Aphorismen aus der Feder von Theodor Gottlieb von Hippel.

Autor: Hippel, Theodor Gottlieb von (1741-1796)
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Über Hippel

Ich glaube, daß ich alle meine Freunde weit mehr geliebt habe, als sie mich, und daß nur wenige in der Welt zu einem solchen Herzensopfer imstande gewesen wie ich, da ich überhaupt nicht zum Haß, sondern zur Liebe geschaffen bin.
Theodor Gottlieb von Hippel


Er war ein Mann, in dessen Charakter und Persönlichkeit die Extreme der Verständigkeit und des Gemütes, der Philosophie und der Phantasie, des Rationalismus und der Mystik, des sittlichen Rigorismus und des sinnlichen Behagens, der Theorie und Geschäftspraxis, des Stillebens und der Weltsitte zusammenwohnen wollten.
Th. Bach



Man muß beim Lesen die Seele des Buches suchen und der Idee nachspüren, welche der Autor gehabt hat, alsdann hat man das Buch ganz. Zuweilen ist freilich die Seele schwer zu finden, wie bei manchem sie auch wahrlich schwer zu finden ist. Der Verfasser selbst würde Mühe haben, die Seele aus seinem Buche herauszurechnen. Indessen hat jedes Buch eine Seele, etwas Hervorstehendes wenigstens, und gemeinhin pflegt sich hiernach das übrige zu bequemen.


Bücher sind nur ein Beweis für das, was in uns ist. Ihr Geist gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir richtig wandeln. Wie leicht wird uns manches durch Umgang, was im Buch so schwerfällig war.


Wer nur ein Buch liest, vergißt, daß das Jahr vier Jahreszeiten und daß jeder Tag vier Tagzeiten habe. Man lese vier Bücher auf einmal, und man wird finden, daß dieses dem Gemüte Erholung sei. Ein einziges Buch lesen, heißt im Seelenverstand den Pflug führen oder dreschen. Neue Beschäftigung ist wahrlich Erholung. Warum ist die Gesellschaft Erholung? Weil ein kluger Mann hier mehr als ein Buch liest. Der hat es weit gebracht, der Menschen lesen kann.


Ein abgebrochener Gedanke bringt andere zum Denken; ein Gedanke in seiner vollen Lebensgröße ausgedrückt, ermüdet uns mitten auf dem Weg.


Es gibt einen gewissen Lesegeiz, alles, was man liest, in seinen Nutzen zu verwandeln, einen Lesevielfraß, alles zu verschlingen, und da ereignen sich oft Kopfdrücken und Verschleimungen. Sich in einem Buche betrinken, heißt darüber Sehen und Hören vergessen und es so vorzüglich finden, daß nichts darüber ist.


Wenig und gut lesen, ist großen Köpfen eigen.


Die tiefste Wahrheit kann in eine Volksidee gekleidet werden, und eine Wahrheit, die kein Sokrates in das gemeine Leben bringen kann, ist nicht viel mehr als Sophisterei, womit man seinen Kopf nicht verderben und sein Herz nicht verfälschen sollte.


Ein System, wenn es so ganz da liegt, so ganz wie Tier und Mensch, ist Arbeit eines Halbgottes. Wo ist ein System dieser Art? Wenn es so fertig werden kann, wird es das Werk eines Deutschen sein.


Was man am geschwindesten vergißt, hat man am deutlichsten eingesehen. Behalten heißt seinem Gedächtnis Wunden schlagen, und auf Gedächtnis-Gelehrsamkeit stolz tun, heißt seine Narben zeigen.


Inokuliere alles auf dein Lieblingsstudium, und es ist dir auch im spätesten Alter, als hättest du es von dem dreißigsten Jahre, bis zu welcher Zeit alles bei den Menschen in der Blüte steht, gelernt.


Philosophie ist Festung; aber wo ist eine, die unüberwindlich wäre?


Der Weise tut, als sähe er bloß sich nach dem bekannten Sprichwort: Lerne dich selbst kennen; allein er beobachtet und beabsichtigt andere und wo es nur angeht, die ganze Menschheit. Der Weltkluge dagegen tut, als sähe er bloß auf andere, und doch sieht er allein auf sich.


Wer vielerlei weiß, ist biegsam; wer einerlei weiß, ist stolz. Jener sieht ein, wieviel ihm fehlt, dieser ist ein Hahn auf dem Mist.


Was ist in der Welt für ein Vorzug, der nicht schon in unserer Seele läge? Nur Licht hineingebracht, und alles ist aufgedeckt. Wir lernen nichts, was eigentliche Wissenschaft, bleibende Kenntnis, himmlische Wahrheit ist. Die Seele ist ein gestimmtes Instrument, das nur gespielt werden darf, und wenn du die Kunstwörter von der Sache abnimmst, diese Rüstung, die einem kleinen Körper das Ansehen eines Riesen gibt, findest du nichts Unerwartetes. Wenn du die Tressen vom Kleide absonderst, ist's dem gemeinen Mann, als hätte er sein eigenes Kleid an. Die Gelehrten bemühen sich weislich, dieses ihr Kunststück nicht zu verraten, weil sie damit auf die Markte ziehen und große, bunte Zettel drucken lassen, um sich für Geld zu zeigen.


Kopernikus schloß den Himmel auf. Es war ein Petrus, zu dem Gottes Stimme erscholl: Ich will dir des Himmelreiches Schlüssel geben. Newton war Geschäftsträger des menschlichen Geschlechtes im Himmel und auf Erden und unter der Erde. Licht war sein Blick, und was er machte, das geriet wohl. Kepler, ein Haushälter über Gottes Geheimnisse, Siegelbewahrer der Natur und Leibniz ein Kammerherr unter ihnen; ein Mann, der allen allerlei war, der erfinden konnte, ohne Bleifeder und Schreibtafel in der Hand gehabt zu haben.


Den rechten Weg abzustecken und auf dessen Erhaltung zu sehen, wäre die Pflicht der Gelehrten. Sie sollten Wegkommissäre für das menschliche Geschlecht sein. Wer einmal den rechten Weg verschlägt, kommt immer weiter vom Ziel.


Wer einen Brief schreibt, muß glauben, er schreibe ihn an die Welt, und wer ein Buch schreibt, er schreibe es an einen guten Freund, wenn man nicht in beiden Fällen alltäglich sein will.


Jungen Gelehrten geht es wie den Kornähren: solange sie leer sind, richten sie ihre Spitzen gerade und keck empor; kommen aber ihre Körner zur Reife, so lassen sie ihr Haupt sinken.


Man muß alles von sich anfangen. Selbst wenn die Schulgelehrten die Existenz Gottes beweisen wollen, fangen sie von sich an; ich bin, sagen sie, folglich ist ein Gott.


Lehre und Leben müssen in die Hand arbeiten.


Nie werden Handlungen schlechter erzählt als den Tag nachher, wenn sie geschehen sind; an dem Handlungstage ist jeder selbst von seiner Handlung betrunken. Der Held weiß gerade am wenigsten von seiner Tat, und in Wahrheit, nicht er, sondern die Sache muß reden. Wer kann für die Folgen stehen? Nur Tyrannen lassen sich die Folgen verbürgen. Der Hergang der Sache wird, anstatt daß er je länger, je bewährter werden sollte, je länger, je unrichtiger und unsicherer, besonders wenn er mündlich fortgewälzt wird, ob er gleich zusehends anschwillt. Der Schneeberg wird zu Wasser, sobald die Sonne der Kritik wirkt.


Geschichte ist eine durch Völkerrecht und Konvention beliebte Art, den Gegenstand von einer gewissen Seite zu zeigen.


Der Geschmack liebt Miniatur. Er besteht aus der Kunst, etwas aus dem Großen ins Kleine zu bringen, um es übersehbar zu machen. Er ist so etwas Menschliches, als die Natur etwas Göttliches ist.


Durch die Instrumentalmusik spricht ein Stummer. Der Kranke genest, das Alter verjüngt sich. Durch die Stimmmusik zerteilen wir die Wolken und dringen zum Herrn. Nur die Engelstimmen gehen über Menschenstimmen.


Die erste Schrift, die ein junger Mensch entwirft, muß der Kupferstich seiner Seele sein.


Ein poetischer Kopf darf nur vieles durchbildern, von allem nimmt er den Zoll. In der ganzen Natur schreibt er Schätzung aus. Er befindet sich in den Wissenschaften auf Reisen, wo ihn oft etwas aufhält, worauf der Eingeborene, das Landeskind, der Philosoph nicht kommt. Ein denkender Kopf weiß weniger, allein seine Äcker kennt er auf ein Haar. Er tut, wenn ich so sagen darf, was der Dichter weiß. Ein großer Kopf ist eine Mischung von beiden. Selig sind, die wissen. Seliger, die tun. Soviel Köpfe, soviel Sinne; so viele Alexanders, so viele Welten; so viele Planeten, so viele Bahnen; so viele Genies, so viele Methoden.


