Dritte Fortsetzung
In einer Hinsicht aber übertraf diese russische Munizipalität alle deutsche und lombardische Städte, nämlich in dem ungeheuren Umfange ihres Stadtgebiets, welches aber weder des Anbaues, noch der Bevölkerung deutscher und italienischer Weichbilder sich rühmen konnte.
Iwan Wassiljewitsch bedurfte zur Ausführung des großen Plans, Russland vom Joch der Tartaren zu befreien, die Vereinigung aller Kräfte des russischen Volks. Im Jahre 1471 fing er seine Unternehmungen gegen die stolze Nowogorod an; Pleskow, die schwächere, fügte sich 1477, bei Nowogorod war um so mehr zu eilen, als die Stadt im Begriff stand, mit ihrem Gebiet unter Leitung der Marfa Posadinza unter polnische oder litauische Herrschaft sich gänzlich zu begeben. Iwans Kriegsglück verhinderte die Ausführung dieses Anschlags, doch ward zuerst nur das alte Verhältnis; wieder hergestellt. Die Stadt empfing wie sonst ihren Statthalter, behielt aber ihre Freiheiten und entsagte nur der Verbindung mit Litauen und Polen. Ihre inneren Streitigkeiten aber verursachten kurz nachher Iwans volle Herrschaft; 1478 wurde Nowogorod gänzlich des Zaren Stadt, sowie Moskau und andere Orte. Ihre große Glocke, worauf die Bürger einen hohen Wert legten, die so oft zum Sturmläuten gedient hatte und als Zeichen der Freiheit angesehen wurde, ward ihnen genommen. Doch auch hiermit konnte das Andenken der reichen und großen Einwohner an frühere bessere Zeiten nicht vertilgt werden und, wie schon früher, wurden auch in den Jahren 1485—1489 Tausende der angesehensten Bürger, Kaufleute und Bojaren der Stadt mit ihren Familien, nach russischer Weise zur Strafe in andere Gegenden des Reichs geführt, und andere folgsamere Kaufleute aus Moskau und andern Orten nach Nowogorod verpflanzt. Schon dies war für den deutschen Handel daselbst ein großer Stoß, allein dabei blieb es nicht. Iwan, der so gut die Freiheitsstimmung seiner Nowogoroder kannte, mochte auch ganz wohl wissen, woher diese fremdartige Pflanze in dieses Klima gekommen sei; er konnte schwerlich den deutschen Faktoreien hold sein und ein leichter Vorwand, diese anzugreifen, war bald gefunden. Ein paar zu Reval und Riga sich aufhaltende Russen, welche falsche Münze gemacht und unnatürlicher Sünden bezichtigt wurden, waren nach deutscher Städte Sitte zu Tode gesotten und verbrannt worden. Der Zar forderte Genugtuung und die Auslieferung der Magistratspersonen, welche dies Urteil über seine Leute ausgesprochen hatten. Dies geschah nicht; im Gegenteil soll die Äußerung den Ratsmännern entfahren sein, dass selbst dem Zaren ein Gleiches begegnet sein würde, wenn er gleiche Verbrechen bei ihnen begangen hätte. Dies alles diente zum Vorwand, um die Deutschen auf der Niederlage zu Nowogorod 1494 gefänglich einzuziehen. Allein die früher eingetretene Zerrüttung des Gemeinwesens, die Ahnung gewaltsamer Schritte, wie sie hier bereits oft stattgefunden hatten, mochte die Veranlassung sein, dass nur wenige Hanseaten, man sagt etliche vierzig, daselbst vorgefunden wurden. Ihre Güter und die Gerätschaften der Faktorei, welches alles man auf den Wert von etwa 100.000 Gulden schätzte, wurden konfisziert und blieben verloren. Durch vieles Bitten der Hanse, des Heermeisters von Livland und des Großfürsten von Litauen konnte man erst nach einigen Jahren die Loslassung eines Teils dieser Gefangenen erhalten. Die Furcht vor dem Zaren war so groß, dass die erste Gesandtschaft des Bundes an den Grenzen umkehrte, weil sie ein gleiches Schicksal mit jenen Unglücklichen befürchtete. Die der Gefangenschaft Entlassenen fanden im Jahre 1498 meist in den Wellen ihren Tod, als sie von Reval nach Lübeck segelten und ein unglücklicher Sturm das Schiff überwältigte. Einige aber waren nach Moskau abgeführt worden, die des Todes sterben sollten, wenn man ferner die Auslieferung jener Magistratspersonen verweigere. Der Handel war von der Zeit an für die Hansen in Russland gänzlich unterbrochen, allein es war noch nicht die Hoffnung verloren, die alten Rechte wieder zu erhalten. Es standen noch ihre Häuser zu Nowogorod und Pleskow, und so lange die Deutschen Liv- und Estland beherrschten, mussten wohl die Russen an die Grenzen dieser Landschaften ihre Waren bringen. So herrschte denn die Hanse im Norden seit dem letzten Viertel des 14. bis gegen das Ende des 15.Jahrhunderts zwar nicht ungestört, doch wusste sie sich zu behaupten. Die Schifffahrt nach einigen Teilen der Ostsee konnte den abtrünnigen Holländern und den Engländern zwar nicht ganz verwehrt werden, aber die Hansen waren durch so Manches ihnen noch so weit überlegen, dass eine nahe Zerrüttung von daher noch gar nicht zu befürchten schien. Schlimmer, als alle die erwähnten Unfälle, war der Zwiespalt, der im preußischen Ordensstaate entstand, dessen bereits öfter gedacht worden, allein auch da kam es zum Frieden zwischen den streitenden Teilen, und nur in der Folge zeigten sich denn auch hier fürchterliche Gebrechen.
