Der Holzknecht.

Wandre mit mir den prächtigen Waldsteig entlang, der von Ramsau nach dem Hintersee führt Wild schäumt der Bergbach neben uns. Sein Wasser, sonst krystallhell um weiße und moosgrüne Felsblöcke plätschernd, ist heute trüb, grau und hochgeschwollen; mit donnerähnlichem Rauschen wälzt es Tausende und aber Tausende von braunen Holzblöcken daher. Einzelne dieser Holzblöcke sind dick wie Eimerfässer, andere schmächtiger; rund und braun sind sie alle, soweit ihnen nicht die stürmische Talfahrt schon ihr Rindengewand in Fetzen abgerissen hat. Man möchte jedem dieser Holzblöcke nachschauen, wie er seine Reise vollbringt, wie das wilde Wasser ihn dreht und wirft, ihn ab und zu zwischen ein paar Felszacken klemmt, um ihn nach einigen Minuten wieder loszureißen und weiterzuwirbeln. Namentlich dort wird das Ding interessant, wo der Waldstrom zwischen mehr als mannshohen Felsblöcken sich durchdrängt und über sie herabstürzt, um dann unheimliche wirbelnde Trichter zu bilden, in welche die Hölzer hinabgezogen werden. Man glaubt, sie kämen nimmer zum Vorschein — plötzlich schnellen sie sich wie Fische wieder empor und schießen dahin, talabwärts. Und nun kommen uns auch zwei Männer entgegen, denen die schwere und nicht ganz gefahrlose Arbeit zu teil geworden, die Talfahrt dieser Hölzer zu leiten. Holzknechte heißen diese Leute in den bayerischen Bergen. Hochgewachsene kraftvolle Gestalten sind's mit wetterbraunen trotzigen Gesichtern. Sie tragen einen grünen Spitzhut mit einer Feder darauf, Joppe, kurze Lederbeinkleider, Strümpfe und schwere eisenbeschlagene Schuhe. Als besonders auszeichnend und malerisch an ihrer Tracht aber erscheint ein breiter dunkler Lederkragen. In dieser vollen Tracht, zu welcher auch noch der Rucksack und die Axt über der Schulter gehört, erscheinen sie aber nur, wenn sie zur Arbeit ausziehen. Jetzt, wo wir sie mitten in der Hantierung sehen, ist Joppe, Kragen, Rucksack und Axt zurückgeblieben; dafür ist jeder mit dem Griesbeil, einem langstieligen Hacken, bewehrt, der ihm Bergstock und Werkzeug zugleich ist.

Die Aufgabe dieser Männer und ihrer nach ihnen kommenden Kameraden ist es, den Waldbach herab das getriftete Holz zu begleiten und jeden Block, der sich etwa zwischen Felsen festklemmt oder ans Ufer herausgeworfen ward, wieder in die nasse Bahn zurück zu stoßen. Nicht selten kommt es dabei vor, dass Dutzende von Blöcken durch die schäumenden Wasser auf einen Haufen getürmt werden, der dann mitten im Wildbach liegt, ein bedenkliches Hindernis für die nachkommenden. Da gilt es dann oft genug, bis an die Knie oder wohl auch bis an die Brust im eiskalten Wasser zu stehen und in wilder Hast an dem Trümmerhaufen zu stoßen und zu ziehen, bis er zerfällt und unwillig seinen rauschenden Weg fortsetzt. Bewunderungswürdig ist es, mit welcher Geschicklichkeit die Holzknechte auf die nassen flutüberströmten Steine springen, um von da aus die Hölzer weiterzustoßen, wie sie auf schwankenden Holzinseln Fuß fassen, diese Inseln unter sich zertrümmern und sich dann aus den Trümmern wieder ans Ufer schwingen, um weiter flussabwärts dasselbe mühsame Werk von neuem zu beginnen.


Kaum sind uns die Männer aus den Augen, so begegnet uns wieder und wieder einer. Ein kurzer Gruß ist alles, was sie zu versenden haben; ihre Arbeit scheint sie mit seltsamer Leidenschaft zu erfüllen.