Es ist schwerer, so zu schreiben, als so zu reden, daß es einen interessiert. Das beste ist, sich selbst herauszudenken, nicht bei Hand- und Lehrbüchern, sondern bei seinem Genie in die Schule zu gehen und ihm Folge zu leisten und die Logik dem natürlichen Gange seines selbsteigenen Geistes sowie die Moral seinem Gewissen zu verdanken zu haben.


Die Natur hält ein schreckliches, heimliches Gericht, das schrecklichste, das gedacht werden kann.


Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie können Gott in der Natur schauen.


Freude an der Natur ist das Probatum eines guten Gewissens. Eine feurige Kohlensammlerin, eine Aufhetzerin ist die Natur dem, der es mit dem Gewissen verdorben hat.


Der Verstand und die Natur kommen sehr leicht in richtigen Einklang.


Statt daß wir, wie irrende Schafe, ohne Plan und Regel in die Weite laufen, sei es unsere erste Sorge, heimzukehren zu der Natur und nichts außer uns selbst zu suchen. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und an sich selbst Schaden litte?


Der Mensch wird später reif als alles, was auf Erden lebt; seiner Kräfte, seiner Fähigkeiten sind aber so viele und überdies sind sie so köstlich, daß die Erziehung nicht mit der Muttermilch aufhören kann, sondern daß durchaus eine vernünftige Milch, wie sich der Apostel ausdrückt, zur Erziehung erfordert wird.


Die Tiere werden in kurzem das, was sie von Anbeginn gewesen sind und was sie bis ans Ende der Tage sein werden; so wie sie noch jetzt sind, gingen sie aus dem Paradiese und dem Kasten Noahs, der Mensch aber sieht sich nicht mehr ähnlich.


Gott sei gelobt, daß kein Mensch sich so zeigt, wie er ist; Gott, was würden wir sehen! Selbst wenn der Mensch sich verliert, selbst wenn er sich preisgibt, ist er nicht immer noch in naturalibus, sondern unter Vorhängen von Feigenblättern; er zeigt den Schaum von seinen Leidenschaften, die Hefen werden zurückgehalten.


So wie unsere Erde um die Sonne läuft und sich um sich selbst dreht, so geht es auch mit dem Menschengeschlecht und mit den einzelnen Menschen. Jeder einzelne Mensch dreht sich um sich selbst. Immerhin, wenn er nur seinen größeren Lauf dabei nicht vernachlässigt.


Sooft die Menschen sich stark zeigen wollen, zeigen sie sich gewöhnlich in ihrer Schwäche, und oft sind sie stark, wenn sie schwach sind.


Wie oft tat die Natur schönen Seelen das Unrecht, daß sie solche, wenn nicht mit häßlichen, doch mit schwächlichen Körpern bekleidete, und was ist die Herrschaft der Schönheit? Wahrlich, jener Weise hatte recht, sie eine kurze Tyrannei zu nennen.


Man hört im Sitzen besser, man sieht im Stehen schärfer; im Gehen ist Auge und Ohr nicht zuverlässig.


Jeder Mensch hat einen Hang, seine Meinungen anderen mitzuteilen, und der Gelehrteste ist nicht gleichgültig gegen das Urteil seiner Wäscherin und seines Ofenheizers.


Je mehr man das Ich versteckt, je mehr Welt hat man.


Wie das Wasser Feuer löscht, so überwältigt die Bescheidenheit den Stolzen. Sie ist der Ring, den man den Bären durch die Nase zieht.


Bescheidenheit ist die größte Betrügerin, und durch Pausen, durch einsilbige Worte erregen wir den Affekt mehr; Strafen nützen überhaupt nicht so viel als Belohnungen, da jene nur Fron-, nicht aber Liebesdienste hervorbringen.


Was uns als Menschen obliegt, darf uns nicht als Bürgern aufgegeben werden, und wer sich einbildet, Pflichten der Liebe dadurch zu befördern, daß er sie mit Bild und Überschriften von Zwangspflichten versieht, der erniedrigt, was er erhöhen wollte und macht, daß etwas unwillig geleistet wird, was man zuvor willig zu beobachten nicht ermangelte. Wer wollte nicht unendlich lieber in Gottes als in der Menschen Hände fallen?


Die Gesellschaft ist die Quelle alles Glückes und alles Unglücks, das je dem menschlichen Geschlechte zufiel, und noch ist nicht erschienen, was die Menschen durch sie werden können und durch sie sein werden. Wir wissen aber, daß, wenn es erscheinen wird, wenn wir das heilige Gesetz beobachten und dasselbe sowie Gott nicht fürchten, sondern lieben, wir Gott ähnlich sein und die Krone des Lebens tragen werden.


Die Pflichten gegen das Vaterland heben bei weitem nicht alle anderen Pflichten auf, und ein Bürger muß nie aufhören, ein Mensch zu bleiben. Im Kriege selbst darf man den Vorzug nicht aufgeben, ein Freund seines Freundes zu sein.

Wer sich das Ansehen gibt, der göttlichen Regierung nachhelfen zu wollen, ist ein Gottesleugner in einem besonderen Sinne.

Je verfeinerter ein Volk ist, desto schneller werden die Menschen reif, desto geschwinder kommen sie mit ihrem Leben zu Ende; sie können die Zeit nicht abwarten und übereilen sich im Leben, woher es auch nicht ungewöhnlich ist, daß es ihnen wie den Kindern geht, die vorauslaufen, den Weg doppelt machen und entweder gar nicht oder ermüdet an Ort und Stelle kommen.

Durch vereinte Kraft eins sein, ist der Zweck der großen Staatsgesellschaften. So im großen, so im kleinen. Instinkt und Vernunft lehren uns, daß ein großer Teil unserer Glückseligkeit davon abhängt.

Der Staat braucht viel Hände, aber wenig Köpfe. Ein politischer Kannegießer ist ein schlechter Kannegießer und ein schlechter Bürgermeister; die Kenntnisse des gemeinen Mannes müssen bei der Hand bleiben und nicht bis zum Kopf kommen.

Man muß sich in die Zeit schicken, weil es böse Zeit ist, und in die Menschen, weil es gute Menschen gibt.

Wenn Mitglieder des Staates von ihren Rechten und Pflichten richtige Begriffe haben und gern denselben gemäß handeln, so sind sie sicher aufgeklärter, als wenn sie der Wissenschaften Menge besitzen, die zur bürgerlichen Glückseligkeit nichts Wesentliches beitragen, die den Schein haben und die Kraft verleugnen.

Man glaubt gleich alles im Menschen zu finden, was der andere sagt. So kann man für groß und klein, klug und unklug gehalten werden, je nachdem man im Rufe ist.

Tragt die Groben, weil ihr höflich seid.

Viele Sprachen sind viele Kreditbriefe; zeige du sie vor, du bist überall willkommen. Die Sprache ist eine Herzensschlinge. Man ist bestrickt, man weiß nicht wie.

Solange eine Sprache lebt, wird dieses Wort adelig, dieses bürgerlich, dieses bäuerisch, nachdem es die Mode will. Es geht mit den Worten wie mit den Familien: dies kommt empor, jenes fällt. Heute ist es am königlichen Hofe in der Epopöe willkommen, morgen findet man es im Schäfergedicht unausstehlich. Gedankenwendung, Denkart, alles ist im ägyptischen Diensthause der Mode. Gewinnsucht, Eigensinn in der Nation kann Worte erhöhen und erniedrigen. Alle Münzen in einer lebendigen Sprache sind der Reduktion unterworfen.

Es gibt einen olympischen Neid oder Eifersucht. Dieser Neid schadet den anderen nicht, sondern ist nur bemüht, sich nicht zuvorkommen zu lassen.

Alle Kirchen haben dunkle Fenster, indes weiß jeder einen Stand.

Das Spiel scheint erfunden zu sein, den menschlichen Neigungen, die man durch Lebensart zu unterdrücken verbunden ist, zu Hilfe zu kommen. Bei Leuten, die keine Bewegung haben, ersetzt das Spiel diesen Mangel. Es ist Seelenbewegung, die nötiger ist als die körperliche. Es ist eine Abwechslung aller Leidenschaften, aller Jahreszeiten, hätte ich bald gesagt, und zur Gesundheit gehört diese Abwechslung.

Raten macht Schuld, und du stellst Wechsel aus, wenn du Rat gibst.

Wer am Wege baut, hat viele Meister.

Nicht bloß die verliebte Schäferin, sondern auch der Hofmann verbirgt sich im Gesträuch; allein beide lassen sich zuvor sehen.

Mode ist in vieler Rücksicht die Lösung des menschlichen Geschlechtes; sie weiß dem Alter einen neuen Anstrich zu geben und Abwechslung, auch Vergnügen in das Leben zu bringen und, wenngleich wenig, so doch etwas zum Fortschreiten der Menschheit beizutragen.

