Aus Rostocks Hansezeit: Lichtgestalten der „Leuchte des Nordens“

Autor: Müller, Wolfgang Dr. () Literaturwissenschaftler, Erscheinungsjahr: 2013
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Rostock, Hansezeit, Reformationszeit, Universität Rostock, Lübeck, Lichtgestalten
Der Rostocker Kaufmanns- und Ratsherrensohn, Dichter und Historiker Peter Linde(n)berg (1562-1596) stilisierte kurz vor seinem Tode 1596 in einem Lobgedicht auf seine Vaterstadt die Bedeutung seiner Universität mit dem Bild „lumen Vandaliae“. Als wichtige Aufgabe der Hanseuniversität, die zugleich auch mecklenburgische Landesuniversität war, galt die Vertreibung der Finsternis der „mitternächtigen“ Länder des Nordens durch das Licht des christlichen Glaubens sowie der Bildung. Drei Persönlichkeiten der ältesten Alma mater des Ostseeraums mit Ausnahme der Britischen Inseln bildeten für die entscheidenden Veränderungen zwischen 1450 und 1650, die in diesen 200 Jahren zu ihrer vitalen Entwicklung führten, den lebendigen Mittelpunkt. Alle drei Gelehrten und Lehrmeister sind 70 oder wie Krantz fast 70 Jahre alt geworden und prägten den „edelsten Schmuck dieser Stadt“, die 1419 gegründete Universität, durch ihre Vielseitigkeit, ihre organisatorischen Fähigkeiten, ihre hohe Fachlichkeit und humanistische Gesinnung nachhaltig, Ihnen allen ging es um die Freiheit des Denkens und Lehrens und sie waren einig im Dienst am Glauben, an der Kirche und an der Wissenschaft. Sie hatten auch ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrer See-, Hanse- und Universitätsstadt, dem „nordischen Athen an der Warnow“:

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Prof. Dr. Albert Krantz (1448-1517) bemühte sich noch als Lübecks Syndikus als einer der Wortführer der vermittelnden Hansestädte um eine Beilegung des langjährigen Rostocker Domstreites. Der „Geschichtsschreiber des Nordens“ erlebte die Auseinandersetzungen selbst mit und schrieb später in seiner „Vandalia“: Die Fürsten (die Herzöge Balthasar und Magnus II.) meinten „die vollkommene Gewalt über die Stadt, damit sie ihnen einen Knoten in ihre Freyheit schlügen“.

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Prof. Dr. David Chyträus (1530-1600), der große Humanist und „Vater der Reformationsgeschichtsschreibung“, sang ein Loblied auf seine Universitätsstadt „De urbe Rostockio“ und wirkte hier 50 Jahre als „Rostocker Melanchthon“. Er galt als Reorganisator der Universitätsstudien und war einer der führenden Vertreter der Spätreformation mit besonderer Beziehung zu Mecklenburgs großen Fürsten Johann Albrecht und Ulrich. Das besondere Verdienst des Reformers Chyträus bestand im Kompromiss zwischen seiner Hansestadt und den Fürsten über die Universität in der „Formula concordia“ von 1563.

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Der Universalgelehrte Prof. Dr. Joachim Jungius (1587-1657) gründete im „Warnow-Athen“ Rostock 1622 mit 35 Jahren die erste naturwissenschaftliche Gesellschaft nördlich der Alpen, die „societas ereunetica sive zetetica“ (eine private Forschungsgesellschaft) und legte hier auch den ersten botanischen Garten an. Er galt als ein Wegbereiter der naturwissenschaftlichen Revolution im 17. Jahrhundert und als einer der Großen der deutschen Frühaufklärung. Wilhelm Leibnitz maß den Mathematiker, Physiker, Mediziner, Pädagogen, Astronomen und Logiker an Galilei aus Italien und Descartes aus Frankreich. Von Goethe wurde er in den „Fragmenten“ gewürdigt. Der „Rostocker Leibnitz“ Jungius hielt das Wissen seiner Zeit auf Tausenden Zetteln fest. Er war einer der mutigsten Kämpfer gegen die kritiklose Annahme der Naturlehren des Aristoteles und für die freie Forschung auf dem Gebiete der Naturwissenschaften. Auch wenn er zuletzt 31 Jahre in Hamburg lebte und arbeitete, blieb Rostock seine geistige Heimat. Der rastlose Jungius war mit seinem Leben und Wirken in Lübeck, Rostock und Hamburg ein echter Hansestädter. Universitäten schmücken sich gern und zurecht mit herausragenden Gelehrten, die an ihnen wirkten oder die dort die langwierige akademische Laufbahn in Angriff nahmen.

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Fazit: Alle drei bilden tatsächlich für alle Verhältnisse an der „Leuchte des Nordens“, wie sie sich seit der Mitte des 15. Jh. gestalteten, den lebendigen Mittelpunkt für alle Bestrebungen, die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zur Erneuerung und zur überwiegend positiven Veränderung führten. Wir sollten vor den kommenden Jubiläen von Stadt, Universität, Reformation stolz auf diese gelehrten Männer sein und sie besser kennen lernen.

Chyträus, David (1530-1600) evangelischer Theologe, Historiker, Schulorganisator, mehrfach Rektor der Rostocker Universität

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Luther und Melanchthon beim Übersetzen der Bibel

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Aristoteles (384-322 v. Chr.) griechischer Philosoph, Dichter und Staatsmann

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