Vierte Fortsetzung
Von einer solchen Spannung zeugen folgende Vorgänge.
Arssenij Mazejewitsch legte eine große Verehrung für den ehemaligen Erzbischof von Rostow, Dimitrij, an den Tag, welcher in der Zeit Peters des Großen eine sehr bedeutende Rolle gespielt hatte. Auf den Antrag Arssenijs waren die Gebeine des berühmten Kirchenfürsten im Jahre 1752 zum Zweck besonderer Verehrung dem Grabe entnommen worden: er hatte im Auftrage des Synods eine Lebensbeschreibung Dimitrijs verfasst. Nun sollte Anfang 1763 in der Kathedrale zu Rostow die Aufstellung eines für die Aufnahme der Gebeine des Dimitrij bestimmten Sarkophags erfolgen und Katharina, welche die Absicht hegte, dieser Feierlichkeit beizuwohnen, war nun in der lebhaftesten Besorgnis, dass Arssenij eigenmächtig die Feier ohne sie veranstalten werde. Am 28. Februar schrieb sie an den Staatssekretär Olssufjew: „da ich die Herrschsucht und Wut des Kirchenfürsten von Rostow kenne, so sterbe ich vor Angst, dass er die Aufstellung des Sarkophags ohne mich vornehmen werde; melden Sie mir, wie der Letztere abgesandt worden ist und wer die Aufsicht führt; treffen Sie alle geeigneten Vorsichtsmaßregeln“. Olssufjew meldete, der Sarkophag sei wohlverwahrt, befinde sich unter „Kabinettssiegel“ und werde von Soldaten bewacht; er fügte hinzu: „II faudrait, que son Emminence fut d'une hardiesse inconcevable pour oser y mettre les doigts“.
Wenn auch nicht in dieser Angelegenheit, so doch in anderen Stücken ließ es Arssenij nicht an einer „hardiesse inconcevable“ fehlen. Er hatte wenige Tage vor jenem Schreiben der Kaiserin der Regierung gegenüber einen gewaltigen Trumpf ausgespielt. Mit besonderem Gepränge hatte er am 9. Februar in der Kathedrale die Feierlichkeit des Anathematisierens der Feinde der Kirche vollzogen. Den bei dieser Gelegenheit üblichen Formeln, in denen die mit dem Bannfluche zu Belegenden genauer bezeichnet wurden, hatte Arssenij einige auf die Säkularisation der Güter abzielende Worte hinzugefügt. Als des Fluches besonders würdig hatte er diejenigen bezeichnet, welche die „Tempel und heiligen Orte antasten“, welche „die von früheren Kindern Gottes und frommen Monarchen dargebrachten Güter nehmen würden;“ solche Leute seien die „äußersten Feinde Gottes: sie seien verflucht“.
Erst als der Prozess Arssenijs begann, sind diese redaktionellen Ergänzungen in ihrer Tragweite erkannt und gewürdigt worden. Aber die Feierlichkeit machte immerhin einen tiefen Eindruck. Die gesamte Geistlichkeit Rostows war zugegen. Zum Altar schreitend betete der Erzbischof laut und vernehmlich, der Himmel möge die Kirchenräuber ihre Absichten nicht vollziehen lassen, sei aber die Tat nicht abzuwenden, so möge ihr Andenken vergehen, ihr Name aus dem Buche der Lebendigen getilgt werden.
