Arabische Erzählungen aus der Zeit der Kalifen

Dichtungen des Ostens, aus dem Urtext übersetzte und bearbeitete Erzählungen
Autor: Sachau, Carl Eduard (1845-1930) deutscher Orientalist und Übersetzer, Erscheinungsjahr: 1920
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Orient, Kalifen, Arabien, Hofgeschichten
... Die arabischen Chroniken wissen viel von Bagdad und seinem Kalifat zu erzählen, von Thronwechsel und Fürstenmord, von Krieg und Frieden und Revolutionen, lassen uns aber nur selten einen Blick in das Innere der Paläste und Häuser werfen. Wie es im Familienkreise der Kalifen, im Verkehr zwischen den einzelnen Zweigen des regierenden Hauses zugegangen, wie sie mit Frauen und Kindern gelebt, wie sie mit ihren Vertrauten, ihren mächtigsten Helfern verkehrt, womit sie sich beschäftigt und unterhalten haben, auf solche Dinge pflegen die Chroniken nicht einzugehen. Um so willkommener ist daher das Skizzenbüchlein des ägyptischen Erzählers Schabuschti, in dem er uns allerlei Einblicke in eine unbekannte Welt gewährt, Schlaglichter über die Intimitäten des großen Bagdad. Dass aber seine Schilderung von dem Leben der Bagdader Großen in Saus und Braus mit Weib, Wein und Gesang in schrankenloser Freiheit, um nicht zu sagen Frechheit, eine einseitige ist, darf nicht verhehlt werden. Daneben ging der offizielle Islam einher, der z. B. den Genuss von Wein und anderen berauschenden Getränken verbot. Während der ersten Jahrzehnte der Abbasidenherrschaft herrschte ein etwas freierer Geist in der theologischen Spekulation, der aber dann einer finsteren Reaktion Platz machte, die eine Richtung so intolerant wie die andere, so dass es an Ketzergerichten und Ketzerverurteilungen nicht gefehlt hat. Und Kalifen, die nach Schabuschti mit Sängerinnen tändelten, unterschrieben Bluturteile gegen Personen, deren Ansichten der herrschenden Hof- und Staatstheologie nicht genehm waren. Also auf der einen Seite Bigotterie, das Herauskehren von Dogma und Gesetz gegenüber den Millionen, und auf der anderen Seite im Innern der Paläste der Regierenden ein freches Sichhinwegsetzen über Gesetz und Sitte!

Das Geschichtenbuch Schabuschtis ist nur in einer einzigen Handschrift der Staatsbibliothek zu Berlin erhalten. Außer den von mir herangezogenen Geschichtchen findet sich noch einiges andere darin, das aber mit dem Geschmack unserer Zeit nicht vereinbar ist. Die drei Frauengeschichten dieser Sammlung gehen nicht auf Schabuschti zurück, sie werden als Skizzen weiblicher Charaktere aus der Urzeit des Islams dem Leser hoffentlich willkommen sein.

Berlin, 22. Februar 1920

Eduard Sachau
Wie es einem bezechten Prinzen ergehen konnte

PRINZ Abu Ali, ein Urenkel von Harun Alraschid, pflegte viel in einem der christlichen Klöster Bagdads, genannt Dair Mudjan, zu verkehren und in Gesellschaft lustiger Kumpane Trinkgelage zu veranstalten. Denn von allen Klöstern Bagdads kelterte und verzapfte gerade dies die besten Weine. Der Prinz hielt sich dort tagelang auf, prassend und schlemmend bei Gesang und Tanz, so dass schließlich die Nachbarsleute des Quartiers sich bei der Polizei über sein wüstes Treiben beschwerten. So kam denn die Kunde davon dem hochgestrengen Stadtpräfekten, Isaak Ibn Ibrahim aus dem allmächtigen Hausmaiergeschlecht der Tahiriden zu Ohren. Der schickte sofort einen Boten zu dem Prinzen, stellte ihm vor, wie unpassend sein Benehmen sei, und mahnte ihn, da von abzulassen. Der Prinz aber in seinem Von-Gottes-Gnaden-Hochmut brauste auf und rief ganz laut:

„Was hat der Präfekt mir zu befehlen? Sollte man es glauben, dass der mir verbieten will, meinen Sängerinnen zu lauschen und zu zechen, wo und wie es mich freut?“

Als dem Präfekten diese Rede hinterbracht wurde, geriet er in hellen Zorn, hielt aber über Tag an sich, bis es dunkel geworden war. Dann bestieg er sein Ross und ritt, begleitet von seinen Beamten, nach jenem Kloster, ließ es von allen Seiten umstellen, befahl dann das Klostertor zu öffnen und den Prinzen aus dem Obergeschoss, so wie er war, herunterzuholen. Das geschah. Der Prinz erschien, gänzlich betrunken, maskiert in läppischen buntfarbigen Gewändern neuester Mode und triefend von kostbaren Salben. Nun donnerte der Präfekt los:

„Schimpf und Schande über dich! Ein Mann vom Hause Seiner Majestät des Kalifen in solchem Zustande!“

Auf des Gestrengen Befehl wurde vor dem Klostertor eine Decke auf der Erde ausgebreitet, der betrunkene Prinz darauf gelegt mit dem Gesicht nach unten, und dann versetzte ihm der Herr Präfekt eigenhändig zwanzig Hiebe mit seiner Peitsche, indem er sprach:

„Seine Majestät der Kalif hat mich nicht mit seiner Vertretung beauftragt, damit ich Anstand und Sitte verfallen lasse, auch nicht dazu, dass ich dir und deines gleichen gestatte, den Glanz seines hohen Hauses zu beschmutzen und euch Dinge herauszunehmen, wie du getan hast, solchen öffentlichen Mummenschanz, solche Verletzung von Anstand und Sitte, solches Hinausziehen nach den Klöstern und anderen Weinkneipen. Deine Züchtigung ist die Wahrung der Ehre des Kalifenhauses und zugleich eine Warnung und ein Verbot für dich und deinesgleichen vor solchem schandbaren Treiben.“ Dann ließ der Präfekt geräumige, von Maultieren getragene Sänften heranbringen, die er für den Zweck mitgebracht hatte, ließ den trotz der erhaltenen Prügel noch immer betrunkenen Prinzen samt Gefolge aufladen und nach seinem Palaste schaffen.

Als seine Majestät der Kalif Mutassim von diesem Vorgang Kenntnis erhielt, bezeigte er dem Stadtpräfekten durch ein besonderes Schreiben seinen vollkommensten Beifall und befahl ihm, keinem einzigen Mitgliede seines kaiserlichen Hauses ein derartiges Benehmen zu gestatten.

So geschehen. Und ganz gut! Aber der Stadtpräfekt hatte dennoch unrecht. Denn nach dem Gesetze, welches Allah der Welt durch seinen Sendboten Mohammed gegeben hat, hätte der bezechte Prinz nicht zwanzig Hiebe bekommen sollen, sondern achtzig.

Ein schwarzer Scheich.

Ein schwarzer Scheich.

Blick auf Tunis, am Ende der Karawanenstraße.

Blick auf Tunis, am Ende der Karawanenstraße.

arabisches Ehepaar auf der Reise

arabisches Ehepaar auf der Reise

Zwei stolze Araber.

Zwei stolze Araber.

arabischer Karawanenführer

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arabische Frauen

arabische Frauen

auf dem Kamelmarkt

auf dem Kamelmarkt

Eseltreiber

Eseltreiber