Die Scythen.

Man liebt es, den Charakter und die Geschichte der Nationen aus der Natur ihrer Länder abzuleiten, und man kann auf diesem Wege zu mancher hübschen Ansicht kommen; aber gewöhnlich geht man hier zu weit. Wer ein Volk recht begreifen will, der studiere vor allem dessen Stammbaum. Boden und Klima hemmen oder fördern; aber die Richtung, die Entscheidung, das Wesentliche hängt von der Natur der Menschen ab. Es wird niemandem gelingen, Polens Untergang aus geographischen Gründen zu erklären; an dem russischen Wesen hat das Erdreich fast ebenso wenig Schuld. Es ist wahr, dass in Tiefebenen, die sich ohne Ende und ohne Abwechselung breiten, auch das Leben und die Gesinnung einförmiger und gleichartiger wird, und dass ein Himmelsstrich mit langen, strengen Wintern und kurzen, heißen Sommern leicht auch den Geist stumpfer macht. Allein, wenn schon die Natur des Landes manchen Zug des russischen Nationalcharakters ausgeprägt hat: das meiste Russische steckt doch im Blute.

Die Wissenschaft vermag heute durch das Mikroskop zu bestimmen, ob ein Blutstropfen von einem Kaninchen herrührt oder von einem Pferde; vielleicht bringt sie es noch dahin, auch das Blut der Menschenrassen zu unterscheiden. Welch ein Gemisch roter Flüssigkeiten wird sich dann in den Adern eines Russen ergeben! Nun meine ich nicht, dass sogenanntes reines Blut ein Vorzug sei; die tüchtigsten unter den großen Nationen der Gegenwart — Britten, Preußen, Franzosen, Nordamerikaner — sind ihrer Abstammung nach Mischvölker. Aber freilich kommt es auf die Beschaffenheit der Elemente an, die sich mischten.


Welche Unzahl von Völkern und wie verschiedenartige sind nicht von grauer Vorzeit an bis zu den Tagen Dschingiskhan's über die Wolga und den Don in das östliche Europa eingewandert! Viele zogen weiter, viele schwemmte die nächste Völkerflut hinweg; aber sie alle haben mehr oder minder einen Anteil an dem Dasein derjenigen Menschenart, die heute russisch spricht und denkt. Denn die Völker erzeugen sich ja nicht ohne Eltern, wie die Essigaale; und wer von uns will sagen, von welchem Ahnherrn die Fähigkeiten stammen, auf die er am stolzesten ist? es war vielleicht ein Pfahlbauer, der keltisch redete und Menschen fraß. Dies den Russen zum Trost, wenn man ihnen allzu hart ihre Ahnen vorrückt. Und auch das wollen wir einräumen, dass es unter ihren ältesten Vorfahren Leute gab, die sich neben unsern Pfahlbauern wohl konnten sehen lassen. Einige darunter sind sogar sehr interessante und in ihrer Weise respektable Menschen gewesen, namentlich die Scythen, ein Nomadenvolk, welches um das Jahr 700 vor Christo das südliche Russland in Besitz nahm und dort fast ein Jahrtausend lang seine Herden weidete.

Es haben ehedem auch andere Nationen, z. B. die Ungarn, beansprucht, für Abkömmlinge der alten Scythen gehalten zu werden; indes heute, wo man schärfer prüft, wird niemand anstehen dürfen, die Ehre dieser Verwandtschaft, so groß oder so klein sie auch sein mag, vielmehr den Russen zuzuerkennen. Sie sind, wenn nicht die Söhne, so doch die Neffen jenes biedern Barbarenvolks; und wer sich für sie interessiert, der wird auch mit Teilnahme hören, was die Geschichte von den Scythen zu sagen weiß. Denn wo man den Urgroßvater nicht kennt, da muss man sich schon mit dem Urgroßonkel behelfen.

Malen kann man die Scythen nicht mehr; denn über ihr Äußeres sind bestimmte und zuverlässige Nachrichten nicht vorhanden. Dagegen von ihren merkwürdigsten Sitten und Bräuchen haben die Alten uns hinreichende Kunde hinterlassen; sie sind barbarisch genug.

