Arbeit, Brot und Friede
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Auch nachdem 1754 die Königliche Kunstakademie in Kopenhagen gegründet war, änderte sich das zunächst nicht wesentlich. Die fremden Maler dominierten auch dort. Die wenigen Dänen, die zwischen ihnen arbeiteten, kamen zu keiner Selbständigkeit.
Zu irgendeiner Unabhängigkeit gelangte zuerst Nicolai Abraham Abilgaard [1743 bis 1809] dem, namentlich nachdem er in Italien unter dem Einflüsse der Werke Michelangelos gestanden hatte, ein — wenn auch kaltes und unbefriedigendes — Streben nach Größe nicht abgesprochen werden kann. Sehr im Gegensatze zu der Malweise, die im übrigen Mode war. Aber irgendeinen eigentlich dänischen Einschlag haben auch seine Bilder gewiss noch nicht.
So wird man die wirkliche Geschichte der dänischen Malerei nicht mit ihm, sondern mit seinem Zeitgenossen Jens Juel [1745 bis 1802] beginnen lassen müssen. Bei Juel zuerst beginnen uns die Ehrlichkeit, Schlichtheit und stillheitere Natürlichkeit entgegenzutreten, die im letzten Grunde bis auf den heutigen Tag die Charakteristika der dänischen Malerei geblieben sind. Juel, der manches Jugendjahr mit flüchtigen Brotarbeiten vergeudet hatte, kehrte von einer achtjährigen Reise, die ihn nicht nur nach Italien und Paris, sondern auch nach Genf, der Stadt Rousseaus, geführt hatte, 1780 als ein anderer in seine Heimat zurück. Er zuerst hat dann in Dänemark die Menschen gemalt, wie sie sind, er zuerst hat die Stimmung der heimatlichen Landschaft gesucht.
Von seinen Zeitgenossen verließ Carstens [1754 bis 1798] Dänemark früh, ohne der dänischen Kunst irgend verbunden zu sein. Die anderen, die ungefähr gleichzeitig mit Juel, und auch ungefähr in demselben Sinne arbeiteten (Pauelsen, Kratzenstein-Stub, Fritzsch) erreichten ihn nicht.
In gewissem Sinne sein Erbe — nicht sein Schüler — war Christoffer Wilhelm Eckersberg [1783 bis 1853], der auf einer 1810 beginnenden, 1816 endigenden Reise (Italien, Paris) sich selbst und seine Selbständigkeit gefunden hatte. „ . . . weite Flächen hat
„Eckersberg nie zu meistern gelernt. Wo er ins Große geht, gelingt es ihm nicht, den
„Eindruck des Gezwungenen zu vermeiden. Vollkommenes aber gibt er in kleinem
„Rahmen. Hier gelangt er zu einer Intensität des Stils, vor der man sich an Feuerbach
„erinnert fühlen darf. Die gleiche innerliche Größe hat das römische Porträt Thorvaldsens.
„Es ist ein Werk junger Reife, unverrückbar bis in die letzte Linie, klar und aufgeschlossen,
„vom höchsten Adel. In seinen Marinen war Eckersberg ganz ohne Vorgänger. Er hat
„das dänische Seebild erst geschaffen, ohne an das holländische anzuknüpfen. Der Sund
„ist keine Nordsee und Eckersberg hat den Sund gemalt . . . Das Wichtigste ist aber
„überhaupt nicht das Wasser, sondern das Schiff; Eckersbergs Seestücke sind beinahe
„mehr Schiffsporträts als Marinen. Er hat die innere Lebendigkeit und die etwas schwere,
„großartige und selbstbewusste Eleganz des großen Seglers so vollkommen gemalt wie
„die stumpfere Physiognomie der Schaluppe und das leichte Temperament der Jacht.“
(Max Sauerlandt.)
LUNDBYE
Eckersberg allein hat, die Dinge ganz mit eigenen Augen — und mit fabelhaft scharfen Augen — sehend, mit seiner kristallklaren Wahrheitsliebe durchaus den Grund gelegt zu der köstlichen und reichen Blüte der dänischen Malerei die ihm folgte. Der einzige neben ihm zu nennende Zeitgenosse — der geistreiche Porträtist C. A. Jensen — hat auf die Entwicklung wohl keinen Einfluss gehabt. Sondern aus Eckersbergs Schule allein — die ihren Schülern das Alltägliche nahebrachte, sie das Einzelne lieben und auf jedes Pathos verzichten lehrte — sind alle die Maler der nächsten Zeit hervorgegangen: Købke, Bendz, Rørbye, Roed, die — hauptsächlich Porträts oder stille Genrebilder malend — etwas von „der hellen Unschuld des jungen Tages“ haben. Eckersbergs Schüler sind auch Marstrand und Hansen. Hansen, bei dem der in Italien gewonnene Eindruck klassischer Kunst den Einfluss Eckersbergs zu übertreffen scheint, ohne ihn — namentlich in seinen späteren Porträts — aufzuheben. Marstrand, der neben mächtigen Porträts vor allem tüchtige — meist heitere und stark erzählende — Genrebilder malte, daneben die Herzen mit genialen Zeichnungen zu Holberg'schen Komödien gewinnend.
