Dritte Fortsetzung
Von allen Versuchen, die bisher zur Lösung der Judenfrage unternommen wurden, legt ein einziger die Axt bei der Wurzel an: der Zionismus. Jawohl, der vielverleumdete, verketzerte, von den Juden selbst in geradezu tragischer Verblendung am heftigsten bekämpfte Zionismus. Die Vorstellungen, die ein großer Teil der westeuropäischen Juden vom Zionismus haben, ähneln zum Verwechseln denen, welche die bessern Dienstboten vom Sozialismus hegen. Wie diese glauben, der Sozialismus sei die katastrophal hereinbrechende, allgemeine Güterverteilung, so ist für gewisse Schichten der Judenschaft der Zionismus gleichbedeutend mit einem plötzlichen, vollständigen, womöglich gewaltsamen Exodus der Juden aus den Kulturländern. Keinem Zionisten ist jemals die Propagierung eines derartigen, haarsträubenden Unsinns eingefallen. Auf derselben Stufe der Einsicht steht die in den gleichen Schichten der Judenschaft oft gehörte Behauptung, der Zionismus wolle das alte Ghetto wieder aufrichten. Nein, nicht zurück in das Ghetto, heraus aus dem moralischen Ghetto, in dem sie jetzt leben, wollen die Zionisten — die am modernsten denkenden Juden — ihr Volk führen.
Es ist erstaunlich und berührt den Arier ganz eigentümlich, wenn er bemerkt, dass der größte Teil der westeuropäischen Juden von den primärsten Tatsachen der zionistischen Idee und Bewegung nicht die geringste Kenntnis besitzt und in den plattesten Vorurteilen über sie befangen ist. Was erstrebt nun eigentlich der Zionismus? Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk als Ganzes und die Verminderung der Reibungsflächen zwischen den arischen Völkern und den Juden, die unter ihnen leben und selbstverständlich auch nach Errichtung und Ausgestaltung eines jüdischen Gemeinwesens zum größten Teil unter ihnen verbleiben werden. Kann man sich etwas Gerechteres und Vernünftigeres denken? Muss ein solches Streben nicht von jedem Unbefangenen, der vor den unerträglichen Leiden der Juden in Osteuropa, vor der jeder Gesittung hohnsprechenden moralischen Lage der Juden in den Kulturstaaten nicht gewaltsam die Augen verschließen will, als eine gebieterische Notwendigkeit, geradezu als eine Selbstverständlichkeit anerkannt werden? Aber ihre Lage unbefangen und in ihrer wahren Gestalt zu sehen, ist eben gerade dasjenige, was den Juden bisher am meisten gefehlt hat. Alle bisher unternommenen Versuche, die Judenfrage zu lösen, mussten scheitern, weil sie von gänzlich falschen Voraussetzungen ausgingen.
Die Juden sind nicht eine Glaubens-, sondern eine Volksgenossenschaft. Auch der getaufte Jude bleibt Jude, in den Augen des Ariers und de facto. Es gibt nicht Deutsche, Franzosen und Engländer mosaischer Konfession, sondern nur deutsch, französisch und englisch sprechende Juden. Gegen diese Tatsachen hilft kein Sträuben der Juden. In den Augen jedes Ariers machen sie sich nur lächerlich und sagen wir es offen, verächtlich, wenn sie dies leugnen. Der moderne Antisemitismus richtet seine Spitze nicht gegen das mosaische Bekenntnis der Juden, sondern gegen ihre semitische Abstammung, die jeder Arier fast immer sofort erkennt.
Die Beleidigung der Juden, welche angeblich in diesem Erkennen liegt, haben erst die Juden selbst hineingeklügelt. Gleichen sich etwa die angelsächsischen und die romanischen Rassen innerlich und äußerlich? Erkennen vielleicht die Angelsachsen und die Romanen ihre Konnatonialen nicht gewöhnlich auf den ersten Blick? Kann man die blonde, helläugige, schlanke Skandinavierin mit der üppigen, schwarzen, glutäugigen Sizilianerin verwechseln? Gewiss nicht, auch wenn die Skandinavierin zufällig in Palermo und die Sizilianerin in Christiania geboren wäre. Wenn schon nicht die Augen-, Haar- und Hautfarbe die verschiedene Abstammung der beiden verriete, doch der Gesichtsschnitt, der Körperbau, die Bewegungen, kurz alle die tausend Kleinigkeiten, die eben zusammen die Rassenmerkmale darstellen und die in der Mehrzahl der Fälle für das geübte Auge untrüglich sind.
Was für die Physis gilt, trifft natürlich auch bei der Psyche zu, die ja immer nur ihr Korrelat ist. Man vergleiche doch die nordische mit der romanischen Literatur, Ibsen, Björnson etc. mit D'Annunzio, Prevost etc. — Die Stellung der Frau in England und Sizilien! Und dieser, sozusagen greifbare Unterschied zwischen den Söhnen der gemeinsamen arischen Volksfamilie soll auf einmal zwischen Ariern und Semiten nicht bestehen, nur weil er einer Anzahl von Juden nicht passt und sich einige gefällige Gelehrte gefunden haben, die ihn auf Grund der Wissenschaft leugnen? Die Wissenschaft bestreitet die Existenz eines rein semitischen Stammes, aber der durch keine Fachkenntnis getrübte Blick des Durchschnittsariers erkennt den Juden 95 von 100mal. Die Scheu des Juden, als solcher von den Ariern erkannt zu werden, ist eine Ghettoeigenschaft und als solche historisch zu erklären. Die Juden können den berüchtigten gelben Fleck nicht vergessen, an den der gesittete Arier schon lange nicht mehr denkt, wenn er nicht gewaltsam daran erinnert wird. Jude zu sein, mag ein Unglück sein. Ganz gewiss ist es aber keine Schande. Das Judentum wird nur dann zur Schande, wenn es der Jude selbst als solche empfindet. Sonst nicht, wenigstens nicht in der Meinung von Leuten, deren Urteil zählt.
Die Nationaljuden, denn nichts anderes sind die Zionisten, haben den Finger auf die Wunde gelegt. Ihr Programm lässt sich in einer Forderung zusammenfassen: Die Anerkennung des jüdischen Volkstums, und zwar in erster Reihe durch die Juden selbst. Alles andere sind nur die logischen Folgen dieser Hauptforderung. Es ist nun eine vollkommen zutreffende Argumentation der Zionisten, dass durch die Scheu der Juden, ein jüdisches Volkstum anzuerkennen und ihren daraus entspringenden Mangel an nationaler Würde die Verachtung der Juden seitens der arischen Völker am meisten genährt worden ist und sonst vielleicht schon längst ein überwundener Standpunkt wäre. Gewiss, das Märchen, das Sprichwort, der Witz sind antisemitisch. Aber der Ursprung des Märchens, des Sprichwortes, reichen bis in die Ghettozeit zurück. Der Witz allerdings ist ein Kind des Augenblickes. Ja. Wer erfindet und erzählt aber die besten jüdischen Witze? Doch immer nur die Juden. So vernichtende Urteile über die Juden wie der Jude, fällt nicht der blutigste Antisemit. Ich erinnere mich einer Äußerung, die ich nie vergessen werde. Ein Jude erzählte mir, er habe sich taufen lassen, damit ihn seine Kinder einmal nicht auf den „Anger" hinausbegleiten müssten. Kann man sich etwas Roheres vorstellen? Leider dürfte jeder Arier einmal Ähnliches gehört haben, wenn auch nicht in ganz so krasser Form. Was sich die Arier dabei wohl denken mögen?
Glauben die Juden vielleicht ihre Stellung zu verbessern, sich ein Anrecht auf die Achtung der Arier zu erwerben, wenn sie ihr Volkstum verleugnen, es in den Kot zerren? Die Juden, die sich auf die Arier hin ausspielen, werden von diesen eben so ausgelacht, wie die Bürgerlichen, welche die Aristokraten posieren, von diesen verspottet werden. Ja noch mehr als das. Hier trifft Bürgers ehernes Wort zu : „Der Großen Hochmut wird sich geben, sobald unsere Kriecherei sich gibt." Kein Adeliger wagt es, einen Bürgerlichen zu beleidigen, der ihm selbstbewusst entgegentritt. Der Eigendünkel der arischen Völker muss ins Unendliche wachsen, wenn die Juden sichtbarlich nur ein Bestreben kennen, das ist, für Arier zu gelten und sich damit selbst von vornherein als minderwertig erklären. Die Mehrzahl der Juden fassen es als die größte Schmeichelei auf, wenn ein Arier betont, er mache keinen Unterschied zwischen Jud und Christ. Sind sich diese Juden bewusst, welche Beschimpfung des ganzen Judentums in einer solchen vermeintlichen Artigkeit liegt? Braucht man denn das Selbstverständliche erst ausdrücklich zu betonen?