Nach halbstündiger Wanderung kommen wir an einen Platz, wo ein steiler Waldhang unmittelbar nach der Ache zu abfällt. Bis hoch hinauf zeigt er nichts, als eine mächtige Halde von Holzblöcken. Und diese Halde ist in rollender, springender Bewegung. An den Seiten dieser in den Wald geschlagenen Lücke arbeiten die Holzknechte; unten im Bache umrauscht das Wasser einen riesigen Holzberg, beständig einzelne der Blöcke talab reißend, während von droben herab immer neuer Vorrat nachrollt. Der ganze Berg ist mit Rinden und Spänen bedeckt. Ein ganzes Stück Wald ist's, das da mit einem Male herabgewälzt wird. Zwei im Dienste ergraute Männer begleiten von oben her den Holzsturz. Mit ihren Griesbeilen reißen sie jeden der etwa liegen gebliebenen Holzblöcke in die Bahn, bis er kollernd und polternd sich wieder m Bewegung setzt und mit wütenden Sprüngen herunter jagt, um endlich kopfüber entweder in die Ache zu stürzen, dass das Wasser hochauf zischt, oder auf der Holzinsel liegen zu bleiben, eingeklemmt zwischen Hunderten von Kameraden. Und während diese hölzernen Geschosse aus der Höhe herab sausen, arbeiten die kühnen Männer am Ufer des Waldbachs daran, die Holzinsel zu zertrümmern. Stück für Stück reißen sie los und stoßen es in die Wellen hinaus.

Stundenlang kann man ihnen zuschauen, ohne müde zu werden. Endlich wirbeln die letzten Trümmer des Holzberges in der Ache von dannen; hinter ihnen drein wandern die letzten der Holzknechte, um jeden Klotz, der etwa von der vorgeschriebenen Marschroute abspringen wollte, in das Fahrwasser zurück zu treiben. Nach ein paar Stunden wird die ganze ungeheure Holzmasse vor dem Rechen zu Berchtesgaden aufgestapelt sein. So schnell muss die ganze Arbeit geschehen sein; denn die Ache hat ja für gewöhnlich nicht so viel Wasser, um derartige Holzmassen triften zu können; das ist nur möglich, indem man das Wasser höher droben aufgestaut hat und plötzlich schießen lässt.

Das ist ein Stück aus der Arbeit der Holzknechte. Diese Arbeit ist mannigfach genug.

In so ausgedehnten Waldungen, wie sie sich in unseren bayerischen Bergen finden, kann ein ansehnlicher Teil der arbeitsfähigen Männer jahraus jahrein volle Tätigkeit bei der Waldarbeit finden. Da ist auch die Waldarbeit die bevorzugte Tätigkeit. Die fleißigsten und tüchtigsten der Holzknechte sucht die Forstverwaltung möglichst ununterbrochen zu beschäftigen, um sich so einen Stamm der kundigsten, gewandtesten Arbeiter zu erhalten. Der richtige Holzknecht wächst schon von kleinauf in den Beruf hinein, indem er als Bube schon seinem Vater oder seinen Brüdern, die auch Holzknechte sind, Brot, Schmalz und Mehl in den Bergwald hinaufträgt, und dort zuerst mit dem Ausästen und Putzen der gefällten Stämme, später dann mit den schwereren und gefahrvolleren Arbeiten vertraut wird.

Wie die Arbeit des Holzknechts eine mannigfache ist, so auch sein Arbeitsgerät. Das wichtigste Stück davon ist freilich die Axt, wieder verschieden, je nachdem sie zum Fällen der Bäume, zum Asthacken oder zum Spalten dienen soll. Daneben muss der Holzknecht aber auch das Beil, das Faschinenmesser und Putzmesser, die zweimännige Säge, die verschiedenen zum Stockroden dienenden Vorrichtungen handhaben können; und zum Holztransporte bedient er sich wieder anderer Werkzeuge. In dieser Mannigfaltigkeit der Hantierungen und Werkzeuge liegt schon unzweifelhaft ein gewisser Reiz der ganzen Tätigkeit. Ein weit größerer Reiz liegt freilich in der Pracht und Größe des Bergwalds, der die Arbeitsstätte und die eigentliche Heimat des Holzknechtes ist. Dabei ist die Arbeit meistens eine kameradschaftliche; Mühsal und Gefahr, Mahlzeit und Rast werden mit treuen Genossen geteilt.

