Fischerei und Schifffahrt.

Meereswogen brandeten einst an den Nordfuß der bayerischen Berge, viele Jahrtausende vor den Gletschern der Eiszeit. Verschwunden ist dieses Meer und zerschmolzen die Gletscher; an ihrer Statt säumt ein Gürtel von braunen Mooren und blinkenden Seebecken das Gebirge. Und nicht allein vor den Bergen liegen solche Wasser, sondern auch zwischen ihnen, eingebettet in Felsenkesseln. Gerade die Seeufer mögen mit zu den ältesten Kulturstätten gehören. War hier doch die Landschaft besonders lieblich, der Verkehr am leichtesten.

Die Umarmung von Land und Wasser schafft dem Menschen mancherlei Arbeit und Erwerb. Fischerei insbesondere gehört zu den ältesten Arbeiten der Völker. So auch an den bayerischen Seen sowohl, wie an den Strömen und Bächen des Gebirgs. Die Fischarten sind aber andere in den Seen des Vorlandes, in den eigentlichen Bergseen und in den fließenden Wassern. In den Seen des Vorlandes ist der gewaltigste Fisch der Waller oder Wels, der zu unterst am Seegrunde steht und Manneslänge erreicht. Edler sind die Lachse, die an Güte dem Rheinsalm nicht nachstehen; gröber und von wilder Gefräßigkeit die Hechte; als Massenfische aber, die in ganzen Heereszügen erscheinen und gefangen werden, erscheinen die zarten Renken und die Brachsen. Dazu kommt noch mancherlei kleineres Fischgesindel. In den Bergseen dagegen ist die Lachsforelle heimisch, der köstlichste aller Süsswasserfische, dem kein Fisch aus Meerestiefen an Wohlgeschmack gleichkommt. Und in den Bächen, die aus den Bergen ins Flachland niedergehen, sind Forellen und Aeschen die edelsten Bewohner.


Neben der Jagd ist die Fischerei jene Arbeit, die besonders gern zum Sport wird; und gerade deswegen sagt sie dem altbayerischen Volkscharakter zu. Den schwersten Arbeitsaufwand erfordert sie an den großen Seen. Hier fischt der gewerbsmäßige Fischer entweder mit dem Netze oder mit der Legangel; Schleppangel und Rute werden nur von Dilettanten gebraucht. Die Netzfischerei ist hier, wie an jedem größeren stehenden Gewässer, harte und nasse Arbeit, eine Arbeit, welche wie keine andre den Menschen gleichgültig gegen die Unbilden der Witterung macht. Die Fischerei mit der Legangel erscheint mehr als Nebenerwerb. Wo das Gewerbe von Geschlecht zu Geschlecht sich fortvererbt, da erscheinen die Fischer durchgängig als hagere, meist hochgewachsene Leute; die schwere Arbeit in jeder Witterung lässt sie frühzeitig altern; aber wenn sie mit fünfundvierzig Jahren schon völlig verwittert aussehen, bleiben sie hernach ziemlich gleich bis zum fünfundsechzigsten oder siebenzigsten. Steinalt werden sie selten und wohlhabend auch nicht, wenigstens nicht durch ihr Gewerbe. Sie sind immer die wetterkundigsten Menschen ihrer Gegend; denn sie lesen die Wetterzeichen nicht bloß in der Luft, in Wind und Wolkenzug, sondern auch im Wasser. Ihr heimisches Gewässer kennen sie natürlich genauer, als jeder andre; an scharfer Naturbeobachtung tut es ihnen bloß der Jäger gleich.

Schauen wir uns die Fischer, etwa am Chiemsee, näher an.

Regungslos und spiegelblank unter glühender Augustsonne flimmert der See. Gewitterdunst hüllt die an der Südseite hochaufragenden Bergriesen in tiefblaue Schleier; schwül und brütend liegt der Wald hinter dem von weißem Kies gesäumten Strande.

