Erste Fortsetzung
Einen ganz anderen Anblick gewährt uns das Gebiet der westlichen Slawen. Statt sich auszudehnen hat sich dieses Gebiet im Laufe der Zeiten beträchtlich vermindert und eben diese Verminderung desselben, seine ursprüngliche Ausdehnung und die Grenzen in welche es jetzt eingeschränkt ist, sind der eigentliche Vorwurf unserer Betrachtung, die sich indessen auch auf die südlichen Slawen erstrecken wird, bei welchen dieselben Erscheinungen, nur in kleinerem Maßstabe, auftreten. Das Gebiet der westlichen Slawen erstreckte sich anfangs über die kontinentale Mitte Europas fast über die ganze nordeuropäische Ebene, westlich von ihrer oben angegebenen Ostgrenze, ferner über das ostdeutsche Gebirgsland und die Karpaten bis an die Grenzen von Siebenbürgen. Die Grenzen dieses Gebietes, außer den schon angegebenen östlichen, waren die Ostsee von Danzig bis Schleswig, die Elbe von Hamburg bis ins Anhaltische, die Saale, das Fichtelgebirge und der Böhmerwald und von dessen südlichen Ausläufern eine unbestimmte Linie nach Wien, dann die Donau und von Pressburg [Bratislava] eine sich etwas nach Norden biegende Linie nach der Nordgrenze von Siebenbürgen, von da in nordöstlicher Richtung nach dem Dnjepr. Noch jetzt stützt sich diese Bevölkerung auf die Küsten der Ostsee, die Ufer der Donau zwischen Pressburg und Wien und das Quellenland des Dnjepr. Man rechnet heute zu ihnen die Polen des Königreichs und ihre nächsten östlichen Nachbarn, auch Wolhynien und Podolien, ferner die Masuren im eigentlichen Preußen, östlich der Weichsel, die Pommerellen in Preußen und Pommern, die slawischen Bewohner des Großherzogtums Posen und der beiden Lausitzen, die polnischen Schlesier, die Tschechen in Böhmen, die Mähren, die Slowaken in Ungarn, die Gallizier und die Ruthenen, welche letzteren die Karpaten an den Quellenflüssen der Theiß bewohnen und in sprachlicher Hinsicht den östlichen Slawen am nächsten stehen.
Ihre südlichen Nachbarn sind die Magjaren und Wallachen, deren Wohnsitze aus unserer Karte zu ersehen sind. Ein breiter, die Donau begleitender, Landstrich von Deutschland bis an das schwarze Meer ist ihr Gebiet und trennt die westlichen Slawen von ihren südlichen Stammesgenossen auf dieselbe Weise wie die oben erwähnte Völkerscheide die westlichen und östlichen Slawen auseinanderhielt. Das Gebiet dieser dritten Hauptgruppe der slawischen Völker erstreckte sich früher von Tirol bis an das schwarze Meer und noch jetzt, in der andern Richtung, von der Drau nach Süden bis über den Balkan hinaus. Dazu gehören die Wenden der deutsch-österreichischen Provinzen, die Dalmatier, Montenegriner, Bosniaken, die Serben in Serbien und Ungarn, die Kroaten und Bulgaren.
Zu welcher Zeit das Urvolk sich in diese drei Zweige geteilt haben möge, lässt sich nicht mehr ermitteln, gewiss ist aber dass sie in ihren jetzigen Sitzen noch lange mit einander kommuniziert haben. Besonders werden Wanderungen von den westlichen zu den südlichen erwähnt; dennoch stehen die südlichen Slawen heut zu Tage den östlichen näher als den westlichen. Die Kroaten sollen aus Belochrobatia (Böhmen) sich durch die Avaren durchgeschlagen und an der Sau und Drau ihr Reich gegründet haben. Die Serben aus Weißserbien im Meißnischen sollen die Staaten Rotserbien und Sarvitza bei Thessalonich gegründet haben. Noch mehr solche Züge werden erwähnt. Derselbe Geist welcher zu jener Zeit fast alle Völker ergriffen hatte, trieb auch sie von einem Orte zum andern. Große Staaten werden nicht erwähnt, aber wohl ungeheure slawische Heere welche über die Donau in das oströmische Reich einbrachen und die ganze Halbinsel ausplünderten und auf das Furchtbarste verheerten; ja sie überschritten auf solchen Zügen selbst den Hellespont und siedelten sich in Mysien und Bithynien an. Nur die Hauptstadt widerstand ihnen, denn Festungen konnten sie nicht erobern. Die Hauptrichtung ihrer Wanderungen und Kriegszüge scheint überhaupt, wie die der Deutschen vor ihnen, besonders der Goten, die nach Süden gewesen zu sein, wenigstens treten sie an den westlichen Grenzen gegen die Deutschen weit friedlicher auf; treiben Ackerbau und Fischfang, weben Linnen, welches normannische Schiffe aus ihren Häfen an der Ostsee abholten und das ihnen im Handel als ein Äquivalent statt des Geldes diente, wie der Ziegeltee an der russisch-chinesischen Grenze. Einigen wird eine besondere Vorliebe für Musik zugeschrieben. Sie scheinen in kleinen Gemeinschaften gelebt zu haben, die sich nur für allgemeine, nationale Zwecke zu größeren Massen vereinigten und wenn die Gefahr beseitigt war, wieder auseinandergingen. Sehr viele slawische Reiche welche später vorkommen, sind nur ephemer, sie treten, sich gleichsam einander ablösend, an verschiedenen Orten auf, bis längerer Aufenthalt in ihren Wohnsitzen und andere Verhältnisse ihren Einrichtungen mehr Konsistenz gaben. Ein großer Staat, der alle slawischen Stämme umfasst hätte, hat niemals existiert.