Die Art, wie der Handel betrieben wurde, war nun folgende. In Livland und Estland gestattete man den Fremden, insofern sie hier erschienen, gewiss der Regel nach keinen direkten Verkehr; Gast durfte mit Gast nicht handeln. Sie wurden durch verschiedene Statute auf die größeren Seestädte dieser Provinzen eingeschränkt, deren Eigennutz es ohnehin forderte, alle Ankommenden von der Kaufgilde des Ortes abhängig zu machen; in diesen Gemeinden wachte man gewiss mit Eifer darüber. Es war jenen Fremdlingen untersagt, in den kleinen Städten oder auf dem platten Lande mit Russen, Letten, Esten und Deutschen einen unmittelbaren Verkehr zu treiben. Über die Newa freilich hätten die Außerhansen wohl einen direkten Handel wagen können, teils aber mochte dies die Eifersucht der Schweden nicht zugeben, teils gestanden sie es schon aus Furcht vor den Deutschen nicht öffentlich zu, da sie es mit ihnen wegen der nie geendigten Fehden mit Dänemark nicht verderben durften. Es lässt sich freilich nicht bezweifeln, dass die Schweden an ihren Grenzen einen direkten Handel mit den Russen betrieben haben, allein diese waren gar keine zu fürchtende Nebenbuhler, da sie keinen weitern auswärtigen Aktivhandel*) besaßen und da die Hansen in diesem Reiche, wie bekannt, eine strenge Oberherrschaft des Handels übten.
*) Außer den levantischen Waren wurden hauptsächlich Juchten, Pelzwerk, Kupfer, Flachs, Hanf, Getreide, Wachs, Honig, Wein, Bier und Meth verführt.
Iwan Wassiljewitsch bedurfte zur Ausführung des großen Plans, Russland vom Joch der Tartaren zu befreien, die Vereinigung aller Kräfte des russischen Volks. Im Jahre 1471 fing er seine Unternehmungen gegen die stolze Nowogorod an; Pleskow, die schwächere, fügte sich 1477, bei Nowogorod war um so mehr zu eilen, als die Stadt im Begriff stand, mit ihrem Gebiet unter Leitung der Marfa Posadinza unter polnische oder litauische Herrschaft sich gänzlich zu begeben. Iwans Kriegsglück verhinderte die Ausführung dieses Anschlags, doch ward zuerst nur das alte Verhältnis; wieder hergestellt. Die Stadt empfing wie sonst ihren Statthalter, behielt aber ihre Freiheiten und entsagte nur der Verbindung mit Litauen und Polen. Ihre inneren Streitigkeiten aber verursachten kurz nachher Iwans volle Herrschaft; 1478 wurde Nowogorod gänzlich des Zaren Stadt, sowie Moskau und andere Orte. Ihre große Glocke, worauf die Bürger einen hohen Wert legten, die so oft zum Sturmläuten gedient hatte und als Zeichen der Freiheit angesehen wurde, ward ihnen genommen. Doch auch hiermit konnte das Andenken der reichen und großen Einwohner an frühere bessere Zeiten nicht vertilgt werden und, wie schon früher, wurden auch in den Jahren 1485—1489 Tausende der angesehensten Bürger, Kaufleute und Bojaren der Stadt mit ihren Familien, nach russischer Weise zur Strafe in andere Gegenden des Reichs geführt, und andere folgsamere Kaufleute aus Moskau und andern Orten nach Nowogorod verpflanzt. Schon dies war für den deutschen Handel daselbst ein großer Stoß, allein dabei blieb es nicht. Iwan, der so gut die Freiheitsstimmung seiner Nowogoroder kannte, mochte auch ganz wohl wissen, woher diese fremdartige Pflanze in dieses Klima gekommen sei; er konnte schwerlich den deutschen Faktoreien hold sein und ein leichter Vorwand, diese anzugreifen, war bald gefunden. Ein paar zu Reval und Riga sich aufhaltende Russen, welche falsche Münze gemacht und unnatürlicher Sünden bezichtigt wurden, waren nach deutscher Städte Sitte zu Tode gesotten und verbrannt worden. Der Zar forderte Genugtuung und die Auslieferung der Magistratspersonen, welche dies Urteil über seine Leute ausgesprochen hatten. Dies geschah nicht; im Gegenteil soll die Äußerung den Ratsmännern entfahren sein, dass selbst dem Zaren ein Gleiches begegnet sein würde, wenn er gleiche Verbrechen bei ihnen begangen hätte. Dies alles diente zum Vorwand, um