Aufenthalt in Upsala vom 26. März bis zum 18. April - Gastwirtschaft
Es ist in Schweden ein eignes Ding um die Wirtshäuser. Dass es in ganz Schweden kein einziges gibt, wie in Paris und London, Hamburg und Frankfurt, ist wahr; eine Lüge aber ist Acerbis Erzählung, dass es selbst in Schwedens größeren Städten durchaus daran fehle, und man in ihnen schlimmer daran sei, als in andern Ländern auf Dörfern. Die besseren Källare in Stockholm, Götheborg, Norrköping, Karlskrona haben ganz hübsche Zimmer zum Logieren, auf Tage, Wochen und Monate; auf den meisten ist auch eine Table d'hôte. Zettel, die auf dem Tische liegen, sagen dem Hungrigen was für Gerichte zu haben sind, und der Preis steht beigezeichnet. Jeder kann wählen, und einen Schluck Branntwein, eine Bouteille Bier, eine halbe oder ganze Bouteille Wein auf sein Verlangen sogleich erhalten.
Freilich die treffliche Küche der Schweden findet man hier nicht ganz wieder, aber immer kann man sich drei bis vier gute Gerichte aussuchen. In jenen größeren Städten sind aber auch andere Institute der Geselligkeit und der Magenfreuden, woran ein gebildeter und verständiger Fremder, wenn er will, durch seine Freunde leicht Teil nehmen kann. So hat Stockholm seine beiden Sozietäten, die bürgerliche und adlige, wie sie sie nennen, obgleich die große oder adlige im Bondeschen Palais keinen andern Unterschied des Adels macht, als den der Sittlichkeit und des Anstandes. In diesen beiden findet man oft die munterste und feinste Welt der Hauptstadt, häufig auch sehr interessante Fremde. Das Essen ist für 12 bis 16 Groschen außerordentlich gut, auch der Wein besser, als auf den gewöhnlichen Källare, und für eine billige Taxe. Wenn ich in der Folge Geld nenne, so meine ich Riksgäld oder den preußischen Kurantfuß; meine Meilen sind künftig immer schwedische.
Dass das Gasthäuserwesen in Schweden noch auf keinem bessern Fuß ist, liegt keines Weges an dem Geschmack der Nation, die sich auf Eleganz, Feinheit und Wohlleben wohl versteht, sondern es liegt mehr in der Nationalsitte. Sollte man es denken, auch in den großem Städten, selbst in der Hauptstadt, sind viele Fremde gewohnt, bei ihren Gastfreunden zu logieren, ja wohl gar zu essen. Dieses alte gegenseitige Recht des Hospitium herrscht über das ganze Reich; es herrscht natürlich noch mehr, wo die alte Einfalt und Treue abgeschiedener lebt. Im Ganzen ist die Zahl der Ausländer klein, die im Lande reisen. So behauptet man denn, es lohne an den wenigsten Orten die Mühe, sich und sein Haus auf das zierlichste und vollständigste einzurichten. In den kleineren Städten und abgelegneren Provinzen ist man daher wirklich oft verlegen. Indessen die Güte und Hospitalität des Volkes vertritt diesen Mangel, und wer das Schwedische nur erst ein wenig fertig über die Lippen wegbuchstabieren kann und ein menschliches Vertrauen in der Brust trägt, der wird an keinem Orte in Schweden in Verlegenheit sein, wo nur Menschen sind.
Auf den gewöhnlichen Källare der Mittelstädte ist meistens nur eine Schenke von Wein, Bier, Branntwein, und allerlei trocknen und salzigen Speisen zum Anbiss. Ordentliche Mahlzeiten werden für Wenige gehalten, und will man das, so muss man es besonders bestellen und einsam seine Tafel abmachen, was nicht immer angenehm ist, am wenigsten für den Fremden. Der gewöhnliche Wein, den man hier trinkt, ist Bordeauxwein; er ist oft sehr schlecht und geschwächt, immer teuer: man trinkt die Flasche an wenigen Stellen unter 16 Groschen oder 1 Reichsthaler. Es sind auch an der Table d'hôte immer nur wenig Weintrinker; die meisten nehmen einen Schluck Branntwein zum Appetit und trinken über Tisch Bier. Dieses letzte Getränk ist in Schweden sehr