Die Kosaken.

Der Russe ist von den übrigen Exemplaren der slawischen Menschenart in so vielen und so wesentlichen Stücken verschieden, dass man ihn gewiss nicht unter die Slawen rechnen würde, wenn er nicht eben russisch spräche. Nun gibt es in der Geschichte Beispiele genug von Völkern, welche bestehen blieben, aber allmähich eine andere Sprache annahmen, z. B. die Gallier, die Irländer. Allein in solchen Fällen war es eine höhere Kultur und ein mächtigeres Staatstum, was die Zungen änderte, und diese Überlegenheit haben die Vorfahren der Slawen, so weit hinauf man sie verfolgen kann, doch nie gehabt. Sonst möchte man freilich beinahe vermuten, das Slawentum der russischen Zunge komme daher, weil einst die Scythen hätten sarmatisch lernen müssen.

Dem Darwinianer würde es schon der Erfolg verraten, dass die Russen in ihrer ganzen Natur nur wenig echt Slawisches haben. Überall nämlich, wo Slawen mit andern Völkern zusammengrenzen, sieht man sie stetig abnehmen; sie verlieren fort und fort Boden, und zwar nicht bloß an die Deutschen und Italiener, sondern auch an Magyaren und Rumänen. Der Russe dagegen hat sich immerfort ausgebreitet; er drängt mit seinem Volkstum Finnen, Letten und Polen, wie Lappen und Samojeden zurück; nur das deutsche Wesen bleibt ihm überlegen, und hier dürfte die schwarze Ratte auf die braune treffen.


Es ist wahr, das Russentum dehnt sich aus mit dem Säbel in der Faust und die Knute im Gürtel. Aber dass es so mächtig geworden, verdankt Russland doch gutenteils seiner Eigenart, insbesondere dem fanatischen Eifer, mit dem seine Söhne an ihm hängen. Der Patriotismus hat hier doppelte Kraft, weil er in der Religion wurzelt. Als in den Feldzügen von 1813 und 1814 die russischen Truppen immer tiefer in die fremde ketzerische Welt des Abendlandes hinein geführt wurden, hielt man ihren Gleichmut aufrecht, indem man ihnen sagte: „wer hier vor dem Feinde falle, der werde sogleich hinten im heiligen Russland wieder aufstehen.“

Man redet von schweizer Heimweh; man müsste von russischem reden. Alljährlich strömen hunderttausende von Europamüden nach Amerika; alle Nationen wird man drüben vertreten finden, nur russische Einwanderer sind dort so selten wie weiße Raben. Zum Glück für den Russen ist sein Vaterland so geräumig, denn außerhalb Russlands ist für ihn kein Heil.

Woher alles dieses? Weil die Russen, gerade wie die Juden, sich für das auserwählte Volk Gottes halten, und weil sie, wie die Chinesen, auf die anderen Nationen des Erdkreises als auf Barbaren herabsehen.

Und dies ist nun wieder nichts Slawisches. Dem Polen z. B., ich rede vom gemeinen Mann, liegt an seiner Nationalität sehr wenig; er ist ein guter Preuße, ein guter Österreicher, und er würde auch ein guter Russe sein, wenn man ihm nur seine Religion wollte unangetastet lassen. Es ist lediglich der polnische Herrenstand, weltlichen und geistlichen Zeichens, der sich nach dem alten Reiche sehnt. Er betrachtet es wie das verlorne Paradies. Nur dass er nicht an seinen Sündenfall glaubt. Denn was so ein polnischer Edelmann verbricht, gibt er fast immer andern schuld. Diese Schwäche ist menschlich; allein bei den Sarmaten, in vieler Hinsicht so liebenswürdigen Leuten, wird sie oft zur Manie. Nehmt unter ihnen den Allerliederlichsten und stellt ihn zur Rede; er wird vorwurfsvoll antworten: „Habb ich doch kein Vatterland!“ Ihr rechnet ihm alle seine schlechten Streiche vor; ihr beweist ihm, dass zwischen seinen Taten und der Teilung von 1772 gar kein logischer Zusammenhang vorhanden; er hat immer dieselbe mürrische Antwort. „Aber du ruinierst auch deine Frau!“, „Habb ich doch kein Vatterland!“ schreit er halb weinerlich, halb zornig.

Der hier geschilderte Unterschied zwischen dem polnischen und dem russischen Nationalgefühl macht es erklärlich, dass Polen Jahrhunderte lang russische Länder besitzen, aber trotz aller Anstrengung nicht polonisieren konnte. Die weiten Gebiete der Ruthenen von den Karpathen bis zum Dnepr, die es mit litauischer Hilfe gewonnen, hielt es fest, so lange Russland schwach war; doch den Volksgeist sich zu gewinnen, vermochte es nicht. Die klein- und rotrussischen Knechte des litauischen und polnischen Adels betrachteten immer den rechtgläubigen Zaren von Moskau als den Herrn, dem sie eigentlich gehören müssten. Auch war Polens politische Verfassung nicht dazu angetan, in ihnen die Sehnsucht nach der Gemeinschaft der Gläubigen auszulöschen. Die fremde Herrschaft konnte ja nicht einmal gegen den äußeren Feind, gegen die Einfälle der Tataren, schützen, und während Russland sich von der goldenen Horde losriss, sah Polen müssig zu, wie seine ruthenischen Provinzen von den Nogaiern verwüstet wurden.

