Aus Petersburg nach Poti

Autor: Berg, Friedrich Wilhelm Rembert Graf von (*1794 Schloss Sagnitz, Livland-†1874 Petersburg) russischer Feldmarschall und Politiker, Erscheinungsjahr: 1879

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, St. Petersburg, Kaukasus, Gebirge, Täler, Flüsse, Deutsche Kolonisten, Aussiedler, Krim, Landesgeschichte, Sitten, Bräuche, Natur, Umwelt, Eisenbahn, Pferde, Postkutschen, Droschken, Ochsenkarren, Büffel, Straßenbau, Windmühlen,
Berg studierte 1810-1812 an der Universität Dorpat und zeichnete sich in den Befreiungskriegen 1813 bis 1814 und im Türkenkriege 1828/1829 (Generalstabschef unter Wittgenstein und Diebitsch) aus. Er war einer der engsten Mitarbeiter von Feldmarschall Paskiewitsch bei der Niederwerfung des Polenaufstandes 1830-1832 und bei der russischen Intervention im Ungarnaufstand 1848/1849, wo er als Sonderbevollmächtigter in Wien zur Klärung von Misshelligkeiten beitrug und sehr geschätzt wurde. Während des Krimkrieges verteidigte er als Kommandant Reval und Sveaborg gegen die englische Flotte. Als Generalgouverneur von Finnland (1855–1861) machte er sich um dessen wirtschaftlichen Aufschwung verdient. Als Statthalter von Polen ab 1863 warf er den Aufstand energisch nieder, ohne sich die brutalen Methoden der Russifizierungspolitik (Murawjew!) zueigen zu machen. Er legte besonderes Interesse für die deutsche Bevölkerung von Lodz an den Tag und ermunterte sie „zum beständigen Festhalten am deutschen Charakter“.
Während des deutsch-französischen Krieges 1870/1871 befürwortete Berg die wohlwollende Neutralität Russlands. Als einer der Repräsentanten der deutschen außenpolitischen Orientierung am Zarenhofe lehnte er sowohl revolutionäre als auch panslawistische Strömungen ab. 1872 begleitete er Alexander II. zum Dreikaisertreffen nach Berlin; in der 1873 abgeschlossenen deutsch-russischen Militärkonvention steht seine Unterschrift neben der von Moltke. Mit seiner baltischen Heimat fühlte er sich trotz enger Beziehungen zum Petersburger Hof unlöslich verbunden; hier trat er gegen die Einführung der russischen Behördensprache auf.

Rauch, Georg von, "Berg, Friedrich Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 73 f. [Online-Version]; URL: https://www.deutschebiographie.de/pnd117586714.html#ndbcontent
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Brief I.

            Waggon südlich von Koslow den 19.08.


“Ich reise auf vierzehn Tage in den Kaukasus — sagte mir mein Freund, der Baron M., als er mich Anfang August dieses Jahres in Sangnitz, besuchte, — “komme doch mit mir!”

“Wann fährst Du?”

“Am 17-ten aus Petersburg.”

Am 17-ten August 3 Uhr Mittags saßen wir in einem überfüllten Waggon der Nicolaibahn. In Moskau langten wir mit 2 Stunden Verspätung am Morgen des 18-ten an.

Das Wesentlichste unseres dreistündigen Aufenthalts war ein sehr gutes Mittagsessen in der Restauration “Ermitage”. Die Kellner in schneeweißen Hemden servieren rasch und sauber, während eine riesige Spieluhr mit Trommeln und Trompeten die Unterhaltung der teilweise etwas laut am Nachtisch disputierenden Gäste übertönt.

Der Zug nach Rostow war sehr lang und alle Plätze besetzt.

Die Gegend ist öde, große Haidekrautflächen, dürres Gras, mitunter ein undichtes Tannenwäldchen. Das Holz, mit dem unsere Lokomotive geheizt wird, ist aus Stämmchen von kaum Armesdicke gehauen. Die Stationen sind sehr vereinzelt und erscheinen nach denen der Nicolaibahn höchst jämmerlich.