Man glaubt gewöhnlich, das Skalpieren sei bloß eine Liebhaberei der Rothhäute; aber diese Sitte herrschte einst auch am Don und Dnepr. Der Scythe hängte die abgezogene Kopfhaut des erschlagenen Feindes, nachdem er sie hatte gerben lassen, an den Zaum seines Pferdes, und die Anzahl solcher Siegeszeichen bestimmte auch bei ihm den Wert des Mannes. Der Indianer lässt im Übrigen den toten Feind ungeschoren; es kommt ihm nur auf die Ehre an, darum genügt ihm der Skalp. Der Scythe dagegen suchte auch den Nutzen. Er hatte entdeckt, dass Menschenhaut ein viel besseres Leder gibt als jedes andere Tierfell; daher pflegte er seinen Gegner vollständig abzuhäuten; von dem Rumpfe machte er sich einen Rock, von der Hand einen fünfpfeiligen Köcher. War ihm aber der Mann im Leben ganz besonders verhasst gewesen, so nahm er ihm noch den Hirnschädel und ließ sich daraus eine Trinkschale machen.

Alljährlich feierte jede Horde ein großes Fest; dabei wurde von dem Häuptling ein gewaltiger Mischkrug für alle diejenigen aufgestellt, die einen Feind getötet hatten. Wer sich vieler solcher Verdienste rühmen konnte, bekam doppelte Portionen; wer niemand totgeschlagen, musste unter dem Hohn der Andern zusehen. Für das ganze siegreiche Scythien war ein ähnlicher Mischkrug, jedoch von kolossaler Größe, an einem heiligen Platz im Herzen des Landes, in der Nähe des Flusses Bug, aufgestellt. Dieses Gefäß hielt vierhundert Kubikfuß, es war von Kupfer, vier und einen halben Zoll dick und vierhundert und fünfzig Zentner schwer. 1) Die Nachbarn der Scythen, die Griechen am schwarzen Meer, erzählten sich, ein scythischer König, Namens Ariantas, habe einst wissen wollen, wie groß die Anzahl seiner Untertanen sei, und bei Todesstrafe befohlen, jeder Scythe solle ihm eine Pfeilspitze einliefern. Da sei denn der Pfeilspitzen eine ungeheure Menge eingekommen, und der König habe daraus jenes Denkmal gießen lassen. Diese Geschichte ist aber ein Mährchen, und der Koloss wahrscheinlich aus der Siegesbeute eines großen Krieges errichtet worden.

So gefährlich die Scythen als Feinde, ebenso zuverlässig waren sie als Freunde. Der Oreste und Pylades gab es unter ihnen viele. 2) Aber beides, den Hass und die Liebe, bekräftigten sie durch Blut. Sie weihten sich zu Kriegern ein, indem sie das Blut des Ersten, den sie getötet, tranken, und sie schlossen ihre Freundschaften, indem sie sich selber Wunden beibrachten, ihr Blut gemeinsam in einen Krug mit Wein laufen Ließen, ihre Waffen unter Eidschwüren hineintauchten und dann den Krug zusammen austranken.

Obwohl es bei den Scythen keine Städte und wenig Industrie gab, und nur ein kleiner Theil des Volkes neben der Viehzucht noch den Ackerbau betrieb, so mischte sich in die Rohheit der Sitten doch hie und da ein raffinierter Luxus. So z. B. wuschen sich zwar die scythischen Damen ebenso wenig wie die Herren es taten, aber sie beklebten sich Gesicht, Hals und andere Teile des Körpers zur Nacht mit einer wohlriechenden Paste, um ihren Teint zu konservieren. Dies war denn freilich auch eine Art von Reinigung. Die Männer hatten eine andere Erfindung, um das langweilige Waschen zu vermeiden; sie gingen ins Rauchbad. Das war ein Filzzelt, in welchem glühende Steine lagen; auf diese wurde Hanfsamen gestreut, der einen dicken, betäubenden Qualm gab; ringsum kauerten nackt die Scythen, sogen den heißen Gifthauch ein, schwitzten und brüllten vor Vergnügen. Die Berauschung war der Zweck, die Reinigung ein Nebenvorteil. So sind die Scythen in Europa die ersten Raucher gewesen, nur dass sie statt des Tabaks ein anderes Kraut gebrauchten, und ihre Erfindung, das Schwitzbad, ist noch heute eine der größten Ergötzlichkeiten des Russen, der freilich den Hanfsamen dabei fortlässt.

