Dorfhandwerker.

Man muss in die kleinsten Dörfer gehen, um zu erkennen, welche Handwerker dem Volke am notwendigsten sind. Dann braucht es weiter keine Statistik. In den bayerischen Gebirgsdörfern sind diese Handwerker der Schmied und der Schuster.

Der Schmied ist unentbehrlich für die Wiederherstellung von Wirtschaftsgerät und Fuhrwerk, vor allem für den Hufbeschlag. Und mit der Dilettantenarbeit des Bauern selber ist in diesen Dingen nichts zu machen.


Der Schmied ist wohl das allererste selbständige Handwerk, wie in der ganzen Welt, so auch in den bayerischen Bergen. In andere Handwerke lässt sich leichter hineinpfuschen; aber zum Schmieden des Eisens gehören nicht bloß Hammer und Amboss, sondern auch ein ehrlicher Blasebalg. Was aber den bayerischen Bauern am meisten hindert, in dieses Gewerbe hineinzupfuschen, ist seine Feuergefährlichkeit — in einer Landschaft, wo wenigstens ursprünglich der Holzbau durchaus vorherrschte. So kömmt's, dass man an den Straßen und Sträßchen, die durch unsere Berge führen, so ziemlich auf jeder Meile Weges eine Schmiede findet. Merkwürdig ist's dabei, wie oft diese Dorfschmieden die malerischsten Bauten weit und breit sind. Sie liegen meist nicht im Dorfe; immer aber an der Straße, weil sie der Fuhrmann am notwendigsten braucht. Ein Steinbau mit einem finstren breiten Thore; vor demselben ein säulengetragenes Dach, unter welchem die Gäule angebunden werden können, die neue Hufe bekommen sollen. Frisch beschlagene Wagendeichseln und Räder lehnen an der Wand; im finstren Hintergrunde der Werkstatt, an der funkensprühenden Esse, schafft der Meister mit seinem Gesellen. Gegenüber dem Hause, an der anderen Seite der Straße aber schäumt der Wildbach thalabwärts; hinter dem Hause des Schmieds steigt der Bergwald empor. So ist das Bild, das die den Malern wohlbekannte Ilsangschmiede bei Berchtesgaden aufweist und mit ihr eine lange Reihe solcher Werkstätten im Alpenlande. Es ist in der ganzen Geschichte des Handwerks begründet, dass der Schmied zugleich einiges von Tierheilkunde versteht, und damit hängt es wieder zusammen, dass er auch mitunter vom Landvolk als Menschenarzt zu Rat gezogen wird. Der Dorfschmied ist aber niemals bloßer Handwerker, sondern immer auch nebenbei ein Stück von einem Bauern. Auch hier finden wir also die dem Alpenland eigentümliche Mischung von verschiedenerlei Beruf in einer und derselben Person. Was dabei der einzelne Beruf an technischer Vollendung entbehrt, ersetzt sich beim ganzen Menschen durch seine größere Vielseitigkeit und Unabhängigkeit. Wäre unser Schmied nicht zugleich Bauer, so müsste er manchmal einen ganzen Tag lang untätig in seiner Werkstatt stehen und warten, bis ihn Rossegetrappel wieder an die Arbeit ruft.

Das wichtigste Handwerk neben dem Schmied ist im bayerischen Alpendorfe der Schuster. Barfüßig erscheint der Bergbewohner selten; auch Holzschuhe werden nur bei der Arbeit auf dem Düngerhaufen getragen. Auf dem Felde, vor allem aber im Walde, trägt man Lederschuhe. Und was für Schuhe! Es gibt wohl in der ganzen Welt nichts Solideres von Schuhmacherarbeit, als den Bergschuh eines Holzknechts oder den Stiefel eines Flößers in den deutschen Alpen. Ganze Lasten von Eisennägeln werden an die Sohlen dieser ledernen Ungeheuer hingeschlagen, die schon durch ihr Eigengewicht beständig dazu beitragen müssen, die Muskulatur des Fusses zu stählen.