Der Zionismus will den Juden ihre verlorene Menschenwürde zurückgeben. Er will endlich der ebenso lächerlichen wie unwürdigen jüdischen Vogelstraußpolitik ein Ende machen. Ein Teil der Juden fühlt sich nicht als Juden. Schön. Aber die Arier, unter denen sie leben, empfinden sie als solche und darauf kommt es einzig und allein an. Einseitige Geschäfte gibt es nicht. Um zu einem befriedigenden Abschluss zu gelangen, müssen beide Teile einverstanden sein. Bis jetzt wollen nur die Juden.
Die von falschen Voraussetzungen ausgehende Assimilationspolitik der Juden hat, anstatt die Judenfrage dauernd zu lösen, den modernen Antisemitismus erzeugt, der in letzter Instanz nichts anderes ist, als eine arisch-nationale Abwehrbewegung. Um ihn wirksam zu bekämpfen, muss daher endgültig mit dieser Politik gebrochen werden. Die Juden sind ein Volk, ein hochbegabtes Volk mit einer großen Vergangenheit, ein unglückliches, in alle Windrichtungen zerstreutes, heimatloses Volk, aber „ein Volk, ein Volk" mit allen charakteristischen äußerlichen und innerlichen Merkmalen einer Volksgenossenschaft. Als anerkanntes Mitglied der großen Völkerfamilie hat aber das Judentum auch den geheiligten Anspruch auf alle Rechte eines solchen, das sind vor allem Ehre und Boden. Jedes ehrliche Volkstum, das sich nicht unter fremden Masken verbirgt, hat ein natürliches Anrecht auf Achtung und Duldung von Seite der anderen Völker, wenn es diese nicht mittel- oder unmittelbar bedroht. Die Betonung seiner Volksindividualität von Seite eines Volkes kann aber in einer Zeit des allgemeinen Ringens um die Volkseinheit, in einer Zeit, da die kleinsten Völker willig jedes Opfer bringen, um sich in ihrer nationalen Besonderheit zu behaupten, ihre nationale Eigenart zu bewahren, billigerweise von den anderen Völkern niemals als eine Herausforderung betrachtet werden.
Was ist nun das erste und oberste Prinzip im Leben eines jeden Volkes wie eines jeden einzelnen Individuums ? Das Prinzip der Selbsterhaltung. Um sich selbst erhalten zu können, braucht aber das jüdische Volk einen eigenen Boden, das ist eine öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte. Der Mangel einer solchen ist der Ausgangspunkt aller Leiden Israels seit der Zerstörung Jerusalems gewesen und bis zum heutigen Tage geblieben. Wie der Einzelne, hinter dem niemand steht, der im geeigneten Augenblicke für ihn die Hand zu erheben bereit wäre, nur immer auf Duldung angewiesen, daher praktisch schutz- und rechtlos ist, so auch ein Volk. Wie der Heimatlose, der nirgends wurzelt, überall fremd ist, niemals ein eigenes Dach über seinem Haupte besitzt, bestenfalls nur ein Gegenstand des Mitleids, meistens aber der Verachtung für die Glücklicheren seiner Mitbrüder ist, so auch eine ganze Nation, die keine Volksheimat besitzt. Nur das jüdische Volk ganz allein unter allen Kulturvölkern, hat kein eigenes Land unter den Füßen, vermag daher seinen Angehörigen keinen Schutz und keine Achtung zu verschaffen, kann ihnen im äußersten Notfalle nicht einmal eine Zufluchtsstätte gewähren. Nur gegen das heimatlose und daher schutz- und rechtlose jüdische Volk durften sich die anderen Völker bisher ungestraft alles erlauben. Nicht einmal das kleine Montenegro hätte eine Massenabschlachtung seiner Volksangehörigen im Auslande widerspruchslos hingenommen und die Kulturvölker hätten seine berechtigten Forderungen nach einer Sühne gewiss bereitwilligst unterstützt. Nur die heimatlosen und wehrlosen Juden darf man beschimpfen, plündern, morden, ohne dass sich eine Hand zu ihrem Schutz erhebt, eine Stimme Sühne für das Ungeheuerliche fordert.
Die Forderung der Zionisten nach Schallang einer gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk trifft daher den Kernpunkt der ganzen Judenfrage, die durch ihre Erfüllung allein dauernd zur Ruhe kommen kann. Diese Forderung wird aber durch die Gestaltung, welche die Lage der Juden gerade in der letzten Zeit angenommen hat, auch zu einer unmittelbar drängenden Notwendigkeit: In den Ländern des Antisemitismus der Tat können die Juden nicht bleiben. Das ist für jeden denkenden und fühlenden Menschen klar. Die Kulturländer des Westens einschließlich Englands und Nordamerikas können und wollen sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht aufnehmen und wollten sie es, so würde dies nur eine Folge haben: die Erweckung des Antisemitismus, wo er noch nicht besteht, seine Verschärfung dort, wo er seinen Einzug bereits gehalten hat. Wohin also mit den Unglücklichen, die jährlich zu Hunderttausenden aus Russland und Rumänien hinausgedrängt werden?
Seit einiger Zeit beginnen auch solche jüdische Kreise, die — der jüdisch-nationalen Bewegung ganz fernstehend — das Problem ganz äußerlich nur als eine Frage der Regulierung der Auswanderung ansehen, ihre Aufmerksamkeit auf die Länder des türkischen oder vormals türkischen Orients zu richten. Hier herrscht kein judenfeindlicher Geist; was aber mehr ist, er kann aus wirtschaftlichen Gründen durch die Einwanderung nicht wohl entstehen. Denn während die Juden nach den Ländern des Westens eine niedrigere wirtschaftliche Kultur und die damit verbundene Bedürfnislosigkeit hinbringen und — namentlich, wenn sie in Massen auftreten — die Befürchtung verursachen oder auch rechtfertigen können, dass sie den Lebensfuß der einheimischen Bevölkerung herabdrücken, ist in den Ländern des türkischen Orients das Umgekehrte der Fall: Gegenüber den einheimischen Fellahs oder Arabern und alle Europäer, auch die am wenigsten entwickelten russischen Juden Vertreter einer höheren wirtschaftlichen Kultur, deren Zuströmen für das verwahrloste Land ein Aufblühen, für die arme einheimische Bevölkerung Arbeit und Verdienst, für die Regierung Erhöhung der Einnahmen bedeutet. Die hier einwandernden Juden befinden sich daher moralisch von vornherein in einer günstigeren Lage. Aber auch ökonomisch haben sie hier bessere Aussichten als in den sonst für die Einwanderung in Betracht kommenden Gebieten. In den hochentwickelten Staaten Westens, namentlich England und Nordamerika, werden die jüdischen Einwanderer, soweit man sie überhaupt noch einlässt — New-York allein zählt heute bereits 600.000 jüdische Einwohner, der Sättigungspunkt ist daher zweifelsohne schon erreicht, wenn nicht überschritten — als die wirtschaftlich am schwächsten Ausgerüsteten der Hauptmasse nach in die berüchtigten Ausbeutungsstätten, die Schwitzhäuser, gedrängt, wo ihr Los nicht viel besser ist als es zu Hause war.
