wird die Braut herbei gebracht; sie ist prächtig gekleidet; doch ihr Antlitz verhüllt ein dichter Schleier. Man setzt sie neben ihren Bräutigam, aber seine forschenden Seitenblicke nützen ihm nichts; denn schon ist zwischen das Paar ein breites Stück roten Taffets gezogen, welches zwei Knaben wie eine Schutzwand halten. Jetzt tritt die Swacha herzu, nimmt der Braut den Schleier ab, und wenigstens die Gäste überzeugen sich nun, dass Xenia trotz der dicken Schminke, die auf ihrem Anthtz liegt, keineswegs hässlich ist. Dann werden ihr von der Swacha die Haare gekämmt und in zwei Zöpfe geflochten, zuletzt eine Krone auf das Haupt gesetzt. Die Krone ist von Goldblech, mit Seide gefüttert, und rechts und links hängen sechs Perlenschnüre herab, welche bis unter die Brust reichen. Auch Xeniens langer Überrock ist vorne herunter und an dem drei Finger breiten steifen Halskragen, sowie an den Ärmeln, welche eine Weite von drei Ellen haben, dicht mit Perlen besetzt. Über tausend Thaler hat dieser Rock gekostet.

Die Swacha kämmt nun auch den Bräutigam. Die weiblichen Gäste steigen mittlerweile auf die Bänke und singen allerhand zweideutige Lieder. Hierauf erscheinen zwei geputzte Junggesellen und bringen auf einer Trage einen mächtigen Käse nebst einigen Broten, welche mit Zobelfellen behängt sind. Sie stellen die Trage vor den Popen, er segnet Brot und Käse und lässt hernach diese Gaben zur Kirche schaffen. Dann wird eine große silberne Schüssel auf den Tisch gesetzt; sie enthält viereckige Stückchen Atlas und Taffet, platte viereckige Silberstücke, etwas Gerste, Hafer, Hopfen, alles durcheinander gemischt. Während die eine Swacha die Braut wieder verschleiert, ergreift die andere diese Schüssel und bestreut mit dem Inhalt alle Männer in der Gesellschaft; wer will, mag von dem Silber und Atlas auflesen; die andern Gäste singen unterdess ein lustiges, nur zu derbes Lied. Die Väter des Brautpaars stehen jetzt auf und wechseln die Ringe der Verlobten. Die Swacha aber gibt den Knechten ein Zeichen, die Wagen und Pferde vorzuführen. Denn die Gesellschaft bricht nun nach der Kirche auf; voran in einem Schlitten, dessen Zugpferd am Halse und unter dem Kummet über und über mit Fuchsschwänzen behängt ist, die Swacha mit der verschleierten Braut; dann zu Pferde der Bräutigam und die andern Männer. Neben dem Popen, der sich an Vater Schisin's guten Schnäpsen etwas übernommen hat, reiten zwei Diener, welche ihn stützen, damit er nicht aus dem Sattel falle. Die Frauen folgen zu Wagen.

In der Kirche führt ein mit rotem Taffet belegter Gang zu dem Platze, den ein bunter persischer Teppich als den Ort der Trauung bezeichnet. Doch zuvor muss dem Popen geopfert werden; die Gaben bestehen in Pasteten, Pirogen und anderm Gebäck. Dann tritt das Brautpaar auf den Teppich vor den Geistlichen, den immer die beiden Diener stützen. Andere Männer halten über den Häuptern der Brautleute zwei große Heiligenbilder, welche deren Schutzpatrone darstellen. Nun fasst der Pope den Bräutigam bei der rechten, die Braut bei der linken Hand und fragt dreimal: „Alexei Iwanowitsch! Xenia Schisinowna! wollt ihr einander zu rechter christlicher Ehe haben und in solchem Ehestand euch zu einander wohl verhalten?“ „Ja!“ antworten sie einstimmig. Da fasst er ihre Hände noch fester und führt mit ihnen einen Rundtanz auf; auch die Heiligenbilder drehen sich mit. Rings aber die ganze Hochzeitsgesellschaft hat kleine Wachskerzen angezündet, deren Schein die bunte Gruppe auf dem Teppich hell beleuchtet. Da mischen sich im Kreislauf die Farben und die Lichter wie in einem Kaleidoskop; doch das ungeheure weiße Kreuz, welches hinten auf den dunkeln Talar des Popen gestickt ist, hält die Einheit des Ganzen aufrecht. Während des Tanzes singt der Geistliche den einhundert und achtundzwanzigsten Psalm, und die Neuvermählten singen ihm das Lied stückweise nach; nicht ohne Mühe, denn sie verstehen das alte Kirchenslavonisch nur schwer.