Alljährlich, sobald der Winter über die Wasserläufe seine Brücken gelegt hatte, sammelte sich bei Perekop am taurischen Isthmus das Heer des Khans von der Krim. Jeder Tatar brachte außer seinem Reitpferde noch zwei oder drei Handpferde mit; denn großer Raub stand ihm in Aussicht. Übrigens war seine Zurüstung sehr einfach: ein Schwert, ein Bogen, ein Köcher mit Pfeilen, an Proviant etwas Käse und Hirse — dies genügte; für die Gefangenen nahm er noch ein halbes Dutzend neuer lederner Riemen mit.

Achtzigtausend Mann und zweihunderttausend Pferde stark und in einer Breite von sechs Meilen bewegte sich diese unheilschwangere Wolke gen Westen. War der Dnepr überschritten, so galt es möglichst rasch und unbemerkt durch die Steppe in die bevölkerteren Gegenden Polens zu gelangen. Der Schwärm marschierte daher Tag und Nacht und ohne zu plündern immer vorwärts bis tief nach Podolien und Volhynien hinein. Nun erst begann der Rück- und Raubzug. Die Plünderung geschah ganz methodisch: die Überfallenen Dörfer wurden, damit niemand aus ihnen entwische, in ein großes Viereck eingeschlossen. Dann rückten die Tataren gleichmäßig von allen Seiten vor, und mit wunderbarer Schnelligkeit waren sämtliche Menschen und alles Vieh des Ortes in einen Haufen zusammengetrieben, das Ganze zweckmäßig gruppiert und jedem Reiter sein Anteil zugewiesen. Die Schweine traf ein anderes Loos; der Tatar als Mohamedaner verabscheute diese unreinen Tiere; sie wurden in eine Scheune gejagt und dort eingesperrt und verbrannt. Mittlerweile hatten die Starosten und der Woiwode der Provinz den Adel zu Hilfe aufgeboten; doch wann dieser Landsturm in hinlänglicher Stärke herbeikam, war gewöhnlich längst der Schaden getan und der Feind mit seiner Beute davon.

Ein solcher Tatarenzug dauerte in der Regel nicht länger als vierzehn Tage, aber diese Zeit reichte vollkommen aus, um fünfzigtausend Menschen wegzuführen und dreißig Meilen so zu verheeren, als ob Feuer vom Himmel gefallen sei. 49) Im nächsten Frühling lagen dann alle Häfen der Krim voll Sklavenschiffe; der Tatar gab Menschen, der Händler aus Asien oder der Türkei gab Waffen, Kleider, Pferde. Meist wurden die Sklaven im Wege der Versteigerung abgesetzt. Sie standen je nach ihrer Nationalität in verschiedenem Preise. Für einen Polen wurde mehr gezahlt als für einen Moskowiter; 50) woraus erhellt, dass die Polen nicht mit Unrecht sich besser dünken als die Russen. Auch Klein- und Großrussen hatten nicht denselben Cours; für erstere Sorte wurde mehr bewilligt. In der Tat ist der kleinrussische Menschenschlag der schönere. Die beiden Physiognomieen unterscheiden sich etwa, wie im jüdischen Typus die aristokratische und die plebejische Form, von denen bekanntlich jene an ein arabisches, diese an ein Negergesicht erinnert.

Wenn ein Tatar gerade keine Sklaven im Vorrat hatte, so machte er darum doch sein Geschäft; er schloss mit dem Kaufmann einen Lieferungskontrakt, und zur festgesetzten Zeit stellte er allemal richtig seinen Mann — er brauchte ihn ja nur in dem polnischen Menschentiergarten einzufangen. Mit Erstaunen sahen die Bewohner von Perekop Jahr für Jahr den Trieb dieser Sklavenherden durch ihre Stadt nach dem Isthmus ziehen. „Ist es denn möglich,“ riefen sie oft, „dass in Polen noch immer Menschen vorhanden sind?“

Am meisten hatten natürlich die polnischen Grenzstriche am unteren Dnepr zu leiden; aber hier „u Kraine“ („an der Grenze“) ermannte sich das gequälte Volk auch zuerst zum Widerstände. Unterhalb der Stadt Tscherkassy fliesst der Dnepr über Klippen und bildet bis nach Otschakow hin eine Reihe von Wasserfällen und von Inseln. Auf diese zum Teil felsigen, zum Teil morastigen, sämtlich aber schwer zugänglichen Eilande retteten sich die zunächst wohnenden Ukrainer, und von den Tataren um ihr Hab und Gut gebracht, suchten sie denselben Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Sie lauerten vorbeiziehenden kleineren Scharen auf, überfielen sie des Nachts, veranstalteten zuletzt auch weitere Raubzüge, wobei sie denn nicht immer zwischen dem Eigentum von Christen und von Mohamedanern einen Unterschied machten. Man nannte diese Schnapphähne, weil sie sa porogi d. i. „an den Wasserfällen“ wohnten, Saporoger; der Tatar nannte sie einfach Kosaken, d. i. Räuber.