Dem Gedanken oder Versuch, die Juden fern von den Kulturländern auf jungfräulichem Boden — Ostafrika, Argentinien etc. — anzusiedeln, stellen sich wieder Schwierigkeiten anderer Art entgegen. In einer solchen Weise kann eine bäuerische Bevölkerung unter Umständen mit Aussicht auf Erfolg verpflanzt werden. Aber die Juden sind keine Bauern, sondern der Hauptmasse nach städtische Kleinhändler und Kleinhandwerker. Hier kompliziert sich das Emigrationsproblem also noch mit dem Problem, eine solche Bevölkerung erst in Bauern umzuwandeln. Auch das ist möglich. Die Ackerbaukolonien des Baron Hirsch in Argentinien beweisen es, das heißt, es kann erreicht werden, dass eine Anzahl von Juden sich auch unter solchen Verhältnissen nach einer langen Reihe von Jahren als Ackerbauern selbst erhalten, nachdem sie bis dahin von den Unternehmern der Kolonisation ausgehalten oder unterstützt werden mussten, was schon bei einer geringen Zahl von Kolonisten sehr große, bei einer für die Emigration halbwegs in Betracht kommenden Masse einfach unerschwingliche Mittel erfordert und das Ganze überdies zu einem Werke der Wohltätigkeit macht, mit allen Schäden, die dieser eingeboren sind. Unser ganzer sozialer Organismus ist leider nicht so beschaffen, dass man heute noch der Wohltätigkeit entraten könnte. Aber es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Wohltätigkeit im allgemeinen depravierend wirkt, sowohl auf den Gebenden wie auf den Empfangenden. Um durch genossene Wohltaten nicht moralischen Schaden zu leiden, muss man sittlich sehr hoch stehen, höher als der Durchschnitt der Menschen. Das ganze Leben eines Volkes auf der Wohltätigkeit aufbauen, hieße den Charakter dieses Volkes verlumpen wollen.
Einem Volke, und so auch den Juden, kann nur dadurch geholfen werden, dass — wie es die besseren Regierungen in den Kulturländern tun — durch allgemeine Einrichtungen auf dem Gebiete des Verkehrs, der Sicherheit, des Kreditwesens, der Erziehung etc., die allgemeinen Existenzbedingungen verbessert werden und es dem Einzelnen leichter gemacht wird sich selbst zu helfen. Für eine solche Hilfsaktion scheinen nun in der Tat die Länder des türkischen Orients und diese allein den geeigneten Spielraum zu gewähren. Das sind keine weltfernen, jungfräulichen, erst urbar zu machende Gegenden, es sind Gebiete, die der europäischen Kultur nahe und leicht erreichbar sind, selbst alte Kulturländer, die nur verwahrlost, entvölkert, sozusagen vergessen sind, aber eben darum für Millionen Menschen Raum und Nahrung bieten, wenn sie nur erst wieder gleichsam entdeckt und der modernen wirtschaftlichen Kultur erschlossen werden. Wie rasch dieser Prozess sich vollzieht, zeigt der fabelhafte Aufschwung den z. B. Ägypten und die Insel Cypern in der kürzesten Zeit genommen haben, seitdem sie unter europäischen Einfluss gekommen sind, europäischer Fleiß und Unternehmungsgeist sich dort betätigen und -europäische Wirtschaftsmethoden anwenden.
Das von diesen Ländern speziell Palästina, das durch seine unvergleichlich günstige Lage, sein Klima und die natürlichen Bedingungen seines Bodens für eine rasche und kräftige Entwicklung besondere Aussichten zu haben scheint von und für die Juden in der erwähnten Weise europäisiert, wirtschaftlich und kulturell erobert und dadurch für große Massen jüdischer Einwanderer aufnahmefähig gemacht werde, ist der, wie man sieht, durchaus nicht utopischste, sondern ganz nüchterne und realpolitische Gedanke, welcher der zionistischen Bewegung ihre Richtung weist.
Auf diesem Wege sind in Palästina auch bereits im Laufe weniger Jahre ganz erhebliche Erfolge erzielt worden, und es sind dort schon höchst beachtenswerte Ansätze zur Entwicklung eines jüdischen Gemeinwesens zu verzeichnen. Vor allem ist die jüdische Bevölkerung in Palästina in raschem Steigen begriffen. Jerusalem ist mit seinen ca. 45.000 Juden (von 70.000 Einwohnern) wieder eine jüdische Stadt geworden und — was besonders wichtig ist — auch am Lande wächst das jüdische Element. In den jüdischen Dörfern, deren Zahl gegenwärtig 32 beträgt und beständig zunimmt und die in Bezug auf die Verwaltung eine große faktische Selbständigkeit genießen, leben gegenwärtig bereits ca. 7.000 jüdische Wein- und Ackerbauern.
Da nur die jüdische Einwanderung in einer solchen Weise wächst und systematisch gefördert wird, so kann bei der überaus spärlichen Bevölkerung Palästinas (ca. 700.000 bei einem Lande in der Größe von Belgien) sehr wohl mit der Tatsache gerechnet werden, dass die Juden in absehbarer Zeit wieder die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Gefördert wird dieser Prozess von den Zionisten in höchst vernünftiger Weise nicht durch Ansiedlung von Kolonisten, für die man dann die Verantwortung zu tragen hätte, sondern nur dadurch, dass man die in Palästina bestehenden Erwerbsmöglichkeiten untersucht und verbessert, Hindernisse des Erwerbslebens — sie mögen den Verkehr, die Sicherheit, die Verwaltung, das Steuerwesen etc. betreffen — zu beseitigen, neue Erwerbsquellen zu schaffen bestrebt ist. Auch wird durch Verbreitung richtigerer Vorstellungen über die in Palästina bestehenden oder neu geschaffenen wirtschaftlichen Möglichkeiten jüdisches Kapital und jüdischer Unternehmungsgeist auf Palästina hinzulenken gesucht.
Ich kann natürlich nicht alles aufzählen, was in dieser Richtung in Palästina in den letzten Jahren geschehen oder im Zuge ist, obwohl es für diejenigen meiner Leser, welche die zionistische Literatur und Presse nicht kennen und nur die gewissen „Judenblätter " lesen, vielleicht ganz nützlich wäre; denn hier werden sie von diesen Leistungen, die den Juden wirklich zur Ehre gereichen und auch allgemeines Interesse zu erwecken geeignet sind, kein Sterbenswort erfahren. Ich erwähne nur das Industriesyndikat, die Palästina Handelsgesellschaft, die landwirtschaftliche Versuchsstation, die Informationsbüros, den Bezalel, ein von Professor Boris Schatz geleitetes Institut, das mit großem Erfolg bemüht ist die verschiedenen Zweige des Kunstgewerbes (Töpferei, Schnitzerei, Teppichweberei etc.) einzuführen und eine gewerbliche Flausindustrie zu organisieren und als Stütze aller wirtschaftlichen Unternehmungen die nationalen Bankinstitute: die von der zionistischen Hauptbank in London gegründete „Anglo Palestine lim." mit dem Sitz in Jaffa, die für ihren stetig sich ausdehnenden Betrieb bereits in Jerusalem, Hebron und Beirut Filialen errichten musste und die vom letzten Zionistenkongress beschlossene Agrarbank, die für die Hebung der jüdischen Agrikultur von großer Bedeutung werden kann.
Auch im Schulwesen, das, wie sich von Juden erwarten ließ, mit großem Eifer gepflegt wird, ist der Steigerung der Erwerbstüchtigkeit eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Neben den allgemeinen Bildungsanstalten vom Kindergarten bis zu dem vor kurzem gegründeten hebräischen Gymnasium in Jaffa finden wir Handwerker-, Gewerbe-, Ackerbauschulen und die Kunstgewerbeschule des Bezalel. Die Unterrichtssprache in fast allen jüdischen Schulen ist nicht, wie manche vielleicht erwarteten, der Jargon, sondern die totgeglaubte hebräische Sprache. Diese scheint sich zur jüdischen Volkssprache in Palästina zu entwickeln, eine Entwicklung, die nicht bewusst gemacht wird, sondern rein aus den Bedürfnissen des Lebens herauswächst. Nicht jeder Jude, der nach Palästina kommt, spricht Jargon oder denselben Jargon, ein wenig Hebräisch aber versteht fast jeder. So wurde dies ein Verständigungsmittel und ist heute bereits die Sprache der Zeitungen, Kalender, Lehrbücher, der Handelskorrespondenz und der Straßenplakate. Sogar die österreichische Levantepost Verwaltung affichiert ihre amtlichen Bekanntmachungen in hebräischer Sprache. Ich hebe dies deshalb hervor, weil man der zionistischen Idee auch die Sprachenfrage als eine unlösbare Schwierigkeit entgegengehalten hat. Solche Fragen werden eben nur durch das Leben gelöst, nicht durch Theorien und Diskussionen.