Es gibt Vornehme, die nicht wissen, was sie sagen; nach ihren Worten sollte man glauben, sie verständen alles; allein sie verstehen nichts. Wer in der Welt und ihrem kunstreichen Blendwerk unerfahren ist, glaubt in manchem dieser Großsprecher auch den Täter des Wortes zu hören und bewundert den vortrefflichen, so viel umfassenden Mann. Junger Mensch, dein Held lallt nur, hat nicht Geist und verbindet keine Kraft und Wahrheit mit seinen toten Tönen.

Bei dem lieben Nein kann man weit beredter sein als bei dem lieben Ja.

In der Gesellschaft zeigt jeder einzelne Mensch nur ein Pröbchen, wie Krämer von Seiden- und Wollzeug. Eine artige Gesellschaft ist eine Probekarte; wie verschieden ist das ganze Stück von diesem Pröbchen! Wer aus Gesellschaften Menschen abzieht, bekommt nicht sie, sondern ein kleines Etwas von ihnen.

Wer die Menschen leicht findet, hat nicht sie, sondern sich gesucht und gefunden. Wer andere richtet, bestraft seine Unarten in anderen und glaubt sich eben dadurch weiß gebrannt zu haben wie die liebliche Unschuld. Wer hinter dem Fenster in seinem einsamen Zimmer steht, kann alles ganz deutlich wahrnehmen, was auf der Straße vorgeht, unerachtet er von den Leuten auf der Straße entweder gar nicht oder doch nicht deutlich gesehen wird.

Wer kann in einer guten Gesellschaft einen Menschen ausstehen, der ohne Ende und Ziel von sich selbst spricht; es wäre denn, daß er sein überstandenes Unglück erzählt.

Alle Merkzeichen, wodurch man an den Tag legt, man gebe auf sich selbst acht, geben unseren Handlungen ein linkisches, steifes, gebrechliches, buckliges Ansehen.

Ein Wassertropfen macht sich in den härtesten Stein eine Höhle, wenn er oft darauffällt, und ein gutes Wort findet, wenn nicht heute, so doch morgen einen guten Platz.

Frauen sind Meisterinnen in der Kunst zu hören, Originalhörerinnen, und ich weiß nicht, ob sie im Hören oder Sprechen stärker sind.

Die Männer ertragen von Staats wegen so viele Ungerechtigkeiten, daß die Frauen wohl tun, sich in ihren Häusern auf kleinere Übel gefaßt zu machen. Wenn sie Frauen bleiben, vermögen sie durch Sanftmut und Duldung alles, so daß es von ihnen im Geiste und in der Wahrheit heißen kann: Wenn sie schwach sind, sind sie stark. Auf dem Wege der Duldung und der Sanftmut kommen die Männer nicht zu ihrem Ziel in ihrem Beruf; auch sollen sie es nicht. Denn eben weil sie stark sind, liegt es ihnen ob, nur durch Mut zu überwinden.

Der Fluch, der die Frauen traf, gehörte er nicht auf die Rechnung der Weiblichkeit und Verzärtelung? Frauen, die sich weniger verzärteln, empfinden von dem Fluch: Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären, noch bis diesen Augenblick wenig oder gar nichts.

Wer ein Mädchen kennen lernen will, frage nicht, wie es jetzt ist, da es ja sagen soll, sondern wie es als Kind war, da noch an kein Ja gedacht werden konnte.

Gefälligkeiten aus Grundsätzen sind vielleicht so reizend nicht wie die, welche aus brennender Liebe kommen; sie verbreiten aber mehr Ruhe und Glückseligkeit über uns als alles, was bloß leidenschaftlich ist.

Die Liebe macht gleichgültig gegen Ruhm und Glanz, allein gegen die Menschlichkeit nicht. Sie schränkt das Herz ein; allein sie erweitert es auch. Eins liebt nur eins, wie Mann und Frau, alle Menschen aber wie Schwester und Bruder. Einen Verliebten, glaube ich, kann jedermann betrügen; er hält alles für ehrlich, was ihm begegnet. Die Liebe ist ein starkes Getränk für die Seele. Sie betrinkt sich in ihr, und Verliebten geht's kein Haar besser als Leuten, die ein Gläschen über den Durst getrunken haben. Es ist ihnen alles besser als zuvor. Sie sehen alles in den besten Jahreszeiten, alles im Juni.

Verstärken nicht Abwesenheit und Enthaltsamkeit die Liebe? Aller Besitz schwächt das Vergnügen, der Besitz in der Liebe besonders; er ist ein Mordbrenner. Die Liebe muß Widerstand haben. Ohne Hindernis ist keine Liebe.

Die Mädchen behalten wie Wechselbriefe nur Jahr und Tag nach ihrer erlangten Mannheit ihre Kraft.

Ein betrübtes Herz liebt zärtlicher, und wahre Liebe ist keine frohe Leidenschaft. Sie fängt mit Seufzern an, so wie wir mit Tränen geboren werden.

Was du recht liebst, ist nicht das, was du siehst, sondern das, was du nicht siehst; das Bild, das du dir vom Gegenstand deiner Liebe abziehst.

Das weibliche Auge, das einen jungen Menschen zum ersten Male elektrisiert, ist sein Ideal der Schönheit, seine Venus; denn jeder hat seine. Die Liebe kommt auf einmal; sie wohnt parterre. Die Freundschaft steigt Treppen, und es gehören Jahre dazu, ehe ein Freund ein Freund wird. Ein Zorniger und ein Verliebter sind stumm; keiner kann erzählen, was ihm fehlt.

Gold und Liebe haben die größten Reize, wenn man ihnen nicht zu nahe ist. Überhaupt enthält das Nahe wenig oder gar nichts, was uns befriedigen kann. In tiefe Ferne zu blicken, eine Aussicht, die, wenn ich so sagen darf, in das Unendliche geht, macht uns glücklich; sie ist ein Bild, das uns bloß vorgaukelt und verschwindet, wenn dagegen das Nahe uns so steif und so fest vorschwebt und auswendig gelernt wird, daß es uns oft beschwerlich fällt.

Es ist kein unrichtiger Gedanke, daß eine Frau ohne Mann es selbst in der Tugend nicht weit bringen könne und werde; denn es entsprießen aus der häuslichen Verbindung so viele schöne Tugenden, daß, wenn das Heiraten nicht so oft vorkäme. dies Schauspiel einer sich so ganz hingebenden Liebe etwas Außerordentliches wäre. Auch gibt es Gruppen im Ehestand, auf die man geradezu Engel einladen könnte, welche sie mit Entzücken ansehen würden.

Erst durch die Ehe wird die Frau in ebendem Grade durch den Mann vollendet wie der Mann durch die Frau. Mann und Frau machen einen ganzen Menschen aus. Die relativen Eigenschaften, die zwischen beiden aufeinander angelegt sind, setzen diese Behauptung außer Zweifel.

Wer in Ehefällen intolerant ist, verbietet Feuer und Herd nicht bloß seinem hinfälligen Leibe, sondern auch seiner unsterblichen Seele; nur in einer Feenwelt kann man immer gewinnen und nie eine Niete ziehen.

Ein hübsches Mädchen, das so glücklich ist, vom fünfzehnten bis zum neunzehnten Jahre in einem guten Hause zu sein, wo es sein Licht leuchten lassen kann, findet, ob es gleich kein Geld hat, zuverlässig einen Liebhaber, der geneigt ist, sich in einen Ehemann verwandeln zu lassen.

Der Staat sollte auf nichts ein so wachsames Auge haben als auf Abstellung aller Vorurteile, welche Ehen hindern können; denn die Ehe ist ein kleiner Staat. So wie es in den meisten Häusern zugeht, so geht es in der Stadt zu.

Das Thermometer der Moralität war von jeher die Ehe; so wie es mit den Ehen stand, so standen auch die Aktien der Sittlichkeit.

Freundschaft ist eine wechselseitige Verbindung, nach welcher einer den anderen nicht verachtet, obgleich er dessen Schwäche mit Händen greifen kann.

Die zufriedensten Eheleute spielen Liebhaberrollen am schlechtesten; desto sicherer ist von beiden Seiten ihr Eheband.

Freundschaft, echte Freundschaft ist eine Schaumünze, die man nur im höchsten Notfall angreift. Umgang ist Ausgabegeld, für das wir tägliches Brot kaufen.

Ein neuer Freund ist ein neuer Wein, laß ihn alt werden und dann koste ihn, und siehe da, solch ein Wein erfreut des Menschen Herz, daß er wieder jung wird wie ein Adler.

Wer sich selbst nicht treu ist und seine eigenen Untaten unter die Leute zu bringen für unbedenklich hält, glaubt sich, wo nicht rechtfertigen, so doch entschuldigen zu können, wenn er seinen Herrn oder seinen Freund verrät.

Wer den Armen segnet, spottet sein, wenn er diesen Segen nicht in Erfüllung zu setzen anfängt.

