Neuntes Kapitel. - „Am andern Tage ritt ich zu Bleda durch den Donauwald. Die Sonne traf schon seitlings durch die dunkeln Zweige der Tannen. ...

„Am andern Tage ritt ich zu Bleda durch den Donauwald. Die Sonne traf schon seitlings durch die dunkeln Zweige der Tannen. Blutrot war alles – ganz wie ich’s im Traum gesehen: die Äste und die Stämme und was man durch Baum und Busch hindurch vom Himmel sehen konnte. Und tief blutrot das weiche, dichte Moos des Waldbodens, das die Sonnenstrahlen gierig sog.

Ich ritt meinen Begleitern weit voraus, allein.


Mich fröstelte. Der Traum der Nacht – mit offenen, wachen Augen mußt’ ich ihn immer wieder träumen. Da hörte ich Vieh brüllen tiefer im Walde, rechts von der Straße. Das störte mich auf aus meinem wachen Traum. Ein Hirt kam aus dem Dickicht, er trug einen langen Mantel aus Kuhfell: ich kannte ihn; er gehörte zu Bledas Rinderknechten; wir waren nun nah an des Bruders Zelten. ›Du lässest die Herde, Rual?‹ fragte ich. ›Weshalb? Und was trägst du da unter dem Mantel?‹

›Herr,‹ antwortete der Hirt, ›ein uralt seltsam Eisen. Ich ließ die Herde, es meinem Herrn zu bringen. Eine junge Färse hinkte auf einmal, wie sie von der Tränke am Moosquell zurückkam. Sie blutete aus dem linken Vorderfuß. Ich folgte der Spur, und siehe, nahe dem Quell ragte aus dem feuchten Moos eine scharfe Erzspitze: ich grub das Ganze hervor mit meinem Hirtenstab: es war eine alte, eingerostete Klinge. Seltsame Zeichen sind darauf eingeritzt. Und schau‹ – er schlug den Mantel zurück und hielt mir das Erz vor die Augen – ›hier oben am Griff, an der Eisenzunge, die in der Hülse stak – das Holz ist längst vermodert! – da glühen runde, rote Steine: wie Tropfen Blutes –.‹

Heiß durchschoß es mich wie feuriger Blitz. Fort war das Frösteln. ›Mir! Mir das Schwert!‹ schrie ich und griff vom Gaul herab danach. Aber behend sprang der Hirt zur Seite, ›Wo denkt Ihr hin?‹ rief er. ›Auf Bledas Boden von Bledas Knecht gefunden! Sein ist das Schwert.‹ Und er eilte mir hastig voraus zu den nahen Wachen des Lagers, Bald stand ich im Zelte meines Bruders.

Der Mann – er hatte die Waffe noch in der Hand! – kniete vor ihm und erzählte. Schon streckte Bleda die Hand aus, sie zu ergreifen: da trat ich ein. Er winkte dem Knecht, hinauszugehen; der stand auf, legte das Schwert auf den Schenktisch, beugte sich tief und schritt hinaus. Der Bruder, strenger und stolzer, als ich ihn je gesehen, richtete sich hoch auf – er war viel größer als ich – und sprach, zu mir herabblickend:

›Wähle, Attila. Mir träumte heute Nacht, du seiest der Riesenwolf, von dem die Germanen sagen, er werde zuletzt alle Götter und alle Menschen verschlingen. Das sollst du nicht! Der Name Hunne soll nicht ein Fluch werden unter den Völkern. Schwöre, keinen Krieg mehr zu führen ohne meine Verstattung. Oder ich rufe deine Völker von dir ab. Sie werden mir gehorchen. Dich fürchten sie, dich hassen sie, mich lieben sie. Und stärker als der Haß ist die Liebe.‹ – ›Meinst du? Es ist dir nicht Ernst ...‹ Mehr brachte ich vor Ingrimm nicht hervor. ›Du zweifelst?‹ sprach er. ›So werd’ ich schwören! Den schwersten Schwur, den Schwur aufs Schwert! Wo ist ...?‹ Er griff in sein Wehrgehäng: aber er hatte sein Schwert in dem Schlafraum des Zeltes gelassen. Er sah sich rings in dem Trinkzelt um: kein Schwert hing an dessen Pfosten. Da fiel sein Auge – ich sah es und erschrak ins tiefste Mark hinein! – auf das, das Schwert! ›Gerade recht,‹ sprach er. ›Rual, der Hirt, meinte, nach uralter Sage unseres Volks sei das Schwert des Kriegsgottes in dem Donautann vergraben. Vielleicht‹ – er lächelte – ›ist’s dies. Ich schwöre auf dies Schwert ... –‹

Er schritt langsam darauf zu: nur zwei Schritt. Beim dritten lag er vor meinen Füßen: ich sah den roten Strahl aus seinem Halse spritzen: – über und über ward ich rot von seinem Blut, mein Gesicht, meine Hand und zumal das Schwert, das ich in der geballten Faust hielt: – ich wußte nicht, wie es in meine Hand gekommen. Kein Wort von ihm mehr, nur ein Blick traf mich. Aber er traf mich nicht! Fühllos war ich geworden: ohne Reue, hart wie das Eisen in meiner Faust.

Frohlockend schrie ich: ›Ja! Es ist das Zauberschwert. Denn ich fühle nichts mehr.‹ Da brach sein Auge.“

Er hielt inne und holte tief Atem.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Attila