Ein Fahrzeug stößt an diesen Strand. Es ist ein hochgeschnäbeltes, altes Eichengebäude, an seinen vom Wetter und von den Jahren zerrissenen Wänden vielfach mit Eisenklammern geflickt. Drei Männer sind in dem Schiffe und ein Haufen Tau- und Netzwerk. Nun wirft der eine dieser Männer ein Tau mit einem daran befestigten Holzstücke ans Land; dann stößt das Fahrzeug wieder vom Ufer ab, indem es das Tau, an welchem eine Reihe von Holzpflöcken hangen, hinter sich fallen lässt. Einer der drei Männer wirft das Tau aus; die anderen beiden rudern. Nachdem etwa zehn oder fünfzehn Schiffslängen Tau ausgeworfen, folgt das Netz; oben durch Hölzer, die auf dem Wasserspiegel schwimmen, festgehalten, nach unten durch Thongewichte beschwert. In großen Bogen wird es ausgeworfen; dann kehrt das Schiff wieder dem Lande zu. Abermals folgt ein Stück Tau, das hinter dem Schiffe ins Wasser sinkt; dann stößt der Bug des Fahrzeugs wieder knirschend auf den Kies. Die Männer legen ihre Ruder nieder; zwei von ihnen schwingen sich über den Schiffsrand ins Wasser, waten ans Ufer und fangen an, die Taue mit gleichmäßigen Griffen an sich zu ziehen. Es ist furchtbar schwere Arbeit; man erkennt das Gewicht des Netzes daran, wie weit die Männer sich nach rückwärts lehnen müssen, wie sie sich mit ihren Holzschuhen in den schlammigen Kies einstemmen, und wie sich die Muskeln ihrer gebräunten nackten Arme aufblähen. Nach einer Viertelstunde etwa sind die Taue zu Ende, und das Netz erscheint. Sorgsam wird es zusammengefasst und angezogen. Der dritte Fischer fährt mit dem Schiffe in den Bogen des Netzes hinein und schlägt mit dem Ruder ins Wasser, um die etwa zwischen den Netzwänden befindlichen Fische in den hintersten, sackartigen Teil des Netzes, den „Bären“ zu treiben.

Rascher werden die Bewegungen der Männer; ihre bisher gleichgültigen Gesichter beleben sich. Diesmal scheint etwas im Netze zu sein. Das ist den Fischern aber auch wohl zu gönnen; denn seit Tagesanbruch sind sie an der Arbeit und haben noch kein Schüppchen gefangen. Und nun nähert sich der „Bär“ dem Lande. Er ist zentnerschwer; silbern blitzt und schimmert es darin; es schlägt und zappelt. Hart treten die Fischer aneinander, bis sie endlich den Bären selbst fassen. Ein Berg von Fischen liegt vor ihnen, eingeschlossen in den Maschen des Netzes. Es sind „Brachsen“ ; keine sonderlich wertvollen Fische, aber gut zum Räuchern, und alle miteinander wohl über hundert Pfund schwer.

Nun werden sie rasch ins Schiff geworfen; Netz und Taue hinterher. Die Fischer schwingen sich wieder über den Bord und greifen zu den Rudern.

Die Sonne ist mittlerweile verschwunden; eine dunkle Gewitterwand deckt den halben Himmel; schwer und lichtlos liegen die Berge; schwarzgrün der See. Eine schreckhaft aussehende, rostfarbene Wolkenwalze schiebt sich unter der schwarzen Gewitterwolke daher. Die Männer wissen, dass ein schwerer Sturm kommt. Das Inseldorf von Frauenchiemsee aber, ihre Heimat, liegt noch in Meilenferne jenseits der dunklen Wasserfläche. Und nun fängt die Fläche zu zittern an; wenige Minuten später kommt der heulende Sturm geflogen, und bald klatscht das Schiff durch hochgehende, graue Wogen hin. Stundenlang dauert der Kampf mit denselben, während Blitze zucken und das Rollen des Donners mit dem Sausen des Sturms und mit dem Rauschen der Schaumkronen sich mengt.

Die Männer in dem alten Eichenschiffe kümmern sich wenig um den Aufruhr der Elemente. Sie haben schon Schlimmeres mitgemacht, und es ist ihnen ziemlich gleichgültig, dass das. Schiff ab und zu wie ein ^bäumendes Pferd auf einen Wogenrücken hinansteigt, und dass ein andermal eine Sturzsee mächtig klatschend an die Schiffswand schlägt und einige Liter kaltes graues Wasser auf einmal in das Pahrzeug wirft. Nur wie dem im Grausen rudernden Manne eine Spritzwelle plötzlich bis in die Pfeife springt, dass das darin glimmende Tabakhäufchen zischend verlöscht: da kann er nicht umhin, einen derben Fluch zu murmeln.

