Zweite Fortsetzung


Ähnliche Züge wurden von Arssenij Mazejewitsch erzählt. Als Erzbischof von Rostow hat er mit besonderer Vorliebe Körperstrafen verhängt. Die Verurteilten wurden mit „Katzen“ gepeitscht: es waren dies in heißen Teer getauchte Tauenden mit Dratkrallen. So wurde u. A. ein Dorfgeistlicher gemisshandelt, weil Arssenij bei einer Durchreise auf dem Altar der Dorfkirche den Staub nicht gehörig abgefegt gefunden hatte. An tätlichen Misshandlungen und Verbal-Injurien ließ es der Kirchenfürst nicht fehlen. Einen Gutsbesitzer, welcher sich gegen einen Dorfgeistlichen ungebührlich benommen hatte, lud Arssenij zu Tische ein. Kaum war der Gast erschienen, so wurde er ergriffen, niedergeworfen und halbtot gepeitscht.

Eine ähnliche Brutalität kennzeichnete die Art seiner geistlichen Polemik. Die umfassende Belesenheit des Kirchenfürsten diente ihm nur als Arsenal für starke Ausdrücke; die große Zahl von Zitaten, mit denen er seine Gegner zu überschütten pflegte, würzte er mit den rohesten Schimpfworten. Seine Leidenschaftlichkeit und sein Zorn, der pfäffische Hochmut und Prälatendünkel sollten ihn zu Fall bringen. Eine solche Persönlichkeit, auf einen hohen geistlichen Posten gestellt, musste später oder früher mit der weltlichen Gewalt in Konflikt geraten. Dass er seinem Eifer zum Opfer fiel erscheint weniger wunderbar, als dass dies nicht früher geschah. Unduldsamkeit, Menschenverachtung, Trotz und Mut waren die Richtschnur seines Lebens. Von höheren Idealen, von eigentlicher Moral keine Spur.


Wenn er etwa die Behauptung aufstellte, dass die Lektüre der Bibel für die Masse nicht wünschenswert sei, wenn er den zelotischen Kirchenfürsten Stephan Jaworskij, welcher durch Intoleranz in der Zeit Peters oft Anstoß erregt hatte, zum Muster nahm, wenn er den Satz verteidigte, dass die Bauern, falls man ihr Schicksal erleichtere, ihnen zur Freiheit und zu größerem Wohlstande verhelfe, solche Güter nur missbrauchen würden, so lassen derartige Züge Arssenij Mazejewitsch als einen entschiedenen Finsterling erscheinen. Was er vorbrachte, um die Privilegien der Kirche zu wahren und dieselben auszudehnen, zeugt nicht von wahrer Religion und Frömmigkeit, sondern von Ehrgeiz und Überhebung, von Anmaßung und hierarchischem Hochmut. Der Zusammenstoß Arssenijs mit der Staatsgewalt war unvermeidlich. Die Kirche hatte in ihm einen Sachwalter, welcher durch den Überschuss von Initiative mehr schadete, als nutzte. Klug und gelehrt einerseits, war er doch andererseits zu beschränkt, als dass er hätte unbefangen wahrnehmen können, welche Konzessionen der geistlichen Gewalt an die weltliche der unerbittliche Zeitgeist erforderte. Er gehört zu den Unglücklichen, welche, dem Triebrade des historischen Fortschritts in die Speichen fallend, von denselben zermalmt werden. Je strenger solche Menschen auf ihrem Stücke bestehen, desto weniger Nachsicht dürfen sie für sich in Anspruch nehmen.

Schon zu Anfang der Regierung Elisabeths beginnt von Seiten des Arssenij Mazejewitsch und anderer hoher Geistlichen die Agitation zu Gunsten einer Ausdehnung der Rechte und Befugnisse der Kirche. Der Erzbischof von Rostow gedachte seine Stellung als Mitglied des Synods dazu zu benutzen, um diesem Institut, welches in gewissem Sinne an die Stelle des Patriarchen getreten war, ein Ende zu bereiten.

