Auf dem Land - Sitten und Bräuche - Schwarzer Peter

Aus: Illustrierte Welt. Deutsches Familienbuch. Blätter aus Natur und Leben, Wissenschaft und Kunst. 26. Jahrgang.
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bauern, Familie, Sittenbild, Spiele, Kartenspiele,
Die Ernte ist vorbei. Das Jahr ist ein gesegnetes gewesen. Die Scheune konnte kaum das Korn, die Kammer kaum die Kartoffeln, das Haus außen nicht die Maiskolben fassen, welche die heiße Augustsonne so schön zur Reife gebracht hat. Nun ist der Oktober gekommen. Die hohen Berge tragen schon Schnee und der Wind bläst kalt. Da ist es denn in der großen Bauernstube recht behaglich, der Kachelofen strahlt linde Wärme aus und durch das Fenster fällt freundlich die Herbstsonne.

Arbeit gibt es nicht mehr viel, man besucht die Nachbarn und Bekannte kommen und sprechen vor. Die Alten reden vom Krieg und erinnern sich an frühere Zeiten. Das junge Volk aber kümmert sich wenig um Türken und Russen, ihm steht die Zukunft als leuchtender Stern am Lebenshimmel und die Gegenwart ist schön, wozu sollten sie sich mit der Vergangenheit plagen: da wird lieber ein Spielchen gemacht, während der Wind draußen die dürren Blätter von den Bäumen reißt und über das kahle Land hinwirbelt. Da werden die Karten hervorgeholt und der Nachmittag mit dem hübschen „schwarzen Peter“ verblieben. Natürlich ist der Hauptwitz, dass die Mädchen den Schnurrbart angemalt bekommen, denn die Männer sind ja damit zur Genüge versehen, und der Versuch, die beiden lebenslustigen Vettern, geben sich auch alle mögliche Mühe, ihren Bäschen den „Peter“ zu zuschieben: diese aber sind schlau und verstehen auszuweichen, im Gegenteil, sie spielen die verhängnisvolle Karte ihren liebenswürdigen Gegnern in die Hände, worüber dann jedes Mal ein großes Gelächter entsteht. So schwangt der Zufall, das Glück und die List hin und her, und all’ dies ist nur die Maske für die verschiedensten kleinen Herzensregungen und Liebesgedanken, die zwischen dem jungen Volk ihre unsichtbaren Goldfäden ziehen. Was sich neckt, das liebt sich, und das Schnurbartmalen ist eine lustige Neckerei, wobei Amor die Hand führt.

Diesen Grundgedanken mit all der Schelmerei und der guten Laune eines solchen Spieles hat der Münchner Maler Karl Ort, vortrefflich in unserem Bilde wiederzugeben verstanden und ein Stück Dorfleben uns vorgeführt, das durch Reichtum der mannigfaltigen Empfindungen und Humor uns auf die liebenswürdigste Art anregt und erheitert.

Sittenbild, Schwarzer Peter

Sittenbild, Schwarzer Peter