Das erste Auftreten der Slawen in den angedeuteten Wohnsitzen lässt sich der Zeit nach nicht genau bestimmen. Die Slawen werden von den Alten Sarmaten, auch wohl Scyten genannt, aber diese Namen mögen sich nicht ausschließlich auf sie erstreckt haben. Konstantin der Große soll mit Slawen an der untern Donau gekämpft haben. Ein slawischer Stamm der Sarmaten, Limiganten, soll schon 334 unter dem Schutze der Römer in Krain ansässig gewesen sein. Der Gotenkönig Ermanrik soll über viele Stämme der Slawen geherrscht haben. Wie dem auch sei, im sechsten Jahrhundert gab es aber ein mächtiges slawisches Reich der Anten in Ungarn und Galizien, welches im Jahre 561 durch die Avaren zerstört wurde, und um dieselbe Zeit finden wir auch die Slawen überall als die östlichen Nachbarn deutscher Völker.
Im Anfange dieses Jahrhunderts wohnten im westlichen Deutschland mehrere, von einander unabhängige, kriegerische, deutsche Stämme. Die Sachsen von der Elbe bis zum Rhein und von der Nordsee bis an den Harz und die Eder. Südlich von diesen die Thüringer in Thüringen, dem jetzigen Franken und Teilen von Böhmen und Meißen. Von diesen südlich die Bayern bis an die Alpen und darüber hinaus. In Oestreich und Ungarn zwischen der Donau und Ens die Longobarden.
Die Nachbarn aller dieser Völker gegen Osten waren Slawen, wie sie sich selbst nannten, oder Wenden, wie sie von den Deutschen genannt wurden. Sie rückten friedlich nach in die von den Deutschen verlassenen Gegenden oder nahmen sie auch wohl mit Gewalt in Besitz. Bald erhielten sie Gelegenheit ihre Grenzen noch weiter auszudehnen. Die Franken und Sachsen zerstörten das thüringische Reich, die bisherige Vormauer gegen die Slawen und teilten sich darein. Bald darauf, 534, gingen nun die Sorben ins Meißnische und nahmen alles Land bis an die Saale in Besitz, ja verbreiteten sich als Kolonisten noch viel weiter bis nach Thüringen und Franken. Das Land zwischen dem Erzgebirge, der Saale und Elbe hieß nun Sorabia, auch Weiß-Serbien.
Ein anderes jener deutschen Völker, die Longobarden. überließen ihre Wohnsitze an der Donau den Avaren, einem wahrscheinlich magjarischen Volke, und zogen nach Ober-Italien. Dadurch wurden die Wenden in Krain und Kärnthen, welches Land jetzt unter dem Namen eines Herzogtums Carantanien (von Gora, der Berg, Goratan, Bergland, woraus nachher Carinthia, Kärnten wurde) auftritt, von drei Seiten von sehr gefährlichen Nachbarn, nämlich den Avaren, Bayern und Longobarden eingeschlossen, deren Tyrannei sie eine Zeitlang ertrugen dann aber rühmlich abschüttelten.