Wer sich als abgebrannt und beraubt angibt, um Leute barmherzig zu machen und sie zum Mitleiden zu betrügen, ist ärger als ein Räuber und Brandstifter. Wehe dem, der auf diese Art Brandschatzung aufschreibt. Er bestiehlt nicht den Menschen, sondern die Menschheit.

Mancher gibt mit einem Auge, und mit sieben sieht er, was er wiedererhalte.

In unserem Glück liegt auch immer der Keim unseres Unglücks.

Mensch, du bist glücklich, wenn du einsam bist, denn du bist von Menschen entfernt. Mensch, du bist unglücklich, wenn du einsam bist, denn du hast dich selbst.

Wenn unsere Wünsche erhört werden, dünkt uns, als hätten wir ganz etwas anderes gewünscht; wir kennen das Ding in der Wirklichkeit nicht wieder, das wir in unserer Idee entworfen; unsere Frau ist ein ganz anderes Wesen als unsere Braut.

Ein Kreuz ist des Sternes Fundament, und ohne Kreuz und Leiden, was wird groß, was kann groß werden? Was kann in der Natur ohne Kreuz bestehen? Was in der Kunst? Der Mensch und seine Wohnung ist kreuzweise. Reckt eure Hände auseinander, und ihr seid ein Kreuz.

Jeder Schmerz hat seine Wollust, und wie schal ist nicht das Vergnügen, das nicht durch etwas Bitterkeit gewürzt wird. Vom Glück ist dem Weisen nur zu träumen erlaubt; das Unglück als das gewöhnliche Los der Menschheit, mit Fassung zu ertragen, bleibt ihm unabläßliche Pflicht, und es gibt in der Tat überall eine Mittelstraße, eine gemäßigte Fröhlichkeit und ein Lächeln, das bei warmen Tränen im Auge stattfinden kann. Alle vierundzwanzig Stunden gibt es Tag und Nacht, ein Licht, das den Tag regiert, und ein Licht, das die Nacht regiert.

Aus Glück Vorteil ziehen kann jeder; sein Unglück aber benützen, ist dem Weisen vorbehalten, und wem ist es unbekannt, daß der Schall in eingeschlossener, erwärmter und in sehr kalter Luft außerordentlich verstärkt wird? Noch weiter haben es jene gebracht, die es sogar verstehen, sich über Kleinigkeiten wegzuphilosophieren.

Der Mensch hat keinen Hang, sein Glück zu erzählen; wer von sich sagt, er sei glücklich, will glücklich scheinen.

Der Unglückliche, der Furchtsame glaubt alles, wenn es nur Trost enthält.

Je nachdem ein kluger Mensch Dinge ansieht, je nachdem sehen sie ihn wieder an. Die Vorstellung von Glück und Unglück kommt nicht von den Dingen in der Welt, sondern von der Gemütsart der Menschen. Der Standpunkt tut bei Leib und Seele viel; sehr viel; alles.

Auch das größte Unglück ist nicht so groß, daß man sich nicht noch ein Stockwerk darüber denken könnte.

Der Zeit kann und muß nichts vorgreifen. Sie leidet es nicht, und nur sie kann den Schmerz, den allergerechtesten Schmerz lindern. Wenn noch ja eine künstliche Störung im Schmerz angesehen wäre, würde es die sein, wenn man hohe Achtung für jemand hat und sich geradehalten muß. Der Schmerz geht krumm und sehr gebückt. Durch diesen Zwang kommt man zuweilen der Zeit vor. Es kann Linderung geben, wenn man aus Schmerz die Binde wegreißt; allein die Wunde wird gefährlicher durch diesen Aufriß. Man lasse der Natur ihren Lauf, sonst ist's Unnatur.

Wenn man viele traurige Nachrichten zu verkünden hat, so muß man nicht von der kleinen zur größeren, sondern von der größeren zur kleineren übergehen, weil alsdann die minder schreckliche Nachricht vermittels des Abstandes Trostgrund wird.

Ist es nicht unerhört, daß uns nur das in Sorge und Kummer setzt, was wir nicht unumgänglich nötig brauchen?

Nur die Augen wollen viel; das Bedürfnis ist mäßig und mit wenigem zufrieden.

Wer eine Ehrenstelle erhält, hat ein neues Kleid angezogen, und überall ist steife Leinwand.

Die Künsteleien, die Bedürfnisse, welche der Mensch so mühsam suchte, haben sein Unglück gemacht. Reichtum ist nichts Wesentliches. In der im argen liegenden Welt sieht er zwar so aus, allein er ist es nicht. Gott der Herr würde ihn sonst so nicht verteilt haben. Wer hat denn den Reichtum? Gemeinhin Leute, mit denen wir nicht tauschen würden.

Ruhm und Ehre in der großen, weiten und breiten Welt sind den Kapitalien gleich, die, wie die Mitgaben geiziger Schwiegerväter, nicht eher als nach ihrem Ableben bezahlt werden.

Wähle nie ein Amt, das größer ist als du, damit du hervorragst, und kannst du in eine Stelle kommen, die vorher ein unbedeutenderes Männchen als du bekleidet, hast du gewonnenes Spiel.

Ruhe und Ruhm sind selten gute Freunde.

Eine Tugend, die einer Wache bedarf, hat entweder schon wirklich aufgehört, eine Tugend zu sein, oder wird in kurzem es zu sein aufhören.

Der Gedanke hat mich am meisten erfrischt, daß es Tugenden gäbe, die es nicht geben würde, wenn nicht böse Menschen in der Welt wären. Wahrlich, die größten Tugenden werden hierdurch an das Tageslicht gebracht. Durch Schatten wird das Bild erhöht.

Was herb zu Anfang ist, wird lieblich am Ende. Das gilt von der Tugend und vom Rheinwein.

Die Art, Laster verachtungswert vorzustellen, ist die beste. Wer es hassenswürdig macht, tut oft der Menschheit Schaden und zieht Menschenfeinde.

Man könnte sich auch in die Tugend verlieben. Man muß aber nicht aus Neigung, sondern aus Urteil des Verstandes tugendhaft sein, nicht weil die Tugend hübsch ist, sondern weil es die Tugend ist. Man muß sie lieben wie eine Frau, nicht wie ein Mädchen. Ein Tugendverliebter wird kalt wie jeder übertriebene Liebhaber.

Großen Steinen geht jedermann aus dem Wege, kleinere dagegen bringen uns gewöhnlich zum Fall, und wenn du eine leichte Tugend nicht erreichen kannst, was wird es bei einer schwereren werden?

Die Keuschheit des Körpers ist mit der Keuschheit der Seele und der Sprache in genauer Verbindung.

Es ist leichter, seine Leidenschaften zu ändern, als sie zu bezwingen.

Die Zunge ist ein kleines Glied und richtet große Dinge an. Die Zunge singt Gott Lob und Preis, und die Zunge kann von der Hölle entzündet werden. Aus einem Munde blasen wir kalt und warm. Aus einem Munde geht Loben und Fluchen. Wir loben Gott den Vater und fluchen dem Menschen, nach Gottes Ebenbild gemacht.

Der Mensch hat viele, viele Torheiten; allein die größte ist, wenn er sie zu wichtigen Dingen macht.

Sich in wagerechten Stand setzen und immer Gleichgewicht halten, ist unmöglich. Wer nicht Leidenschaften hat, ist kein Mensch. Unser Herr und Meister jagt Käufer und Verkäufer aus Gottes Tempel. Wer im Sitzen schelten und, wenn er sich stößt, beten kann, ist ein Mensch, mit dem ich nichts zu tun haben will.

Leidenschaften sind Engel und können Teufel werden. Sie sind Beförderer, Mitwirker des Guten. Sie geben Spannkraft und Tätigkeit den Müden, Wärme und Leben den Kaltgewordenen. Wohl dem, der sich der Leidenschaften zu seinem und zum Vorteil seines Nächsten bedient, der alles zu edlen Absichten lenkt. Hat doch jemand gesagt, das Ungeziefer wäre bloß da, um die Faulen zur Arbeit zu treiben.

Ein Mensch, der bloß seinem Triebe folgt, setzt sich unter das Tier; denn dieses hat kein anderes Gesetz und keinen anderen Wegweiser; wir aber, denen Gott Verstand und Freiheit gab, sollen Herren sein, nicht nur über alles, sondern auch über uns selbst herrschen; die sich selbst regieren können, sind geborene Herren.

Die Tätigkeit hat drei Grazien zu Töchtern: Tugend, Wissenschaft und Reichtum.

Der Mensch ist von Natur träge und negativ; durch Grundsätze wird er tätig.

Die Vernunft ist unser Schutzgeist; befrage sie und denke ans Ende, so wirst du nimmermehr Übles tun.

Es gibt ein Ziel, das jeder erreichen kann, das Ziel der Vernunft und der Menschheit.

Der Anfang steht oft in unserem Vermögen, die Mitte selten, das Ende nie.

Wenn man immer auf einerlei bleibt, wird man stehendes Wasser. In der Welt außer der Welt zu sein, das ist Weisheit.