Sehr umsichtigerweise hat die zionistische Organisation ein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, vom palästinensischen Grund und Boden soviel als möglich zu einer Zeit in jüdische Hände zu bringen, in der dieser Grund, dessen enorme Wertsteigerung bei fortschreitender Kultivierung des Landes sicher ist und zum Teil schon sich fühlbar macht, noch zu billigem Preis zu erhalten ist. Diesem Zwecke dient namentlich der „Jüdische Nationalfond" der aus kleinen Spenden, die in der ganzen Welt bei allen Anlässen gesammelt werden, beständig gespeist, ganz ansehnliche Erträgnisse liefert und zum Ankauf von Grund und Boden in Palästina bestimmt ist, der dann unveräußerliches Nationaleigentum des jüdischen Volkes wird. Eine andere Einrichtung des Palästina-Pflanzungsverein ermöglicht es den außerhalb Palästinas verbleibenden Juden für einen geringen Betrag Grundparzellen zu erwerben, die dann von Einheimischen oder einwandernden Juden gepachtet und bebaut werden.
Dem Außenstehenden ist es natürlich unmöglich zu beurteilen, inwieweit die oder andere der zionistischen Einrichtungen und Gründungen aussichtsreich und zweckmäßig sind. Unverkennbar aber ist, dass hier zum ersten Male nach einem einleuchtenden Plan, auf durchaus realer Grundlage eine zielbewusste jüdische Volkspolitik gemacht wird, die nebenbei bemerkt, für die oft bezweifelte Fähigkeit der Juden sich selbst zu regieren, ein höchst günstiges Vorurteil zu erwecken geeignet ist.
Würden die Juden des Westens, die dem Zionismus bisher zum größten Teil passiv oder feindselig gegenüberstehen, dafür gewonnen werden, diese Politik mit ihren reichen materiellen und intellektuellen Mitteln zu unterstützen, würde die arische Meinung sich in entschiedener Weise für den Zionismus erklären, in wie raschem Tempo müsste dann das Werk der wirtschaftlichen Eroberung und Judaisierung Palästinas vor sich gehen! Dann würde auch die Erlangung des von den Zionisten angestrebten Charters, der administrativen Autonomie, keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bieten. Warum sollte denn für die Juden in Palästina gänzlich unerreichbar sein, was die Türkei für das Libanongebiet und für die Insel Samos zugestanden hat? Eine solche Autonomie würde nicht nur ökonomisch von größter Bedeutung sein (denn die Abneigung mit türkischen Behörden etwas zu tun zu haben, bildet mit Recht oder Unrecht stets ein Hauptbedenken gegen wirtschaftliche Unternehmungen im Orient), vor allem würde dadurch allein die in Palästina in Bildung begriffene jüdische Siedlung den Charakter eines wirklich gesicherten Volksheimes erlangen. Die der Christenheit geheiligten Stätten müssten dabei selbstredend für exterritorial erklärt und unter internationalen Schutz gestellt werden.
Mit der Schaffung eines solchen jüdischen Gemeinwesens wäre zugleich auch das zweite Postulat der Zionisten, die Verminderung der Reibungsflächen zwischen den zurückbleibenden Juden und den arischen Volksstämmen von selbst erfüllt. Wie bereits gesagt, würde die überwiegende Mehrheit der westeuropäischen Juden auch nach Errichtung einer jüdischen Volksheimat an ihren bisherigen Wohnstätten verbleiben. Aber ihre Stellung würde eine ganz andere werden. Was beeinflusst heute die Lage der Juden in den Kulturländern am ungünstigsten? Der fortwährende jüdische Nachschub aus Osteuropa, durch den sich die arischen Kulturvölker mit voller Berechtigung als Rasse, wirtschaftlich, sozial und in intellektueller Beziehung bedroht fühlen. Assimilationsversuche einer verschwindenden Minderheit mögen für diese inopportun, für die Mehrheit unangenehm sein, sie bilden aber keine Rassegefahr, denn mit der Zeit wird die Minorität von der Majorität doch resorbiert werden. Anders, wenn diese Minderheit in unverhältnismäßiger Weise zur Mehrheit an Kopfzahl wächst. Dann wird die Assimilation zur Rassegefahr für die Majorität und muss bei Völkern von stark ausgeprägtem Nationalbewusstsein — und das sind heute alle Kulturvölker ohne Ausnahme — eine nationale Abwehrbewegung erzeugen, m diesem Fall den Antisemitismus. Hören die jüdischen Nachschübe aus Osteuropa auf, so wird die jüdische Bevölkerungszunahme in den Kulturländern nur mehr in einer dem arischen Volkszuwachs entsprechenden Zahl stattfinden. Die Rassegefahr für die arischen Völker ist beseitigt und dem Antisemitismus der Hauptvorwand entzogen.
Aber auch die wirtschaftlichen Reibungsflächen würden dadurch wesentlich verringert werden und der natürliche friedliche Wettbewerb wieder eintreten können. Die unglücklichen „zugereisten" Hausierer würden dem Kleingewerbetreibenden keinen Bissen mehr aus dem Mund nehmen und dadurch nicht mehr den Judenhass in den unteren Schichten erregen. Ebenso würde die Überfüllung und Proletarisierung der freien Berufe durch eingewanderte galizische, russische und rumänische Juden aufhören und zwischen jüdischer und arischer Studentenzahl dadurch wieder das den Bevölkerungsziffern der beiden Stämme proportionale Verhältnis hergestellt werden. Alle jene jungen, akademisch gebildeten Juden, die heute in ihrer gegenwärtigen Heimat ihr Fortkommen auf normale Weise nicht finden können, würden nicht mehr gezwungen sein zu unsauberen Praktiken zu greifen, um ihr Leben zu fristen, sondern könnten, wie die Engländer in die Kolonien, nach Palästina gehen, wo für ihre jetzt brachliegenden oder missbrauchten Kräfte ein reiches Betätigungsfeld wäre. Anstatt den Antisemitismus in den Kulturländern immer von neuem zu erzeugen, würden sie die westeuropäischen Errungenschaften nach dem Morgenland tragen und dort Kulturpioniere in des Wortes bester Bedeutung werden. Für die rastlos produzierten mittleren jüdischen Intelligenzen, die heute den freien Berufen zuströmen und sie sowohl in materieller wie in moralischer Beziehung entwerten, wäre ein gesunder Abfluss geschaffen und dadurch eine allgemeine, wirtschaftliche Erleichterung, deren wohltätige Rückwirkung die zurückbleibenden Juden allsogleich verspüren würden.
Beinahe noch günstiger als die wirtschaftliche wäre die moralische Lage der zurückbleibenden Juden in den Kulturstaaten durch Errichtung einer jüdischen Volksheimat beeinflusst. Man denke vergleichsweise nur an das stetig wachsende Ansehen, das die österreichischen Staatsbürger italienischer Nationalität seit Gründung des italienischen Einheitsstaates genießen. Seit das mächtige Mutterland hinter ihnen steht, werden sie sowohl von jeder Regierung wie auch von ihren Mitbürgern mit ganz anderen Augen betrachtet, als ehedem, da Italien nur ein geographischer Begriff war. Die einst verachteten „Katzelmacher“ sind heute die geschätzten Angehörigen eines Staates, der die Vollberechtigung aller in ihm wohnenden Volksstämme anerkennt. Sie sind österreichische Staatsbürger und zugleich doch Mitglieder der großen, völkerrechtlich anerkannten italienischen Nation, deren Glanz auf sie zurückstrahlt. Bei den Juden, die selbst nach Ausbau eines Judenstaates in den Kulturländern zurückbleiben würden, käme auch noch ein anderes, nicht zu übersehendes Moment hinzu. Sie hätten mit dem Zurückbleiben den Beweis erbracht, dass sie das Land in dem sie wohnen, der alten, neuerworbenen Heimat vorziehen und würden dementsprechend geschätzt werden. Es ist eben ein ganz anderes Ding, ob man freiwillig bleibt, oder gezwungen, weil man keinen anderen Unterschlupf hat. Auch der zurückbleibende Jude würde aufhören der bestenfalls überall nur „geduldete" zu sein, sondern in allen Kulturländern aller jener Rechte teilhaftig werden, tatsächlicher und ideeller Natur, die heute jeder Rechtsstaat allen seinen Angehörigen ohne Unterschied des nationalen Bekenntnisses, gewährleistet. Die Schutz- und Wehrlosigkeit der Juden wäre ein für allemal zu Ende. Es ist einer der vielen hübschen Züge der menschlichen Natur, dass sie sich als Gegenstand des Angriffes immer nur den Schutz- und Wehrlosen erkürt. Wer den Schaden hat, braucht auch nicht um den Spott zu sorgen. Der Jude, der in der Lage ist, sich zu schützen und zu wehren, würde auch aufhören der „verachtete“ Jude zu sein.