So stand es also im sechsten Jahrhundert. Alles Land östlich einer Linie von Schleswig bis Triest war slawisch, mit Ausnahme von Unterösterreich, wo die Avaren saßen und welches Land wahrscheinlich niemals dauernd von slawischen Völkern bewohnt worden ist, wenn es auch gewiss ist dass die südlichen Slawen mit den Böhmen eine Zeitlang in Verbindung gestanden haben. In dem folgenden Jahrhundert bildete sich nämlich von Böhmen aus, dem fränkischen Reiche gegenüber, eine bedeutende slawische Macht. König Samo vereinigte 624 die Sorben, Belochrobaten und Carantanier und schlug den König Dagobert von Austrasien, welcher sich mit den Bayern und Longobarden gegen die Slawen verbunden hatte, brachte ihm ferner 630 in einer dreitägigen grausamen Schlacht eine vollkommene Niederlage bei und machte nun von Böhmen aus, dreißig Jahre hindurch, die fürchterlichsten Ausfälle auf die Thüringer und Franken und gedachte auch der Avaren. Aber mit Samos Tod hörte die slawische Herrlichkeit auf und andere Völker erhoben wieder ihre Häupter. Noch waren alle Wenden Heiden. Ja die Carantaner hatten bei ihrer Einwanderung das schon in jenen Gegenden eingebürgerte Christentum*) vertrieben; aber bald sollte die Reihe an sie kommen. Die Avaren rührten sich von Neuem und waren gestrenge Herren gegen ihre Nachbarn. Herzog Borut von Carantanien sah sich genötigt die Bayern gegen sie zu Hilfe zu rufen. Sie kamen, brachten ihnen aber die Knechtschaft und das Kreuz, 748. Oft zwar empörten sich die Anhänger des Heidentums unter ihnen gegen ihre christlichen Dränger, rissen Kirchen und Klöster ein, aber sie erlangten nie mehr ihre Unabhängigkeit wieder. Durch Karl den Großen und dessen Besiegung der Bayern und Eroberung von Ligurien und Dalmatien wurden sie fränkische Untertanen und ihr Land eine Provinz und Mark des großen Reiches. Von diesem Datum an wurde Carantanien germanisiert, die weiter westlich vorgedrungene slawische Bevölkerung am Isonzo und in Italien selbst romanisiert. Dennoch trifft man noch jetzt in den Tälern jenes Teiles von Ober-Italien hier und da auf wendische Dörfer.
*) S. Linhart Geschichte von Krain und den übrigen Ländern der südlichen Slawen Österreichs.
Aber auch die bisherigen Peiniger der Garantanier, die Avaren, wurden von Karl gezüchtigt und ihr Reich gestürzt und die Slawen wurden dadurch an einer andern Stelle erleichtert. Von Belochrobatia nämlich, welchen Namen Böhmen bis ins zehnte Jahrhundert führt, hatte sich das mährische oder marahanische Reich abgetrennt. Dieses wurde durch das Verschwinden der Avaren mächtig und herrschte über einen großen Teil von Ungarn und, durch die Gnade des Kaisers, seit 828 auch über Slavonien. Aber auch dieses Reich zerfiel schon gegen das Ende des Jahrhunderts. König Arnulf von Kärnten bekriegte die Mähren und rief die Magjaren, welche so eben an der Theiß angekommen waren, gegen sie zu Hilfe. Die Magjaren leisteten Folge, nahmen aber alsdann das was König Arnulf gern für sich gehabt hätte und das Übrige fiel an Böhmen und Polen; denn dieses neue Reich hatte sich auch schon gebildet und zwar seit Kurzem. Wir wollen nun nach den Slawen in der nördlichen Ebene sehen.
Ihre südlichen Nachbarn sind die Magjaren und Wallachen, deren Wohnsitze aus unserer Karte zu ersehen sind. Ein breiter, die Donau begleitender, Landstrich von Deutschland bis an das schwarze Meer ist ihr Gebiet und trennt die westlichen Slawen von ihren südlichen Stammesgenossen auf dieselbe Weise wie die oben erwähnte Völkerscheide die westlichen und östlichen Slawen auseinanderhielt. Das Gebiet dieser dritten Hauptgruppe der slawischen Völker erstreckte sich früher von Tirol bis an das schwarze Meer und noch jetzt, in der andern Richtung, von der Drau nach Süden bis über den Balkan hinaus. Dazu gehören die Wenden der deutsch-österreichischen Provinzen, die Dalmatier, Montenegriner, Bosniaken, die Serben in Serbien und Ungarn, die Kroaten und Bulgaren.