In einer Denkschrift griff Arssenij die Art der Zusammensetzung des Synods an: er nahm Anstoß daran, dass weltliche Beisitzer, der Oberprokureur und Obersekretär dort Einfluss hatten. Nicht ohne Bitterkeit bemerkte er, es hätte ja sehr leicht geschehen können, dass Biron, Münnich und Ostermann einen lutherischen Pastor, oder wohl gar zwei Pastoren zur Teilnahme an den Geschäften des Synods hätten berufen können: ohnehin hätten es diese Machthaber, wie Wölfe im Schafskleide, auf die Vernichtung der rechtgläubigen Frömmigkeit abgesehen.

Etwas später, im Jahre 1744, folgte eine zweite Denkschrift, in welcher Arssenij seine Hoffnungen deutlicher formulierte. Da hieß es u. A. in absichtlicher oder von völliger Unkenntnis der Tatsachen zeugender Verdrehung historischer Vorgänge, Peter der Große habe selbst die Absicht gehabt, die Kirchen Verwaltung in der früheren Weise zu organisieren, so, dass ein Patriarch oder ein Metropolit an der Spitze stehe, weil bei einer solchen Verfassung die Kirche besser gedeihe; nur der plötzliche Tod des Kaisers, bemerkt Arssenij, habe dieses Vorhaben vereitelt.

Der Erzbischof von Rostow mochte meinen, durch den Hinweis auf solche Absichten des Zaren, die Tochter Peters zu einer Reaktion auf kirchlichem Gebiete geneigt machen zu können. Aber Elisabeth und deren Räte folgten im Wesentlichen den Traditionen Peters, und so blieb denn der Wink Arssenijs erfolglos. Indessen sah man auch von etwaigen, gegen den dreisten Hierarchen zu ergreifenden Maßregeln ab. Er blieb auch dann unbehelligt, als er den Eid, welchen man von ihm als einem Mitglied des Synods verlangte, zu leisten ablehnte. Aber es fehlte nicht an Konflikten zwischen ihm und der weltlichen Macht, u. A. an unliebsamem Notenwechsel zwischen Arssenij und dem Senat. Die beiden obersten Reichsbehörden, Senat und Synod, hatten Gelegenheit, bei der Kaiserin über den eigenwilligen Kirchenfürsten Klage zu führen. Es kam wohl so weit, dass Arssenij einer etwaigen gerichtlichen Verfolgung dadurch zuvorzukommen suchte, dass er um seine Verabschiedung bat und sich in ein Kloster zurückziehen zu wollen erklärte. Aber Elisabeth lehnte es ab, ihm den Abschied zu erteilen, und Arssenij blieb im Amte. Dass er sich der Gunst der Kaiserin erfreute, ist auch an einem Geschenke wahrzunehmen, welches Elisabeth ihm mit einem Fasse Ungarwein machte.

Da erschien denn gegen das Ende der Regierung Elisabeths die Frage von der Säkularisation der Kirchen- und Klostergüter auf der Tagesordnung. Seit den Zeiten Peters hatte die weltliche Macht an der Verwaltung dieser Güter mehr oder weniger Teil gehabt. Im Jahre 1757 fanden einige Änderungen auf diesem Gebiete statt, insofern die Kompetenz weltlicher Glieder der Kirchenverwaltung — es waren Stabs- und Oberoffiziere darunter — ausgedehnt wurde.

Die höheren geistlichen Würdenträger gerieten in Aufregung, Arssenij unterhielt mit einigen Gesinnungsgenossen einen lebhaften Briefwechsel über die der Kirche drohenden Gefahren und die Mittel, denselben zu begegnen. Man beriet darüber, an welche weltliche hohe Beamte man sich wenden müsse, um die Selbstständigkeit der Kirche zu retten. Indessen war doch nichts auszurichten, und die Dinge gingen ihren Gang fort.