Die Arbeit des Holzknechts beginnt mit dem Niederschlagen der Stämme. Hochstämmige Fichten sind es, die den größten Teil des schlagbaren Holzes in den bayerischen Bergwäldern ausmachen. An einem abzuholzenden Schlage ist immer eine größere oder kleinere, Rotte von Arbeitern beteiligt, der vom Forstamt aus ihre Arbeitsstätte für die nächste Zeit zugewiesen ist. Frühmorgens beginnen die Männer ihre Arbeit. Dann hallt mit hellem Klange der Schlag der Äxte durch den schweigenden Wald. Gleichmäßig geht es fort. Schlag auf Schlag, bis auf einmal ein Knirschen und Krachen fernhin verkündet, dass wieder einer von jenen Baumriesen gefallen ist, die so lange ihre Wurzeln in das braune Erdreich und um die weisgrauen Kalkfelsen schlangen. Es ist ein kühnes und starkes Stück Arbeit, einen solchen Baumriesen niederzuwerfen; denn er darf nicht dorthin fallen, wohin er zu fallen Lust hat; sondern er muss dorthin geworfen werden, wo man ihn haben will, wo er am wenigsten anderes Holz schädigt, wo er selber beim Sturze am wenigsten Schaden leidet, und wo er für die Zwecke des Abbringens am bequemsten liegt.

Wenn die Bäume auf dem Boden liegen, aus welchem sie einst stolz und grün himmelan strebten, dann beginnt jener Teil der Arbeit, der die Stämme nach den wirtschaftlichen Zwecken, welchen sie dienen sollen, behandelt. Sie werden abgeästet und dann nach der Entscheidung der Forstbehörde entweder zu langem Bauholze, zu Sägeklötzen und sonstigen Werkhölzern oder zu Brandholz verarbeitet. Das ist eine minder lustige Arbeit, namentlich wenn es an die Zerkleinerung der Wurzelstöcke geht. Hernach gilt es noch, die gewonnenen Hölzer, die ja nunmehr im Holzschlag durcheinander liegen, zusammenzubringen, sie innerhalb der entwaldeten Fläche, am Rande derselben oder an einem nahegelegenen Orte, dem Ganterplatz, aufzustapeln. Das besorgen auch wieder die Holzknechte mit sehr einfachen Mitteln und Werkzeugen. Je nach ihrer Größe, Form und Lage , nach der Gestaltung des Bodens und der Länge des Weges werden die Hölzer an ihren bestimmten Platz entweder getragen, gefahren, auf dem Boden geschleift, geschlittelt, gewälzt und gefällert; oder man lässt sie abschießen; über steile Felswände werden sie abgestürzt oder abgeseilt. Obschon die Art und Weise dieses Zusammenbringens von Forstbeamten vorgeschrieben wird, bleibt doch noch Spielraum genug für die Erfindung der Holzknechte in der Ausführung dieser Aufgabe. In den Bergen, wo ja der Wald fast immer auf einer mehr oder weniger steil abfallenden Fläche steht und das Holz nach einem tiefer gelegenen. Ganterplatze zusammengebracht werden muss, dient ihm sein eigenes Gewicht vielfach als bewegende Kraft, die allerdings durch die arbeitende Hand des Menschen gelenkt werden muss. Die schwierigste und gefahrvollste, aber auch interessanteste Arbeit ergibt sich beim Zusammenbringen von Langhölzern und schweren Sägbäumen. Da mag auch der einfache Holzknecht einen wirklichen technichen Scharfblick entwickeln. Mit einem Ruck seiner Axt lupft er das talwärtsgekehrte Stockende eines Stammes, der auf stark geneigter Fläche liegt — und der Stamm schießt hinunter in die Tiefe, bis er auf irgend ein Hindernis trifft. Manchmal treffen mehrere Stämme in einem flachen Graben zusammen; rasch benützen die Holzknechte das, um aus etlichen Stämmen eine Art Gleitbahn zu bilden, über die man die höher gelegenen Stämme abschießen lässt. „Loiten“ heißt man solche Gleitbahnen; dieselben verlängern sich von selbst nach unten, indem die abschiessßenden Stämme nur bis ans untere Ende der Loite rutschen und dort wieder für ihre Nachfolger neue Gleitbahn bilden. Ist der Boden aber gefroren und ein wenig mit Schnee bedeckt, so braucht es gar keiner solcher Loiten; dann schießen die Hölzer ohnedies bereitwillig abwärts. Brandholz wird häufig „gefällert“, indem man die einzelnen Trümmer mittels der Krempe in Bewegung setzt und es dann ihrer Laune überlässt, in wilderen oder zahmeren Sprüngen, oft in den tollsten Purzelbäumen, den Abhang hinabzusetzen. Am prächtigsten und großartigsten aber ist der „Holzsturz“, wobei die mächtigsten Sägbäume über hohe Felswände herab geworfen werden. Unvergesslich bleibt dieses Schauspiel jedem, der einst am Königsee mit angesehen hat, wie über die Schrofen die Stämme herabsausen, um in einem Sprunge von mehr als tausend Fuß in den See zu stürzen und dann vom Gegendrucke der hochaufklatschenden Flut wieder bis über den Seespiegel heraus geworfen zu werden.