Zu welcher Zeit das Urvolk sich in diese drei Zweige geteilt haben möge, lässt sich nicht mehr ermitteln, gewiss ist aber dass sie in ihren jetzigen Sitzen noch lange mit einander kommuniziert haben. Besonders werden Wanderungen von den westlichen zu den südlichen erwähnt; dennoch stehen die südlichen Slawen heut zu Tage den östlichen näher als den westlichen. Die Kroaten sollen aus Belochrobatia (Böhmen) sich durch die Avaren durchgeschlagen und an der Sau und Drau ihr Reich gegründet haben. Die Serben aus Weißserbien im Meißnischen sollen die Staaten Rotserbien und Sarvitza bei Thessalonich gegründet haben. Noch mehr solche Züge werden erwähnt. Derselbe Geist welcher zu jener Zeit fast alle Völker ergriffen hatte, trieb auch sie von einem Orte zum andern. Große Staaten werden nicht erwähnt, aber wohl ungeheure slawische Heere welche über die Donau in das oströmische Reich einbrachen und die ganze Halbinsel ausplünderten und auf das Furchtbarste verheerten; ja sie überschritten auf solchen Zügen selbst den Hellespont und siedelten sich in Mysien und Bithynien an. Nur die Hauptstadt widerstand ihnen, denn Festungen konnten sie nicht erobern. Die Hauptrichtung ihrer Wanderungen und Kriegszüge scheint überhaupt, wie die der Deutschen vor ihnen, besonders der Goten, die nach Süden gewesen zu sein, wenigstens treten sie an den westlichen Grenzen gegen die Deutschen weit friedlicher auf; treiben Ackerbau und Fischfang, weben Linnen, welches normannische Schiffe aus ihren Häfen an der Ostsee abholten und das ihnen im Handel als ein Äquivalent statt des Geldes diente, wie der Ziegeltee an der russisch-chinesischen Grenze. Einigen wird eine besondere Vorliebe für Musik zugeschrieben. Sie scheinen in kleinen Gemeinschaften gelebt zu haben, die sich nur für allgemeine, nationale Zwecke zu größeren Massen vereinigten und wenn die Gefahr beseitigt war, wieder auseinandergingen. Sehr viele slawische Reiche welche später vorkommen, sind nur ephemer, sie treten, sich gleichsam einander ablösend, an verschiedenen Orten auf, bis längerer Aufenthalt in ihren Wohnsitzen und andere Verhältnisse ihren Einrichtungen mehr Konsistenz gaben. Ein großer Staat, der alle slawischen Stämme umfasst hätte, hat niemals existiert.
Das erste Auftreten der Slawen in den angedeuteten Wohnsitzen lässt sich der Zeit nach nicht genau bestimmen. Die Slawen werden von den Alten Sarmaten, auch wohl Scyten genannt, aber diese Namen mögen sich nicht ausschließlich auf sie erstreckt haben. Konstantin der Große soll mit Slawen an der untern Donau gekämpft haben. Ein slawischer Stamm der Sarmaten, Limiganten, soll schon 334 unter dem Schutze der Römer in Krain ansässig gewesen sein. Der Gotenkönig Ermanrik soll über viele Stämme der Slawen geherrscht haben. Wie dem auch sei, im sechsten Jahrhundert gab es aber ein mächtiges slawisches Reich der Anten in Ungarn und Galizien, welches im Jahre 561 durch die Avaren zerstört wurde, und um dieselbe Zeit finden wir auch die Slawen überall als die östlichen Nachbarn deutscher Völker.
Im Anfange dieses Jahrhunderts wohnten im westlichen Deutschland mehrere, von einander unabhängige, kriegerische, deutsche Stämme. Die Sachsen von der Elbe bis zum Rhein und von der Nordsee bis an den Harz und die Eder. Südlich von diesen die Thüringer in Thüringen, dem jetzigen Franken und Teilen von Böhmen und Meißen. Von diesen südlich die Bayern bis an die Alpen und darüber hinaus. In Oestreich und Ungarn zwischen der Donau und Ens die Longobarden.
Die Nachbarn aller dieser Völker gegen Osten waren Slawen, wie sie sich selbst nannten, oder Wenden, wie sie von den Deutschen genannt wurden. Sie rückten friedlich nach in die von den Deutschen verlassenen Gegenden oder nahmen sie auch wohl mit Gewalt in Besitz. Bald erhielten sie Gelegenheit ihre Grenzen noch weiter auszudehnen. Die Franken und Sachsen zerstörten das thüringische Reich, die bisherige Vormauer gegen die Slawen und teilten sich darein. Bald darauf, 534, gingen nun die Sorben ins Meißnische und nahmen alles Land bis an die Saale in Besitz, ja verbreiteten sich als Kolonisten noch viel weiter bis nach Thüringen und Franken. Das Land zwischen dem Erzgebirge, der Saale und Elbe hieß nun Sorabia, auch Weiß-Serbien.