Der Tanz ist zu Ende und der Pope setzt ihnen schöne Kränze auf das Haupt, indem er spricht: „Wachset und mehret euch. Was Gott zusammenfugt, das soll kein Mensch scheiden!“ Dann ergreift er einen gläsernen Römer mit Rotwein, welchen ihm Schisin gereicht hat, und trinkt den jungen Eheleuten daraus zu. Sie tun ihm dreimal Bescheid; den geleerten Pokal wirft Alexei auf die Erde und tritt mit Xenia auf die Scherben, dass sie in kleine Stücke zerbrechen. Dabei spricht das Paar: ,,So müssen auch alle, die zwischen uns Feindschaft und Hass zu erwecken suchen, vor unsere Füsse fallen und zertreten werden.“

Jetzt folgt der Glückwunsch der Gäste; doch während die Frauen Lein- und Hanfsaat auf das Paar werfen und Fruchtbarkeit prophezeien, zupfen und zerren die Mädchen an der Braut, als wollten sie dieselbe mit sich hinwegziehen; aber Xenia und Alexei halten fest, an einander und glücklich bringt dieser seine Frau aus der Kirche und in ihren Schlitten, in welchem sie, geleitet von sechs Fackelträgern, abfährt. Ihr nach reitet der junge Ehemann, hinter ihm der Pope und die Gäste; das Ziel ist nun Alexei's Haus. Hier steht das Hochzeitsmahl bereit und Alle setzen sich zu Tisch, nur Xenia fehlt, sie wird von der Swacha in der Brautkammer zu Bett gebracht. Es dauert auch nicht lange, so erhebt sich Alexei von der Tafel, denn die Swacha erscheint im Saale und winkt ihm. Acht Knaben mit brennenden Wachslichtern gehen vor ihm her, so tritt er in das Gemach und wird hier von Xenien, die aus dem Bett wieder aufgestanden ist und sich einen Zobelpelz umgeworfen hat, mit tiefem Kopfneigen empfangen. Rasch haben die kleinen Fackelträger ihre Lichter auf die Getreidetonnen gesteckt, und belohnt mit einigen Zobelfellen gehen sie ab, während die Swacha auf einen gedeckten Tisch in dem Zimmer einen gebratenen Hahn stellt, um dann ebenfalls sich eilig zurückzuziehen. Nun setzen sich die beiden an den Tisch und zum ersten Male erblickt Alexei seine Xenia unverschleiert. Die Hast, mit welcher er die letzte Zeremonie dieses Tages abmacht, nämlich dem Hahn ein Bein abreißt, es rückwärts über sein Haupt wirft und dann von dem andern Beine geniesst, scheint zu beweisen, er finde seine Erwartung nicht getäuscht. Nach gehaltener Mahlzeit — sie währt nicht lange — begeben sich die Neuvermählten zu Bett. Draußen aber vor der Kammer hält auf- und abspazierend ein alter Diener Wacht und ruft bisweilen eine Frage hinein. Endlich gibt Alexei die Antwort. Hurtig läuft der Diener hinab in den Saal, wo unterdessen von den Gästen mancherlei abergläubische Kurzweil, um dem neuen Ehestand Glück zu erwecken, getrieben worden. Da kommt die Meldung: „Das Paar ist einig!“ und die schon lange harrenden Musiker begrüßen mit einem gewaltigen Tusch der Trompeten den Vollzug der Heirath. — 56)

Für Alexei und Xenien war der Höhepunkt des Festes erreicht; sie machten die Ceremonie, die ihnen nun noch oblag, mit weit geringerer Gemütsbewegung durch, als die Bräuche zuvor. Jene letzte Feierlichkeit hieß das Brautbad und ging am folgenden Morgen vor sich. Nachdem nämlich die Vermählten aus dem Bette aufgestanden, wurden sie von den Swachä in eine geheizte Badestube geführt und dort mit Wasser, mit Meth und mit Wein abgewaschen, worauf Xenia ihrem Manne ein Badehemde, welches am Halskragen mit Perlen gestickt war, und einen prächtigen Kaftan schenkte.

Aber für die Gäste begann jetzt erst das größte Vergnügen; ein allgemeines Gelage, bei dem jede Lust ihren Gegenstand fand, und welches zwei ganze Tage dauerte. Die Herren hatten anfangs dem vornehmen teuern Alikante 57) zugesprochen; allein sie überließen dieses schwache Getränk bald den Damen und hielten sich zum Branntwein, der nun in Strömen floss. Die ganze Gesellschaft war in kurzer Zeit halb oder ganz betrunken und man sah ein Kommen und Gehen, solcher, die sich wieder von ihrem Rausch erholt hatten, und anderer, die er eben überwand. Jene suchten frische Kraft bei den Agurken, einem Salat aus Gurken, kaltem Schöpsenbraten, Pfeffer, Essig und dem unvermeidlichen Knoblauch. Auf dies Gericht schmeckte der Trunk von neuem. Andere betteten ihren müden Leib, wo sie eben Platz fanden oder wo ein teilnehmender Nachbar sie gerade hinlegte. Hatte ein solcher Schläfer in der Gesellschaft eine hübsche Frau, dann ging es ihm freilich schlecht. Denn kaum war er fest eingeschlummert, so schlüpfte auch schon seine bessere Hälfte mit diesem oder jenem Herrn, der sich für den jetzt gekommenen Moment nüchtern erhalten, hinaus und blieb einige Zeit verschwunden. Selten ließ eine verheiratete Russin eine solche Gelegenheit unbenutzt: sie rächte sich für die Sklaverei und die Absperrung, in der sie gewöhnlich gehalten wurde. Kam ihr Fehltritt an den Tag, so hatte sie allerdings Strafe genug zu erwarten: Knutenhiebe, dann Verstoßung in ein Kloster. Doch beim lustigen Klingen der Hackbretter und wenn von Tanz und Wein das Blut wogt, wer denkt da viel an die Zukunft!