Es geschah um das Jahr 1520, dass ein kühner Kriegsmann, Daschkowitsch mit Namen, diese Banden zu einer Macht erhob, indem er sie disziplinierte. Er ordnete die Kosaken in Compagnieen und Regimenter, schuf ihre festeste Insel zu einem Waffenplatz um, gab kluge Gesetze, welche freie Wahl der Offiziere und gleiche Teilung der Beute verbürgten und kein Vergehen mit Härte straften, außer der Fahnenflucht und dem Ungehorsam — kurz er bildete hier einen Soldaten- oder wenn man will Räuberstaat, der in den Umständen , in der Not seine Berechtigung hatte. Die neue Schöpfung bewährte sich; das Kosakenvolk wuchs rasch an Zahl, an Kraft; es vermochte bald ansehnliche Heere aufzustellen. Denn von allen Enden der russischen Nebenländer Polens kamen in Massen entlaufene Bauern herbei, um sich unter die Freibeuter des Dnepr aufnehmen zu lassen. Die Regierung jenes Reiches, zu schlecht bestellt, um gegen die Tataren zu schützen, war eben durch ihre Elendigkeit ganz geeignet, den Kosaken immer neue Rekruten zuzuführen.

Wenn gefragt würde, welche von den staatverderbenden Eigenschaften der alten polnischen Aristokratie wohl die unheilvollste gewesen, so möchte ich die religiöse Intoleranz nennen. Gewiss ist, dass sie mehr als alles andere dazu beigetragen hat, die ruthenischen Untertanen dem Reiche zu entfremden. Harten Druck war der Bauer gewohnt, und schwerere Frohnden, Abgaben, oder gar mehr Prügel, als in Russland, konnten ihn nirgendwo treffen. Allein dort hatte er den Trost, dass sein Herr vor Gott und dem Zaren neben ihm im Staube lag. Dagegen mit dem polnischen Herrn hatte der russische Knecht nichts gemein als die Stärke des gegenseitigen Religions- und Nationalhasses. Auch gab es in Polen für den Übermuth der Herrschaft keine Schranke. Der russische Bojar schwang über seine „Seelen“ doch nur die Knute; der polnische Edelmann hieb, stach oder schoss den Bauer, der ihn ärgerte, gleich ohne weiteres nieder wie einen tollen Hund. Nach dem Gesetze hatte er dann freilich — wenn die Sache überhaupt vor Gericht kam — eine Strafe verwirkt; aber wie geringfügig war diese Strafe: dreißig Thaler für den Mord!

Einen Juden todtzuschlagen kostete schon mehr, nämlich sechzig Thaler. Der Jude gehörte aber auch zu den Honoratioren des Ortes; er war der Finanzminister des Edelmanns und als solcher, sowie als Inhaber der Schenke, gebot er über den Beutel des Bauern. Doch nahm er diesem das Geld nicht tumultuarisch ab, wie der Gutsherr pflegte, sondern in einer sanften, vertraulichen und doch unwiderstehHchen Weise. Gern gab er die Getränke auf Borg; noch lieber streckte er zu Zinsen und Steuern gegen Verpfändung von ungeborenen Kälbern, von der Saat in Halmen und gegen Arbeiten Geld vor; denn durch solche Mittel hielt er das Opfer bald mit freiwilligen Banden auf ewig umschlungen. 51)

Zu diesen Leiden kam nun noch die Bekehrungssucht der römisch-katholischen Geistlichkeit. So stand der Bauer zwischen zwei Feuern. „Schwör' ab!“ rief der Priester; Zabye cie na smierc y zaplace, „ich tödte dich und zahle!“ schrie der Edelmann.

Wenn nun der arme Kerl vor seinen Bedrängern nicht mehr aus noch ein wusste, so ergriff ihn die „Kosakenverzweiflung“ (Kozacka desperacja), d. h. er verprasste und vertrank, was er noch besaß, ließ seine Schulden beim Juden im Stich und lief fort nach der Ukraine.

Denselben Weg machte, wer in Galizien, Volhynien, Podolien, im Kiewschen, ja selbst im Herzen Litauens und Polens der väterlichen Gewalt oder der Sklaverei, der Arbeit oder Strafen sich entziehen wollte, oder wen es nach Abenteuern gelüstete, nach Beute, überhaupt wer mit kühnem Entschluss seine Lage verbessern und sein Glück machen wollte — die Gründe waren sehr verschieden, das Ziel war immer dasselbe: die Ukraine. Dort lockte ein freies lustiges Leben, und wenn die Tatarenbeute verjubelt war, so blieb noch der reiche Ertrag, den die Erde hier ohne Mühe dem Bebauer gibt.