Der Verbrauch an Schuhen in den Gebirgsdörfem ist so groß, dass der Dorfschuster meist mit einem, oft mit mehreren Gesellen arbeitet; selten allein. Ein kleines Täfelchen mit einem darauf gemalten Stiefel kündet seine Werkstatt von außen an. Außerdem zeigt sich an den Fenstern, im Vorgärtchen und auf dem Balkon meistens reicher Blumenschmuck. Der Schuhmacher oder die Schuhmacherin sind in der Regel Blumenliebhaber. Das ist keine blosse Zufälligkeit, sondern hängt damit zusammen, dass in einem Bauerndorfe der Dorfhandwerker — und der Schuhmacher ist ja oft der einzige — einen nur kleinen Grundbesitz hat, dieses wenige aber dafür durch Blumenzucht zu verschönern sucht. Noch etwas anderes ist den bayerischen Gebirgsschustern eigentümlich. Tritt man in die Werkstatt ein, so bemerkt man — außer dem angenehmen Ledergeruch, welcher sich sofort in die Nase drängt — fast immer ein musikalisches Instrument an der Wand oder auf einem Fensterbrett. Entweder ist's eine Geige, eine Zither oder Guitarre; auch Trompeten und andere Blasinstrumente weiss der Schuster zu handhaben. Auch dieser musikalische Zug, der sich übrigens bei den Dorfschneidern ebenso findet, lässt sich leicht erklären. Musik braucht und liebt der Bergbewohner; wenn aber Musik gemacht werden soll, so eignen sich dazu jedenfalls die an feinere Hantierung gewöhnten Finger des Handwerkers weit besser, als die durch Holzaxt und Dreschflegel rauh gearbeiteten Fäuste des Holzknechtes und des Bauern. So kömmt's, dass im bayerischen Oberlande Schuster und Schneider fast überall auch zu bäuerlichen Tonkünstlern geworden sind. Sie machen Musik daheim, in der Kirche und in den Wirtshäusern; sie bringen die Orchester für Kirchweih- und Hochzeitsfeste zusammen. Und weil mit dem Musikantentum auch ein gewisser Durst in einem inneren Zusammenhange steht, ist der Dorfschuster mehrstenteils ein lustiger Kamerad, weit umher in den Wirtshäusern bekannt. Liegt doch auch in der Arbeit des Schusters selbst ein launiger Zug; in der raschen Vollendung der einzelnen Arbeitsaufgabe, in dem Wechsel zwischen altem und neuem, in den persönlichen Beziehungen des Arbeitsproduktes und in den Betrachtungen über die Vergänglichkeit alles Irdischen, zu welchen dieses Handwerk ja so sehr anregt, dass zu allen Zeiten der Handwerksgeschichte die Schuhflicker als die Philosophen unter den Handwerkern erscheinen!

Unter allen Handwerken ist im bayerischen Gebirge das Zimmermannshandwerk am weitesten verbreitet; verbreitet nicht etwa in dem Sinne, als ob es die meisten selbständigen Handwerker zählte, sondern vielmehr deshalb, weil es fast in jedem Hause als notwendige Dilettantenarbeit mit größerer oder geringerer Kunstfertigkeit ausgeübt wird. Bei einem Volksstamm, welcher seit undenklichen Zeiten zwischen Wäldern haust, der bis vor einem Menschenalter mindestens drei Viertheile seines Hauses aus Holz baute, musste die Handhabung der Zimmermanns Werkzeuge zur Lebensgewohnheit werden. Zur Herstellung eines Neubaues brauchte der Alpenbauer freilich eines gelernten Maurers und Zimmermanns; aber die beständigen Ausbesserungen am Holzwerk von Haus und Stall fordern, dass jeder, der in einem Waldlande heimisch ist, auch die Axt ordentlich zu gebrauchen verstehe. Und jeder hält dies auch für eine Ehrensache. Wer ein Haus hat, versteht es auch, neue Schindeln auf sein Dach zu legen, wenn die alten etwa das Regenwasser durchlassen; wer einen Zaun hat, hinter dem sein Vieh weidet, weiss diesen Zaun im Notfalle auszubessern. Was mit der Axt und der Säge, dem Schnitzmesser, Hammer und Bohrer getan werden kann: das muss jeder können. Was Andres ist’s, sobald Maßstab und Wasserwage, Schnur und Senkblei in Tätigkeit treten sollen. Auf diese Dinge lässt sich der Bauer nicht ein; da muss der gelernte Zimmermann her. Denn wer viel mit Holz zu schaffen hat, mag nichts Windschiefes, keine stumpfen und spitzen Winkel statt rechter sehen.