Man darf annehmen, dass Katharina von einem solchen Treiben Arssenijs erfuhr, indessen wissen wir außer jenen Äußerungen in ihrem Schreiben an Olssufjew nichts von ihrem Verhalten einer sokken Keckheit gegenüber. Man hätte wohl auch damals schon den Erzbischof als Staatsverbrecher behandeln können. Aber sein Maß war erst etwas später voll. Am 6. März 1763 richtete er ein Schreiben an den Synod , in welchem er auf den Widerspruch zwischen den Verfügungen Katharinas unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung und den späteren Maßnahmen hinwies, die Nachteile einer Verwaltung der Kirche durch weltliche Personen erörterte und die Unveräußerlichkeit, Unantastbarkeit der Kirchengüter dartat. Jeder Versuch einer Wegnahme der Letzteren, bemerkt er, sei des Kirchenfluches würdig. Sodann weist er auf das frevelhafte Beginnen Julians des Abtrünnigen hin und hebt im Gegensatze hierzu hervor, wie sogar in der Zeit des Tatarenjochs die Kirche in Russland ungestört in ihrem Besitze verblieben sei. Hierauf folgt ein starker Ausfall gegen den Bojaren Mussin-Puschkin, welcher in der Zeit Peters des Großen die Kirche geplündert habe und in dieser Hinsicht mit den schlimmsten Christenverfolgern unter den Cäsaren zu vergleichen sei. Endlich ergeht er sich in den bittersten Klagen über das Elend, welchem man die Kirche preisgeben wolle, über das Joch, welches man der Kirche auferlege, und welches schlimmer sei als das Joch, welches die christliche Kirche bei den Türken tragen müsse u. s. w. Zum Schlüsse bemerkt er, dass sein Schreiben hervorgerufen sei durch den Eifer, welchen die Kaiserin unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung in ihren Manifestent fiür die Interessen der Kirche an den Tag gelegt habe. Bemerkenswert sind in dem Schreiben die Bemühungen Arssenijs, Stellen aus dem „Geistlichen Reglement“ Peters des Großen zur Begründung seiner Ansichten anzuführen, sowie die durch nichts gerechtfertigte und den historischen Tatsachen schnurstracks widersprechende Behauptung, dass Mussin-Puschkin bei der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten im Widerspruche mit den Intentionen Peters des Großen gehandelt habe.
Diesem Memoire, welches Arssenij am 10. März absandte, folgte ein Schreiben an den Grafen Bestushew, in welchem er diesen anflehte, die Kirche vor den Angriffen ihrer Gegner in Schutz zu nehmen, und den Wunsch aussprach, dass sein an den Synod gerichtetes Schreiben seinem ganzen Inhalte nach der Kaiserin bekannt werden möge. Offenbar erwartete Arssenij nicht, dass man ihn so schnell und so energisch, wie dieses geschah, zur Verantwortung ziehen werde. Am 14. März klagte er in einem ferneren Schreiben an Bestushew, er habe die Instruktionen erhalten, welche den die Kirchen und Klöster visitierenden und die Verfügungen der Kommission in Kirchenangelegenheiten ausführenden Oberoffizieren gegeben worden sei. Er protestierte dagegen, dass weltliche Personen das Kirchengut, u. A. heilige Gefäße antasten sollten und führte aus der Kirchengeschichte mehrere Beispiele entsetzlicher göttlicher Strafen für ein so frevelhaftes Beginnen an. So der Inhalt eines zweiten Schreibens an den Synod vom 15. März, in welchem Arssenij u. A. auch auf die bedenklichen ökonomischen Folgen aufmerksam macht, welche eine Säkularisation der Kirchengüter, eine Verwandlung der Kirchenfronden der Klosterbauern in eine Geldleistung an den Staat haben müsse; Russland, bemerkt er, sei nicht England, wo die Geldwirtschaft herrsche, es sei den Bauern viel angemessener für die Kirchen und Klöster zu arbeiten, als eine Geldabgabe zu entrichten u. s. w.
Es war ein ungeheures Wagnis so zu reden, so zu schreiben. Beamte der geistlichen Behörde zu Rostow, welche von diesem Schreiben Kenntnis erhielten, haben dem Kirchenfürsten vorgestellt, es sei durchaus unstatthaft, Entscheidungen der Monarchin einer derartigen Kritik zu unterwerfen: er antwortete, es gehe Niemanden etwas an, was er zu tun für unumgänglich nötig halte. So ging er denn seinem Verhängnis entgegen.
Schon am 12. März, also unmittelbar nach Empfang des ersten Schreibens, verfügte der Synod, Arssenij müsse zur Verantwortung gezogen werden, weil sein Bericht einem Majestätsverbrechen nahekomme. Man darf vermuten, dass Dimitrij Ssjetschenow die Seele dieses Synodbeschlusses gewesen sei. Katharina II. fand, dass die Ausführungen Arssenijs geeignet sein könnten, die Ruhe der Untertanen zu gefährden und überantwortete ihn dem Gerichte des Synods, indem sie sich die Milderung des Schicksals des zu bestrafenden Kirchenfürsten vorbehielt.