Denn die Niederungen längs des unteren Dnepr gehören zu den fruchtbarsten Gegenden Europa's. So fett ist dieser Boden, dass er des Düngers nicht bedarf. Der Mist, den man anderwärts mit Geld bezahlt, wird hier zur Last; man bricht das Haus ab, wo er sich in zu großer Menge angesammelt hat, um es an einer andern Stelle aufzurichten. Zwölffaches Korn gilt für eine mittelmäßige Ernte, und so hoch schießt auf den Weiden das Gras auf, dass die Ochsen kaum mit den Hörnern hervorragen. Nur an Holz fehlt es; weshalb man die Häuser von Lehm baut und Reisig, Stroh, Mist brennt.

Doch der Saporoger nährte sich am liebsten von der Jagd, vom Fischfang und besonders vom Kriege, und diese Quellen des Erwerbes waren ergiebig genug.

Man pflegt sich die Kosaken nur als Reiter vorzustellen; aber ursprünglich und lange Zeit waren sie Infanteristen, wie es die Natur ihrer eigentlichen Heimat, der Dneprinseln, mit sich brachte. Sie marschierten und kämpften unter dem Schutze einer viereckigen Wagenburg, Tabor genannt; prallte ein Haufe Tataren an, so zogen sie sich hinter die Wagen zurück und schossen einen Hagel von Flintenkugeln ab; gab der Feind eine Blöße, so brachen sie vor, um ihn zu überfallen.

Indessen das rechte Element des Saporogers war das Wasser. Ein jeder Kosak musste, wenn er auf seinen Namen Anspruch machen wollte, wenigstens einmal mit seinem Nachen über die dreizehn Wasserfälle des Dnepr, von denen mancher acht Fuss hoch war, geschwommen sein; er half sich über die schlimmsten Stellen durch Stricke hinweg, an denen er sich hinablies und heraufzog. Auch dehnten die Kosaken ihre Raubzüge sehr bald auf die See aus, und es erneuerten sich für die Küsten des Pontus die Zeiten der Waräger.

So ein kosakisches Schiff oder Tschaike schien ein gebrechliches Ding. Es war im Grunde nur ein großer, rohgezimmerter Kahn, sechzig Fuss lang und etwa fünfzehn breit; doch wurde es durch dichte Bündel von Schilf und Krautwerk, die an die Planken genagelt waren, stets über Wasser erhalten. Die Tschaike war meergrün angestrichen, damit sie auf der See den Blicken des Feindes desto leichter entgehe. Ihre Bemannung bestand aus fünfzig bis sechzig Kosaken, von denen immer zwölf ruderten; sie übertraf daher an Schnelligkeit eine jede türkische Galeere.

War alles zum Seezuge fertig, und das letzte Mondviertel, der rechte Augenblick zum Aufbruch, eingetreten, dann schwamm in einer dunkeln Nacht die ganze saporogische Flotte, achtzig bis hundert Tschaiken in geschlossenen Reihen, den Dnepr hinab, und wenn es ihr glückte, unbemerkt bei den türkischen Wachtschiffen zu Otschakow vorbeizukommen, so nützte es dem Feinde nachher sehr wenig, dass er durch Avisoschiffe und Couriere rings die Küsten von Bulgarien, Rumili und Kleinasien alarmieren ließ. Denn die Kosaken hatten den Vorsprung. Sie sahen es übrigens mehr auf die Kaperung großer türkischer Kauffahrer ab. Hatten sie ein solches Fahrzeug erspäht, so folgten sie von weitem, bis die Nacht hereinbrach, um dann rasch mit gesammter Macht heranzurudern und es zu erklettern. Nachdem die Mannschaft überwältigt und gebunden worden, ging es eilig an das Umladen. Zuerst flogen die Säcke mit spanischen Piastern und arabischen Zechinen über Bord in die Tschaiken, dann die Stücke Goldstoff, Damast, Seide und die persischen Teppiche; auch die ansehnlichsten unter den erbeuteten Menschen fanden noch Platz. Dann wurden in den Boden des Schiffes einige Löcher gebohrt, die Fesseln der zurückbleibenden Gefangenen noch einmal besichtigt — und nun suchten die Räuber das Weite.