Die Zimmermannsarbeiten haben einen geselligen Zug, weil überall, wo mit großen schweren Hölzern handtiert werden soll, mehrere zusammenwirken müssen. Im bayerischen Alpenlande kommen, wenn der Dachstuhl auf ein Haus gesetzt werden soll, alle Nachbarn zusammen und helfen dem Erbauer dabei, sodass in wenigen Stunden der Dachstuhl aufgesetzt ist. Zum Lohne für diese freundnachbarliche Leistung wird hernach eine frische Maß getrunken.

Das berufsmäßige Zimmerhandwerk in den bayerischen Bergen hat eine wesentliche Förderung erhalten durch die Münchener Baugewerkschule, in welcher schon tausende von ländlichen Bauhandwerkern, Maurern sowohl als Zimmerleuten, ausgebildet wurden. Zu beklagen ist dagegen, dass der einst so große Reichtum an Eichen im Alpenvorlande merklich abgenommen hat. Dadurch ist das Zimmerhandwerk in der Hauptsache auf das Fichtenholz als Werkmaterial angewiesen. Auch die Holzarchitektur ist, da in den Bergen der Steinbau zugenommen hat, etwas in Abschwung gekommen. Selten nur wird man noch neue, schön geschnitzte Lauben (Altanen) und Windbretter finden.

Während das berufsmäßige Zimmerhandwerk in jedem größeren Dorfe vertreten ist, konzentriert sich das Maurerhandwerk mehr in den Märkten und Gebirgsstädten. In vielen Dörfern gibt es zwar Maurer, die sich aber im grunde bloß auf Reparatur arbeiten und höchstens auf ganz kleine kunstlose Neubauten, wie etwa kleine Ställe, Backöfen und dergleichen, verstehen.

Der Schneider spielt im Alpendorf eine ganz bescheidene Rolle. Früher war er wichtiger. Ehe die Tuchfabrikation Gegenstand der Großindustrie geworden war, kaufte der Landbewohner das Tuch für ein Kleidungsstück bei dem Tuchmacher des nächsten Städtchens oder auf dem Jahrmarkte und ließ sich hernach das Gewand vom Dorfschneider machen. Das gab dann Röcke und Mäntel, welche ein Menschenleben aushielten. Darin hat sich vieles geändert. Mit der Bauerntracht verschwindet auch der Bauernschneider. Kein einigermaßen gewandter und seines Handwerks kundiger Schneider wird sich heutzutage mehr in einem Gebirgsdorfe mitsamt seinem Talent vergraben. Er weiß zu gut, dass der Dorfbewohner jetzt seinen Bedarf an Kleidungsstücken weit lieber aus dem nächsten Städtchen oder gar aus München bezieht, wo ja die Auswahl viel größer ist, und wo die Ware auch sicher modern ist. Modern? wird man fragen. Will der bayerische Gebirgsmensch jetzt modern sein? Freilich will er's, innerhalb gewisser Grenzen. In den eigentlichen Hochgebirgsthälern, wo Joppe, Lederhosen und Wadenstrümpfe landesübliche Tracht sind, da erhält sich diese Tracht aus praktischen Gründen; aber man braucht doch keinen Dorfschneider mehr, um sie herzustellen, sondern kauft sie in den größeren Orten fertig, in Berchtesgaden und Reichenhall, in Rosenheim und Miesbach und Mittenwald. Und einen gewissen Einfluss nimmt die Mode selbst auf eine landesübliche Volkstracht, auf Schnitt und Stoff der Joppen, auf die Verzierungen an den Strümpfen und dergleichen. Was aber im Alpenvorland wohnt, selbst hart am Fuß der Berge, trägt sich größtenteils ganz städtisch. So ist denn dem Dorfschneider nur ein recht bescheidenes Arbeitsfeld übrig geblieben; in kleinen Orten stirbt er sogar ganz aus, ein Opfer veränderter Zeiten.