Nicht auf unsere Meinung, sondern auf das kommt es am Ende an, was diese Meinungen aus uns machten.

Das Kleinste, Unbeträchtlichste ist schon heilig-hochwürdig, wenn der Zweck, zu dessen Fahne es schwört, hochwürdig und heilig ist.

Wo ist denn Unkraut? Nirgends. Nur dann ist etwas Unkraut, wenn es nicht an der rechten Stelle steht, wenn es nicht gebraucht, sondern gemißbraucht wird. Dem Toren ist alles Unkraut, dem Weisen ist alles Kraut; alles ist ihm gut, was in der Welt ist.

Wohl dem, der sich von allem entkleiden kann, was nicht er selbst, das letzte Hemd nicht ausgenommen, ist. Wohl dem, der seine Willkür dem Gesetz, der Wahrheit und der Tugend unterwirft. Wohl dem, der Wesen vom Schein, Schatten von Licht absondert; Menschenfurcht, Menschenehre und den ganzen unwürdigen Troß von Vorurteilen für das hält, was sie sind: Menschensatzungen und Tand.

Halbe Wahrheit ist gefährlicher als eine ganze Lüge; diese ist leichter zu erkennen als jene, welche sich in Schein zu verkleiden pflegt, um doppelt zu betrügen.

Die Moral lehrt, der Glückseligkeit würdig sein; ihrer teilhaftig werden, ist eine Lehre der Geschicklichkeit. Es ist nicht möglich, die Regeln der Klugheit und der Sittlichkeit zu trennen.

Die Narren haben ihr Herz im Munde, die Weisen ihren Mund im Herzen.

Ein Schwärmer ist ein Seelentrunkener. Wenn ich schon nüchtern unter Trunkenen sein soll, will ich lieber unter Leibes- als Seelentrunkenen sein. Betrunkene verstehen sich untereinander, so auch Schwärmer. Ein Schwärmer rechnet, ohne das Einmaleins der Seele zu wissen; er baut, ohne ein privilegierter Architekt zu sein. Die Philosophen bedenken sich zu lange, die Schwärmer oft zu kurz. Der Philosoph sieht nach der Uhr, der Schwärmer nach der Sonne. Der Schwärmer ist eher Feldherr als der Philosoph; oft zeigt der Schwärmer dem Philosophen kühne Wege. Der Philosoph pflastert sie, und dann geht sie jedermann. Der Tag gehört dem Philosophen, wie die Nacht dem Schwärmer.

Das Stärkste, was Menschen besitzen, ist die Vernunft, und sie, diese Kraft der Kräfte, fürchtet sie sich nicht vor den Sinnen?

Es gibt moralische Blendlinge, die das Glück oder besser das Unglück haben, da etwas füttern zu sehen, wo das gesunde Auge des Verstandes nichts wahrnimmt.

Schwärmerei macht oft den Scheinphilosophen zum Scheindichter, den Scheindichter zum Scheinphilosophen, den Narren klug und den Klugen zum Narren. Begeisterung ist der Geist, wovon die Schwärmerei der Schatten ist, und eine gewisse Feierlichkeit, welche eine kalt gewordene, eine verrauschte Begeisterung heißen könnte, hilft der Schwachheit derer aus, die entweder jederzeit arm an Begeisterung sind oder die nur eben heute nicht dazu aufgelegt waren. Und wer kann seinen Geist anstrengen, ohne dabei einzubüßen? Wer immer in höchster Gala erscheinen, wenn es angesagt wird? Ist das Alltagskleid rein, was geht denen ab, die es angezogen haben?

Der Blinde hat keinen Begriff von der Farbe und wir keinen von den Entkörperten.

Wer es in diesem Erdenleben auf etwas Höheres anlegt, begibt sich in Gefahr, weniger zu werden und den Zweck des Schöpfers zu verrücken.

Wer Aufklärung anders als das Salz braucht, kennt die Menschheit nicht. Salz ist ein gut Ding. Was ist indes unerträglicher, versalzen oder ungesalzen?

Die Erziehung ist eine Schöpferin in dem Sinne, wie die Dichtkunst es ist; sie schafft nicht den Stoff, sondern die Formen; sie bringt nicht die Leinwand und die Farben hervor, sondern das Bild.

Erziehen heißt aufwecken vom Schlaf, mit Schnee reiben, was erfroren ist, abkühlen, was brennt. Wer nie ein Kind unterrichtet hat, wird nie über das Mittelmäßige hervorragen. Docendo discimus ist ein großes und wahres Wort. In gewisser Art lernen wir mehr von den Kindern als die Kinder von uns. Wer ein Auge hat, lernt hier den Menschen. Wenn die Sonne aufgeht, kann sie der Blick umfassen. Wer kann in sie sehen, wenn es hoch Mittag ist?

Im Menschen soll nicht nur der Mensch wachsen, sondern der Staats- und Weltbürger erzogen werden; und womöglich soll durch jeden Menschen das Geschlecht gewinnen.

Kinder ziehen, heißt gerade oder ungerade spielen. Erziehen heißt ein Fundament legen, wo unter der Erde gearbeitet wird und nichts zu sehen ist. Ein gutgezogenes Kind ist eine Rechnung ohne Probe. Der Jüngling muß beweisen, wie die Zucht war.

Das Wunderbare tut auf Kinder eine unfehlbare Wirkung, so wie das Tragische auf den Jüngling; der Mann liebt das Lustspiel, und im hohen Alter steigt man den Berg hinunter, den man hinaufgestiegen war, bis man wieder ein Kind wird.

Kinder sollte man keinem Menschen anvertrauen, der nicht auch Kinder hat oder gehabt hat; so wie man keine Hebamme anzunehmen pflegt, die nicht weiß, wie es einer Gesegneten zumute ist. Es sind gewisse Geheimnisse, welche die Natur, obschon der Kunst viel verraten worden, doch für sich behält, und dahin gehört die Kinderzucht. Man wird in dieses Geheimnis allein durch die Vaterschaft eingeführt.

Die Gabe, zu unterrichten, hat jeder Mensch. Wer durch die rechte Türe gekommen ist, wird sich auch wieder durch die rechte Türe herausfinden. Wer eine Treppe in die Höhe steigen kann, wird sie auch wieder herabsteigen. Bergab ist immer leichter. Wer eine Sache nur halb weiß, kann nur ein Vierteil beibringen. Wer nur ein Vierteil weiß, ist ein Mietling. Je länger ich studiere, je kürzer ist die Predigt. Bedenkt den Haufen Holz und Steine und Ziegel und Dachsparren und Glas und Kalk und tausenderlei, ehe es ein Haus wird. Steht das Haus, alles hat, sechzig Fuß in die Länge und dreißig in die Breite, Raum.

Bleibt nicht auf der Bank mit euren Schülern, sondern zieht mit ihnen in die freie Luft der Natur, werdet Peripatetiker. Lehrt sie im Angesicht Gottes oder laßt sie nur herumgehen. Die Natur selbst wird sie besser weisen als ihr, wenn ihr Gottes Wetter nicht ertragen könnt.

Man kann durch Lehren lernen und durch Gehorchen sich im Befehlen unterrichten.

Das Reisen ist nicht die Art, Menschen kennenzulernen. Zu den meisten Reisenden könnte man sagen: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn in sein Vaterland. Der Mensch versteckt sich so wie das Wild.

Zu Hause nimmt man sich vieles so übel nicht. Man vernachlässigt sich; tun Sie doch, als wenn Sie zu Hause wären, sagt man. Auf der Reise sind wir auf uns aufmerksamer.

Die Welt ist für einen klugen Reisenden höchstens eine Hauptstadt. Er läßt sich das Merkwürdige zeigen. Für einen Gelehrten eine öffentliche Bibliothek, er sieht die Titel.

Ein beständiger Hunger nach Neuem ist eine Zeitungskrankheit, ein verzärtelter, verdorbener Appetit. Eine Kriegslist gilt nur einmal, eine Medaille bezeichnet nur einen Tag. Kann man aber nicht denselben Gegenstand von einer andern Seite sehen, ihn durch und durch, ganz und gar sehen, und zeigt dies nicht mehr Scharfsinn als immer einen neuen haschen? Ein Gedanke, der an sich leicht und natürlich ist, den man endlich so oft sagt, daß ihn der gemeine Mann gefaßt hat, verliert von seinem Ansehen.

In der Fremde sein, heißt in Gottes Hand fallen; in seinem Vaterland ist man, wenn es hoch kommt, in der Hand der Menschen, gemeinhin in der Hand seiner Feinde.

Wie soll man sich gegen ein undankbares Vaterland benehmen? Wie gegen einen Vater, der meine Mutter ohne Ursache verstößt? Wie gegen eine Mutter, die zum zweiten Male heiratet? Diese bleibt Mutter, jener Vater.

Wer gesund an Leib und Seele ist, hat alles, was er braucht; wer glücklich sein und es nicht scheinen will, kommt sehr leicht ab; er darf nur wissen, was er entbehren kann.

