Mauern, Tore und Gassen Jerusalems

Jerusalem war von der Nord-, Süd- und Ostseite mit Mauern umgeben, während im Westen der Moriah, an den sich links der Ölberg lehnt und rechts die Wüste Jeruel anschließt, eine hinreichende natürliche Befestigung bot. Die Mauern selbst, die 40 Ellen hoch und 40 Ellen breit gewesen sein sollen, hatten 12 Tore, je 4 in einer Front. Die Mauern zerfielen — dies Alles berichtet Aristas in einem Briefe an Philadelphus — in vier Abteilungen der Dicke nach, von denen die äußerste im Kriegsfalle mit Wasser gefüllt wurde. Vor den östlichen Toren befanden sich Schanzen, die mit dem Kidron in Verbindung standen und die beim Herannahen der Feinde durch eine nur den Priestern bekannte Handhabung von dort befindlichen Riegeln das nötige Wasser lieferten. Die Tore waren im Belagerungsfalle nicht nur gegen außen, sondern auch gegen innen, und zwar an der Grenze der ersten und zweiten Mauerabteilung (von außen aus gerechnet), abgesperrt. In dem dadurch entstandenen Hohlräume, der bloß von Eisenwänden eingefasst war, wurde dann ein Feuer unterhalten. Die Hitze teilte sich dem Wasser, das, wie schon erwähnt wurde, innerhalb der ersten Abteilung sich befand, mit und brachte dasselbe zum Sieden. Vor den zwei äußersten, einander entgegengesetzten Toren befanden sich große Metallstatuen, die auf der Nordseite Abraham, die auf der Südseite befindliche David darstellend. Dieselben sprühten im Kriegsfalle aus Mund und Fingerspitzen auf weite Entfernung eine Flüssigkeit aus, welche sich bei der geringsten Berührung mit Feuer sofort entzündete.

Diese Beschreibung des Aristas zeigt, wenn man auch nicht alle Details gelten lassen will, immerhin, wie großartig die Befestigungswerke des alten Jerusalem gewesen sein müssen.


Die Namen der 12 Tore sind nach dem Talmud:

1. Das Abrahams-Tor. Durch dasselbe soll der Patriarch nach seinem Weggang von Terrah Jerusalem betreten haben.

2. Das Davids-Tor. So genannt, weil dort Samuel dem David prophezeite, worauf David von Arawne den Berg Moriah kaufen wollte. Dieser willigte nicht ein und David eroberte sich den Berg.

3. Das Zionstor. Der Name daher, weil dort David von Aravne den Berg Zion kaufte und zum Zeichen des Kaufes daselbst den Zions-Turm errichtete.

4 Das Josaphat-Tor. Dort zerteilt sich das Tal in das Josaphat-Tal und das Tal des Kidron-Baches.

5. Das Tor der Stämme. Deswegen so geheißen, weil daselbst Josua das Land unter die Stämme verteilte.

6. Das Säulentor. Dort wurden die berühmten Säulen Jachin und Boës für den Tempel verfertigt und zum Andenken ebendaselbst zwei Säulen aufgestellt.

7. Das Löwentor, dessen Namen die Sage an die Geschichte von Daniel in der Löwengrube knüpft.

8. Das Tor von Siehem. Sogenannt, weil daselbst Simeon und Levi die Beute von Sichem, da sie aus Rache für ihre Schwester Dinah geplündert, in einer unterirdischen Höhle verborgen haben sollen; die Schätze soll David dem Tempelschatz einverleibt haben.

9. Das Wassertor. Daselbst befanden sich die Maschinen der Wasserleitung.

10. Das Tor des Jechonjah. Deswegen so genannt, weil dieser König bis zu diesem Tore kam und nicht weiter dringen konnte.

11. Das schöne Tor. Dieses Tor befand sich in einer der schönsten Gegenden Jerusalems, weshalb die Jerusalemiten das Tal, in welchem sich dieses Tor befand, als beliebten Spaziergang benutzten. Aus diesem Grunde verwendete man auch viel Mühe auf die Verschönerung dieses Tores.

12. Das Tor der Erstgeborenen. Dort soll nämlich Jakob dem Esau die Erstgeburt um ein Linsengericht abgekauft haben.

Die Straßen und Gassen Jerusalems waren nach der Schilderung des Römers Narbo teils hoch, teils tief gelegen, und zwar lagen neun Straßen im gebirgigen Teile der Stadt und 2.636 füllten die Täler aus. Es dürfte nicht uninteressant sein, die Namen der neun großen Bergstraßen zu erfahren und aus diesem Grunde mögen sie hier angeführt sein :

1. Die höchste Gasse, nach ihrer relativen Höhe so genannt.

2. Die Geschäftsgasse. Sie war das Zentrum des geschäftlichen Lebens Jerusalems und des ganzen Reiches. Der ganze in- und ausländische Handel hatte hier seine Stätte.

3. Die Gewürzgasse. In derselben waren die verschiedensten Gewürze aufgespeichert. Die Bedeutung der Gewürze im Orient ist doch hinlänglich bekannt; dort bilden sie einen viel wich-tigeren Artikel als bei uns.

4. Die Gasse der Bräutigame. Dieselbe war nur dazu bestimmt, Hochzeitsfeste für Arm und Reich in ihr zu veranstalten. Eigene Gebäude erfüllten diesen Zweck.

5. Die Gemüsegasse. Von dort besorgten die jerusalemitischen Hausfrauen ihren Bedarf an Grünzeug.

6. Die Wanderergasse. Sie bestand aus Gebäuden, die alle der den Orientalen so nachgerühmten Gastfreundschaft dienten. Dort bewirtete man auf öffentliche Kosten die einkehrenden Fremden. Wahrlich, eine billigere und wohltätigere Einrichtung als unsere modernen Hotels!

7. Die Freudengasse oder, wie wir sie in unserer nüchternen Weise nennen würden, die Trauergasse. Durch sie gingen nämlich die Leidtragenden vom Gottesacker zurück und man nannte sie mit Rücksicht auf die erhoffte Tröstung durch göttliche Hilfe die Freudengasse, wiewohl sie eigentlich die Trauergasse heißen sollte.

8. Die Töpfergasse. Dort hatte das Töpfergewerbe seinen Sitz aufgeschlagen.

9. Die Fischgasse. Der Fischmarkt des alten Jerusalem.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Archäologische Beschreibung Jerusalems