Noch manches andere Scythische finden wir bei den Russen wieder. Einmal hatten die Scythen einen weiten Kriegszug unternommen, bis tief nach Asien hinein. Das Heer blieb Jahre lang aus; den Frauen daheim behagte dies nicht, sie suchten Trost bei den Knechten, die natürlich nichts dawider hatten, statt Sklaven fortan die Herren zu sein. Als nun die Ausgezogenen heimkehrten, fanden sie die Grenze von ihren Leibeigenen besetzt, welche bewaffnet und bereit waren, ihnen das Land zu wehren. Wutentbrannt wollten die Herren sich in den Kampf stürzen, dessen Ausgang freilich sehr zweifelhaft schien. Da fiel ihnen ein alter Scythe, der seine Leute besser kannte, in den Arm und sagte: „Aber lieben Freunde! das sind ja eure Knechte! kommt ihr ihnen mit dem Säbel, so werden sie meinen, soviel wie ihr zu sein. Ihr müsst die Peitsche nehmen!“ Dies geschah, und sowie die Rebellen die Knute sahen, warfen sie ihre Waffen weg und baten um Gnade. 3)

In Scythien war man überhaupt sehr konservativ. Weh' dem, der ins Ausland reiste und dann in der Heimath Neuerungen einzuführen versuchte! Solch Unterfangen galt als gottlos und hochverräterisch. Dennoch kam dergleichen vor. Was heute für die vornehmen Russen Paris ist, das war für ihre scythischen Vorfahren Athen. Nun gab es einmal unter den Scythen einen sehr geistreichen Prinzen, Namens Anacharsis; diesen verdross die Barbarei seiner Landsleute, und er fasste den Entschluss, aus ihnen zivilisierte Menschen zu machen. Er begann damit, dass er nach Athen ging und die Kultur dort an der Quelle studierte. Auch hatte er es insofern ganz besonders gut getroffen, als damals gerade Solon lebte und sogar in Athen anwesend war; sonst befand sich dieser weise Mann gewöhnlich auf Reisen.

Unter der Leitung eines solchen Philosophen konnte es nicht fehlen, dass der talentvolle Anacharsis in der höheren Bildung die gewaltigsten Fortschritte machte.4) Er wurde ein ganzer Grieche, ja man tat ihm die Ehre an, ihn selber zu den sieben Weisen Griechenlands zu zählen. Indessen er vergaß dabei nicht das Ziel, welches er sich eigentlich gesteckt, und da er wohl wusste, dass mit bloßer Philosophie einem rohen Volke wenig beizukommen sei, sondern dass man zunächst für die materiellen Interessen etwas leisten müsse, so legte er sich auf mechanische und technische Künste und brachte einen großen Teil des Tages in den Werkstätten und Fabriken Athens zu. Hier merkte er sich namentlich die Herstellung solcher Werkzeuge und Geräte, die in seiner Heimath noch unbekannt, aber dort gut zu gebrauchen waren. Insbesondere verstand er es bald ganz vortrefflich, selbst einen Blasebalg, eine Töpferscheibe und einen Doppelanker zu verfertigen; der letztere sollte ihm zur besseren Befestigung der Zelte in den Steppen dienen.5) Nach mehrjährigem Aufenthalt verließ er nun Athen und steuerte voll von großen Plänen dem schwarzen Meere zu. Die Fahrt war glücklich, das Schiff erreichte die Dneprmündung, fuhr den Strom eine Strecke hinauf, und wohlgemut landete Anacharsis mit seinem Blasebalg, seiner Töpferscheibe und seinem Doppelanker auf dem vaterländischen Boden. Die Scythen mochten ihn anfangs für einen griechischen Handelsmann halten, sie ließen ihn ruhig auspacken. Als er sich zu erkennen gab und den Weg nach seiner Horde antrat, da wurden die Mienen ernster; doch man sah ruhig zu, wie er von seinem Erbe Besitz ergriff. Nun fing er an, seine Künste zu zeigen; aber selbst seine Freunde schüttelten sehr bedenklich den Kopf. Er wollte den Sinnen der Barbaren imponieren und veranstaltete zum Danke für seine glückliche Heimkehr der Göttermutter Cybele, deren Dienst er unterwegs kennen gelernt, ein pompöses Opferfest mit Pauken und Trompeten und dem ganzen Schaugepränge, welches in Griechenland und Kleinasien so beliebt war. Da kam der Groll des Volkes zum Ausbruch; die Scythen fielen über die Prozession her und schlugen den weisen Anacharsis tot. Und so tief hatte sie dieser Versuch, neue Bräuche bei ihnen einzuführen, empört, dass sie später, wenn ein Grieche, der sich einzuschmeicheln gedachte, von dem Ruhme ihres Landsmannes redete, immer steif und fest behaupteten, Anacharsis sei keineswegs ein Scythe gewesen.