Ist es nicht leichter, manchen Krankheiten auszuweichen als sie zu heilen?

Wieviel eine vernünftige Lebensordnung zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt und welch ein bedeutendes Hauptstück hier Speise und Trank ausmachen, wie vieles dabei auf wahre Zubereitung ankommt, das sind Umstände, von denen jeder überzeugt ist; und doch wird dieser wichtigste und eigentlichste Teil der Arzneikunst ganz dem weiblichen Geschlecht überlassen, ohne ihm die geringste Kenntnis von dem zu lehren, was es zubereitet, noch wie es dasselbe zubereiten muß, wenn die tierische Maschine unterhalten und nicht zerstört werden soll. Vielleicht würde es durch Vermittlung der Frauen dahin kommen, daß Speise und Trank zu unserer Medizin würden, daß wir Medizin nicht mehr einnehmen dürften.

Wer sich mit dem Schlaf überwirft, zieht immer den kürzern.

Man kann sich durch Gedanken erhitzen und zu einer Röte kommen, die man eine Seelenröte nennen könnte und die sich von allen jenen unterscheidet, welche durch körperliche Erhitzungen veranlaßt werden.

Wer einen Fuß aus dem Bette setzt und den andern nachholt, arbeitet auch nur mit halbem Kopf.

Wer, wenn er schnell aufwacht, nicht gleich herausspringt, versteht nicht die Winke der Natur. Der zweite Schlaf ist ein Postskriptum, das keinem Mann ansteht. Mittagsschlaf ist brennendes Licht am Tag.

Das eigentliche Lachen, das Lachen mit Leib und Seele, ist nur dem Menschen eigen. Ich halte viel aufs Lachen und finde es für das beste Digestiv.

Der Hypochonder ist ein Mensch, der sich selbst, wie ein Geiziger seinen Kasten, bewahrt. Der sein Leben liebhat und es eben darum verliert. Ich würde, wenn der Mensch an der Seele krank ist, die Kur des Leibes und wenn der Leib hinfällig ist, die Seelenkur vorschlagen. Diese sympathetischen Mittel sind nicht zu verachten.

Ein mutiger Mann ist ein vermögender Mann, und darum braucht er kein Kreditkleid, keinen Empfehlungsbrief. Er ist fest überzeugt, daß es ihm nicht fehlen könne. Mut ist ein edles Bewußtsein, von dem einige Leute sehr einfältig sagen, er sei anzusehen. Stolz ist anzusehen, allein kein edles Bewußtsein.

Bekämpfe dich selbst, dann hast du Mut, auch ohne Degen in der Faust und im Schlafrock und in Pantoffeln. Mut braucht man, wie Salz, zu allem und beim Kammertod mehr als auf dem Bett der Ehren, wo Wut und Verzweiflung oft die Herzhaftigkeit einfeuern. Dies ist ein eingeheizter Mut. Ist der Ofen kalt, ist alles kalt.

Wäre je in der Welt etwas Großes unternommen worden, wenn wir das Für und Wider ängstlich abgewogen hätten? Wäre der Mensch da, wo er gegenwärtig ist, hätte er je merkliche Fortschritte getan, wenn er nach der Weise des Elefanten, ehe er den Fuß weiter fortbewegt, ängstlich untersucht hätte, ob der Boden, den er betreten wolle, auch fest sei?

Sei stark am inwendigen Menschen. Deine Seele sei wacker, dein Herz ohne Falsch, so wird auch der auswendige Mensch blühen und Früchte ansetzen. Die Seele ist der Gärtner, der Leib die Pflanze, die gezogen wird.

Fassung ist das einzige Mittel, das erforderliche Gleichgewicht zwischen Leiden und Tun herzustellen; sie ist ein Extrakt der Geduld.

Die Furchtsamkeit ist bei einer jeden Torheit das, was kein ganz verdorbenes Gemüt verrät; und jene Gerechten, die der Buße nicht bedürfen, sind uns die unerträglichsten von allen.

Erschrecken ist die Goldwage für Männer. Wir können erhaben und pöbelhaft erschrecken. Die Frauen erschrecken bald, und was noch mehr ist, nach einer und zwar bekannten Melodie. Sie erschrecken schön, wenn man will. Um alles in der Welt wünschte ich mir keine Frau, die nicht leicht erschrecke. Schamröte und Erschrecken liegt bei ihnen in einem Bezirk. Eines borgt vom andern, beides kleidet das schöne Geschlecht. Es ist extrafeines Postpapier, wo alles durchschlägt.

Die Furcht ist wahrlich ein ärgeres Übel als das, wofür man sich fürchtet.

Die Furcht siegt öfter als Grundsätze der Herzhaftigkeit. Die Furcht schützt Königreiche. Sie ist eine Kunst, wodurch wir andere glauben machen, wir fürchten uns vor nichts.

Man kann sich vor der Furcht und auch vor der Hilfe fürchten.

Die Bosheit macht schwach und die Schwäche boshaft. Ein Mann, der sich bewußt ist, Mann zu sein, pflegt so wenig in Härte als in Eigendünkel auszuarten; er geht dem Kind aus dem Wege, kleine Leute dagegen sind schon böse, weil sie klein sind. Sie schlagen Wellen, um eine Fliege zu ersäufen, und brauchen einen Orkan, um ein Vergißmeinnicht zu entblättern. Niemand ist zu tadeln, weil er das ist, was er ist, sondern weil er das nicht ist, wofür er gehalten sein will.

Den Feind zu weit verfolgen, heißt ihn zur Verzweiflung bringen, und dann kehrt sich auch der Feigste als Held um.

Dieses Leben ist ein Geschenk; laßt uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf die zu rechnen man nicht imstande war.

Betrübnis kommt gewöhnlich aus dem hohen Begriff, den sich der Mensch vom Leben macht. Beim Schmerz leidet der Leib, bei der Betrübnis die Seele, und wenn die Herrschaft trauert, trauert der Bediente mit, nicht aber umgekehrt.

Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Die Traurigkeit macht feig. Ein Lobgesang macht lustig. Durch den Gesang redet der Leib der Seele zu: Sei gutes Mutes, kleine Närrin. Sieh die Lilien auf dem Felde; sie säen nicht, sie spinnen nicht, Gott nährt sie doch; sind sie denn mehr als du?

Wenn die Weisheit verdrießlich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr haben?

Sich etwas vorenthalten, um es hernach desto geschmackvoller zu genießen, ist ein vernünftiger Epikurismus.

Die fünf Sinne zusammennehmen, heißt fein und juristisch geredet und bedeutet ein Kollegium von Fünfen, wo niemand die Präsidentenstimme haben darf. Wer Hunger hat, ißt; wer müde ist, schläft; und nur der gemeine Mann fühlt, wenn nicht allein, so doch wenigstens stärker die Glückseligkeit, daß es alle acht Tage einen Ruhetag gibt. Dagegen bedürfen gewisse Vornehme, die immer ruhen, des Sonntags nicht. Vergnügen ist ihr Schweiß des Angesichtes, und durch Genuß machen sie sich unfähig zum Genuß.

In der Gesellschaft lernt man gesellig sein, und nichts läßt sich so wenig theoretisch begreifen als diese Kunst.

Über Wahrheit muß man mit fröhlichem Munde, mit dem Munde der Wahrheit streiten.

Gute Menschen finden, daß, wenn sie fröhlich sind, alles um sie herum froh ist. Der Mensch lacht, wenn andere lachen und oft noch lauter als der, der den Ton angab. Die Traurigkeit des andern dient, allein mit Schluchzen oder großen Platztränen können wir nicht dienen. Die Mitfreude, das Mitleid beweist, daß wir alle einen Gott und Vater haben, und alles, was Augen hat, kann sympathisieren.

Vergnügen, wenn's gleich noch so viel kostet, muß so aussehen, als wenn es Geschenk wäre.

Wer lacht, macht lachen, wer weint, macht weinen. Denn es gibt kein gefährlicheres Tier, den Affen selbst nicht ausgenommen, als den Menschen; allein wer darstellt, wer handelt und handeln läßt, bereitet ein Lachen voll ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften, und auch solch ein Weinen. Wer im gemeinen Leben keinen Blick hervorlacht, sondern nur durch sein Handeln mit Fleiß zum Lachen Gelegenheit gibt, ist komisch im hohen Grade. Und in Wahrheit, ein verstohlenes Ach gilt mehr, wenn man darauf vorbereitet ist, d. i., wenn man leiden gesehen und es nicht bloß gehört, als eine Sündflut von Tränen.