Dann rudert er lautlos weiter.

Nach einer Stunde schwerer Arbeit ist ein schützender Landvorsprung erreicht; in ruhigerem Wasser gleitet das Fahrzeug rasch zur heimischen Lände. Zwei Weiber und ein paar weißhaarige Kinder warten dort am Ufergestein auf die Heimkehrenden. Nun werden die Bütten herbeigebracht, der Fang wird verteilt und die Netze zum Trocknen auf ein Gerüst aus grauen Stangen gehängt. Jetzt kann auch die erloschene Pfeife wieder angezündet werden, und eine Stunde Rast auf der Ofenbank ist den nassen, müden Männern wohl vergönnt, ehe sie an den Rest der Tagesarbeit gehen: an das Flicken des Netzes und an das Zurichten der Fische zum Räuchern.

Das Tagewerk des Fischers an einem der bayerischen Seen ist nicht übermäßig gleichförmig. Es ist im Sommer ein anderes, als im Winter. Das Gewerb ist auch nicht so ergiebig, dass es für sich allein eine Familie zu ernähren vermöchte; die Fischer treiben daher alle nebenbei mehr oder weniger Landwirtschaft. Die wohlhabendsten unter ihnen sind immer jene, welche mehr Bauern als Fischer sind. Wenn landwirtschaftliche Arbeiten drängen, muss dann immer die Fischerei zurückstehen, und dasselbe Fahrzeug, das am Montag die Netze trug, füllt sich am Dienstag mit Grummet oder Streu, mit Rüben oder Kartoffeln.

Die Verwertung der Fische ist jetzt nicht schwierig, seit es die Eisenbahnen möglich machen, dass die Fische wenige Stunden, nachdem sie der heimischen Flut entrissen worden, schon im Laden des Münchener Fischhändlers liegen; und seit an allen Seeufern Sommergäste und Touristen genug sich vorfinden, um die regelmäßige Ausbeute wegzuessen. Man macht sich kaum einen Begriff von den Fischmassen, die etwa zu St. Bartholomä am Königsee, auf den Chiemseeinseln oder am Stambergersee von den Touristen an jedem schönen Sommertage verspeist werden. Vor der Aera der Eisenbahnen und des Fremdenzuges war die Sache schwieriger; damals waren die Fischer weit mehr als heutzutage auf das Räuchern der Fische angewiesen; und es ist ohne Zweifel ein vielhundertjähriger Brauch, dass die Fischer ihre während der Woche geräucherten Fische am Sonntag in den Wirtshäusern der Nachbardörfer, namentlich bei Märkten, zum Verkauf austragen. Dass bei diesem Hausiergange der Fischer selber auch jeweils Durst bekommt und in seinem leeren Korb abends einen Affen nach haus trägt, mag wohl der Fischerin zum Ärgernis gereichen und den idyllischen Frieden der Fischerhütte hie und da durch kleine Prügeleien stören, erscheint aber doch als recht natürlich und begreiflich.

Am besten unter den bayerischen Seen erscheinen der Schliersee und der Würmsee bewirtschaftet; nicht ganz so gut der Chiemsee; am schlechtesten der Kochelsee, Ammersee, Walchensee und Königssee. Wer die gigantischen Lachsforellen betrachtet, die im Jagdschlösschen zu St. Bartholomä abgebildet an den Wänden hangen, wird sich einiger Wehmut nicht erwehren können, wenn er sieht, wie kleinwinzig die Urenkel jener Fischriesen heutzutage sind, und wenn er erfährt, dass man jetzt am Königssee überhaupt nur noch solche Fische speist, die aus dem österreichischen Attersee mit der Eisenbahn herüber gekommen sind. Der bayerische landwirtschaftliche Verein hat sich zwar seit dem Jahre 1848 bemüht, die künstliche Fischzucht in Bayern einzubürgern; aber die Edelfische haben sich trotz dieser redlichen Bemühungen nicht in dem Grade vermehrt, als es die unersättliche Gefrässigkeit der Touristenschwärme erforderlich scheinen lässt.

