Ein Kostümfest bei Hofe

IM Kalifenschloss zu Samarra ging es hoch her. Es war Nauros, d. h. Neujahrsfest, das mit einem glänzenden Kostümfest begangen wurde. Tausende von Personen, Hofleute und geladene Gäste wogten durch die glänzend erleuchteten, von goldenem Mosaik strahlenden Festsäle des Palastes, mitten unter ihnen Seine Majestät Kalif Mutawakkil, der in einem goldgestickten Mantel von schwerem Brokat mit langer Schleppe einherschritt. Das Gedränge war so groß, dass die Gäste bis in die nächste Nähe seiner geheiligten Person gerieten, und da Majestät ab und zu Goldmünzen über die Menge auswarfen, so kam es vor, dass die danach haschenden seinen Mantel berührten, an dem Mantel zerrten und ihm gar auf die Schleppe traten.

Als der große Hausmaier Isaak Ibn Ibrahim der Tahiride, der Hüter der Würde des Kalifenhauses, der soeben aus Bagdad zur Teilnahme an dem Feste herbeigeeilt war, diesen Zustand gewahrte, ergrimmte er und sprach zu seiner Umgebung:


„Pfui über die Gesellschaft, über diese Drängelei! Bei solchem Unfug ist der Schutz, den wir für die Person des Kalifen angeordnet haben, gänzlich ungenügend.“ Da er im Augenblick nichts ändern konnte, verließ er zornig die Suite des Kalifen, ging fort und wandte sich dem Ausgang zu.

Als Majestät den Isaak in der Suite vermissten, sprachen sie:

„Zum Kuckuck, wo ist denn Abulhusain d. i. Isaak? Er war doch eben da. Lauft schnell und bringt ihn wieder her.“ Isaak hatte mittlerweile das Schloss schon verlassen, nun aber rannten die Kammerherren und Lakaien hinter ihm her und baten ihn flehentlich umzukehren. Als Isaak dann wieder das Schloss betrat, begegnete er den beiden Kommandanten der Schlossgarde, Wasif und Surara und machte ihnen die gröbsten Vorwürfe wegen ihrer mangelhaften Fürsorge für die persönliche Sicherheit des Kalifen.

Isaak erschien wieder in der Suite. Sofort wendete sich der Kalif zu ihm um und sprach:

„Was hat dich denn vorhin so erbost, dass du fortgerannt bist ?“

Isaak: „O Fürst der Gläubigen, glaubst du vielleicht, dass deine Dynastie nicht ebensoviel Feinde hat wie Freunde? Du hältst hier ein Fest in einem Gedränge, wo verräterische Buben sich an dich herandrängen und sogar an deiner Schleppe zerren können. Alle sind verkleidet und vermummt, so dass man sie schwer erkennt. Wie sind wir davor sicher, dass nicht irgendein frommer Fanatiker Allah damit einen Dienst zu erweisen wähnt, dass er sich an dich herandrängt und ein Attentat auf deine geheiligte Person begeht? So etwas wäre auch dann noch nicht ausgeschlossen, wenn du dein ganzes Reich von deinen Feinden säubertest.“

Darauf sprachen Seine Majestät: „O Abu Husain, zürne mir nicht. Du hast recht. Du sollst mich nie wieder in einer solchen Lage sehen.“ Nun ließ er in dem großen Hauptsaal auf einer erhöhten Estrade einen vornehmen Thronsitz erbauen, und von hier aus schaute er, in der Folgezeit umgeben von Pagen und Garden, allen Versammlungen und Festlichkeiten des Hofes zu.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arabische Erzählungen aus der Zeit der Kalifen