Lustigkeit ist viel Fertigkeit, laut zu lachen. Sie ist mehr als Zufriedenheit; allein wer mehr Mittel, als nötig sind, zur Glückseligkeit anwendet, ist der glücklicher? Über seine Bedürfnisse etwas haben, macht das reich? In der Sparsamkeit liegt so viel Stoff zur Glückseligkeit, daß es unaussprechlich ist. Ein Verschwender verzählt sich alle Augenblicke, in seinem Vergnügen; er wird in seiner Lust betrogen. Die Sparsamkeit hat Vor- und Nachgeschmack und Genuß, der Verschwender höchstens Genuß, höchstens Wollust für einen gegenwärtigen Augenblick. Die Lustigkeit ist etwas Konvulsivisches, Erschöpfendes. Ein Lustigmacher ist ein Mensch, der zu tausend Gerichten ohne Hunger und bei verdorbenem Magen verdammt ist. Da will ich lieber bei Wasser und Brot sitzen.

Nichts kann uns mehr verstimmen als das Geschrei kleiner Kinder. Die leiblichen Eltern finden es unerträglich; denn die Erbsünde ist's, die aus dem Kinde schreit, und sein Weinen verrät Unverstand und Eigensinn. So ist unser Weinen und Heulen dem lieben Gott Kindergeschrei.

Es ist weit leichter, daß einer, der weint, lacht, als einer, der ernsthaft ist. Wenn wir einen Betrübten zum Weinen bringen, haben wir ihn bald zum Lachen. Das trifft die Frauen mehr als das andere Geschlecht.

Die Natur behauptet ihre Rechte, sobald wir ruhig sind, sobald wir Zeiten haben, sie anzuhören, sobald wir uns aufs Gras, ihren Lehnstuhl, setzen. Alles verstummt und empfindet. Gott, warum fallen wir der Natur so oft unzeitig ins Wort!

Vergnügen ist die Empfindung von Lebensbeförderung, Schmerz Empfindung von Lebenshindernis, und wenn es schon so weit gekommen wäre, daß man die Lebenshindernisse nicht überwinden und das Feld behalten könnte, so ist Vergnügen die Kunst, sich selbst von sich zu entfernen, die große Kunst, nicht an sich zu denken.

Selbst die Art, womit man zerbrechliche Dinge behandelt, macht sie angenehm. Man denkt mehr daran, man genießt sie mehr.

Man glaubt vielleicht, sich das Sorgen leichter zu machen, wenn man bei Tische sorgt; allein man macht es sich schwerer; denn man wird dadurch untätig, und statt daß man die verlorenen Kräfte ersetzen sollte, verliert man ihrer noch mehr. Es ist so wie ein unruhiger Schlaf, der mehr schadet als nützt; man ist nach ihm noch schläfriger. Wenn man einmal ins Sorgen hineinkommt, findet man sich so bald nicht heraus.

Der Mensch traut sich nicht recht die Freude in dieser Welt zu. Er besinnt sich erst, ob er ihr sein Herz öffnen, ob er sich freuen könne. Er läßt sie von hinten und verstohlen ein. Seine Freude scheint eine Entfernung des Schmerzes, und wer läßt einen alten, guten Freund ohne Bewegung von sich?

Sorge nicht für den anderen Morgen; es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage habe.

Wenn ein Genie allein auf dem Lande geht, bleibt es nicht lang allein. Die Natur geht ihm an die Hand. Sie faßt es an, und es versteht die Blume, wenn sie sich neigt, und den liebevollen Hopfen, der sich hinaufrankt. Es bewundert den Regenbogen, das Ordensband, das Gott der Erde als ein Gnadenzeichen umhing. Da sehen dann Genies einen gewissen Zusammenhang zwischen Gott und dem Menschen und sind Seher, von Gott Angehauchte. Dies ist unendlich mehr als ein Selbstgelehrter. Dieser lernt aus Büchern, ein Seher lernt von Gott und aus seiner für ihn aufgeschlagenen Welt.

Große Köpfe stiften viel Gutes; allein auch wahrlich viel Unheil; denn sie werden verehrt, und niemand untersteht sich weiterzugehen. Sie sind ein Wall, den kein Remus zu ersteigen sich unterfängt.

Das Bewußtsein, fassen zu können, was man will, tut bei einem Genie oft größere Dinge, als wenn es schon ein gerüttelt, geschüttelt und überflüssiges Maß im Kopfe hätte.

Ein großer Geist muß sich nur in gewöhnlichen Handlungen zeigen; ungewöhnliche bringen auch den mittelmäßigen zu einem ungewöhnlichen Schwunge.

Ein jeder Originalkopf muß schnell fassen und schnell vergessen. Etwas bleibt zurück, und nur ebensoviel als nötig ist, um nicht bloß Abschreiber zu sein. Ein Großmaul hat ein behaltendes, ein Kopf ein fassendes Gedächtnis. Wer viel plaudert, kann auch viel behalten; ein guter Kopf kann auch viel erzählen, wenn er trunken oder verliebt ist. Er darf sich indes nur einbilden, beides zu sein.

Nase und Augen sind Natur; Stirn und Mund und Hand und Fuß sind zur Kunst geworden. Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht; allein er sucht viele Künste. Wir sehen einem Menschen, den wir wollen, ins Gesicht, vorzüglich in die Augen. Seine Affekte liegen auch im Naturteil und ringsherum. Wer sich verstellen kann, treibt sie nach unten und immer zugleich in Hand und Fuß. Fuß und Hand sind wie Mann und Frau ein Leib; Fuß der Mann, Hand die Frau. Das Gesicht ist das Bild und die Überschrift der Seele. Um den Mund herum liegt die Mienensprache, zu fordern und zu verneinen. Dies ist die verehrungswürdigste Sprache, die alle Welt versteht, die auch ein gut Teil Tiere faßt. Warum lernt man sie nicht besser?

Ein Mensch, zu dem kleine Kinder und Hunde kommen, ohne daß er sie lockt, ist ein guter Mensch.

Jeder Mensch hat seine Art, sich anzukleiden und zu erzählen, und diese beiden Arten stimmen miteinander so überein, daß, wenn ich jemanden sich ankleiden sehe, ich sagen will, wie er erzählt, und umgekehrt, wenn ich jemanden erzählen höre, will ich sagen, wie er sich ankleidet. Die Art sich auszukleiden, kann den Kenner vielerlei lehren und unter anderem auch, wie der sich Entkleidende sterben werde.

Mensch, lerne dich. Welch ein großes Wort, allein welch ein schweres Wort zugleich. Niemand will in sich hinein; außer sich herumschweifen, hat der Mensch eine so eingefleischte Lust, daß er gern unstet und flüchtig ist. Sein eigenes Haus brennt dem Menschen über den Kopf; er fürchtet in sich hereinzublicken, wie Kinder, in einem Zimmer allein zu schlafen. Man muß sich absterben, um sich aus den Toten hervorgehen zu sehen, und solch ein Erstandener, das bist du, Selbstkenner.

Wer Menschen kennenlernen will, muß sie nach ihren Wünschen beurteilen. Beim Wunsche zwingt man sich nicht, man glaubt keinem in seine Grenze zu fallen. Die größte Unbescheidenheit findet man verzeihlich, und das Gebot: Du sollst nicht begehren, scheint bei weitem nicht auf Wünsche anwendbar zu sein.

Ein Fragment ist ein Menschenwerk. Der Mensch selbst kommt sich in dieser Welt nur als ein Fragment vor, so ganz er gleich da ist. Heil ihm, daß er eben von diesem Ganzen schließen kann, daß er selbst sich in allen Rücksichten begreifen, von allen Zipfeln einst fassen werde, in der Fortsetzung seines Lebens, in der anderen Welt.

Selbstverleugnung ist Ersparung an sich selbst, um gegen den Nächsten freigebig zu sein.

Solange der Mensch noch über seine Neigung reflektieren, sich und sie sondern und trennen und den auswendigen und inwendigen Menschen voneinander unterscheiden kann, wird er zwar straucheln, allein nicht fallen, und fällt er, sich nicht moralisch beschädigen.

So wie der Geiz seinen eigenen Händen nicht traut, so traut auch der Kluge seiner Vernunft nicht.

Jene Fehler bleiben die gefährlichsten, die in Schafskleidern zu uns kommen und inwendig reißende Wölfe sind; an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Alle Empfindungen, so hoch man auch kommt, lehren nur den Menschen, wieweit er noch vom Ziele sei.

Das Böse, das man selbst an sich hat, straft man desto härter an anderen.

Einer will den andern übermeistern, ohne daß er seiner selbst Meister ist.

Nicht nur die Kraft, auch den Schein verleugnen wir.

Durchs Ohr kommt weniger Mitleid ins Herz als durchs Auge. Man kann eher seine Stimme als sein Auge verstellen, und wen siehst du, wenn du jemandem ins Auge siehst? Dich selbst im kleinen. Du bist in gewisser Art gegen dich selbst mitleidig.

Ein gutes Gewissen ist besser als zwei Zeugen. Es verzehrt deinen Kummer wie die Sonne das Eis. Es ist ein Brunnen, wenn dich dürstet, ein Stab, wenn du sinkst, ein Schirm, ein rigaischer Pastorhut, wenn dich die Sonne sticht, ein Kopfkissen im Tod.