Gerieten sie mit einem Kriegsschiff zusammen, so zogen sie gewöhnlich den Kürzeren, und es entkam dann von den Tschaiken selten mehr als die Hälfte in das Schilf am Ufer. Ein geringeres Missgeschick war es, wenn die Heimkehrenden die Dneprmündung vom Feinde gesperrt fanden. In diesem Falle ruderten sie in den seichten Teil des Limans oder Haffes, fassten hier ihre Tschaiken bei den Hälsen und zogen sie hinter sich her, bis sie um Otschakow herum in den Fluss gelangt waren. Zuweilen indess sahen sie sich genötigt, den weiten Umweg über das asowsche Meer und den unteren Don einzuschlagen. 52)

Wenn nun der Kosak einen guten Fang gemacht hatte, so beeilte er sich in der nächsten Stadt seinen Gewinn wieder durchzubringen. Prächtig aufgeputzt und bis an die Zähne bewaffnet, stolzierte er auf den Gassen umher; vor ihm schritt eine Bande von Musikanten und Sängern, welche zum Klange der Pandor — der ukrainischen Laute — seine Heldentaten verkündeten; hinter ihm folgte eine Schar von Dienern, die in großen Zubern oder Kesseln Wein und Branntwein trugen. Jeder, der ihm begegnete, musste mit ihm trinken; und wo er einen ganzen Schwärm durstiger und tanzlustiger Gesellen traf, da war seine Freude am größten — er hielt alle frei, und war sein Geld dahin, so machte er Schulden auf die zu hoffende neue Beute.

Das Glück, welches die Unternehmungen dieses Volkes zu begleiten pflegte, zog Abenteurer aus aller Herren Ländern herbei; doch überwog unter den Kosaken immer bei weitem die russische Nationalität. So blieben denn auch die Sitten im Ganzen russisch; was an ihnen eigentümlich war, kam im Grunde nur auf Rechnung des soldatischen Lebens, gehörte nicht sowohl dem Volke, als der Kaste an. Es bildete sich nämlich unter den Kosaken, nachdem sie von ihren Inseln her einen großen Teil der Ukraine in ihren Besitz gebracht, ein Unterschied aus zwischen Kriegern und Bauern. Nur jene, die nun gleichsam den Adel des Landes vorstellten, folgten dem Gesetz und Beruf der alten Saporoger. Diese eigentlichen Kosaken wohnten compagnieenweise in einer verschanzten Ortschaft zusammen, welche die Setscha hieß. Kein weibliches Wesen hatte hier Zutritt. Der rechte Kriegsmann durfte nicht heiraten, sondern wenn er dieses Bedürfniss fühlte, stand es ihm frei, ab und zu irgendwo ein Mädchen zu entführen, dasselbe in einer Hütte außerhalb seines soldatischen Quartiers unterzubringen und dort zu besuchen. Die Knaben, die ihm geboren wurden, behielt er; war das Kind ein Mädchen, so wurde es sammt der Mutter in deren Heimat zurückgeschafft.

Nur unbeweibte Kosaken hatten ein Recht auf die Ehrenstellen, auf die Würden der Oberrichter, der Lagerbefehlshaber, der Notare und des Generals oder Ataman (Hetman). Die Wahl zu diesen Ämtern war ein Recht der allgemeinen Volksversammlung und ging stets unter gewaltigem Lärm und Streit vor sich, da man es für nötig hielt, auf die feierliche Handlung sich durch Zechgelage vorzubereiten. Auch wurden gewöhnlich nicht die Verdientesten, sondern die Beliebtesten zu den höheren Stellen erhoben.

Ebenso entschied vor Gericht die Volksgunst; zum mindesten schärfte oder milderte sie die Strafen; sie war die letzte Hoffnung des ertappten Diebes oder Mörders.

Feinde und überhaupt Fremde zu berauben galt als verdienstlich; wenn aber ein Kosak den andern bestahl, so wurde er an den Marktpranger gebunden und neben ihn ein Knüttel gelegt. Nun kam es darauf an, ob er unter seinen Genossen beliebt war oder nicht; denn je nachdem verabreichten ihm die Vorübergehenden Branntwein oder Prügel. Den Mörder eines Kosaken warf man in eine Grube, stellte auf ihn den Sarg mit der Leiche des Ermordeten und verschüttete die Gruft. Doch auch hier trat oft zwischen das Gesetz und den Schuldigen die Volksgunst.

Es lässt sich denken, wie dieser Räuberstaat auch dem moskowitischen Bauer ein Eldorado dünken musste. Nur war ihm der Weg über die zarische Grenze bedenklich. Aber es dauerte nicht lange, so entstand auch in den Steppen am Don ein ähnliches Gemeinwesen. Die ersten Gründer waren Saporoger; sie legten im Jahre 1570 sieben Meilen oberhalb Asows am Don eine Verschanzung an, die sie Tscherkask nannten, und in kurzem sahen sie sich durch zahlreiche russische Läuflinge (entflohene Bauern) so verstärkt, dass sie den benachbarten Nogaiern mit großem Erfolg die Spitze bieten konnten.

Die donschen Kosaken haben in der Geschichte Russlands eine bedeutende Rolle gespielt; von ihnen ging die Eroberung Sibiriens aus; sie waren es, die dem falschen Dimitri die Wege ebneten, und noch im vorigen Jahrhundert vermochten sie das Reich zu erschüttern, indem sie der Thronräuberin Katharina den Prätendenten Pugatschew entgegenstellten. Immer aber haben sie sich als russische Untertanen betrachtet, wie sie denn von Anfang an die Herrschaft des Zaren anerkannten.