Damit ist der kleine Kreis der Bauernhandwerker eigentlich schon abgeschlossen. Die übrigen für des Lebens Notdurft wichtigsten Handwerker, wie Schreiner und Schäffler, Schlosser und Klempner, Bartscherer und Kaminfeger und viele, viele andere sind im Bergdorfe nicht notwendig; es genügt, wenn man sie in einer Entfernung von drei bis vier Stunden weiß. Aber wie ist's mit dem Bäcker und dem Metzger? Nun — einen Bäcker braucht überhaupt bloß der Städter; die bäuerliche Bevölkerung isst hausgebackenes Schwarzbrot. Und was den Metzger betrifft, so ist in den bayerischen Bergen jeder Wirt entweder selbst zugleich Metzger, oder er beschäftigt einen ständigen Metzgergesellen, sodass auch daran kein Mangel ist. Am unentbehrlichsten könnte noch der Bartscherer erscheinen, da doch auch in den tiefsten Bergthälern so mancher ist, der wenigstens am Sonntag mit glattem Gesicht erscheinen mag. Der Bartscherer ist unstreitig der dunkelste Punkt im gewerblichen Leben des bayerischen Gebirgsdorfes. Soweit es der Schreiber dieser Zeilen über sich brachte, in die Toilettengeheimnisse der Aelpler einzudringen, erfuhr er nur, dass in einem Dorfe ein Schuster, in einem anderen ein Zimmermann und in einem dritten ein Maurer das Rasieren als Nebenberuf ausübt, und dass alle drei Künstler diesen Beruf den Folterknechten des Mittelalters abgelernt haben. Übrigens hat sich das Bauemvolk in ganz Altbayern seit zwei Jahrzehnten in großer Anzahl an den Vollbart gewöhnt — eine Neuerung, welche hauptsächlich dem Kriege von 1870 zuzuschreiben ist.

So spiegelt sich eine große Zeit lang noch im kleinen nach.

Eine Gruppe für sich bilden ein paar Gewerbe, welche nicht als gewöhnliches Dorfhandwerk, sondern als eine durch besondere Verhältnisse großgezogene Hausindustrie erscheinen. Es sind das Ausnahmsgewerbe deshalb, weil sie nicht wie das gewöhnliche Dorfhandwerk auf einen Absatz in der, nächsten Umgebung begründet sind. Wir meinen die Schnitzerei von Berchtesgaden, Partenkirchen und Ammergau und die Geigenmacherei von Mittenwald.

Die Holzschnitzerei tritt ursprünglich als winterlicher Nebenerwerb jener Häusler und Kleinbauern auf, welche nicht in der Lage sind, in der Holzarbeit im Walde und am Holztransport einen ausreichenden Winterverdiehst zu finden. Was dieses Schnitzergewerbe liefert, soll entweder von durchreisenden Städtern gekauft oder durch Vermittlung von Händlern auf entfernten Märkten abgesetzt werden. Damit ist diese Industrie hinreichend gekennzeichnet. Während alles Andere, was das Bergvolk schafft, notwendigem Bedarfe dient, ist hier eine Luxusindustrie erwachsen. Wenn dieselbe sich nicht übermäßig ausdehnt, sondern in dem Umfange weiter arbeitet, wie bisher und dabei auch — wozu ihr durch die vorhandenen Schnitzerschulen treffliche Gelegenheit gegeben ist — sich künstlerisch fortentwickelt, mag sie wohl gedeihen. In Berchtesgaden hat sie einen gewissen kleinlichen Zug; man kann in den dortigen Ladengeschäften neben ganz netten Arbeiten doch recht viel Geschmackwidriges sehen, und fast nur Spielerei. Das Partenkirchener Schnitzergewerbe geht mehr auf größere, praktischere Ziele los, fertigt größtenteils Möbel an, arbeitet entweder in der Schnitzerschule oder auf eigene Rechnung, und hat in letzterem Falle Läden in der Marktstraße. Manche dieser Schnitzer waren zu München in der Kunstgewerbschule; in ihren Werkstätten kann man Gipsabgüsse guter Reliefornamente sehen. Die Leute scheinen sich nicht übermäßig zu plagen und dabei doch einen Verdienst zu haben, mit welchem sie zufrieden sind. Besonders lobenswert an dieser Hausindustrie erscheint es, dass Weiber und Kinder daran nicht mitarbeiten müssen, sondern dass der Erwerb des Mannes genügt, um die Familie zu erhalten.