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Arssenij Mazejewitsch legte eine große Verehrung für den ehemaligen Erzbischof von Rostow, Dimitrij, an den Tag, welcher in der Zeit Peters des Großen eine sehr bedeutende Rolle gespielt hatte. Auf den Antrag Arssenijs waren die Gebeine des berühmten Kirchenfürsten im Jahre 1752 zum Zweck besonderer Verehrung dem Grabe entnommen worden: er hatte im Auftrage des Synods eine Lebensbeschreibung Dimitrijs verfasst. Nun sollte Anfang 1763 in der Kathedrale zu Rostow die Aufstellung eines für die Aufnahme der Gebeine des Dimitrij bestimmten Sarkophags erfolgen und Katharina, welche die Absicht hegte, dieser Feierlichkeit beizuwohnen, war nun in der lebhaftesten Besorgnis, dass Arssenij eigenmächtig die Feier ohne sie veranstalten werde. Am 28. Februar schrieb sie an den Staatssekretär Olssufjew: „da ich die Herrschsucht und Wut des Kirchenfürsten von Rostow kenne, so sterbe ich vor Angst, dass er die Aufstellung des Sarkophags ohne mich vornehmen werde; melden Sie mir, wie der Letztere abgesandt worden ist und wer die Aufsicht führt; treffen Sie alle geeigneten Vorsichtsmaßregeln“. Olssufjew meldete, der Sarkophag sei wohlverwahrt, befinde sich unter „Kabinettssiegel“ und werde von Soldaten bewacht; er fügte hinzu: „II faudrait, que son Emminence fut d'une hardiesse inconcevable pour oser y mettre les doigts“.
Wenn auch nicht in dieser Angelegenheit, so doch in anderen Stücken ließ es Arssenij nicht an einer „hardiesse inconcevable“ fehlen. Er hatte wenige Tage vor jenem Schreiben der Kaiserin der Regierung gegenüber einen gewaltigen Trumpf ausgespielt. Mit besonderem Gepränge hatte er am 9. Februar in der Kathedrale die Feierlichkeit des Anathematisierens der Feinde der Kirche vollzogen. Den bei dieser Gelegenheit üblichen Formeln, in denen die mit dem Bannfluche zu Belegenden genauer bezeichnet wurden, hatte Arssenij einige auf die Säkularisation der Güter abzielende Worte hinzugefügt. Als des Fluches besonders würdig hatte er diejenigen bezeichnet, welche die „Tempel und heiligen Orte antasten“, welche „die von früheren Kindern Gottes und frommen Monarchen dargebrachten Güter nehmen würden;“ solche Leute seien die „äußersten Feinde Gottes: sie seien verflucht“.
Erst als der Prozess Arssenijs begann, sind diese redaktionellen Ergänzungen in ihrer Tragweite erkannt und gewürdigt worden. Aber die Feierlichkeit machte immerhin einen tiefen Eindruck. Die gesamte Geistlichkeit Rostows war zugegen. Zum Altar schreitend betete der Erzbischof laut und vernehmlich, der Himmel möge die Kirchenräuber ihre Absichten nicht vollziehen lassen, sei aber die Tat nicht abzuwenden, so möge ihr Andenken vergehen, ihr Name aus dem Buche der Lebendigen getilgt werden.