Es mag hier wohl auch am Platze sein, einen Blick auf die Schiffahrt der bayerischen Alpengewässer zu werfen. Wenn man vom Bodensee absieht, der ja kein rein bayerisches Gewässer ist, so zeigen sich in dieser Hinsicht beträchtliche Unterschiede. Auf den großen Seen des Alpenvorlandes, dem Chiemsee, dem Stamberger- und Ammer-See war vor vierzig Jahren noch der Einbaum, aus einem einzigen mächtigen Eichenstamme gezimmert, das landesübliche Fahrzeug. Die eleganteste Form zeigten diese Fahrzeuge am Stambergersee, wo sie kurz, mit erhobenem und zugespitzten Vorder- und Hintersteven waren; der Vordersteven oder „Gransen“ bedeutend höher als der Hintersteven. Am Chiemsee zeigte sich das Fahrzeug gestreckter, mit abgestumpftem Stern. Diese Schiffe waren, bei geschickter Behandlung, in hohem Grade seetüchtig und rasch, erforderten aber für den Steuermann einen ansehnlichen Aufwand an Kraft und Gewandtheit. Der Steuermann ruderte stehend, die übrigen Ruderer sitzend. Die aus zwei Stücken, der Stange und der Schaufel, zusammengesetzten schweren Ruder bewegten sich in aus gedrehten Fichtenzweigen oder aus Weiden geflochtenen Ringen („Wieden“). Seit die großen Eichen selten und teuer geworden sind, baut man die Schiffe aus Brettern und zwar — worin technisch jedenfalls ein Rückschritt liegt — aus Fichtenholz. Denn jene alten eichenen Einbäume hatten eine Lebensdauer von 60 — 80 Jahren, die jetzigen Bretterschiffchen nur von 10 — 12 Jahren. Die urwüchsigsten Fahrzeuge, die man auf bayerischen Wassern sehen konnte, waren bis vor kurzer Zeit jene Einbäume, in welchen bloss die Holzknechte über den Königsee fuhren: aus einem einzigen Fichtenstamme ganz roh ausgezimmert, an Bug und Stern abgestumpft. Seit etwa zwanzig Jahren hat der Schiffbau am Starnberger- und Tegernsee ganz bedeutende Fortschritte gemacht; dort kommen jetzt Boote von den Werften, als wären sie zu Hamburg oder Southampton gezimmert. Sie sind aber bloss für den Segelsport der Städter; jene Schiffahrt, die dem Arbeitsleben des einheimischen Volkes dient, hat keinen Fortschritt gemacht. Das Fichtenholz ist als Schiffsmaterial einfach nichtswürdig; missverstandene Sparsamkeit verhindert die Seeanwohner an der Verwendung von Planken aus Eichen- oder Lärchenholz; mit der Verwendung dieses besseren Materials kämen aber auch sorgfältigere Ausführung und bessere Formen. Mit dem Schiffbaumaterial hat sich auch die Art des Ruderns verändert. Die Einbäume aus Eichenholz hatten wegen ihres Gewichtes so stäten Gang, dass sie von gewandten Händen mittels eines einzigen Ruders stehend regiert werden konnten; die Bewegung dabei war graziös und gesund. Mit den leichten und unstäten Bretternachen der neueren Zeit ist das Arbeiten mit zwei Rudern immer üblicher geworden, eine Bewegung, welche, wenn sie stehend ausgeübt wird, sehr viel Kraft und Geschicklichkeit beansprucht, für den Sitzenden dagegen leicht, aber dafür nicht ohne einen gewissen knechtischen Zug ist. Segel wenden die eingebornen Seeanwohner nicht an, trotz der importierten Segelboote, die im Sommer vor ihren Augen umhergaukeln.

Die seemännische Begabung der Anwohner ist an den einzelnen bayerischen Gewässern sehr imgleichartig. Die mutigsten und dabei zuverlässigsten Seeleute sind die Fischer an den großen Seen des Vorlandes, dem Chiemsee, Stamberger- und Ammersee, während an den eigentlichen Gebirgsseen, wo die Gefahr weit geringer ist, auch Übung und Verständnis, ja selbst der Mut für die Seefahrt geringere sind. Ohne Übertreibung — an den Ufern des Chiemsees hat jedes alte Fischerweib mehr Kühnheit und mehr Geschick in der Handhabung eines Bootes, als auf dem Königsee jene furchtbar schneidig aussehenden Gesellen mit ihren Spielhahnfedern, die dort Tag für Tag ganze Schiffsfrachten von Berlinern, Engländern und Amerikanern über den See hintriften. Die Seen des Vorlandes sind weit stürmischer, als jene bergumschlossenen Felsenkessel, in welchen der Sturm zwar wüsten Lärm verursacht, aber niemals mit so verheerender Gewalt über die Flächen hinwegfegen kann, wie vor den Bergen.