Es ist erstaunlich und berührt den Arier ganz eigentümlich, wenn er bemerkt, dass der größte Teil der westeuropäischen Juden von den primärsten Tatsachen der zionistischen Idee und Bewegung nicht die geringste Kenntnis besitzt und in den plattesten Vorurteilen über sie befangen ist. Was erstrebt nun eigentlich der Zionismus? Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk als Ganzes und die Verminderung der Reibungsflächen zwischen den arischen Völkern und den Juden, die unter ihnen leben und selbstverständlich auch nach Errichtung und Ausgestaltung eines jüdischen Gemeinwesens zum größten Teil unter ihnen verbleiben werden. Kann man sich etwas Gerechteres und Vernünftigeres denken? Muss ein solches Streben nicht von jedem Unbefangenen, der vor den unerträglichen Leiden der Juden in Osteuropa, vor der jeder Gesittung hohnsprechenden moralischen Lage der Juden in den Kulturstaaten nicht gewaltsam die Augen verschließen will, als eine gebieterische Notwendigkeit, geradezu als eine Selbstverständlichkeit anerkannt werden? Aber ihre Lage unbefangen und in ihrer wahren Gestalt zu sehen, ist eben gerade dasjenige, was den Juden bisher am meisten gefehlt hat. Alle bisher unternommenen Versuche, die Judenfrage zu lösen, mussten scheitern, weil sie von gänzlich falschen Voraussetzungen ausgingen.
Die Juden sind nicht eine Glaubens-, sondern eine Volksgenossenschaft. Auch der getaufte Jude bleibt Jude, in den Augen des Ariers und de facto. Es gibt nicht Deutsche, Franzosen und Engländer mosaischer Konfession, sondern nur deutsch, französisch und englisch sprechende Juden. Gegen diese Tatsachen hilft kein Sträuben der Juden. In den Augen jedes Ariers machen sie sich nur lächerlich und sagen wir es offen, verächtlich, wenn sie dies leugnen. Der moderne Antisemitismus richtet seine Spitze nicht gegen das mosaische Bekenntnis der Juden, sondern gegen ihre semitische Abstammung, die jeder Arier fast immer sofort erkennt.
Die Beleidigung der Juden, welche angeblich in diesem Erkennen liegt, haben erst die Juden selbst hineingeklügelt. Gleichen sich etwa die angelsächsischen und die romanischen Rassen innerlich und äußerlich? Erkennen vielleicht die Angelsachsen und die Romanen ihre Konnatonialen nicht gewöhnlich auf den ersten Blick? Kann man die blonde, helläugige, schlanke Skandinavierin mit der üppigen, schwarzen, glutäugigen Sizilianerin verwechseln? Gewiss nicht, auch wenn die Skandinavierin zufällig in Palermo und die Sizilianerin in Christiania geboren wäre. Wenn schon nicht die Augen-, Haar- und Hautfarbe die verschiedene Abstammung der beiden verriete, doch der Gesichtsschnitt, der Körperbau, die Bewegungen, kurz alle die tausend Kleinigkeiten, die eben zusammen die Rassenmerkmale darstellen und die in der Mehrzahl der Fälle für das geübte Auge untrüglich sind.
Was für die Physis gilt, trifft natürlich auch bei der Psyche zu, die ja immer nur ihr Korrelat ist. Man vergleiche doch die nordische mit der romanischen Literatur, Ibsen, Björnson etc. mit D'Annunzio, Prevost etc. — Die Stellung der Frau in England und Sizilien! Und dieser, sozusagen greifbare Unterschied zwischen den Söhnen der gemeinsamen arischen Volksfamilie soll auf einmal zwischen Ariern und Semiten nicht bestehen, nur weil er einer Anzahl von Juden nicht passt und sich einige gefällige Gelehrte gefunden haben, die ihn auf Grund der Wissenschaft leugnen? Die Wissenschaft bestreitet die Existenz eines rein semitischen Stammes, aber der durch keine Fachkenntnis getrübte Blick des Durchschnittsariers erkennt den Juden 95 von 100mal. Die Scheu des Juden, als solcher von den Ariern erkannt zu werden, ist eine Ghettoeigenschaft und als solche historisch zu erklären. Die Juden können den berüchtigten gelben Fleck nicht vergessen, an den der gesittete Arier schon lange nicht mehr denkt, wenn er nicht gewaltsam daran erinnert wird. Jude zu sein, mag ein Unglück sein. Ganz gewiss ist es aber keine Schande. Das Judentum wird nur dann zur Schande, wenn es der Jude selbst als solche empfindet. Sonst nicht, wenigstens nicht in der Meinung von Leuten, deren Urteil zählt.
Die Nationaljuden, denn nichts anderes sind die Zionisten, haben den Finger auf die Wunde gelegt. Ihr Programm lässt sich in einer Forderung zusammenfassen: Die Anerkennung des jüdischen Volkstums, und zwar in erster Reihe durch die Juden selbst. Alles andere sind nur die logischen Folgen dieser Hauptforderung. Es ist nun eine vollkommen zutreffende Argumentation der Zionisten, dass durch die Scheu der Juden, ein jüdisches Volkstum anzuerkennen und ihren daraus entspringenden Mangel an nationaler Würde die Verachtung der Juden seitens der arischen Völker am meisten genährt worden ist und sonst vielleicht schon längst ein überwundener Standpunkt wäre. Gewiss, das Märchen, das Sprichwort, der Witz sind antisemitisch. Aber der Ursprung des Märchens, des Sprichwortes, reichen bis in die Ghettozeit zurück. Der Witz allerdings ist ein Kind des Augenblickes. Ja. Wer erfindet und erzählt aber die besten jüdischen Witze? Doch immer nur die Juden. So vernichtende Urteile über die Juden wie der Jude, fällt nicht der blutigste Antisemit. Ich erinnere mich einer Äußerung, die ich nie vergessen werde. Ein Jude erzählte mir, er habe sich taufen lassen, damit ihn seine Kinder einmal nicht auf den „Anger" hinausbegleiten müssten. Kann man sich etwas Roheres vorstellen? Leider dürfte jeder Arier einmal Ähnliches gehört haben, wenn auch nicht in ganz so krasser Form. Was sich die Arier dabei wohl denken mögen?
Glauben die Juden vielleicht ihre Stellung zu verbessern, sich ein Anrecht auf die Achtung der Arier zu erwerben, wenn sie ihr Volkstum verleugnen, es in den Kot zerren? Die Juden, die sich auf die Arier hin ausspielen, werden von diesen eben so ausgelacht, wie die Bürgerlichen, welche die Aristokraten posieren, von diesen verspottet werden. Ja noch mehr als das. Hier trifft Bürgers ehernes Wort zu : „Der Großen Hochmut wird sich geben, sobald unsere Kriecherei sich gibt." Kein Adeliger wagt es, einen Bürgerlichen zu beleidigen, der ihm selbstbewusst entgegentritt. Der Eigendünkel der arischen Völker muss ins Unendliche wachsen, wenn die Juden sichtbarlich nur ein Bestreben kennen, das ist, für Arier zu gelten und sich damit selbst von vornherein als minderwertig erklären. Die Mehrzahl der Juden fassen es als die größte Schmeichelei auf, wenn ein Arier betont, er mache keinen Unterschied zwischen Jud und Christ. Sind sich diese Juden bewusst, welche Beschimpfung des ganzen Judentums in einer solchen vermeintlichen Artigkeit liegt? Braucht man denn das Selbstverständliche erst ausdrücklich zu betonen?