Man darf annehmen, dass Katharina von einem solchen Treiben Arssenijs erfuhr, indessen wissen wir außer jenen Äußerungen in ihrem Schreiben an Olssufjew nichts von ihrem Verhalten einer sokken Keckheit gegenüber. Man hätte wohl auch damals schon den Erzbischof als Staatsverbrecher behandeln können. Aber sein Maß war erst etwas später voll. Am 6. März 1763 richtete er ein Schreiben an den Synod , in welchem er auf den Widerspruch zwischen den Verfügungen Katharinas unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung und den späteren Maßnahmen hinwies, die Nachteile einer Verwaltung der Kirche durch weltliche Personen erörterte und die Unveräußerlichkeit, Unantastbarkeit der Kirchengüter dartat. Jeder Versuch einer Wegnahme der Letzteren, bemerkt er, sei des Kirchenfluches würdig. Sodann weist er auf das frevelhafte Beginnen Julians des Abtrünnigen hin und hebt im Gegensatze hierzu hervor, wie sogar in der Zeit des Tatarenjochs die Kirche in Russland ungestört in ihrem Besitze verblieben sei. Hierauf folgt ein starker Ausfall gegen den Bojaren Mussin-Puschkin, welcher in der Zeit Peters des Großen die Kirche geplündert habe und in dieser Hinsicht mit den schlimmsten Christenverfolgern unter den Cäsaren zu vergleichen sei. Endlich ergeht er sich in den bittersten Klagen über das Elend, welchem man die Kirche preisgeben wolle, über das Joch, welches man der Kirche auferlege, und welches schlimmer sei als das Joch, welches die christliche Kirche bei den Türken tragen müsse u. s. w. Zum Schlüsse bemerkt er, dass sein Schreiben hervorgerufen sei durch den Eifer, welchen die Kaiserin unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung in ihren Manifestent fiür die Interessen der Kirche an den Tag gelegt habe. Bemerkenswert sind in dem Schreiben die Bemühungen Arssenijs, Stellen aus dem „Geistlichen Reglement“ Peters des Großen zur Begründung seiner Ansichten anzuführen, sowie die durch nichts gerechtfertigte und den historischen Tatsachen schnurstracks widersprechende Behauptung, dass Mussin-Puschkin bei der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten im Widerspruche mit den Intentionen Peters des Großen gehandelt habe.
Diesem Memoire, welches Arssenij am 10. März absandte, folgte ein Schreiben an den Grafen Bestushew, in welchem er diesen anflehte, die Kirche vor den Angriffen ihrer Gegner in Schutz zu nehmen, und den Wunsch aussprach, dass sein an den Synod gerichtetes Schreiben seinem ganzen Inhalte nach der Kaiserin bekannt werden möge. Offenbar erwartete Arssenij nicht, dass man ihn so schnell und so energisch, wie dieses geschah, zur Verantwortung ziehen werde. Am 14. März klagte er in einem ferneren Schreiben an Bestushew, er habe die Instruktionen erhalten, welche den die Kirchen und Klöster visitierenden und die Verfügungen der Kommission in Kirchenangelegenheiten ausführenden Oberoffizieren gegeben worden sei. Er protestierte dagegen, dass weltliche Personen das Kirchengut, u. A. heilige Gefäße antasten sollten und führte aus der Kirchengeschichte mehrere Beispiele entsetzlicher göttlicher Strafen für ein so frevelhaftes Beginnen an. So der Inhalt eines zweiten Schreibens an den Synod vom 15. März, in welchem Arssenij u. A. auch auf die bedenklichen ökonomischen Folgen aufmerksam macht, welche eine Säkularisation der Kirchengüter, eine Verwandlung der Kirchenfronden der Klosterbauern in eine Geldleistung an den Staat haben müsse; Russland, bemerkt er, sei nicht England, wo die Geldwirtschaft herrsche, es sei den Bauern viel angemessener für die Kirchen und Klöster zu arbeiten, als eine Geldabgabe zu entrichten u. s. w.
Es war ein ungeheures Wagnis so zu reden, so zu schreiben. Beamte der geistlichen Behörde zu Rostow, welche von diesem Schreiben Kenntnis erhielten, haben dem Kirchenfürsten vorgestellt, es sei durchaus unstatthaft, Entscheidungen der Monarchin einer derartigen Kritik zu unterwerfen: er antwortete, es gehe Niemanden etwas an, was er zu tun für unumgänglich nötig halte. So ging er denn seinem Verhängnis entgegen.
Schon am 12. März, also unmittelbar nach Empfang des ersten Schreibens, verfügte der Synod, Arssenij müsse zur Verantwortung gezogen werden, weil sein Bericht einem Majestätsverbrechen nahekomme. Man darf vermuten, dass Dimitrij Ssjetschenow die Seele dieses Synodbeschlusses gewesen sei. Katharina II. fand, dass die Ausführungen Arssenijs geeignet sein könnten, die Ruhe der Untertanen zu gefährden und überantwortete ihn dem Gerichte des Synods, indem sie sich die Milderung des Schicksals des zu bestrafenden Kirchenfürsten vorbehielt.
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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arssenij Mazejewitsch. - Ein Beitrag zur Geschichte des Kampfes zwischen Staat und Kirche unter der Regierung Katharina II.