Siebentes Kapitel. - Schon während der Erzählung des Dzengisitz war, von den Thorwächtern ehrerbietig begrüßt, ein vornehmer Hunne in reicher Tracht eingetreten: ...

Schon während der Erzählung des Dzengisitz war, von den Thorwächtern ehrerbietig begrüßt, ein vornehmer Hunne in reicher Tracht eingetreten: doch von Staub bedeckt waren seine glitzernden Gewande; um die Schaffellmütze trug er einen grünen Laubkranz gewunden. Geduldig hatte er an der Thüre gewartet, bis der Vater über den Streit der Söhne gerichtet. Jetzt durchmaß er eiligen Ganges die weite Halle, sprang die Stufen hinan, die zu dem Hochsitz führten, und warf sich, oben angelangt, vor dem Herrscher auf beide Kniee. „Steh auf, Fürst Dzenzil! Du bringst den Sieg; dein grüner Kranz erzählt’s in stummer Sprache.“

„Jawohl,“ rief der Hunne, ein noch jugendfrischer Mann, aufschnellend vom Boden, stolz, mit lauter Stimme, „deinen Sieg und deiner Feinde Untergang. Die Lugionen sind nicht mehr.“ Ein wildes Jauchzen der Hunnen – wie Geheul aasfroher Wölfe – stieg empor: die Germanen in der Halle tauschten Blicke des Schreckens und der Trauer. Auf Attilas Wink begann der Fürst seinen Bericht: „Hinter den Sümpfen ihres Danaster wähnten sie sich sicher und geborgen, sie wagten, dir die fällige Schatzung zu weigern. Mir gönntest du die Ehre, sie zu züchtigen. Das Maß der Züchtigung überließest du mir. Ich kenne deinen Geschmack, o großer Herr, und liebe auch selber ganze Arbeit. Ich beschloß Vernichtung. Es schien nicht leicht, durch die Sümpfe zu dringen: denn sie hatten alle Furten überflutet und sich mit Weib und Kind und Herden und Habe in der Mitte ihres wasserumgürteten Landes zusammengedrängt in ein Verhack. Aber“ – er lachte, strich den spärlichen Bart und fletschte die Zähne – „ich baute mir einen trefflichen Steg. Wir trieben ein paar tausend Anten und Sklabenen zusammen. Hatten freilich nichts verschuldet. Vielmehr uns Hilfe gegen ihre germanischen Nachbarn, die Lugionen, geleistet, die Wege gewiesen, Zugtiere und Lebensmittel geliefert. Wir erschlugen sie und legten die Leichen, paarweise, je zwei hintereinander, quer durch die schmälsten Strecken der Sümpfe. Anfangs freilich scheuten unsere Pferdlein: wollten nicht gern treten auf die noch warmen Menschenleiber. Aber Hunnengaul ist klüger als Griechenphilosoph: Gaul lernt noch, Philosoph weiß schon alles und lernt nichts über sein Buch hinaus, das er einmal geschrieben hat. Wir legten die Toten auf die Gesichter, bestreuten die Rücken mit bestem Hafer, und siehe da, die braven Rößlein gewöhnten sich, darauf zu treten, um zu naschen. Dann half Sporn und Geißel nach und bald waren mir drüben. Nacht war’s als wir das große Verhack der Feinde überfielen. Groß war ihr Entsetzen. Die Weiber und Kinder schrieen vor Todesangst! Es klang gar lustig. Sie wähnten uns aus dem Abgrund der Erde aufgetaucht. Flammen und Speere und Geißeln und zerstampfende Hufe, wohin sie sich wandten! Als die Sonne aufstieg, fand sie keine Lugionen mehr zu beleuchten. Sechstausend Männer waren es gewesen und ebensoviel oder mehr Wehrunfähiger, Weiber, Kinder, Greise. – Groß bist du, Attila, Sohn des Sieges.“


„Groß bist du, Attila, Sohn des Sieges!“ wiederholten die Hunnen, schreiend, johlend, brüllend, daß die Holzhalle erzitterte.

Unbeweglich, ohne eine Miene zu verziehen, hatte der Herrscher den Bericht und das Zujauchzen angehört. „Es ist gut,“ sagte er jetzt ruhig, „sehr gut. Warte, Dzenzilchen, Söhnchen. Attila teilt den Bissen mit dir. Da! Nimm!“

Er langte mit den kurzen dicken Fingern in die Goldschüssel, die, mit noch ziemlich blutigem Pferdefleisch gefüllt, vor ihm stand, ergriff ein mächtig Stück, riß es auseinander, daß der rote Saft umherspritzte, steckte dem Fürsten einen großen Fetzen in den Mund und verzehrte selbst das übrige. Des Fürsten Augen aber leuchteten vor Stolz: er legte die Hand vor Wohlgefühl auf die Brust, wie er schmatzend kaute und schlang. „Auch sollst du heut an meiner Seite sitzen, auf dem Ehrenstuhl,“ begann Attila und winkte den Dienern: diese trugen einen mit Purpurdecken überzogenen Stuhl mit sechs silbernen Füßen und silberner Lehne herbei und stellten ihn zur Linken des Herrschers.

Da fiel etwas dicht neben Attila mit dumpfem Schlag. „Es ist das Ernaklein,“ grinste der Vater, „er umklammert noch den Becher. Der kleine Dieb! Er hat viel mehr gestohlen, als er tragen kann. Schafft ihn fort in sein Schlafhaus. Von morgen ab trinkt er nur noch Wasser: – der wird gekreuzigt, der ihm Wein, Met oder Ael gewährt –.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Attila