Den letzten Teil der Holzknechtsarbeit bildet der Holztransport bis dahin, wo die ordentlichen Verkehrsmittel, Straßenfuhrwerk und Eisenbahn, das Holz übernehmen.

In neuerer Zeit hat mit der Verbesserung der Waldwege der Schlittentransport durch Pferde immer mehr das Übergewicht über die anderen Transportarten gewonnen. Aber trotzdem findet man auch in unseren Wäldern noch oft genug die Holzbeförderung auf Riesen, durch Trift und Flösserei.

Holzriesen sieht der städtische Bergwanderer nicht leicht in Tätigkeit, weil die Arbeit an ihnen fast nur im Winter und Frühjahr geschieht. Diese Riesen sind stets geneigte Rinnen, entweder aus Holz, oder in die Erde begraben. Die im Herbst und Winter aufgehäuften Holzmassen lässt man durch die Riesen entweder trocken oder nass, oder bei Schnee und Eis abschießen. Haben die Holzknechte eine größere Quantität Holz abgeschossen, um zum Holzschlage zurückzukehren und eine neue Ladung zu holen, so steigt einer von ihnen, die Füsse mit Steigeisen bewehrt, in der Riese abwärts, um dieselbe wieder von den etwa liegen gebliebenen Rinden und Holzspänen zu säubern. Sind seine Kameraden inzwischen mit neuer Last zurück, so wird er, da er von oben nicht immer gesehen werden kann, durch den Zuruf „Fluig ab“ aufgefordert, die Bahn zu verlassen. Er verlässt die Riese, antwortet mit weitschallender Stimme „Reit ab“, — und nun sausen die Hölzer wieder herunter.

Ausgeworfen werden die Hölzer entweder in ein Triftwasser, oder an einen Stapelplatz neben einem Waldwege. In letzterem Fall sind am Auswurfsplatz einige Holzknechte damit beschäftigt, die ausgeworfenen Hölzer schnell bei Seite zu schaffen. Das ist eines der gefahrvollsten Geschäfte dieser Männer. Mit ihren Hacken bewehrt, müssen sie die Langhölzer und Sägbäume, die als todbringende Geschosse in der Riese herabsausen, sofort erfassen und zur Seite rollen, ehe die folgenden ankommen.

Noch eigenartiger als bei den Holzriesen ist die Arbeit bei der Holztrift. Hier gibt's einen Kampf mit dem Wasser, mit dem Gestein und mit dem Holze zugleich. Die wilden Bergbäche unserer Alpen werden fast überall als Triftwege benützt. Auf stundenlange Strecken sieht man es ihnen oft nicht an, dass sie irgend einem wirtschaftlichen Zwecke dienen können und müssen. Dann aber, wenn man auf dem schmalen, oft kaum bemerkbaren Triftsteig entlang wandert, der sich am Wildbache hinzieht, gelangt man plötzlich an eine Klause. So heißt man die Bauten, welche, aufgeführt sind, um die Triftbäche künstlich aufstauen und hernach durch Öffnen der Klause auf einmal größere Wassermengen benützen zu können, als der Triftbach für gewöhnlich enthält. Mitten in den einsamsten Hochthälemrn findet man mitunter diese Klausen, in schweigender Waldeinsamkeit die einzigen Spuren menschlichen Wirkens.