Die Dneprkosaken dagegen ließen sich lange Zeit die Oberhoheit Polens gefallen und bildeten für dasselbe gegen Türken, Tataren, Moskowiter die starke Vormauer. Doch wann hätte sich die polnische Aristokratie auf ihren wahren Vortheil verstanden? Die politische Freiheit jener Grenzwächter war dem Adel, ihre griechische Religion war dem Klerus von Polen ein Dorn im Auge; beides sollte ihnen genommen werden. Es kamen Befehle vom Reichstag, man traf Maßregeln, durch welche zunächst die Kriegsmacht der Kosaken polnischen Befehlshabern unterstellt und auf einen geringen Bestand herabgesetzt wurde. Dann verkürzte man ihren Besitz in der Ukraine an Land, an Nutzungsrechten. Zuletzt nahm man ihnen Kirchen und Stifter, und gab solche den Katholiken oder den Unirten, d. i. denjenigen griechisch -gläubigen Gemeinden, welche die päpstliche Oberherrschaft anerkannten. Auch an Privatkränkungen ließ es der polnische Übermut nicht fehlen, und es war ein Unrecht dieser Art, was endlich das Maß zum Überfliessen brachte.

In den vierziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts wohnten in der Starostei Tschigirin am Dnepr zwei Gutsherren neben einander; der eine war ein polnischer Edelmann Namens Czaplinski und bekleidete hier das Amt eines Unterstarosten; der andere war ein Kosak, Bogdan Chmielnicki, der sich unter seinen Genossen zu der Würde eines Feldpissars oder Notars aufgeschwungen hatte. Jener hatte als polnischer Beamter die mächtigere Stellung, dieser bei den Seinigen das größere Ansehen. Chmielnicki's Gut — es hieß Subotow — blühte durch die kluge und emsige Tätigkeit seines Besitzers; die Ländereien Czaplinski's lagen fast wüst. Dieser Unterschied erregte den Zorn, den Neid, die Habsucht des Polen; er beschloss den Nachbar um sein Eigentum zu bringen. Der Feldpissar war sein Untergebener; er gab ihm gefährliche Aufträge; dann schickte er gegen ihn Meuchelmörder ab; doch alle diese Versuche schlugen ihm fehl. Da setzte er einen Bericht an den Starosten von Tschigirin auf des Inhalts: „Chmielnicki's Gut gehöre eigentlich zur Starostei; derselbe habe auch über sein Besitzrecht nichts Schriftliches, wenigstens keine Urkunde in bester Form; überhaupt sei es unschicklich, einem Kerl von Kosaken die Herrschaft über ein ansehnliches Landgut und Untertanen zu gestatten; aus diesen Gründen beantrage er, Subotow für Rechnung der Starostei einzuziehen.“

Der Antrag wurde genehmigt, und eines Tages erschien in Subotow eine Abtheilung polnischer Soldaten und warf den Besitzer hinaus. Chmielnicki klagte, aber das Gericht wies ihn ab. Doch er war nicht der Mann, der sich ungestraft treten ließ. „Noch,“ rief er, „ist meine Kosakenmutter nicht gestorben (mein Kosakenmut nicht erloschen). Czaplinski hat mir nicht alles genommen, so lange ich noch einen Säbel in der Hand führen kann.“ Indess ehe er zum Äußersten schritt, wollte er auch das letzte Rechtsmittel versuchen. Er reiste nach Warschau, um sich dort an die höchste Instanz zu wenden.

Kaum war er fort, als Czaplinski von Subotow Besitz ergriff; und er nahm nicht bloß Haus und Hof, sondern auch das Streitross des Kosaken. Ja sogar Chmielnicki's Gattin legte er sich zu. Unter dem Vorwande, sie sei nur eine Zuhälterin gewesen, und er wolle sie jetzt zu einer ehrlichen Frau machen, nötigte er sie katholisch zu werden und mit ihm vor den Altar zu treten. Den jungen Sohn Chmielnicki's, der des Vaters Drohungen nachgesprochen, ließ er öffentlich auf demMarktplatz zu Tschigirin durchpeitschen.

Alles dies zeigte Chmielnicki in Warschau dem Reichstag an und bat um Recht. Doch die Antwort, die er auf seine Klagen erhielt, war eine neue Beleidigung: „den Spruch des Gerichtes, durch welchen ihm Subotow aberkannt worden, könne man seinetwegen nicht umstoßen, und was seine Frau betreffe, so solle er sich unter den vielen Schönen, die es auf der Welt gebe, eine andere suchen.“ 53) Er ging zum Könige. Dieser zuckte die Achseln, deutete an, wie machtlos er selbst sei, und riet ihm, wenn er es vermöge, der Gewalt die Gewalt entgegenzustellen; dies sei überhaupt für die Kosaken das einzige Mittel, ihren gerechten Beschwerden abzuhelfen.