Ein böses Gewissen ist ein Ofen, der immer raucht; ein Gewitter ohne Regen. Es ist Kläger, Richter, Henker in einer Person. Die Nachtigall singt dir: Du bist ein Dieb; die Lerche: Du hast gestohlen.

Es gibt zweierlei Gewissensarten: ein Lebens- und Sterbensgewissen.

Zwei Dinge sind uns not: Gewissen und Ruf. Dieser des Nächsten, jenes unseretwegen. Das Gewissen aber verdient mehr Rücksicht als der Ruf. Dieser kann trügen, jenes nie. Beim Ruf fällst du in der Menschen Hände, beim Gewissen in die Hand Gottes.

Auf die Frage: Was ist Freiheit? antwortete ein Weiser: Ein gutes Gewissen.

Wir sterben lieber in jeder Stunde, als daß wir die Hoffnung aufgeben sollten; wir halten täglich mehr aus als den Tod um der Hoffnung willen, noch länger zu leben, und müssen doch einmal recht aus dem Grunde sterben. Nimm dir recht vor zu sterben, so stirbst du am wenigsten und hältst beinahe die Stunde. Stirb, als hättest du deinen Tod auswendig gelernt, und sieh nicht ins Konzept. Stirb von ganzem Herzen, so stirbst du den Tod der Gerechten, und deine Seele ist in Gottes Hand, und keine Qual rührt sie an. Wer so stirbt, der stirbt wohl. Sieh die, welche du liebst, zuweilen schlafen, damit du nicht trauerst um deren Tod; denke dir deinen ärgsten Feind im Himmel, damit du ihm verzeihst.

Wer nach einer frohen Stunde den Tod schön finden kann, das ist ein Mann. Leben und Tod liegt in Gemengen. Was tun wir im Tode? Wir legen bloß das Kleid ab, das jenem zu eng ist.

Die Hoffnung ist etwas Geistiges, Unsichtbares. Sie ist Geist vom Geist. Sie ist selbst ein Geist, der uns lehrt, weise zu leben und froh zu sterben. Siehe, wenn der Körper stirbt, fängt ihr Leben in Gott an. Man nehme dem Genuß die Vorstellung, die Weise, alles, was man gern hat, sich weit vorzüglicher zu denken, als es da ist, allem ein poetisches Kleid umzuhängen. Was ist dann der Genuß? Er ist nicht des Aufhebens wert.

Die Welt ist ein Garten im Norden, wo wenig reif wird.

Das Gebet ist der Spiegel, durch welchen wir im Dunkeln Gott sehen.

Der Mensch geht in dieser Welt in die Schule beim lieben Gott. Der Tod befördert ihn zur Akademie. So wie du gewartet hast, ehe dir das Licht angezündet wurde, so warte auch, bis es ausbrennt oder ausgelöscht wird, und denke an die Sonne der Gerechtigkeit, die nach der Zeit über deinem Haupte aufgeht, ohne unterzugehen in Ewigkeit.

Dieses Leben ist Lachen und Weinen in einem Sack. Laßt Leben und Tod aus einem Stück sein, und soll Leben und Tod als etwas Verschiedenes angesehen werden, macht, daß der Deckel zum Gefäß paßt. Das Leben ist so etwas Niedrig-Komisches, daß es jeden klugen Mann ekelt zu leben. Alle Toten haben Ernst in ihren Gesichtszügen. In der andern Welt wird vielleicht das Lachen kein solches Hauptstück des Lebens sein; da wird das Lachen teuer werden.

Es ist kein natürlicher Zusammenhang zwischen dem Wohlverhalten und der Glückseligkeit, und es zu verbinden, muß man ein göttliches Wesen annehmen. Ohne dies kann ich keine Zwecke in der Welt finden, keine Einheit. Ich spiele in der Welt Blindekuh. Ohne Gott habe ich keinen Punkt, wo ich anfangen soll, nichts, was mich leitet.

Wie viele haben Gottes Existenz tapfer demonstriert und durch ihr Leben diese Demonstration tapfer widerlegt. Seinen Willen tun, bleibt der beste Beweis, daß er sei. Frauen haben Gott im Herzen, und da sie wohl wissen, daß wegen der zweckmäßigen Einrichtungen der Natur die Grundursache als verständig gedacht werden muß, so kümmert es sie nicht, wie viel oder wie wenig die spekulative Vernunft zu diesem Glauben beitrage.

Die Idee ist sehr natürlich, daß, wenn uns kein Mensch hört, Gott uns höre.

Das Gebet selbst, was ist's ohne Handlungen, ohne gute Gesinnungen? Gehe hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und bete; empfinde das innere Bewußtsein dieser guten Tat, und dieses Bewußtsein opfere Gott dafür. Dank ihm.

Warum sollten wir von so einer teuren Gabe, wie die Sprache ist, Gott nicht die Erstlinge opfern? Es gibt ein gewisses, herzliches, kindliches Denken, das durchaus in Worte ausbricht. Wir sind und bleiben Menschen. Das weiß der liebe Gott, der Engel kennt und Menschen kennt. Er erlaubt uns gern, ein Wörtchen mitzureden, wenn sich unser Geist zu seinem Schöpfer, dem Geist der Geister emporschwingt. Ich habe einen Stummen gekannt, der alle Abende und alle Morgen an den lieben Gott schrieb.

Da die meisten Menschen in ihren Gebeten eine gewisse Lebensart oder Bescheidenheit zu beobachten pflegen, so glauben sie in ihren Wünschen, als höre sie Gott nicht, dreister und ungezogener sein zu können.

Willst du einen beständigen Gönner haben, mache, daß er dir eine Wohltat erweist, die bekannt wird im Volke. Dies bindet wie Kitt. Er läßt dich nicht, als wenn er von seinem Vorschuß Zinsen haben wollte.

Auch jetzt noch ist der Mensch, wenn er will, im Paradiese. Er ist mehr darin als vorher. Er setzt sich jetzt selbst hinein, und einst kam er so dazu, mir nichts, dir nichts. Erworbenes Brot schmeckt am besten und bekommt auch so. Der Teppich der Erde ist mit den vortrefflichsten Kräutern angefüllt. Nur wir sind nicht mehr Schoßkinder. Wir müssen Hand ans Werk legen. Die vernünftige Unschuld ist was Göttliches, allein jene rotbackige gemeine Unschuld, was hat sie denn für Reiz?

Es ist ein Gott, sein Bevollmächtigter ist das Gewissen.

Der Christ hat zwar seinen Stern am Himmel, wie die Weisen aus dem Morgenlande; allein er muß auch seine Lampe in der Hand halten, wie die fünf klugen Jungfrauen.

Der Mensch soll wegen des Glaubens an Gott und nicht aus Stolz und Gewinnsucht seinen Obliegenheiten nachkommen. Es soll kein Wasser diesen Wein verderben, und ist sie dann nicht wert, die Tugend, daß man sie liebt? Hat sie denn nicht die glücklichsten Folgen, die bis in die Ewigkeit dauern? Nichts vergeht ganz. Alles, selbst der Körper, ist ewig, und unsere Handlungen? Keine ist kinderlos. Jede pflanzt sich fort, und oft wird aus einem Adam von Handlung eine ganze Welt. Laßt uns Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir ernten ohne Aufhören.

Gehe nicht um mit Übermütigen. Was soll dir der irdene Topf bei den ehernen; denn, wo sie aneinanderstoßen, zerbricht jener. Wächst wohl Schilf, wo es nicht feucht ist?

Ehre im Menschen das Bild Gottes.

Wenn du des Nachts reitest, nimm einen Schimmel; er dient dir zur Laterne.

Wenn du den Weg nicht kennst, nimm einen Wegweiser.

Gib fröhlich, was du gibst. Ein Geber, der nachdenkt über das, was er geben soll, gibt nicht vom Herzen, sondern vom Verstand.

Bücke dich, allein zerbrich nicht das Bein. Sei höflich, allein nicht beschwerlich.

Vergib, so wird dir vergeben; gib, so wird dir gegeben; übe dich in deinem Hause, das zu sein und zu werden, was du überall zu sein und zu werden verbunden bist.

Leihe nicht einem Gewaltigeren, als du bist. Leihst du aber, so erachte es gestreut auf einen undankbaren Acker.

Willst du den Frevler kennen, sieh ihn, wenn sein Feind den Arm bricht.

Richte nicht, so wirst du nicht gerichtet. Vergib, so wird dir vergeben werden. Alles, was du willst, das dir die Leute tun sollen, tu ihnen auch. Wer selbst Fenster hat, schlage sie nicht dem Nachbarn ein.

Sei langsam zu reden, schnell zu hören und langsam zum Zorn; denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Kaltes Blut aber hat mehr Unheil gestiftet als der Zorn.

Sandkörner machen den Berg, Minuten das Jahr, flüchtige Gedanken ewige Taten. Haltet nichts für Kleinigkeiten.