Wesen der antiken Götter

Hängt malus böse mit malus Apfel zusammen? Annahme eines Christen.


Der beste Beweis für die Gotteskindschaft Christi ist der, daß es Zeiten gab, wo jeder Teufel vor einem Kreuz die Flucht ergriff.


Wesen der antiken Götter: Bewußtsein des Fatums.


So gut Kirchen innerhalb unseres Gemeinwesens möglich waren und teilweise noch sind, so gut dürfen wir es von den Tempeln einer neuen Kultur hoffen. Weihe ist alles. Ist erst Wille zu solchen Heiligtümern, so werden sie selbst in unsern nüchternen Städten emporwachsen können. Der Mittelpunkt muß freilich ein großes Nationalheiligtum sein, etwa in Thüringen.


Das Ich ist die Spitze eines Kegels, dessen Boden das All ist.


Die Welt ist nur eine Form des Menschen.


Wenn man den Sternenhimmel mit Ernst betrachtet, wird man gestehen müssen, daß Gott, der Schöpfer, der größte Gedanke war, der je in ein Menschengehirn kommen konnte, wie zugleich Gott, der Sittenrichter einer der beschränktesten. Aber so gewiß der letzte unzählige Male bis zu Ende gedacht worden ist, so ungewiß ist es, ob der erste je in seiner ganzen unerhörten Mächtigkeit Herz und Hirn eines Sterblichen ergriffen und zerstört hat.


Ein Mensch, dessen ganzes Leben darauf gerichtet ist, das Rätsel Christi zu lösen.


Die Entwickelung der Fahrzeuge verfolgt langsam denselben Weg wie die religiöse Entwickelung. Der Vorspann verschwindet, die bewegende Kraft wird ins Innere selbst verlegt.


Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas.


Der Mensch hat kein Vorrecht auf Rücksicht. Groß und unbeirrt geht die Natur ihren Gang, und Legionen denkender Wesen fallen als Opfer, weil ihr Denken noch nicht Macht genug über ihr Leben gewonnen hat.


Wie könnten wir die große Selbstkorrektur des Lebens anders als ahnungsvoll verfolgen?


Jeder Mensch ist ein neuer Versuch der Natur, über sich ins Reine zu kommen.


Wie die Sprache für uns denkt und dichtet, so auch das Leben. Es ist interessant, zu beobachten, wie ins Rollen gekommene Verhältnisse sich oft genug ohne unser weiteres Zutun vollenden wollen (z.B. ein Liebesverhältnis, für dessen Entwickelung sich das Leben gewissermaßen viel mehr interessiert als die Beteiligten selbst). (Kette der ‚Zufälle‘.)


Alles Lebendige ist umflossen vom Äther der Sinnlichkeit. Oder: Die Luft der lebendigen Welt ist ein leicht entzündliches und jeden Augenblick an hunderttausend Punkten aufflammendes Gas: Sinnlichkeit.


Gibt es eine schönere Form, an einen Menschen zu denken, als ihn ‚Tag um Tag in sein Gebet mit einzuschließen‘? Und doch haben wir diese Form fallen lassen müssen …


Religion ist Selbsterkenntnis des menschlichen, als ebendamit göttlichen Geistes. Religion ist die Erkenntnis, daß alles Denken göttliches Denken ist, wie alle Natur göttliche Natur, daß jede Handlung eine Handlung Gottes, jeder Gedanke ein Gedanke Gottes ist, daß Gott nur soweit Gott ist, als er Welt ist, daß die Welt nichts anderes ist als Gott selbst, — daß in demselben Augenblick, da ein Mensch sich seines Gott-seins bewußt wird, Gott in ihm sich seiner selbst als Mensch bewußt wird.


Mein Tod ist meine Wahrheit, wie Dein Tod die Deinige. Wenn ich als Individuum sterbe, bejahe ich mich als Welt. Denn mein Tod als solcher ist dem Leben des Ganzen notwendig und da ich selbst der Teil wie das Ganze bin, ist mein Tod mir selber notwendig. Was aber meine Notwendigkeit ist, ist auch meine Wahrheit; denn Notwendigkeit ist höchste Bejahung und höchste Bejahung Wahrheit.


Ich werde erst sterben, wenn ich erfüllt haben werde, was ich erfüllt haben konnte. Gott stirbt nicht vor der Zeit. Er wacht hier auf und schläft dort ein, wie es gut ist. Was sträubst du dich gegen das, was du dein Schicksal nennst? Siehe dir selbst ins Antlitz: Dein Schicksal ist, daß du Gott bist. Ich sage: Gott! Aber wo uns die Wirklichkeit dieses Wortes faßte, da wäre unser Herz und Hirn auch schon dahin, wie ein Bologneser Glas, das, getroffen, zu Staub zerspringt. Gott schauen ist Tod, das wußten alle Völker. Gott erraten ist Leben.


Jahrhunderte stritten über das Wort Dreieinigkeit Und doch enthält es die Welt, für ein Kind gedeutet. Der Vater, das ist das Leben, das alles ist und das der einzelne Mensch nie aus seinem Gehirn heraus fassen oder gar erklären kann. Der Sohn, das ist dies selbe göttliche Leben als sich erahnendes Wesen, als Mensch, als der Mensch Christus im Besonderen. Der heilige Geist, das ist das langsame Weitergären dieser Erkenntnis auf Erden: daß alles ‚Gott‘ ist. —


Tief unten schlachten sich noch die Völker, es raucht das Blut und in Selbstzerfleischung fällt noch — Blindes sich selber an. Warum tue — Ich das. Ich weiß es nicht. Die Menschheit ist noch ein Kentaur, der heilige Geist hat das Tier erst zur Hälfte verwandelt.


‚Gott ist nur der Lebensfunke.‘ Schön. Dieser Funke aber bildet Sterne und Gehirne. Ja, er legt mir selbst das Wort Gott über sich in den Mund. Und so brauch ich's denn.


Was es gilt, ist die Austreibung Gottes aus allem Jenseits in das Diesseits. Gott ist nicht irgendwo, er ist auch nicht hier oder dort, sondern er ist dies und das, und drittes und legionstes.


Ich habe den verwandelnden Blick.


Im Menschen erschuf sich das Ungeborgene seine Burg. Gott ist nichts Außerbürgerliches; wo auch nur die kleinste Zelle, da ist sie zugleich Gottes Burg. Nun ist aber alles Zelle, das Wort wo ist überflüssig, ebenso wie wenn man sagen wollte: wo (im Glase Wasser) auch nur ein Tropfen Wasser, da ist Gott in ihm. Alles ist ‚Burg‘. Seit Welt überhaupt ist, gibt es nur Gott, den Geborgenen, den Bürger.


Wie tief wird doch die Kirche, wenn man die Menge betrachtet, in der sie das eigentlich Wertvolle, das Innerliche, Namenlose wach erhält, diese Menge, die unter den Händen der Aufklärer zu einem platten, sich selbst und den andern uninteressanten Haufen wird! Ja, die Kirche ist sicherlich unsere, der Erkennenwollenden, beste Freundin. Sie ist die einzige ebenbürtige Gefährtin der Philosophie. Und was die Verirrungen beider anbetrifft, so dürften sie hier wie dort, wenn auch gleich ehrwürdig, ganz verschiedenen Charakters, gleich unerträglich und gleich lächerlich sein.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aphorismen aus der Feder von Christian Morgenstern