Mit einem Wort, der Bescheid kam hinaus auf den alten Spruch: „In Polen muss man wenig reden und viel tun, sonst wird man eingebuttert.“

Der Saporoger war nun entschlossen, er kehrte nach der Ukraine zurück, um sich selber Recht und Rache zu verschaffen. Dort traf ihn ein neuer Unfall: er wurde auf Befehl des Starosten verhaftet. Allein die Fürsprache seiner vormaligen Frau, der Unterstarostin Czaplinski bewirkte, dass man ihn nicht in Fesseln legte, und so ward es ihm möglich, während seine Wächter einen Rausch ausschliefen, zu entweichen. Er floh nach den Inseln. Von jetzt an lächelte ihm das Glück. Mit leichter Mühe brachte er die Dneprkosaken zum Aufstand; sie warfen ihre polnischen Offiziere in den Strom und riefen Chmielnicki zu ihrem Hetman aus. Dies geschah gegen Ende des Jahres 1647; im nächsten Frühjahr stand Chmielnicki bereits an der Spitze eines mächtigen Heeres; denn die ganze Ukraine hatte sich für ihn erhoben, der Erzbischof von Kiew sein Unternehmen gesegnet, und auch vom Tatarkhan war eine Hilfsschar eingetroffen.

Um einen so großen Brand zu löschen, hätte es wirksamerer Anstalten bedurft, als der polnischen Regierung anfangs zu Gebote standen. Die wenigen Truppen, die sie beim Beginn der Empörung entsenden konnte, wurden geschlagen. Sie rüstete nun stärker, und es fragte sich, ob die Saporoger dem an Volkszahl und Reichtum ihnen so weit überlegenen polnischen Staate auf die Dauer würden widerstehen können. Aber Chmielnicki wusste, was ihm an Gewaltmitteln abging, durch die Künste einer schlauen Politik zu ersetzen. Er erklärte, die Waffen der Kosaken seien nicht gegen den König, nicht gegen das Volk von Polen, nur gegen die tyrannischen Beherrscher beider, die übermütigen Magnaten, erhoben, und sie würden wie vor alters dem Reiche die treuesten Dienste leisten, wenn man ihnen erlaube, die Ukraine vor den innern Feinden Polens zu schützen. Der königlichen Partei unter dem Adel stellte er noch besonders vor, wie nützlich er gegen die Aristokraten, wie er ein Retter der Nation vor der Anarchie sein könne. In der Tat gelang es ihm hiedurch, in wichtigen Augenblicken die Tätigkeit seiner Gegner zu lähmen. Andrerseits ließ er keine Gelegenheit ungenützt vorbei, wo er im Felde einen Erfolg erringen konnte. Kurz, er verfuhr nach dem russischen Sprichwort, welches besagt: „Dem Polen muss man von vorne etwas Zucker, von hinten Batogi (Hiebe) geben.“

Er erreichte, was er gewollt; man unterhandelte mit ihm. Im Februar 1649 langten zu Perejaslaw, wo er residierte, die polnischen Gesandten an, die vornehmsten Beamten des Reichs. Sie brachten ihm von Seiten des Königs die Insignien der Hetmanswürde, — eine mit Saphiren besetzte Keule, eine rote Fahne mit dem weißen Adler und dem königlichen Namenszug — und ein Diplom über diesen Titel. Er empfing seine Gäste unter dem Donner der Kanonen und bewirtete sie mit einem Pomp, in welchem sich orientalischer Luxus mit kosakischer Rohheit seltsam mischte. Aus goldenen Bechern trank man an seinem Tische die Gesundheiten in schlichtem Branntwein, und die mit Edelsteinen reich geschmückte Frau Chmielnicki's (die er soeben zurückerobert) stopfte ihm und den Gesandten eigenhändig die Tabakspfeifen.

Allein die Bedingung, unter der er den Frieden bot, wurde vom Reichstag nicht angenommen; es sollte die ganze alte Verfassung der Saporoger mit ihrer politischen und religiösen Freiheit wiederhergestellt werden; dieser Gedanke war den polnischen Aristokraten unerträglich. Sie begannen den Krieg von neuem. Jetzt aber erschien Chmielnicki mit einem Heere im Felde, wie es Europa seit den Zeiten Batu's nicht wieder gesehen; er soll 200.000 Kosaken und 160.000 Tataren herbeigeführt haben. Gewiss ist, dass er im Sommer des Jahres 1649 die polnischen Streitkräfte überall mit erdrückender Übermacht zu Boden warf, und dass König und Reichstag, um nur Polen zu retten, jene Forderung des Hetmans, die sie eben abgelehnt, jetzt bewilligten.