Ähnliche Ziele wie die Partenkirchener Schnitzer verfolgen auch die von Oberammergau. In diesem Orte, der sich freilich durch sein Passionsspiel noch berühmter gemacht hat, als durch seine Industrie, sind gegen hundert Personen als Schnitzer beschäftigt. Die Anregung zu dieser Industrie sollen schon im zwölften Jahrhundert Mönche gegeben haben. Dieser klösterliche Ursprung zeigt sich auch darin, dass die Ammergauer Schnitzer als besondere Spezialität die Herstellung größerer Holzfiguren kirchlicher und weltlicher Art pflegen. Genauer müsste man die Ammergauer als Bildschnitzer bezeichnen, obwohl sie neben Heiligenbildern auch Möbel, Tierstücke, Nippsachen und dergleichen schaffen. Etwa sieben größere im Ort ansässige „Verleger“ besorgen den kaufmännischen Vertrieb und liefern für grösßere Arbeiten den Schnitzern das Holz, während ehedem die Schnitzer selber mit ihrer Ware hausierten.

Den bedeutendsten Ruf unter den Hausindustrien der bayerischen Alpen aber genießt die Mittenwalder Geigenindustrie — ein seit zweihundert Jahren durch die Welt klingender Beweis dafür, wie mächtig und andauernd der Erfindungsgeist und die Anregung eines einzelnen Menschen imstande ist, das Arbeitsleben einer ganzen Landschaft zu beeinflussen. War's doch nur der einzige Matthias Klotz, der als kleiner Bursche bei dem unsterblichen Amati zu Cremona den Bau der Saiteninstrumente erlernt hatte, um hernach seine Heimat Mittenwald in eine große klingende, singende Werkstatt zu verwandeln! Freilich half ihm die Natur seiner heimischen Bergwälder dazu; denn nicht alles Holz birgt so holden Wohlklang, als die Fichtenstämme, die an den sonnenseitigen Gehängen des Karwendelgebirges gewachsen sind.

So schön die Mittenwalder Geigen klingen, haftet doch an dieser Industrie schon mancher jener bedenklicheren Züge, die man bei wirklich industriellen Volksteilen findet und beklagt. Die Geigenmacherei beschäftigt etwa zweihundert Menschen, welche für zwei große Verlagsgeschäfte arbeiten, und zwar bei sehr ausgedehnter Arbeitsteilung, sodass jeder einzelne Geigenmacher sich bloß auf bestimmte Einzelnheiten beschränkt. Die einzelnen Bestandteile werden dann an die Verleger abgeliefert, welche daraus in eigenen Werkstätten die Instrumente zusammenstellen lassen; außer Geigen auch Cellos, Kontrabässe, Guitarren, Zithern und dergleichen. Bei dieser Art zu arbeiten sind die Leute wirtschaftlich recht abhängig; ihr Verdienst ist bescheiden, mitunter sogar ärmlich. Frauen werden auch schon zu einzelnen Arbeiten, insbesondere zum Lackieren der Geigen herangezogen. Und dass dieser Teil unserer Bergbevölkerung nicht mehr die mächtige Lebenskraft hat, wie jene Landschaften, wo bloß Wald- und Bauernwirtschaft getrieben werden, erhellt am besten daraus, dass die kleinen Arbeiterhäuser Mittenwalds nicht selten von dem bleichen Gespenste der Tuberkulose heimgesucht sind. Ehedem beschafften die Geigenmacher sich selber das erforderliche Holz und gingen mit hochbeladenen Kraxen als Hausierer durch Dörfer und Städte, um ihre Geigen abzusetzen. Dabei wurde keiner reich; aber die Leute hatten eine selbständige Lebensweise, voll von Abwechslung. Das hat jetzt aufgehört. Gehetzt von der Stachelpeitsche der Konkurrenz schreitet die Massenproduktion fort, und die Menschen werden mehr und mehr zu freudlosen Produktionsmaschinen.

Doch wohin geraten wir? Es ist ein weiter Weg für die Kulturgeschichte der Menschheit von der Hütte des Waldarbeiters im einsamen Hochgebirg bis zu den Werkstätten der modernen Weltindustrie. In unseren Bergen kann man diesen Weg in wenigen Stunden zurücklegen. Schöner aber, o viel schöner ist der Weg in umgekehrter Richtung, bergeinwärts. Denn da wandern wir der Freiheit entgegen, der Poesie und dem Glück!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arbeitergestalten aus den Bayerischen Alpen
Almputzer, eine zerstörte Brücke wiederherstellend.

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Dorfschuster.

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