Die Dichter von Kufa wollten wallfahrten gehen

IN der Stadt Kufa, der Vorgängerin von Bagdad, in Westbabylonien gegen Arabien hin gab es von alters her viele christliche Klöster. Wo das Christentum hinkam, nahm es den Weinstock mit und bereitete Wein für die Messe, aber bald nicht bloß dafür, sondern auch für den Ausschank, und so wurden Klöster entweiht zu Weinschenken, welche die Lebemänner unter Christen und Mohammedanern viel besuchten. In Kufa herrschte großer Durst. Wein und Würfelspiel gehörten zum guten Ton bei hoch und bei niedrig, und in allen Künsten dieses lüsternen Lebens gingen die Poeten Kufas voran. Einer der bedeutendsten unter ihnen, namens Sarwani, war fast nur in den Kneipen zu finden, wo er seine reinlichen und unreinlichen Verse schmiedete, beständig betrunken oder anderen Lastern ergeben, und sein Ende war, dass er eines Morgens in einer Weinschenke aufgefunden wurde tot zwischen zwei Weinschläuchen.

In Kufa war eines Tages große festliche Aufregung. Die jährliche Pilgerkarawane, welche die heiligen Städte im fernen Westen, Mekka und Medina, besuchen wollte, zog zum Tore hinaus, angeführt von großen Heiligen, welche, auf hohen Kamelen thronend, Allahs Segen für die Reise erflehten. Die Pilger sangen fromme Weisen, die Schutzmannschaft zog unter Trommelschall voran und die Segenswünsche der zurückbleibenden Bevölkerung gaben den auf die beschwerliche und gefährliche Reise Hinausziehenden das Geleit.


Unter den Pilgern befanden sich mehrere stadtbekannte Poeten, Mutih Ibn Ijas, Jachja Ibn Sijad und andere mehr. Als sie nun eine zweitägige Reise hinter sich hatten und bei dem weinberühmten Kloster Zurara angekommen waren, da sprach Mutih zu Jachja:

„Was meinst du ? Wollen wir nicht unsere Leute mit unserem Gepäck vorausziehen lassen, während wir im Kloster einkehren, einen Schoppen trinken, uns von hübschen Mädchen und Knaben bedienen lassen und uns von den Anstrengungen der Reise erholen?“ Jachja war einverstanden, und ebenfalls die anderen Poeten. So tranken sie denn einen Tag, und dann noch einen Tag und noch einen Tag, und schließlich so viele Tage, bis Monate daraus wurden und bis die fromme Pilgerkarawane von den heiligen Städten zurückkam. Nun suchten die Zecher sich zu ernüchtern, ließen sich das verwilderte Bart- und Kopfhaar scheren, legten ehrsame Pilgerkleider an, bestiegen ihre Kamele und zogen alsdann mit der großen Pilgerkarawane wieder feierlich in Kufa ein.

Der übelste dieser Dichterbande war der genannte Mutih Ibn Ijas. Ihm war nichts heilig, nichts vor seinen Lüsten sicher, sogar das fromme Gebet machte er zum Gegenstand der schmutzigsten Verhöhnung. Es berichtet aber keine Chronik, dass der Kadi von Kufa gegen ihn eingeschritten sei, vielleicht also schlief er oder war auch betrunken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Arabische Erzählungen aus der Zeit der Kalifen