Der Zionismus will den Juden ihre verlorene Menschenwürde zurückgeben. Er will endlich der ebenso lächerlichen wie unwürdigen jüdischen Vogelstraußpolitik ein Ende machen. Ein Teil der Juden fühlt sich nicht als Juden. Schön. Aber die Arier, unter denen sie leben, empfinden sie als solche und darauf kommt es einzig und allein an. Einseitige Geschäfte gibt es nicht. Um zu einem befriedigenden Abschluss zu gelangen, müssen beide Teile einverstanden sein. Bis jetzt wollen nur die Juden.
Die von falschen Voraussetzungen ausgehende Assimilationspolitik der Juden hat, anstatt die Judenfrage dauernd zu lösen, den modernen Antisemitismus erzeugt, der in letzter Instanz nichts anderes ist, als eine arisch-nationale Abwehrbewegung. Um ihn wirksam zu bekämpfen, muss daher endgültig mit dieser Politik gebrochen werden. Die Juden sind ein Volk, ein hochbegabtes Volk mit einer großen Vergangenheit, ein unglückliches, in alle Windrichtungen zerstreutes, heimatloses Volk, aber „ein Volk, ein Volk" mit allen charakteristischen äußerlichen und innerlichen Merkmalen einer Volksgenossenschaft. Als anerkanntes Mitglied der großen Völkerfamilie hat aber das Judentum auch den geheiligten Anspruch auf alle Rechte eines solchen, das sind vor allem Ehre und Boden. Jedes ehrliche Volkstum, das sich nicht unter fremden Masken verbirgt, hat ein natürliches Anrecht auf Achtung und Duldung von Seite der anderen Völker, wenn es diese nicht mittel- oder unmittelbar bedroht. Die Betonung seiner Volksindividualität von Seite eines Volkes kann aber in einer Zeit des allgemeinen Ringens um die Volkseinheit, in einer Zeit, da die kleinsten Völker willig jedes Opfer bringen, um sich in ihrer nationalen Besonderheit zu behaupten, ihre nationale Eigenart zu bewahren, billigerweise von den anderen Völkern niemals als eine Herausforderung betrachtet werden.
Was ist nun das erste und oberste Prinzip im Leben eines jeden Volkes wie eines jeden einzelnen Individuums ? Das Prinzip der Selbsterhaltung. Um sich selbst erhalten zu können, braucht aber das jüdische Volk einen eigenen Boden, das ist eine öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte. Der Mangel einer solchen ist der Ausgangspunkt aller Leiden Israels seit der Zerstörung Jerusalems gewesen und bis zum heutigen Tage geblieben. Wie der Einzelne, hinter dem niemand steht, der im geeigneten Augenblicke für ihn die Hand zu erheben bereit wäre, nur immer auf Duldung angewiesen, daher praktisch schutz- und rechtlos ist, so auch ein Volk. Wie der Heimatlose, der nirgends wurzelt, überall fremd ist, niemals ein eigenes Dach über seinem Haupte besitzt, bestenfalls nur ein Gegenstand des Mitleids, meistens aber der Verachtung für die Glücklicheren seiner Mitbrüder ist, so auch eine ganze Nation, die keine Volksheimat besitzt. Nur das jüdische Volk ganz allein unter allen Kulturvölkern, hat kein eigenes Land unter den Füßen, vermag daher seinen Angehörigen keinen Schutz und keine Achtung zu verschaffen, kann ihnen im äußersten Notfalle nicht einmal eine Zufluchtsstätte gewähren. Nur gegen das heimatlose und daher schutz- und rechtlose jüdische Volk durften sich die anderen Völker bisher ungestraft alles erlauben. Nicht einmal das kleine Montenegro hätte eine Massenabschlachtung seiner Volksangehörigen im Auslande widerspruchslos hingenommen und die Kulturvölker hätten seine berechtigten Forderungen nach einer Sühne gewiss bereitwilligst unterstützt. Nur die heimatlosen und wehrlosen Juden darf man beschimpfen, plündern, morden, ohne dass sich eine Hand zu ihrem Schutz erhebt, eine Stimme Sühne für das Ungeheuerliche fordert.
Die Forderung der Zionisten nach Schallang einer gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk trifft daher den Kernpunkt der ganzen Judenfrage, die durch ihre Erfüllung allein dauernd zur Ruhe kommen kann. Diese Forderung wird aber durch die Gestaltung, welche die Lage der Juden gerade in der letzten Zeit angenommen hat, auch zu einer unmittelbar drängenden Notwendigkeit: In den Ländern des Antisemitismus der Tat können die Juden nicht bleiben. Das ist für jeden denkenden und fühlenden Menschen klar. Die Kulturländer des Westens einschließlich Englands und Nordamerikas können und wollen sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht aufnehmen und wollten sie es, so würde dies nur eine Folge haben: die Erweckung des Antisemitismus, wo er noch nicht besteht, seine Verschärfung dort, wo er seinen Einzug bereits gehalten hat. Wohin also mit den Unglücklichen, die jährlich zu Hunderttausenden aus Russland und Rumänien hinausgedrängt werden?
Seit einiger Zeit beginnen auch solche jüdische Kreise, die — der jüdisch-nationalen Bewegung ganz fernstehend — das Problem ganz äußerlich nur als eine Frage der Regulierung der Auswanderung ansehen, ihre Aufmerksamkeit auf die Länder des türkischen oder vormals türkischen Orients zu richten. Hier herrscht kein judenfeindlicher Geist; was aber mehr ist, er kann aus wirtschaftlichen Gründen durch die Einwanderung nicht wohl entstehen. Denn während die Juden nach den Ländern des Westens eine niedrigere wirtschaftliche Kultur und die damit verbundene Bedürfnislosigkeit hinbringen und — namentlich, wenn sie in Massen auftreten — die Befürchtung verursachen oder auch rechtfertigen können, dass sie den Lebensfuß der einheimischen Bevölkerung herabdrücken, ist in den Ländern des türkischen Orients das Umgekehrte der Fall: Gegenüber den einheimischen Fellahs oder Arabern und alle Europäer, auch die am wenigsten entwickelten russischen Juden Vertreter einer höheren wirtschaftlichen Kultur, deren Zuströmen für das verwahrloste Land ein Aufblühen, für die arme einheimische Bevölkerung Arbeit und Verdienst, für die Regierung Erhöhung der Einnahmen bedeutet. Die hier einwandernden Juden befinden sich daher moralisch von vornherein in einer günstigeren Lage. Aber auch ökonomisch haben sie hier bessere Aussichten als in den sonst für die Einwanderung in Betracht kommenden Gebieten. In den hochentwickelten Staaten Westens, namentlich England und Nordamerika, werden die jüdischen Einwanderer, soweit man sie überhaupt noch einlässt — New-York allein zählt heute bereits 600.000 jüdische Einwohner, der Sättigungspunkt ist daher zweifelsohne schon erreicht, wenn nicht überschritten — als die wirtschaftlich am schwächsten Ausgerüsteten der Hauptmasse nach in die berüchtigten Ausbeutungsstätten, die Schwitzhäuser, gedrängt, wo ihr Los nicht viel besser ist als es zu Hause war.
Dem Gedanken oder Versuch, die Juden fern von den Kulturländern auf jungfräulichem Boden — Ostafrika, Argentinien etc. — anzusiedeln, stellen sich wieder Schwierigkeiten anderer Art entgegen. In einer solchen Weise kann eine bäuerische Bevölkerung unter Umständen mit Aussicht auf Erfolg verpflanzt werden. Aber die Juden sind keine Bauern, sondern der Hauptmasse nach städtische Kleinhändler und Kleinhandwerker. Hier kompliziert sich das Emigrationsproblem also noch mit dem Problem, eine solche Bevölkerung erst in Bauern umzuwandeln. Auch das ist möglich. Die Ackerbaukolonien des Baron Hirsch in Argentinien beweisen es, das heißt, es kann erreicht werden, dass eine Anzahl von Juden sich auch unter solchen Verhältnissen nach einer langen Reihe von Jahren als Ackerbauern selbst erhalten, nachdem sie bis dahin von den Unternehmern der Kolonisation ausgehalten oder unterstützt werden mussten, was schon bei einer geringen Zahl von Kolonisten sehr große, bei einer für die Emigration halbwegs in Betracht kommenden Masse einfach unerschwingliche Mittel erfordert und das Ganze überdies zu einem Werke der Wohltätigkeit macht, mit allen Schäden, die dieser eingeboren sind. Unser ganzer sozialer Organismus ist leider nicht so beschaffen, dass man heute noch der Wohltätigkeit entraten könnte. Aber es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Wohltätigkeit im allgemeinen depravierend wirkt, sowohl auf den Gebenden wie auf den Empfangenden. Um durch genossene Wohltaten nicht moralischen Schaden zu leiden, muss man sittlich sehr hoch stehen, höher als der Durchschnitt der Menschen. Das ganze Leben eines Volkes auf der Wohltätigkeit aufbauen, hieße den Charakter dieses Volkes verlumpen wollen.