gut. Auf Reisen, oder wenn man in Bewegung ist, kann man nichts gesunderes und erquickenderes genießen, als eine Bouteille Starkbier oder Öl; beim stillen Leben ist es zu stark, und etwa ein Gläschen zum Frühstück tut nicht übel. Die Bouteille dieses Öls kostet von 3 bis 5 Schillingen. Am berühmtesten Stockholmsöl und namentlich Westmannsöl; aber auch andere Städte haben keine unberühmte Brauereien, z. B. Upsala und Arboga. Dieses Öl kann sehr alt werden und soll dann sich zum trefflichsten Nektar veredeln können. Hier in Upsala lebte vor wenigen Jahren noch ein eisgrauer Domprobst, Namens Hydren, ein fröhlicher jugendfrischer Greis. Er hatte vorher am Gymnasium in Stregnäs gestanden und von da einige Tonnen Öl mitgebracht. Diesen Nektar ließ er liegen, und nur bei feierlichen Gelegenheiten ward davon spendiert. Die Leute nannten den Göttersaft ordentlich Stregnäsia, und die ihn getrunken haben versichern, es kann nichts köstlicheres über die Lippen fließen. — Auch das gewöhnliche Bier, welches schlechtweg Dricka oder Svagdricka heißt, ist nicht schlecht, und wird gewöhnlich die Bouteille zu 6 Stüver, oder zu einem Groschen verkauft. Ich trank, wo ich es haben konnte, fast täglich eine Flasche Öl, und habe mich äußerst wohl dabei befunden.
Auch auf meinem Källare gab es keine ordentliche Table d'hôte. Zuweilen bestellte ich mir das Mittagssessen zu Hause, gewöhnlich aber, wenn ich nicht ausgebeten war, afs ich bei einer Frau Bechlin, die auf Stockholmer Källareweise tavola rotonda hielt. Das Essen war gewöhnlich sehr gut bereitet, aber die Portion auch um einen Schilling oder Groschen teurer, als in Stockholm. Nach den Gerichten bezahlte man für die Portion von 4 bis zu 10 Schillingen und konnte, eine halbe Bouteille Öl eingeschlossen, für 12 Groschen ein ganz gutes Mittagsmahl halten. Des Morgens und Abends, wenn ich daheim war, bestellte ich mir, was gefiel oder grade zu haben war.
Wer Kaffee und Tee trinkt, ist in diesem oberen Schweden auf öffentlichen Häusern zu bedauern. In der Regel ist beides teuer und schlecht. Das erste ist natürlich, weil das Pfund Kaffee jetzt 44 Schillinge kostet, das zweite ist es nicht, weil die Leute sich gut bezahlen lassen. Es kommt bei dergleichen Dingen viel auf Gewohnheit an, wie es auf Källare und Kaffeehäusern einmal eingeführt ist. In den Häusern trinkt man beides gewöhnlich stärker und besser und ungemischter, als in Deutschland, wo man oft nicht mehr weiß, was das Gemisch eigentlich sein soll, was man für Kaffee einschenkt.
So bin ich denn einmal in Upsala und will erzählen, wie es da aussieht, wie man lebt, was man treibt, und verschweigen, wie gütig und freundlich man die fremden Wanderer dort aufnimmt und auch mich Zugvogel aufgenommen hat. Ich will erzählen, wie man so erzählt, und der Ordnung folgen, wie alles in meinem Gedächtnis aufgeschichtet liegt.

16 Sommerabend in Schweden. Gemälde von Carl Willhelmson

01 Unser Land. Fernsicht von Dalsland über den Venersee. Gemälde von Otto Hessenblom

02 Auf der Einfahrt. Bild vom Einlauf in Stockholm. Gemälde von Prinz Eugen.

09 Sommernachtstanz in Dalekarlien. Der Johannisbaum wird am Vorabend vor Johanni errichtet. Gemälde von Andreas Zorn.

15 Der Verfasser Verner von Heidenstam in seiner Villa in den Stockholmer Schären. Gemälde von Oscar Björck

17 Junge Dalekarlierin von Leksand. Gemälde von Emerik Stenberg.

18 Birkenhain in Södermanland. Gemälde von Reinhold Norstedt.

14 Krebsfang. Die Kinder des Künstlers beim Krebsfang in Dalekarlien. Aquarell von Carl Larsson.

13 Schloss Wadstena in Ostgotland. 16tes Jahrhundert. Gemälde von Oskar Björck

11 Dalekarlierin aus der Heimat des Künstlers. Gemälde von Anders Zorn.