Dritte Fortsetzung

Ähnliche Hoffnungen, wie diejenigen, welche man von Seiten der Geistlichkeit 1741 auf die Thronbesteigung der Kaiserin Elisabeth gesetzt hatte, hegte man in Betreff der ^Nachfolgerin des Kaisers Peter III. Katharina II. hatte sich seit ihrer Ankunft in Russland durch demonstrative Frömmigkeit hervorgetan. Im Gegensatze zu ihrem Gemahl, welcher die Gebräuche der russischen Kirche verhöhnte, durch taktloses Benehmen beim Gottesdienst Anstoß erregte, hatte Katharina die religiösen Pflichten auf das Gewissenhafteste erfüllt und gerade durch eine solche Konformität mit den Anforderungen der Staatskirche sowohl beim Volke eine gewisse Popularität erworben, als auch bei der Geistlichkeit Anerkennung gefunden.

Man weiß, wie die Kaiserin sogleich nach dem Staatsstreiche die wesentlichsten Maßregeln ihres Vorgängers einer strengen Kritik unterzog, wie sie in Manifesten den Staatsstreich selbst durch die Schlechtigkeit der Regierung Peters III. zu rechtfertigen suchte. Ihre Ausführungen in Betreff der die Kirche anlangenden Maßregeln konnten der Hoffnung Raum geben, dass nun eine Zeit der Reaktion zu Gunsten der Kirche anbrechen werde.


In den schärfsten Ausdrücken tadelt es Katharina, dass ihr Gemahl die Rechte der Staatskirche, die Grundsätze der Rechtgläubigkeit angetastet habe; ja, es heißt wohl in einer dieser Publikationen, Peter III. habe es darauf abgesehen, die Kirche zu Grunde zu richten. Es erfolgte die Wiedereröffnung der in der Zeit Peters III. versiegelten Kapellen in den Privathäusern. Katharina ging so weit, der Geistlichkeit zu Liebe heidnische Stoffe auf dem Theater wenigstens zeitweilig zu verbieten. Auch in Betreff der Bücher wurde im Sinn der Geistlichkeit eine gewisse Zensur geübt. Die Säkularisation der geistlichen Güter wurde wenigstens zum Teil und allerdings auch nur für kurze Zeit, rückgängig gemacht; es erfolgten vermittelnde Maßregeln; man nahm eine Selbstbesteuerung der Geistlichkeit in Aussicht. Entscheidend aber schien die Aufhebung des Ökonomie-Kollegiums. Ausdrücklich erklärte die Kaiserin: sie denke nicht daran, die geistlichen Güter einzuziehen, sie wolle nur dafür Sorge zu tragen versuchen, dass diese Güter eine bessere Verwendung erhielten als bisher. Es erging an den Senat und an den Synod der Befehl, den Kirchen und Klöstern die Verwaltung ihrer Güter wieder anheimzugeben, den Bauern wurde eingeschärft, sie hätten ihren geistlichen Oberen unbedingt zu gehorchen.

So konnte man denn meinen, dass Katharina, welche bei der französischen Aufklärungsliteratur in die Schule gegangen war und mit Voltaire und Diderot einen lebhaften Briefwechsel unterhielt, zu Gunsten der russischen Kirche und deren Privilegien ihre eigentlichen Ansichten verleugnete und sich einer argen Inkonsequenz schuldig machte.

Eine solche Schwankung mochte ihr zeitweilig erforderlich erscheinen, um die gewaltsame Art ihrer Thronbesteigung zu rechtfertigen, den Gegensatz zwischen ihrer Regierung und derjenigen Peters III. zu veranschaulichen, einen gewissen Anhang zu gewinnen. Alsbald hatte sie Gelegenheit, ihren Grundsätzen über das Verhältnis von Staat und Kirche zu einander Ausdruck zu geben. Man müsse, sagte sie wohl, den Glauben ehren, aber demselben keinen Einfluss auf die Staatsangelegenheiten gestatten; allen Fanatismus verurteilte sie. In ihren Briefen an Madame Geoffrin hat sie ihre, während der Regierung Elisabeths zur Schau getragene Frömmigkeit als ein Mittel bezeichnet, um zu gewissem Ansehen zu gelangen. „Jetzt“, schrieb sie, „braucht Niemand sich fromm zu stellen, der es nicht wirklich ist“. In den Schreiben an Voltaire hat sie sich als das „Haupt der griechischen Kirche“ bezeichnet.