Aber sobald die größte Gefahr vorüber war, als man die Tataren wieder in der Krim, den ukrainischen Landsturm zerstreut in seinen Hütten wusste, da setzten Geistlichkeit und Adel die Kräfte Polens von neuem gegen die Kosaken in Bewegung. Chmielnicki überzeugte sich endlich, dass mit diesen Feinden ein dauerhafter Frieden nicht möglich sei, und er beschloss, den polnischen Nachstellungen ein für allemal ein Ende zu machen. Im Jahre 1654 berief er sein Volk zusammen und legte die Frage vor: „ob sie lieber einem katholischen König gehorchen und mit Mohamedanern in Freundschaft leben oder von einem rechtgläubigen, mächtigen Monarchen geschützt werden wollten.“ Die Antwort war ein allgemeines Hurrah für den Zaren von Moskau. Die Saporoger begaben sich unter den Schutz des heiligen Russlands. Mit offenen Armen wurden sie empfangen; reiche Geschenke und unbedingte Bestätigung aller ihrer Privilegien waren der Lohn, den Zar Alexei Michailowitsch ihnen für ihre Huldigung gewährte.

Dieses Ereigniss bezeichnet einen neuen Abschnitt in der Geschichte Osteuropa's; es beginnt mit ihm der Aufgang der russischen, der Niedergang der polnischen Großmacht. Seit der Moskowiter in der Ukraine Fuß gefasst, war die Vereinigung aller kleinrussischen Bevölkerungen mit den Großrussen nur eine Frage der Zeit. Eben hier entschied sich dann auch zu Russlands Gunsten der lange Kampf, den es mit seinem nordischen Nebenbuhler, mit Schweden, zu bestehen hatte. Es war nicht zufällig, dass Karls XII. Stern gerade in der Ukraine erlosch. Denn es handelte sich darum, hier ein ganzes Volk von Kriegern als Verstärkung zu gewinnen; aber nur ein kleiner Teil desselben ließ sich von dem Hetman Mazeppa zu den schwedischen Fahnen hinüberziehen, und die Folge davon war der Tag bei Pultawa.

Russland hat den Ukrainern ihre Treue schlecht gelohnt. Es gebrauchte in allen seinen Schlachten die Kosaken als Kanonenfutter, und gönnte ihnen dafür nicht einmal den Genuss jener Rechte, um deren willen sie einst von Polen abgefallen. Die Kaiserin Katharina II. fand, dass die republikanischen Satzungen dieser sonderbaren Gemeinden am Dnepr der russischen Staatsraison zuwiderliefen. Eines Tages (im Jahre 1764) winkte sie den Hetman Rasumowski zu sich heran, einen Menschen, der seine Hetmanskeule dem Umstände verdankte, dass sein Bruder erster Favorit der weiland Kaiserin Elisabeth gewesen war. Lächelnd, aber mit dem Tone der Herrscherin — denn es handelte sich keineswegs um einen galanten Dienst — sprach Katharina zu ihm: „Ihr Amt, Herr Hetman, muss einträglich sein. Wie viel bringt es Ihnen jährlich?“ „Sechzig bis hunderttausend Rubel,“ war die Antwort. „Würden Sie es übel nehmen,“ versetzte hierauf die Kaiserin, „wenn ich selbst Hetman sein wollte, und wenn ich, ohne Ihre Einkünfte zu vermindern, Sie der Sorgen überhöbe, welche diese Stelle mit sich führt?“ Rasumowski, ganz verwirrt, stotterte: „Dieses hängt von Eurer Majestät ab.“ Er wurde wieder mit einem gnädigen Lächeln entlassen, und Tags darauf musste er sein Amt niederlegen.

Nicht so gefügig zeigten sich die Männer am Dnepr selbst; sie wehrten sich für ihre Rechte. Allein ihr neuer Hetman war ihnen zu stark, und nachdem ihr Widerstand überwältigt worden, wurden sie teils aus dem Lande gejagt, teils zu gemeinen Bauern gemacht. Dies geschah im Jahre 1775, zu der Zeit, als auch Polen den Gang zum Tode antrat, und es war dieselbe deutsche Frauenhand, die den Slawen ihre große aristokratische und ihre kleine demokratische Republik zertrümmerte.

Den Untergang der Kosakenfreiheit verkündete ein Ukas vom 3. August jenes Jahres in dem hyperbolischen Stile, den man im Orient liebt: „Wir machen hiedurch bekannt, dass so eben die saporogische Setscha zerstört, und die Saporoger selbst bis auf ihren Namen ausgerottet sind. Wir haben diesen Unserm Mutterherzen sehr sauren Schritt getan, erst nach Erschöpfung aller milderen Mittel u. s. w.“ 54) Die Leichenrede ist sehr lang.

Der Römer fasste sich in solchen Fällen kürzer: Sic volo, sie jubeo, stat pro ratione voluntas. Auch die Ruriks und die Romanows pflegten mit Gründen sparsamer umzugehen. Allein Katharina besaß zu viel ästhetische Bildung, um nicht hässliche Taten mit schönen Worten zu bekleiden.