Die Arbeit der Holzknechte beim Triften beginnt damit, dass die Hölzer — es sind entweder Sägbäume oder Brandholz — , welche vorher auf Waldwegen oder in Riesen herabgebracht wurden, in den Triftbach eingeworfen werden, nachdem man die Klause durch ein oder mehrere hölzerne Thore geschlossen hat. Die Aufschichtung muss locker sein, damit das talwärts schießende Wasser die Holzmassen leicht erfassen und loslösen kann. Je nach der Beschaffenheit des Flussbettes wird das Holz auch erst nach dem Öffnen der Klause eingeworfen. Sobald die Klausenthore geöffnet werden, schießt das aufgestaute Wasser zornig und schäumend herab und reißt die Holzmassen, die es in seinem Bette vorfindet oder die ihm eingeworfen werden, mit sich fort. Da gibt es nun mancherlei schwere aufregende und gefahrvolle Arbeit. Wo größere Massen von Sägbäumen aufgestapelt liegen, um beim Beginn der Trift in den Triftbach geworfen zu werden, wurden sie vorher so aufgespeichert, dass sie durch einen oder ein paar Männer leicht losgelöst werden können. Ein paar Axtschläge — und die Bäume, welche den ganzen Haufen festhalten, lösen sich aus ihrer Stellung, der riesige Holzhaufen aber gerät in schwankende Bewegung und kollert mit furchtbarem Gepolter in den Wildbach hinab, während der kecke Gesell, der den hölzernen Riegel gelöst hat, schauen darf, dass er sich mit einem Seitensprung rettet. Eine Viertelsekunde zu spät — und er würde erdrückt und zermalmt zwischen den Stämmen im Triftbache hinabgerissen. Aber auch noch andere Gefahren dräuen den kühnen Waldmenschen. Mitunter verengt sich die Schlucht, durch welche der Triftbach braust, zur finsteren Klamme, die zu beiden Seiten von türmhohen, senkrechten, oft über hängenden Wänden eingeschlossen ist. Drunten in der Tiefe gurgeln die Wasser; gespenstige Lichter nur fallen von oben in den Schlund. Wenn da drunten das Triftholz sich aufstaut, muss einer der Holzknechte an einem Seile hängend hinabgelassen werden; er muss auf dem finsteren flutumrauschten Holzberge selbst Fuss fassen und mit dem Griesbeil die schweren Hölzer auseinanderreissen, bis sie wieder schwimmend werden; in dem Augenblicke aber, in welchem die Holzmasse unter seinen Füssen in Bewegung gerät, muss er auch wieder emporgezogen werden, sonst ist er verloren. Wo dagegen in größeren Alpenströmen getriftet wird , sammeln sich mitunter Haufen von Sägbäumen an Sandbänken an; auch da erfordert es ein furchtloses Herz, auf den nassen, unsicheren Stämmen Stand zu fassen, um sie mit dem Griesbeile wieder ins fließende Wasser zurück zu stoßen oder zu zerren.

So ist die Arbeit des Holzknechtes reich an Mühsal und Gefahr. Aber Mühsal und Gefahr prallen ab an den stählernen Herzen dieser Menschen und an ihrer eisernen Gesundheit.

Wenn sich jemand die Mühe nehmen wollte, die kleinen Gedenktafeln, die „Marterln“, zu zählen, welche zur Erinnerung an Holzknechte dienen, die bei ihrem Berufe verunglückten: er könnte eine lange, lange Liste aufbringen. Und mancher arme Teufel hat gar kein Marterl erhalten; seine Kameraden gruben den Zerschmetterten unter dem mörderischen Holzberge hervor, oder sie fischten ihn mit den Griesbeilen aus der tobenden Ache; hernach begruben sie ihn schweigsam in dem kleinen Friedhofe, auf dessen Gräber die steinernen Gestalten der Berge herunter schauen.

Und dann gehen sie wieder an ihre Arbeit, kühn und unverdrossen wie zuvor. Nur das Jauchzen, mit welchen sie hoch droben im sonnigen Bergwalde sich zurufen: das klingt ein paar Tage lang nicht so hell und bergfrisch wie sonst.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arbeitergestalten aus den Bayerischen Alpen
Einödbauer — Holzfäller.

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Holzknechte am Triftbach.

Holzknechte am Triftbach.

Der Holzknecht.

Der Holzknecht.

Holzstauung in der Klamm.

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