Noch ganz andere Erfahrungen sollte die Kirche in der kurzen Regierungszeit des Kaisers Peter III. machen. Die Maßregeln des Letzteren in Betreff der Klöster, deren Verwaltung den Geistlichen entzogen wurde, entsprechen den Intentionen der Kaiserin Elisabeth. Derjenige Beamte, welcher den Hauptanteil an der Durchführung dieser Maßregel hatte, Wolkow, hat es ausdrücklich gesagt, dass die Kaiserin bereits diese Änderung in Aussicht genommen hatte.

Allerdings ging aber Peter III. in den die Kirche betreffenden Neuerungen viel weiter, ab Elisabeth und Wolkow zu gehen gedachten. Wenn auch seine Maßregeln im Wesentlichen mit dem „Geistlichen Reglement“ übereinstimmten, so waren sie doch dazu angetan, einen Sturm des Unwillens zu erregen, die Geistlichkeit in hohem Grade zu reizen und zu dem alsbald eintretenden Sturze des unbesonnenen Herrschers beizutragen. So entsprach das Verbot der unzähligen Kapellen in Privathäusern durchaus manchen Äußerungen Peters des Großen, aber die Art der Ausführung dieser Maßregel steigerte die Erbitterung gegen die Regierung ins Ungemessene. Ebenso missfiel die Organisation des Ökonomie-Kollegiums, welchem allein fortan die Verwaltung der Kirchengüter vorbehalten bleiben sollte. Gleichzeitig erfolgte eine erhebliche Änderung der Bauernverhältnisse auf den der Geistlichkeit gehörenden Liegenschaften. Die Abgaben der Bauern wurden vermindert, sie entrichteten dieselben direkt an das Ökonomie-Kollegium. Die Geistlichen erhielten stattdessen einen, übrigens reichlich bemessenen Gehalt. Man versichert, dass der Kaiser selbst an der Regelung dieser Fragen unmittelbaren Anteil nahm.

Am aufgeregtesten war Arssenij Mazejewitsch. Sein Briefwechsel mit einigen geistlichen Kollegen ist erhalten und zeugt von dem in diesen Kreisen herrschenden Unwillen. Man darf vermuten, dass bei der Durchführung der Maßregel mancherlei Gewaltsamkeit, Rücksichtslosigkeit und Rechtsverletzung mit unterlief, wie denn auch manche Gesetze und Verordnungen Peters des Großen besonders darum auf einen sehr energischen Widerstand stießen, weil die Organe der Verwaltung allzu unsanft in der Praxis vorgingen.

In einem Schreiben Arssenijs an einen Freund, mit bitteren Klagen über die Ungunst der Zeitverhältnisse, deutet der Kirchenfürst an, dass noch eine „Hoffnung“ sei. Er mag auf den bald zu erwartenden Regierungswechsel angespielt haben. Aus den Depeschen der ausländischen Gesandten, etwa Goltz', Mercy's, der englischen Diplomaten vor und nach dem Staatsstreiche vom Sommer 1762, wissen wir, wie der Unwille über die geistlichen Reformen Peters III. sehr wesentlich zu der Katastrophe dieses Fürsten beigetragen hat. Der Erzbischof von Nowgorod, Ssjetschenow, hatte persönliche Auseinandersetzungen mit dem Kaiser und befand sich in der größte Gefahr, ein Opfer seiner Kühnheit zu werden. Dass, wie wohl erzählt worden ist, Arssenij Mazejewitsch während der Regierung Peter III. gegen die die Kirche betreffenden Maßregeln Protest eingelegt und sich dadurch den Zorn und die Ungnade des Kaisers zugezogen habe, scheint den Tatsachen nicht zu entsprechen.

01. The Church of the Resurrection of Christ

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Moskau - Bettler vor der Kirche

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Die Andreaskirche in Kiew

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Die Kathedrale zur hl. Sophie in Nowgorod

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Reval

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Russische Kirche

Russische Kirche

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