Einem Volke, und so auch den Juden, kann nur dadurch geholfen werden, dass — wie es die besseren Regierungen in den Kulturländern tun — durch allgemeine Einrichtungen auf dem Gebiete des Verkehrs, der Sicherheit, des Kreditwesens, der Erziehung etc., die allgemeinen Existenzbedingungen verbessert werden und es dem Einzelnen leichter gemacht wird sich selbst zu helfen. Für eine solche Hilfsaktion scheinen nun in der Tat die Länder des türkischen Orients und diese allein den geeigneten Spielraum zu gewähren. Das sind keine weltfernen, jungfräulichen, erst urbar zu machende Gegenden, es sind Gebiete, die der europäischen Kultur nahe und leicht erreichbar sind, selbst alte Kulturländer, die nur verwahrlost, entvölkert, sozusagen vergessen sind, aber eben darum für Millionen Menschen Raum und Nahrung bieten, wenn sie nur erst wieder gleichsam entdeckt und der modernen wirtschaftlichen Kultur erschlossen werden. Wie rasch dieser Prozess sich vollzieht, zeigt der fabelhafte Aufschwung den z. B. Ägypten und die Insel Cypern in der kürzesten Zeit genommen haben, seitdem sie unter europäischen Einfluss gekommen sind, europäischer Fleiß und Unternehmungsgeist sich dort betätigen und -europäische Wirtschaftsmethoden anwenden.
Das von diesen Ländern speziell Palästina, das durch seine unvergleichlich günstige Lage, sein Klima und die natürlichen Bedingungen seines Bodens für eine rasche und kräftige Entwicklung besondere Aussichten zu haben scheint von und für die Juden in der erwähnten Weise europäisiert, wirtschaftlich und kulturell erobert und dadurch für große Massen jüdischer Einwanderer aufnahmefähig gemacht werde, ist der, wie man sieht, durchaus nicht utopischste, sondern ganz nüchterne und realpolitische Gedanke, welcher der zionistischen Bewegung ihre Richtung weist.
Auf diesem Wege sind in Palästina auch bereits im Laufe weniger Jahre ganz erhebliche Erfolge erzielt worden, und es sind dort schon höchst beachtenswerte Ansätze zur Entwicklung eines jüdischen Gemeinwesens zu verzeichnen. Vor allem ist die jüdische Bevölkerung in Palästina in raschem Steigen begriffen. Jerusalem ist mit seinen ca. 45.000 Juden (von 70.000 Einwohnern) wieder eine jüdische Stadt geworden und — was besonders wichtig ist — auch am Lande wächst das jüdische Element. In den jüdischen Dörfern, deren Zahl gegenwärtig 32 beträgt und beständig zunimmt und die in Bezug auf die Verwaltung eine große faktische Selbständigkeit genießen, leben gegenwärtig bereits ca. 7.000 jüdische Wein- und Ackerbauern.
Da nur die jüdische Einwanderung in einer solchen Weise wächst und systematisch gefördert wird, so kann bei der überaus spärlichen Bevölkerung Palästinas (ca. 700.000 bei einem Lande in der Größe von Belgien) sehr wohl mit der Tatsache gerechnet werden, dass die Juden in absehbarer Zeit wieder die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Gefördert wird dieser Prozess von den Zionisten in höchst vernünftiger Weise nicht durch Ansiedlung von Kolonisten, für die man dann die Verantwortung zu tragen hätte, sondern nur dadurch, dass man die in Palästina bestehenden Erwerbsmöglichkeiten untersucht und verbessert, Hindernisse des Erwerbslebens — sie mögen den Verkehr, die Sicherheit, die Verwaltung, das Steuerwesen etc. betreffen — zu beseitigen, neue Erwerbsquellen zu schaffen bestrebt ist. Auch wird durch Verbreitung richtigerer Vorstellungen über die in Palästina bestehenden oder neu geschaffenen wirtschaftlichen Möglichkeiten jüdisches Kapital und jüdischer Unternehmungsgeist auf Palästina hinzulenken gesucht.
Ich kann natürlich nicht alles aufzählen, was in dieser Richtung in Palästina in den letzten Jahren geschehen oder im Zuge ist, obwohl es für diejenigen meiner Leser, welche die zionistische Literatur und Presse nicht kennen und nur die gewissen „Judenblätter " lesen, vielleicht ganz nützlich wäre; denn hier werden sie von diesen Leistungen, die den Juden wirklich zur Ehre gereichen und auch allgemeines Interesse zu erwecken geeignet sind, kein Sterbenswort erfahren. Ich erwähne nur das Industriesyndikat, die Palästina Handelsgesellschaft, die landwirtschaftliche Versuchsstation, die Informationsbüros, den Bezalel, ein von Professor Boris Schatz geleitetes Institut, das mit großem Erfolg bemüht ist die verschiedenen Zweige des Kunstgewerbes (Töpferei, Schnitzerei, Teppichweberei etc.) einzuführen und eine gewerbliche Flausindustrie zu organisieren und als Stütze aller wirtschaftlichen Unternehmungen die nationalen Bankinstitute: die von der zionistischen Hauptbank in London gegründete „Anglo Palestine lim." mit dem Sitz in Jaffa, die für ihren stetig sich ausdehnenden Betrieb bereits in Jerusalem, Hebron und Beirut Filialen errichten musste und die vom letzten Zionistenkongress beschlossene Agrarbank, die für die Hebung der jüdischen Agrikultur von großer Bedeutung werden kann.
Auch im Schulwesen, das, wie sich von Juden erwarten ließ, mit großem Eifer gepflegt wird, ist der Steigerung der Erwerbstüchtigkeit eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Neben den allgemeinen Bildungsanstalten vom Kindergarten bis zu dem vor kurzem gegründeten hebräischen Gymnasium in Jaffa finden wir Handwerker-, Gewerbe-, Ackerbauschulen und die Kunstgewerbeschule des Bezalel. Die Unterrichtssprache in fast allen jüdischen Schulen ist nicht, wie manche vielleicht erwarteten, der Jargon, sondern die totgeglaubte hebräische Sprache. Diese scheint sich zur jüdischen Volkssprache in Palästina zu entwickeln, eine Entwicklung, die nicht bewusst gemacht wird, sondern rein aus den Bedürfnissen des Lebens herauswächst. Nicht jeder Jude, der nach Palästina kommt, spricht Jargon oder denselben Jargon, ein wenig Hebräisch aber versteht fast jeder. So wurde dies ein Verständigungsmittel und ist heute bereits die Sprache der Zeitungen, Kalender, Lehrbücher, der Handelskorrespondenz und der Straßenplakate. Sogar die österreichische Levantepost Verwaltung affichiert ihre amtlichen Bekanntmachungen in hebräischer Sprache. Ich hebe dies deshalb hervor, weil man der zionistischen Idee auch die Sprachenfrage als eine unlösbare Schwierigkeit entgegengehalten hat. Solche Fragen werden eben nur durch das Leben gelöst, nicht durch Theorien und Diskussionen.
Sehr umsichtigerweise hat die zionistische Organisation ein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, vom palästinensischen Grund und Boden soviel als möglich zu einer Zeit in jüdische Hände zu bringen, in der dieser Grund, dessen enorme Wertsteigerung bei fortschreitender Kultivierung des Landes sicher ist und zum Teil schon sich fühlbar macht, noch zu billigem Preis zu erhalten ist. Diesem Zwecke dient namentlich der „Jüdische Nationalfond" der aus kleinen Spenden, die in der ganzen Welt bei allen Anlässen gesammelt werden, beständig gespeist, ganz ansehnliche Erträgnisse liefert und zum Ankauf von Grund und Boden in Palästina bestimmt ist, der dann unveräußerliches Nationaleigentum des jüdischen Volkes wird. Eine andere Einrichtung des Palästina-Pflanzungsverein ermöglicht es den außerhalb Palästinas verbleibenden Juden für einen geringen Betrag Grundparzellen zu erwerben, die dann von Einheimischen oder einwandernden Juden gepachtet und bebaut werden.
