Dritte Fortsetzung

Gerade umgekehrt verhält es sich dagegen mit dem von dem Pol nach dem Äquator hinfließenden Wasser des Polarstromes. Dieses bringt nämlich im Gegenteil aus den höheren Breiten eine langsame Rotationsbewegung mit, und indem dasselbe daher zu dem Äquator gelangt, vermag es der hier herrschenden reißend schnellen Bewegung von Westen nach Osten nicht zu folgen; es bleibt hierdurch etwas in westlicher Richtung zurück, und da alles umgebende Wasser sich gleichzeitig mit äquatorialer Geschwindigkeit nach Osten fortbewegt, so bringt dies, wie leicht einzusehen, die nämliche Wirkung hervor, wie wenn das in der Bewegung zurückbleibende Wasser hier von Osten nach Westen fließe, und so entsteht in letzterer Richtung eine konstante Strömung warmen Wassers ganz in derselben Weise, wie die vollkommen identischen, gleichfalls beständig von Osten nach Westen wehenden Luftströmungen, Passatwinde genannt, durch genau dieselben Vorgänge im Luftozeane hervorgerufen werden.

So merkwürdig und interessant nun jene mächtige, durch die Glut der Sonne erwärmte westliche Meeresströmung hinsichtlich ihrer Entstehung ist, ebenso wichtig und bedeutungsvoll ist dieselbe aber auch für die Nautik und Physische Beschaffenheit des ganzen atlantischen Ozeans, sowie für die geflammten klimatischen und Kulturverhältnisse des dadurch beeinflussten amerikanischen und europäischen Kontinentes, und brauchen wir in dieser Hinsicht nur den Namen „Golfstrom“ auszusprechen, um die ganze Bedeutung der in Rede stehenden westlichen Meeresflut hervorzuheben, von welcher der Golfstrom gewissermaßen nur die Fortsetzung und nördliche Verzweigung ist.


Obwohl zunächst von dem mexikanischen Meerbusen ausgehend, der ihm auch (nach der zuerst von Franklin angewendeten Benennung „Gulf stream“) den Namen „Golfstrom“ gab, entspringt derselbe dennoch in Wirklichkeit in den Tiefen des atlantischen Ozeans und aus den Fluten jener gewaltigen Meeresströmung, welche ununterbrochen ihre warmen Wasser von der afrikanischen Küste nach Westen rollt, und hier, in mächtigem Anprall auf das Ostgestade Amerikas stoßend und sich hierdurch gleichsam in dem Golf von Mexiko stauend, in eine neue Bahn gelenkt, und hierdurch zu einer in ihrer Hauptrichtung nordöstlichen Meeresströmung der Erde wird.

Die wie eben angedeutet in dem mexikanischen Meerbusen zusammengeführte und dadurch über das normale Niveau angehäufte, gleichsam zusammengepresste Wassermasse drängt sich zunächst ostwärts zwischen Cuba und der Halbinsel Florida durch die Floridastraße hindurch, wendet sich dann, von den Bahama-Inseln zurückgeworfen, zwischen diesen und der Spitze von Florida nach Norden und wird hier in einem Raume von nur 8 deutschen Meilen Breite zwischen den Bemini-Inseln und dem Kap Florida derart zusammengepresst, dass der mächtig dahinrauschende Strom daselbst eine Geschwindigkeit von 4 Seemeilen (1 deutsche Meile) in der Stunde erlangt und demnach in 24 Stunden 96 derselben zurücklegt, welche Schnelligkeit er auch während seines ganzen Laufes durch den übrigen Teil des Floridakanales beibehält. Nach seinem Eintritte in den offenen Ozean verfolgt der Strom seine nördliche Richtung, bis er durch die vorspringende Küste Karolinas nach Nordost abgelenkt wird, während gleichzeitig die Breite des Stromes, welche bei seinem Austritte aus dem Floridakanal 50 Seemeilen beträgt, sich weiterhin unter 32 Gr. n. Br., Charlestown gegenüber, bis auf 65 Seemeilen und mit fortschreitendem Laufe immer mehr erweitert, so dass dieselbe unter 35 Gr., in der Gegend von Kap Hatteras, bereits 75 Seemeilen beträgt.

In gleichem Maße als der Strom sich verbreitert, nimmt aber auch dessen Geschwindigkeit ab, und ist letztere z. B. an dem genannten Kap Hatteras bereits auf drei Seemeilen in der Stunde herabgesunken, welche Angaben sich jedoch stets nur auf den mittleren Teil des Stromes beziehen, da die Stromgeschwindigkeit selbstverständlich an den Rändern in Folge der Reibung überall eine beträchtlich langsamere ist. Merkwürdig ist auf diesem ganzen Wege die mit dem umgebenden Meerwasser lebhaft kontrastierende tiefblaue Indigofarbe des Stromes, welcher dadurch so scharf abgegrenzt wird, dass man mit dem Auge deutlich die Berührungslinien beider Gewässer, gleichsam die Ufer des Stromes verfolgen kann, sowie letzterer überhaupt als ein Strom warmen Wassers in einem aus kaltem Wasser bestehenden Bette zu betrachten ist. Wie schon während des ganzen bisherigen Laufes fast immer die Lage und Konfiguration des festen Landes bestimmend und entscheidend auf die Richtung des Golfstromes einwirkte, so ist es auch bei dessen weiterer nördlicher Ausbreitung wieder die gleiche Ursache oder das nämliche Hindernis, nämlich der entgegenstehende Wall der Nantuket-, Georges- und Neufundlandbank, welcher denselben plötzlich nach Osten in das offene Meer ablenkt, und diese östliche Richtung behält der Strom hierauf während einer Strecke von über 1200 Seemeilen bei, indem zugleich dabei die Breite immer mehr zunimmt, die scharfe Begrenzung nach und nach aufhört und die Geschwindigkeit allmählich auf 2 Seemeilen in der Stunde herabsinkt.