Es heißt, der damalige Scythenkönig habe den Neuerer mit eigener Hand getödtet.6) Dies ist sehr glaublich, denn gegen einen Prinzen erhob sich dort nicht leicht ein Geringerer. Selbst die Priester hatten im Vergleich zur Dynastie wenig Macht. Der König regierte unumschränkt, und wie die heutigen Russen der Meinung sind, dass der Zar in einen besonderen, höheren Himmel komme, so herrschte auch bei den Scythen der Glaube, ihrem Könige gebühre im Jenseits dieselbe Ehre vie hienieden. Wenn er starb, so musste das ganze Land eine Trauer anlegen, wie sie gründlicher nicht gedacht werden kann. Nachdem nämlich der Leichnam einbalsamiert worden, legte man ihn auf einen Wagen und führte ihn von Horde zu Horde, und überall, wohin der Zug kam, mussten sich die Leute nicht bloß die Haare, sondern auch ein Ohr abschneiden, sich außerdem Schnitte am Arm-, an der Nase und an der Stirn beibringen und einen Pfeil durch die linke Hand stoßen. So floss um den König in ganz Scythien Blut statt Tränen. Dann wurde die Leiche beigesetzt, aber nicht allein, sondern neben ihr erwürgte man eine der Frauen des Verstorbenen, ferner dessen Mundschenk, den Koch, den Stallmeister, den Kämmerer und einen Läufer. Auch die besten Pferde des Königs wurden getötet und von allem, was er sonst noch im Jenseits brauchen könnte, ein erlesenes Stück hinzugefügt. Diesen ganzen todten Hofstaat begrub man mit ihm. Damit war es indes noch nicht abgetan. Nach Jahresfrist wurden aus seinen Dienern und Leibwächtern — sämtlich geborenen Scythen, die nicht eigene Wahl, sondern allein des Königs Befehl zu ihrem Amte berufen hatte — fünfzig der Tüchtigsten ausgewählt, ebenso aus seinen Ställen die fünfzig schönsten Pferde, dann alle umgebracht und die Leiber balsamiert und ausgestopft. Darauf setzte man die menschlichen Mumien auf die Pferdemumien und stellte sie rings um das königliche Grabmal.

Der Ort, wo sich die Königsgräber befanden, hieß Gerrhi und lag in einer Wildnis am unteren Dnepr; es war der heiligste Platz im ganzen Lande, und jeder Scythe wäre lieber gestorben, als dass dieser Ort hätte in die Gewalt eines Feindes geraten sollen. Sein König war ihm wie ein Gott; er schwor bei dem Feuer, das auf dem Herde des Königs brenne, und dieser Eid galt für den heiligsten. Wurde der König krank, so nahm man an, dass irgend ein Scythe jenen großen Eid falsch geschworen hatte, und drei Wahrsager wurden nach dem Verbrecher befragt. Wenn der, welchen sie angaben, leugnete, so bot man noch mehr Propheten auf; stimmte die Mehrheit dem Ausspruch der drei ersten Priester bei, so durften diese ihrem Opfer den Kopf abhauen und seine Habe unter sich teilen; andernfalls kostete es ihnen selber das Leben. Der König machte mit falschen Propheten überhaupt kurzen Prozess; er ließ solche gebunden auf einen mit Reisigbündeln beladenen und mit Ochsen bespannten Karren werfen, das Holz anzünden und die Thiere in die Steppe jagen.

