Aus Hamburg, 12. Januar 1847 (Privatmitteilung von unserem zweiten Korrespondenten)

Aus dem Leben der Juden in Hamburg
Autor: Redaktion: Allgemeine Zeitung des Judentums H., H., Erscheinungsjahr: 1837

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Jüdisches Leben, Hansestadt, Hamburg, Augiasstall, Judenfrage, Beschneidung, Kinder, Schule, Bildung
Der ungünstige, von vielen mit sanguinischen Hoffnungen. Erfüllten, nicht erwartete Ausgang der Beratungen des Kommerziums, in dessen Folge die Juden wieder unten bleiben, wie der verstorbene Heine sich ausdrückte, ist Ihnen ohne Zweifel schon von hier aus gemeldet worden. In vielen Kreisen hat er Betrübnis, in vielen anderen sogenannten hyperorthodoxen Kreisen aber – leider muss ich es sagen – hat er Jubel erregt, und mit Hohn sehen jene Frommen auf die sozial-politische Vereinigung, nicht begreifend, dass das Gute nicht minder gut ist, wenn es auch nicht von Erfolgen gekrönt wird. Wahrlich, jener Verein lässt es sich sauer werden, zuvörderst Teilnahme zu wecken, und dann diese Teilnahme zu nützen, und wenn nach unserer Meinung auch mitunter Missgriffe geschehen, ist doch der Eifer namentlich Einzelner schon anerkennenswert. Aber in Betreff der Judenfrage ist Hamburg ein Augiasstall *), den die Gesellschaft noch lange nicht reinigen wird. Zwei Schlappen hat sie erlitten, eine bei der Beschneidungsfrage, indem sie dagegen war, während ihre eifrigsten Mitglieder den Aktus an dem eignen Kinde vornehmen und also noch orthodoxer sind als orthodox, wodurch sie sich der Inkonsequenz schuldig machte, und ferner bei dieser Kommerziumsfrage, in welcher sie – zum großen Ärger der Orthodoxie, mit der sie es nun auch ganz verdorben hat, die Kaufleute veranlasste, am Sonnabend abzuschreiben. Hoffen wir, dass diese Niederlagen den Eifer nicht erkalten, lassen.

Sehr zu wünschen steht, dass sie die Angelegenheiten des jüdischen Schulwesens wieder in den Kreis ihrer Tätigkeiten ziehe, denn hier ist ein fruchtbarer Wirkungskreis. Die Talmud Tora soll restauriert – nicht reformiert werden; leider siegt auch hier die Hyperorthodoxie; man hat dem bisherigen Direktor, einem Christen gekündigt, um einen andern – christlichen – Direktor anzustellen, weil ein jüdischer nicht hyperorthodox genug wäre und dazu einen Mann gewählt, der bisher als Schulmann gar Nichts geleistet hat, sich nur mit der Herausgabe der sogenannten „Hamburger Lesefrüchte“ beschäftigte, und doch erfordert gerade die Talmud Tora einen energischen, tüchtigen Schulvorsteher, der es versteht, hier eine ganz andere Leitung in Gang zu bringen, und die Anstalt, welche von 200 Kindern besucht wird, aus ihrer Verwahrlosung herauszureißen. Hier ist ein großes Unrecht gut zu machen, denn viele Kinder werden um ihre Jugendzeit betrogen! Oder haben die Kinder der armen Orthodoxen nicht auch das Recht, Etwas zu lernen? – – –

Die Redaktion des „Phönix“ erleidet zu Ostern eine Veränderung, indem der Redakteur en chef zurücktritt.

*) Eine durch Schlamperei oder Nachlässigkeit entstandene große Unordnung, ein verdreckter Raum, als auch in bildhafter Bedeutung (ungeordnete Verhältnisse, chaotische Organisation, kriminelle Machenschaften, Korruption). Der Begriff stammt aus der griechischen Mythologie: Herkules musste als eine seiner Aufgaben den 30 Jahre nicht ausgemisteten Rinderstall des Königs Augias reinigen. Herkules löste die Aufgabe dadurch, dass er zwei Flüsse vereinigte und durch den Stall hindurchleitete.

Hamburg 1842

Hamburg 1842

Hamburg 006 Flet in der Altstadt

Hamburg 006 Flet in der Altstadt

Hamburg 004 Kontorhäuser in der Mönckebergstraße

Hamburg 004 Kontorhäuser in der Mönckebergstraße

Hamburg 002 Südwestlicher Stadtteil mit dem Blick auf die Unterelbe

Hamburg 002 Südwestlicher Stadtteil mit dem Blick auf die Unterelbe