Während des tiefsten Winters sind die Gebirgsseen fast immer mit einer Eisdecke bedeckt; die Seen des Vorlandes erhalten diese Decke nicht jedes Jahr. Für die Seeanwohner ist sie erwünscht; sie leistet bei mancherlei Arbeitstätigkeit wohlwollende Unterstützung. Eine spiegelblanke Eisdecke schafft den Seeanwohnern ein unvergleichliches Verkehrsmittel; kaum trägt sie, so eilen schon die Schlitten über sie hin, mit Holz und Streu beladen; die Fischer schlagen Löcher in die Kristalldecke, stellen sorglich Eisblöcke als Warnungszeichen daneben und senken ihre Legangeln hinein. Ist die Eisdecke fest genug, so werden die gangbaren Wege durch eingesteckte Fichtenzweige bezeichnet, damit sie auch bei Nacht und Nebel gefunden werden können.

Noch einer Art von Wasserfahrt muss hier gedacht werden: der Flößerei. Jene glänzenden Zeiten dieses Verkehrsmittels sind freilich vorbei, in welchen Mittenwald ein blühender Mittelpunkt internationaler Handels- und Speditionsgeschäfte war. Dazumal konnte es geschehen, dass die Mittenwalder Flößer Bozener Wein und welsche Südfrüchte auf ihren Fahrzeugen verluden, und dass demnach die goldenen Äpfel der Hesperiden zwischen den Fichtenstämmen des Karwendelgebirgs umherkugelten. Auch die Floßreisen von München isarabwärts zur Donau und nach Wien — man konnte für vier Gulden nach Wien als Passagier reisen — haben ein Ende genommen, seit die Eisenbahnen fast ebenso billig, aber viel schneller, bequemer und vor allem viel trockener transportieren, als die Flößer. Die letzteren begnügen sich jetzt mit den wohlfeilsten Frachten, als da sind Bretter, Sägbäume, Kalk und dergleichen; und ebenso mit den anspruchlosesten Passagieren, wie zum Beispiel Handwerksburschen, denen das Geld gänzlich ausgegangen ist, oder Jachenauerinnen, die von einem befreundeten Flossknecht bloß um ihrer schönen Augen willen nach München zum Oktoberfeste hinuntergeflößt werden und zum Danke dafür dem wackeren Steuermann die Zeit mit anmutigem Gespräch verkürzen.

Die Flößerei auf den bayerischen Flüssen ist uraltes Gewerbe, und insbesondere war die Isar bis in die neueste Zeit eine hochwichtige Flosßstrasse. Die Männer von Länggries und aus der Jachenau stellten zu diesem Geschäfte Arbeiter von erstaunlicher Kühnheit und Gewandtheit; Arbeiter, welche in bezug auf Technik wohl von den berühmten Schwarzwaldflößern auf der Kinzig und Wolf, an Kühnheit aber nirgends übertroffen werden. Die Flößer aus dem Isarwinkel sind ein Geschlecht von Riesen, gewohnt, mit wilden Bergwassen zu kämpfen. Ihre rohen Fahrzeuge, die, im Gegensatze zu denen anderer Ströme, immer nur kurz gebaut sind, werden im Oberlaufe der Isar zusammengestellt, aus den Stämmen, welche die einsamen Waldthäler bei Fall und Vorderriss liefern. Aber so einfach Fahrzeug und Fracht sind: es ist ein fröhliches Fahren, den blaugrünen, reißenden Strom herab, dessen Wellen und Wirbel oft genug dem schneidigen Lenker des Fahrzeugs über die Füße schäumen. Der steht an seinem Steuer gerade so stolz wie der Steuermann eines Dreimasters; und wenn das Floß durch die Stromschnellen schießt, als wollte es in tausend Trümmer gehen: dann schwingen die Männer darauf ihre Hüte und schicken auch einen Jauchzer herüber als Gruß aus der waldgrünen Jachenau!



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arbeitergestalten aus den Bayerischen Alpen
Heimkehrende Chiem-See-Fischer.

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Fischer und Floßknechte

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