Der russische Dialekt der Chinesen in Kjachta und Maimatschen *).

In einem Artikel über den russischen Teehandel gibt Herr Schtschukin einige interessante Notizen über den seltsamen Dialekt, der von den russischen und chinesischen Kaufleuten als Vehikel ihrer geschäftlichen Beziehungen benutzt wird. Bekanntlich haben die Chinesen auch in Canton eine Art von englischer „Lingua franca" erfunden, die nur für sie selbst und die mit ihnen Verkehrenden verständlich ist, aber während diese mehr in empirischer Weise entstanden ist, scheint der Kjachtaer Dialekt sich gewissermaßen systematisch gebildet zu haben.

„Von den russischen Kaufleuten — schreibt mein Gewährsmann — ist nicht einer der chinesischen Sprache mächtig; dagegen sprechen alle Chinesen in Kjachta russisch, aber ein Russisch, welches man sonst nirgendwo verstehen würde. Statt „kak tebja sowut?" (wie heißt du?) sagen sie z. B. „tuwája kako posówe?" Füge man einer solchen Verstümmelung der Wörter eine ganz unrussische Aussprache und eine völlig verkehrte Akzentierung der Silben hinzu, so wird man begreifen, dass es ohne Dolmetscher unmöglich ist, mit den Chinesen russisch zu sprechen. Dieses rührt übrigens nicht daher, dass die chinesische Sprache von der russischen zu sehr verschieden ist, als dass die Chinesen sich der russischen Aussprache angewöhnen könnten; denn die Chinesen, die in Peking in der Nähe des russischen Klosters wohnen, sprechen ganz gut russisch, ohne eine Spur der monströsen Maimatschen Aussprache. Die Ursache ist nur, dass die Chinesen in Peking unmittelbar von den Russen lernen, in Maimatschen aber von ihren Landsleuten, bei denen sich schon vom Anfang des Handels in Kjachta eine konventionelle russische Sprache gebildet hat. Um unsere Wörter zu schreiben, gebrauchten die Chinesen ihre phonetischen Hieroglyphen; da nun diese Hieroglyphen ganze Silben und nicht einzelne Buchslaben vorstellen, so geschah es, dass z. B. das Wort blisorukji (kurzsichtig) von den Chinesen „pi-Ii-sa-ru-ki" geschrieben und natürlich auch so ausgesprochen wurde. Auf diese Art entstand zu Maimatschen im Laufe der Zeit ein eigner, mit chinesischen Hieroglyphen geschriebener russischer Dialekt. Ein junger Chinese, der in der Grenzstadt ankommt, wird nicht eher zum Umgang mit den Russen zugelassen, als nachdem er, diese Mundart erlernt hat. Die russischen Kaufleute reden in ihrem Verkehr mit den Chinesen dasselbe Kauderwelsch, und letztere haben daher nicht nötig, das eigentliche Russisch zu lernen. Auch gibt es keinen einzigen Chinesischen, der russisch schreiben kann.


Vor kurzem**) ist in Kjachta eine Schule der chinesischen Sprache für Russen eröffnet worden. So viel uns bekannt, lehrt man dort die Büchersprache; ohne die Konversationssprache zu berücksichtigen, die den russischen Kaufleuten doch bei weitem notwendiger wäre. Übrigens wird auch die Bekanntschaft mit der Schriftsprache der Chinesen, obgleich sie für den Augenblick keine praktische Anwendung hat, doch in der Folge von Nutzen sein."

*) Vergl. über diesen Gegenstand Erman Reise etc. Ab. I. Bd.2. S. 110.
**) Vergl. in diesem Archive Bd. IX. S. 706.