Dem Außenstehenden ist es natürlich unmöglich zu beurteilen, inwieweit die oder andere der zionistischen Einrichtungen und Gründungen aussichtsreich und zweckmäßig sind. Unverkennbar aber ist, dass hier zum ersten Male nach einem einleuchtenden Plan, auf durchaus realer Grundlage eine zielbewusste jüdische Volkspolitik gemacht wird, die nebenbei bemerkt, für die oft bezweifelte Fähigkeit der Juden sich selbst zu regieren, ein höchst günstiges Vorurteil zu erwecken geeignet ist.
Würden die Juden des Westens, die dem Zionismus bisher zum größten Teil passiv oder feindselig gegenüberstehen, dafür gewonnen werden, diese Politik mit ihren reichen materiellen und intellektuellen Mitteln zu unterstützen, würde die arische Meinung sich in entschiedener Weise für den Zionismus erklären, in wie raschem Tempo müsste dann das Werk der wirtschaftlichen Eroberung und Judaisierung Palästinas vor sich gehen! Dann würde auch die Erlangung des von den Zionisten angestrebten Charters, der administrativen Autonomie, keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bieten. Warum sollte denn für die Juden in Palästina gänzlich unerreichbar sein, was die Türkei für das Libanongebiet und für die Insel Samos zugestanden hat? Eine solche Autonomie würde nicht nur ökonomisch von größter Bedeutung sein (denn die Abneigung mit türkischen Behörden etwas zu tun zu haben, bildet mit Recht oder Unrecht stets ein Hauptbedenken gegen wirtschaftliche Unternehmungen im Orient), vor allem würde dadurch allein die in Palästina in Bildung begriffene jüdische Siedlung den Charakter eines wirklich gesicherten Volksheimes erlangen. Die der Christenheit geheiligten Stätten müssten dabei selbstredend für exterritorial erklärt und unter internationalen Schutz gestellt werden.
Mit der Schaffung eines solchen jüdischen Gemeinwesens wäre zugleich auch das zweite Postulat der Zionisten, die Verminderung der Reibungsflächen zwischen den zurückbleibenden Juden und den arischen Volksstämmen von selbst erfüllt. Wie bereits gesagt, würde die überwiegende Mehrheit der westeuropäischen Juden auch nach Errichtung einer jüdischen Volksheimat an ihren bisherigen Wohnstätten verbleiben. Aber ihre Stellung würde eine ganz andere werden. Was beeinflusst heute die Lage der Juden in den Kulturländern am ungünstigsten? Der fortwährende jüdische Nachschub aus Osteuropa, durch den sich die arischen Kulturvölker mit voller Berechtigung als Rasse, wirtschaftlich, sozial und in intellektueller Beziehung bedroht fühlen. Assimilationsversuche einer verschwindenden Minderheit mögen für diese inopportun, für die Mehrheit unangenehm sein, sie bilden aber keine Rassegefahr, denn mit der Zeit wird die Minorität von der Majorität doch resorbiert werden. Anders, wenn diese Minderheit in unverhältnismäßiger Weise zur Mehrheit an Kopfzahl wächst. Dann wird die Assimilation zur Rassegefahr für die Majorität und muss bei Völkern von stark ausgeprägtem Nationalbewusstsein — und das sind heute alle Kulturvölker ohne Ausnahme — eine nationale Abwehrbewegung erzeugen, m diesem Fall den Antisemitismus. Hören die jüdischen Nachschübe aus Osteuropa auf, so wird die jüdische Bevölkerungszunahme in den Kulturländern nur mehr in einer dem arischen Volkszuwachs entsprechenden Zahl stattfinden. Die Rassegefahr für die arischen Völker ist beseitigt und dem Antisemitismus der Hauptvorwand entzogen.
Aber auch die wirtschaftlichen Reibungsflächen würden dadurch wesentlich verringert werden und der natürliche friedliche Wettbewerb wieder eintreten können. Die unglücklichen „zugereisten" Hausierer würden dem Kleingewerbetreibenden keinen Bissen mehr aus dem Mund nehmen und dadurch nicht mehr den Judenhass in den unteren Schichten erregen. Ebenso würde die Überfüllung und Proletarisierung der freien Berufe durch eingewanderte galizische, russische und rumänische Juden aufhören und zwischen jüdischer und arischer Studentenzahl dadurch wieder das den Bevölkerungsziffern der beiden Stämme proportionale Verhältnis hergestellt werden. Alle jene jungen, akademisch gebildeten Juden, die heute in ihrer gegenwärtigen Heimat ihr Fortkommen auf normale Weise nicht finden können, würden nicht mehr gezwungen sein zu unsauberen Praktiken zu greifen, um ihr Leben zu fristen, sondern könnten, wie die Engländer in die Kolonien, nach Palästina gehen, wo für ihre jetzt brachliegenden oder missbrauchten Kräfte ein reiches Betätigungsfeld wäre. Anstatt den Antisemitismus in den Kulturländern immer von neuem zu erzeugen, würden sie die westeuropäischen Errungenschaften nach dem Morgenland tragen und dort Kulturpioniere in des Wortes bester Bedeutung werden. Für die rastlos produzierten mittleren jüdischen Intelligenzen, die heute den freien Berufen zuströmen und sie sowohl in materieller wie in moralischer Beziehung entwerten, wäre ein gesunder Abfluss geschaffen und dadurch eine allgemeine, wirtschaftliche Erleichterung, deren wohltätige Rückwirkung die zurückbleibenden Juden allsogleich verspüren würden.
Beinahe noch günstiger als die wirtschaftliche wäre die moralische Lage der zurückbleibenden Juden in den Kulturstaaten durch Errichtung einer jüdischen Volksheimat beeinflusst. Man denke vergleichsweise nur an das stetig wachsende Ansehen, das die österreichischen Staatsbürger italienischer Nationalität seit Gründung des italienischen Einheitsstaates genießen. Seit das mächtige Mutterland hinter ihnen steht, werden sie sowohl von jeder Regierung wie auch von ihren Mitbürgern mit ganz anderen Augen betrachtet, als ehedem, da Italien nur ein geographischer Begriff war. Die einst verachteten „Katzelmacher“ sind heute die geschätzten Angehörigen eines Staates, der die Vollberechtigung aller in ihm wohnenden Volksstämme anerkennt. Sie sind österreichische Staatsbürger und zugleich doch Mitglieder der großen, völkerrechtlich anerkannten italienischen Nation, deren Glanz auf sie zurückstrahlt. Bei den Juden, die selbst nach Ausbau eines Judenstaates in den Kulturländern zurückbleiben würden, käme auch noch ein anderes, nicht zu übersehendes Moment hinzu. Sie hätten mit dem Zurückbleiben den Beweis erbracht, dass sie das Land in dem sie wohnen, der alten, neuerworbenen Heimat vorziehen und würden dementsprechend geschätzt werden. Es ist eben ein ganz anderes Ding, ob man freiwillig bleibt, oder gezwungen, weil man keinen anderen Unterschlupf hat. Auch der zurückbleibende Jude würde aufhören der bestenfalls überall nur „geduldete" zu sein, sondern in allen Kulturländern aller jener Rechte teilhaftig werden, tatsächlicher und ideeller Natur, die heute jeder Rechtsstaat allen seinen Angehörigen ohne Unterschied des nationalen Bekenntnisses, gewährleistet. Die Schutz- und Wehrlosigkeit der Juden wäre ein für allemal zu Ende. Es ist einer der vielen hübschen Züge der menschlichen Natur, dass sie sich als Gegenstand des Angriffes immer nur den Schutz- und Wehrlosen erkürt. Wer den Schaden hat, braucht auch nicht um den Spott zu sorgen. Der Jude, der in der Lage ist, sich zu schützen und zu wehren, würde auch aufhören der „verachtete“ Jude zu sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Antisemitismus und Nationaljudentum
15 Ein Kostkind
16 Die Dunkelkammer
17 Kellergang
18 Kammer
19 Gangkabinett
20 Der Hof einer Zinskaserne
21 Vor der Volksküche
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