Eckersbergs unmittelbarer Einfluss mag gegen Mitte der vierziger Jahre aufgehört haben. Zu gleicher Zeit, als sich zwei Richtungen unter den dänischen Malern von einander trennten: Die Einen, mehr oder weniger von dem für eine großskandinavische Nationalkunst begeisterten Kunsthistoriker Hoyen beeinflusst und wenigstens mittelbar der Eckcrsberg'schen Tradition treu bleibend — die Anderen im Gegenteil bemüht, der dänischen Kunst allgemeinen, europäischen Charakter zu geben. Zu diesen letzteren wird man Melbye, Brendstrup, Frølich, Bloch, Olrik zählen müssen, aber so ist es mit diesen „Europäern“ bestellt, dass sie im Grunde viel zu sehr Dänen sind, um es nicht auch — ihrem eigenen Bestreben zum Trotz — wenigstens in manchem ihrer Bilder zu bleiben. Und das Übergewicht — nicht nur der Zahl nach — hatte durchaus die andere, bewusst nationale Gruppe: Sonne, Dalsgaard, Exner, Vermehren, A. Dorpf, Lundbye, Skovgaard, Kyhn u. a m. Diese sind es, die der dänischen Kunst die Tiefe des eigentlichen Volkslebens und die große, weite und freie Landschaft eroberten.
Früh — schon vor 1870 — drangen auch zu der damals jungen Generation Dänemarks in direkter oder indirekter Berührung mit der französischen Kunst der Zeit, die spezifischen Probleme der modernen Malerei: Bache als zeitlich erster, bald nach ihm Tuxen, Krøyer, Niß, Michael und Anna Ancher, Johansen und der an Einfluss auf die Entwicklung besonders reiche — , in seinen Bildern eine tiefe Glut vornehm zurückhaltende Zahrtmann übermittelten ihrem Lande das neue malerische Können. Den allgemeinen malerischen Problemen der Zeit jeder auf seinem Wege nachgehend.
Sie sind — im engeren oder weiteren Sinne des Wortes — die Lehrer der jüngeren und jüngsten Maler des modernen Dänemarks, denen man, so verschieden und individuell ihre Wege unter einander sind und so wenig man von irgendeiner Einerleiheit reden darf, doch im letzten Grunde immer noch eine nationale Einheitlichkeit und die Treue gegen die nationale Tradition abfühlen wird.
Gegen jene Tradition, die dem diskreten Charakter des dänischen Volkes und der stillen dänischen Landschaft aufs engste entsprechend, sich zu jeder Zeit — von Jens Juel und Eckersberg bis heute — vom Blendenwollen freigehalten und das Heimatliche, Schlichte und Stille mit warmer Liebe umfasst hat. Jener Tradition, die in unserer Zeit in den neuem Interieur-Malern noch einen ganz eigenen, besonders stillen, fast zarten Ausdruck gefunden hat. K. R. L
Dänische Maler 005 Jens Juel, Ein Sommerausflug
Dänische Maler 009 Erik Pauelsen, Dänische Landschaft
Dänische Maler 011 Eckersberg, Dreimaster auf der Fahrt
Dänische Maler 012 Eckersberg, Hafenaussicht
Dänische Maler 015 Jens Juel, Aussicht über den kleinen Belt
Dänische Maler 019 Eckersberg, Brigg mit Lotsenkutter
Dänische Maler 020 Christen Schjellerup Kobke, Aussicht von Dosseringen
Dänische Maler 021 Christen Schjellerup Kobke, Aussicht von Kastelsvolden
Dänische Maler 023 Christen Schjellerup Kobke, Am Sortedamssee
Dänische Maler 035 Hansen, Des Künstlers Schwester Ida
Dänische Maler 037 W. N. Marstrand, Des Künstlers Gattin und Kinder
Dänische Maler 039 Hansen, Selbstporträt 1868
Dänische Maler 042 M. C. Wesseltoft Rorbye, Blick aus dem Fenster des Künstlers
Dänische Maler 043 Thorald Brendstrup, Im Ordrup Moor
Dänische Maler 046 Claudius D. Fritzsch, Der Blumenkorb
Dänische Maler 048 Ole Hendrik Benedikt Olrik, Des Künstlers Gattin und Tochter
Dänische Maler 050 Carl Heinrich Bloch, Schauspieler K. Mantzius
Dänische Maler 053 Daniel H. A. Melbye, Marine
Dänische Maler 054 Daniel H. A. Melbye, Der Orkan