Am 19-ten Morgens gegen 7 Uhr wurden wir in Koslow geweckt.

Umsteigen und 2 Stunden Warten.

M. und ich fahren in die Stadt: Eine Droschke vom alten Moskauschen Schnitt, ohne Ressore, sehr lang; man sitzt seitwärts, fährt uns wegen des holprigen Pflasters im Schritt die breiten geraden Straßen entlang.

Einige massive gelb gestrichene Kronsgebäude, baufällige Privathäuser; überall Schmutz, sehr viel Schmutz.

Auf der Eisenbahnstation zeugen fleckige Lagen von lecken Dächern; im großen Wartesaal ist die Lage bereits eingestürzt. Endlich geht unser Zug ab und das Panorama der fruchtbaren Tschernosem-*) Landschaft zieht an den Waggonfenstern vorüber. Wer Landwirt ist, der kann hier schwärmen: so weit das Auge reicht, sanft wellige Ebene, alles Feld. Es hat in der Nacht geregnet und der Boden ist schwarz wie Tusche. Weizen wird eben gesäet oder keimt schon. Hirse und Buchweizen stehen noch und werden gemäht.

*) Tschernosem ist der russische technische Ausdruck für die schwarze Erde des südlichen Russlands.

Die Feldanteile jedes Bauern, Nadjelstreifen, sind hier wohl zehnmal so breit, als wir sie bisher gesehen.

Die Leute kommen aus den entfernten Dörfern und schlagen ein Jeder bei seinem Felde ein kleines Lager auf, um die Feldarbeit zu verrichten. Nach der Ernte wird das Getreide gleich heimgefahren, denn wenn einmal die Herbstregen den Tschernosem aufgeweicht haben, ist keine Fuhrarbeit mehr möglich. Diese Bauer wirtschaften scheinen bestens zu gedeihen; wenigstens stehen die Felder alle gut.

Aber was ist das für eine merkwürdige Niederlassung?

Eine kleine Windmühle, ein Brunnen, ein ganz kleines Häuschen, eine Mauer aus Lehm, daran mit Stroh gedeckt einiges Strauchflechtwerk und eine ganze Stadt von Kornkuien *). Man sagt mir, es sei das Gut eines Edelmanns. Ein Wächter allein wohnt an Ort und Stelle; die zur Arbeitszeit gedungenen Leute haben im Sommer sehr geringe Ansprüche auf Unterkommen; der Besitzer lebt in Moskau oder sonst in einer Stadt. Das Arbeitsvieh kommt auch ohne Stall aus, wenn es nur an einer Mauer oder einem geflochtenen Zaun etwas Schutz vor dem Winde hat.

*) Kuie ist der in Livland gebrauchte Ausdruck für Feimel oder Schober.

Der Tschernosem muss sehr willig seine Erträge hergeben, dass solche Wirtschaften zu bestehen vermögen. Da passieren wir auch verlassene Felder; doch ist solches in der Nähe der Eisenbahn eine Seltenheit.

Wir kommen nach Gräsi, einer volkreichen, aber nicht großen Station; ausschließlich tatarische Kellner, ein Gedränge von Reisenden. Dann wieder nichts als die endlose wellige Ebene und Getreidefelder.

Wir fahren, inklusive der Haltezeit auf den Stationen, mit einer Geschwindigkeit von 26 Werst pro Stunde den ganzen Tag; die Ebene dauert fort: Felder und immer Felder, nur durch eine Gesellschaft Windmühlen, die am Horizont die Lage eines Dorfes bezeichnen, ab und zu unterbrochen.

Kaukasische Mütter und Kinder

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Dorf im Kaukasus 2

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Kaukasier

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Kaukasierinnen 2

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Schlossruine im Kaukasus

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Stadt im Kaukasus 2

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The famous Georgian Road. In the Heart of the Kaukasus

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Tiflis, Capital of the rebellious Kaukasus

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Armenisches Büffelgespann

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Tarantaß - Russlands Postkutsche

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Gasthaus im Kaukasus

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Kaukasier mit Frau

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Kaukasische Garden

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