Alsbald erfuhr sie, dass es außerordentlich schwer sei, es den höheren Geistlichen recht zu machen, ohne andere sehr wesentliche Interessen zu verletzen. Es brachen auf den geistlichen Gütern sehr bedeutende Bauernunruhen aus, welche schnell einen so großen Umfang erlangten, dass die Zahl der Rebellen wohl auf 150.000 angegeben wurde. Man hatte Gelegenheit zu sehen, wie die geistliche Verwaltung der Masse des Volks gegenüber ihre Privilegien auszubeuten verstand, wie im Gefolge der Rechte der Kirchen und Klöster eine Bedrückung der Leibeigenen unvermeidlich schien. Die soeben unter der Regierung Peters III. der geistlichen Gewalt entzogenen Bauern weigerten sich, derselben den Gehorsam zu leisten, welchen man verlangte, die Steuern zu zahlen, welche die Geistlichkeit früher erhoben hatte.

So kam denn die Kaiserin sehr bald dazu, in die frühere Bahn einzulenken, im Sinne des „Geistlichen Reglements“ zu verfahren, die Rechte der Geistlichkeit einzuschränken, die Säkularisation der Kirchen- und Klostergüter durchzuführen. In der schon Ende 1762 von der Kaiserin eingesetzten Kommission, welcher die Regelung der kirchlichen Fragen obliegen sollte, gab es neben zwei Kirchenfürsten fünf weltliche Glieder. Als Richtschnur empfahl die Kaiserin dieser Kommission das „Geistliche Reglement“ und die Gesetze Peters, wobei sie ausdrücklich bemerkte, dass es nichts Besseres geben könne, als die darin ausgesprochenen Grundsätze. Als Hauptratgeber der Kaiserin fungierten nicht etwa hohe Geistliche, sondern der Graf Bestushew-Rjumin und der Fürst Schachowskoi, welcher schon in der Zeit Elisabeths mehrmals im Kampfe mit dem Synod für die Rechte der Staatsgewalt eingetreten war.

Sehr bald schon hieß es in einem Erlasse der Regierung, die Rückgabe der Kirchen- und Klostergüter sei nur eine zeitweilige Maßregel gewesen, bis eine angemessene Regelung dieser Angelegenheit ermöglicht sei. Es folgte dann der Vorwurf, dass die Kirche sich bisher nicht ausreichend der Verwaltung angenommen und u. A. das Schulwesen vernachlässigt habe, sowie der Tadel, dass die Einkünfte der Kirche bisher nicht die angemessene Verwendung gefunden, dass die Kirchenfürsten sich mitunter maßlosen Luxus gestattet hätten u. dgl. m. So kam es denn ganz schnell zur Wiederaufrichtung des Ökonomie-Kollegiums. Die Kaiserin tat im Grunde in dieser Hinsicht dasselbe, was die unmittelbar vorhergehende Regierung getan hatte. Nur war u. A. ihr persönliches Verhältnis zu dem Erzbischof von Nowgorod, Dimitrij Ssjetschenow ein anderes, als dasjenige Peters III. zu diesem Kirchenfürsten. Hatte es früher mit dem Letzteren bei Hofe sehr leidenschaftliche Auftritte gegeben, so wusste die Kaiserin den hohen Geistlichen ganz anders zu behandeln. Er war Mitglied der Kommission, welche im Sinne der Staatsgewalt die Angelegenheiten der Kirche regeln sollte, er erhielt 1.000 Bauern zum Geschenk; er wurde in Briefen der Kaiserin an Voltaire dafür belobt, dass er den Dualismus von Staat und Kirche perhorreszciere, dass er nicht im Entferntesten Zelot oder Fanatiker sei. Statt des früher dominierenden Elementes der aus Klein-Russland stammenden Kirchenfürsten gelangten in der Zeit der Regierung Katharinas Groß-Russen in der Hierarchie zu Einfluss und Ansehen.

So hatten sich denn die auf die Thronbesteigung Katharinas gesetzten Hoffnungen der Kirchenfürsten, welche an ihren Rechten festhielten und auf eine weitere Ausdehnung derselben rechneten, als eitel erwiesen. Der Unwille war allgemein. In den Briefen der hohen Eminenzen machte sich derselbe in Klagen und unfruchtbaren Vorstellungen Luft. Aber einer so kraftvollen Regierung gegenüber mit offenem Protest hervorzutreten, hielten die Kirchenfürsten für nicht geraten, und nur einer fand sich, welcher, in der unumwundesten Art für die Autonomie der Kirche eintretend, seine Stellung und seine Freiheit aufs Spiel setzte. Es war Arssenij Mazejewitsch.

Die Kaiserin Katharina wusste, dass ihr von dieser Seite eine gewisse Gefahr drohe. Sie mochte wohl erfahren haben, dass der Erzbischof von Rostow schon während der früheren Regierungen eine oppositionelle Haltung beobachtet hatte und dass er mit seinen Amtsbrüdern über die die Rechte der Kirche betreffenden Fragen einen lebhaften Briefwechsel führte. Sie hielt irgend eine von Seiten des leidenschaftlichen Kirchenfürsten zu erwartende Demonstration für wahrscheinlich.