die Deutschen auf der Niederlage zu Nowogorod 1494 gefänglich einzuziehen. Allein die früher eingetretene Zerrüttung des Gemeinwesens, die Ahnung gewaltsamer Schritte, wie sie hier bereits oft stattgefunden hatten, mochte die Veranlassung sein, dass nur wenige Hanseaten, man sagt etliche vierzig, daselbst vorgefunden wurden. Ihre Güter und die Gerätschaften der Faktorei, welches alles man auf den Wert von etwa 100.000 Gulden schätzte, wurden konfisziert und blieben verloren. Durch vieles Bitten der Hanse, des Heermeisters von Livland und des Großfürsten von Litauen konnte man erst nach einigen Jahren die Loslassung eines Teils dieser Gefangenen erhalten. Die Furcht vor dem Zaren war so groß, dass die erste Gesandtschaft des Bundes an den Grenzen umkehrte, weil sie ein gleiches Schicksal mit jenen Unglücklichen befürchtete. Die der Gefangenschaft Entlassenen fanden im Jahre 1498 meist in den Wellen ihren Tod, als sie von Reval nach Lübeck segelten und ein unglücklicher Sturm das Schiff überwältigte. Einige aber waren nach Moskau abgeführt worden, die des Todes sterben sollten, wenn man ferner die Auslieferung jener Magistratspersonen verweigere. Der Handel war von der Zeit an für die Hansen in Russland gänzlich unterbrochen, allein es war noch nicht die Hoffnung verloren, die alten Rechte wieder zu erhalten. Es standen noch ihre Häuser zu Nowogorod und Pleskow, und so lange die Deutschen Liv- und Estland beherrschten, mussten wohl die Russen an die Grenzen dieser Landschaften ihre Waren bringen. So herrschte denn die Hanse im Norden seit dem letzten Viertel des 14. bis gegen das Ende des 15.Jahrhunderts zwar nicht ungestört, doch wusste sie sich zu behaupten. Die Schifffahrt nach einigen Teilen der Ostsee konnte den abtrünnigen Holländern und den Engländern zwar nicht ganz verwehrt werden, aber die Hansen waren durch so Manches ihnen noch so weit überlegen, dass eine nahe Zerrüttung von daher noch gar nicht zu befürchten schien. Schlimmer, als alle die erwähnten Unfälle, war der Zwiespalt, der im preußischen Ordensstaate entstand, dessen bereits öfter gedacht worden, allein auch da kam es zum Frieden zwischen den streitenden Teilen, und nur in der Folge zeigten sich denn auch hier fürchterliche Gebrechen.
Die Art, wie der Handel betrieben wurde, war nun folgende. In Livland und Estland gestattete man den Fremden, insofern sie hier erschienen, gewiss der Regel nach keinen direkten Verkehr; Gast durfte mit Gast nicht handeln. Sie wurden durch verschiedene Statute auf die größeren Seestädte dieser Provinzen eingeschränkt, deren Eigennutz es ohnehin forderte, alle Ankommenden von der Kaufgilde des Ortes abhängig zu machen; in diesen Gemeinden wachte man gewiss mit Eifer darüber. Es war jenen Fremdlingen untersagt, in den kleinen Städten oder auf dem platten Lande mit Russen, Letten, Esten und Deutschen einen unmittelbaren Verkehr zu treiben. Über die Newa freilich hätten die Außerhansen wohl einen direkten Handel wagen können, teils aber mochte dies die Eifersucht der Schweden nicht zugeben, teils gestanden sie es schon aus Furcht vor den Deutschen nicht öffentlich zu, da sie es mit ihnen wegen der nie geendigten Fehden mit Dänemark nicht verderben durften. Es lässt sich freilich nicht bezweifeln, dass die Schweden an ihren Grenzen einen direkten Handel mit den Russen betrieben haben, allein diese waren gar keine zu fürchtende Nebenbuhler, da sie keinen weitern auswärtigen Aktivhandel*) besaßen und da die Hansen in diesem Reiche, wie bekannt, eine strenge Oberherrschaft des Handels übten.
*) Außer den levantischen Waren wurden hauptsächlich Juchten, Pelzwerk, Kupfer, Flachs, Hanf, Getreide, Wachs, Honig, Wein, Bier und Meth verführt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus: Deutsch-russische Wechselwirkungen oder die Deutschen in Russland und die Russen in Deutschland. 02