Ein anderes jener deutschen Völker, die Longobarden. überließen ihre Wohnsitze an der Donau den Avaren, einem wahrscheinlich magjarischen Volke, und zogen nach Ober-Italien. Dadurch wurden die Wenden in Krain und Kärnthen, welches Land jetzt unter dem Namen eines Herzogtums Carantanien (von Gora, der Berg, Goratan, Bergland, woraus nachher Carinthia, Kärnten wurde) auftritt, von drei Seiten von sehr gefährlichen Nachbarn, nämlich den Avaren, Bayern und Longobarden eingeschlossen, deren Tyrannei sie eine Zeitlang ertrugen dann aber rühmlich abschüttelten.
So stand es also im sechsten Jahrhundert. Alles Land östlich einer Linie von Schleswig bis Triest war slawisch, mit Ausnahme von Unterösterreich, wo die Avaren saßen und welches Land wahrscheinlich niemals dauernd von slawischen Völkern bewohnt worden ist, wenn es auch gewiss ist dass die südlichen Slawen mit den Böhmen eine Zeitlang in Verbindung gestanden haben. In dem folgenden Jahrhundert bildete sich nämlich von Böhmen aus, dem fränkischen Reiche gegenüber, eine bedeutende slawische Macht. König Samo vereinigte 624 die Sorben, Belochrobaten und Carantanier und schlug den König Dagobert von Austrasien, welcher sich mit den Bayern und Longobarden gegen die Slawen verbunden hatte, brachte ihm ferner 630 in einer dreitägigen grausamen Schlacht eine vollkommene Niederlage bei und machte nun von Böhmen aus, dreißig Jahre hindurch, die fürchterlichsten Ausfälle auf die Thüringer und Franken und gedachte auch der Avaren. Aber mit Samos Tod hörte die slawische Herrlichkeit auf und andere Völker erhoben wieder ihre Häupter. Noch waren alle Wenden Heiden. Ja die Carantaner hatten bei ihrer Einwanderung das schon in jenen Gegenden eingebürgerte Christentum*) vertrieben; aber bald sollte die Reihe an sie kommen. Die Avaren rührten sich von Neuem und waren gestrenge Herren gegen ihre Nachbarn. Herzog Borut von Carantanien sah sich genötigt die Bayern gegen sie zu Hilfe zu rufen. Sie kamen, brachten ihnen aber die Knechtschaft und das Kreuz, 748. Oft zwar empörten sich die Anhänger des Heidentums unter ihnen gegen ihre christlichen Dränger, rissen Kirchen und Klöster ein, aber sie erlangten nie mehr ihre Unabhängigkeit wieder. Durch Karl den Großen und dessen Besiegung der Bayern und Eroberung von Ligurien und Dalmatien wurden sie fränkische Untertanen und ihr Land eine Provinz und Mark des großen Reiches. Von diesem Datum an wurde Carantanien germanisiert, die weiter westlich vorgedrungene slawische Bevölkerung am Isonzo und in Italien selbst romanisiert. Dennoch trifft man noch jetzt in den Tälern jenes Teiles von Ober-Italien hier und da auf wendische Dörfer.
*) S. Linhart Geschichte von Krain und den übrigen Ländern der südlichen Slawen Österreichs.
Aber auch die bisherigen Peiniger der Garantanier, die Avaren, wurden von Karl gezüchtigt und ihr Reich gestürzt und die Slawen wurden dadurch an einer andern Stelle erleichtert. Von Belochrobatia nämlich, welchen Namen Böhmen bis ins zehnte Jahrhundert führt, hatte sich das mährische oder marahanische Reich abgetrennt. Dieses wurde durch das Verschwinden der Avaren mächtig und herrschte über einen großen Teil von Ungarn und, durch die Gnade des Kaisers, seit 828 auch über Slavonien. Aber auch dieses Reich zerfiel schon gegen das Ende des Jahrhunderts. König Arnulf von Kärnten bekriegte die Mähren und rief die Magjaren, welche so eben an der Theiß angekommen waren, gegen sie zu Hilfe. Die Magjaren leisteten Folge, nahmen aber alsdann das was König Arnulf gern für sich gehabt hätte und das Übrige fiel an Böhmen und Polen; denn dieses neue Reich hatte sich auch schon gebildet und zwar seit Kurzem. Wir wollen nun nach den Slawen in der nördlichen Ebene sehen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland, Band 02