Die Scythen besaßen außer ihren Herden nichts, was die Habsucht hätte reizen können. Dennoch suchte ein großer Eroberer sie heim. Der Perserkönig Darius Hystaspis kam auf den Gedanken, auch Scythien seinem Weltreich beizufügen. Er setzte (im Jahre 513 vor Christo) mit einem Ungeheuern Heere über den Bosporus, über die Donau und breitete sich wie eine Sturmflut über das südliche Russland. Aber es erging ihm hier, wie es später Karl XII. und Napoleon I. ergangen ist: erst ein Siegeszug bis tief in das Innere des Landes, dann bei so weiter Entfernung von zivilisierten Gegenden bald Mangel an allem Notwendigen, zuletzt ein trümmervoller Rückzug — das war immer der Verlauf des Unternehmens, Russland von Westen her zu erobern. Denn hier .sind nicht bloß Menschen zu besiegen, die stärkeren Feinde sind der ungeheure Raum und die Barbarei des Landes. Den Süden schützt die Steppe, den Norden hüten Sümpfe und Wälder, und in der Mitte der breite Strich fetter schwarzer Erde, der Polen und Russland zu Kornkammern Europas macht, ist bei Regenwetter und im Frühling, wenn der Boden auftaut, ebenso schwer zu passieren. Schon in Polen, im Feldzuge von 1807, lernten die Franzosen als fünftes Element hier den Kot kennen; er verbitterte ihrem Kaiser nicht wenig die Freude über den begeisterten Empfang, den ihm die Polen bereiteten. Wie sich sein Heer mühsam durch den knietiefen Schlamm auf den endlosen Ebenen dahin arbeitete, rief Napoleon unmutig, auf die polnischen Kavaliere deutend: „Und das nennen diese Kerle ein Vaterland!“

Indess was ein Heer nicht kann, das vermag ein ganzes Volk, und den Raum bezwingt die Zeit. So ist es den Nomadenschwärmen, die mit Weib und Kind und mit ihren Viehherden aus Asien hereinkamen, immer gelungen, in Russland Platz zu greifen. Die Scythen erlagen, als sie mit ihren eigenen Waffen und mit frischerer Barbarenkraft bekämpft wurden. Sie waren das erste Opfer der sogenannten Völkerwanderung, die in den Geschichtstabellen gewöhnlich zum Jahre 375 n. Chr. verzeichnet steht, aber eigentlich schon im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung begonnen hat.

Die Besieger der Scythen waren die Sarmaten, ein Volk, das bis dahin am asowschen Meere nomadisiert hatte. Die Polen, die von diesem Volke abzustammen behaupten, hören es nicht immer gern, wenn man sagt, der Name bedeute soviel wie schlangenäugig 7); doch ist ja die Auslegung möglich, dass der Blick des Sarmaten je nach den Umständen etwas Bezauberndes oder Fürchterliches habe.

Die Sarmaten waren nun wieder ein eigener Schlag Leute; mutig bis zur Verwegenheit, aber unberechenbar wie das Meer und unzuverlässig wie Flugsand. Von Autorität hatten sie keine Idee, sondern bei ihnen herrschte in allem und jedem, was man eben eine polnische Wirtschaft zu nennen pflegt. Die Frau ritt wie der Mann auf die Jagd und in den Krieg, und daher rührt die Sage von den Amazonen, einem Volke kriegerischer Weiber, welche sich den größten Teil des Jahres hindurch ohne Männer behülfen, und deren Sinn so hart sei, dass sie sich die linke Brust abschnitten, um besser den Bogen führen zu können. Soweit trieben es nun zwar die Sarmatinnen nicht, aber sie liebten allerdings die Ungebundenheit mehr, als ihrem Hauswesen dienlich war. Hier wurde die Unsauberkeit noch von der herrschenden Unordnung begünstigt, und niemand befand sich dabei so wohl, wie das Ungeziefer; wenig fruchtete dann, dass der Sarmate diesen Feind selbst mit den Zähnen bekämpfte 8) — er konnte so viele Läuse nicht vertilgen, als vorhanden waren.

Die Scythen gingen in die Sarmaten auf. Diese aber wurden, nachdem sie eine Zeit lang im südlichen Russland gehaust, von einer neuen Völkerbewegung nordwärts gedrängt, nach den Quellen des Bug und Dnepr, und verschmolzen dort mit den Trümmern älterer Nationen allmählich zu einem großen Volke, welches zuerst im fünften Jahrhundert nach Christo unter dem Namen der Slawen auftritt.