Ansicht der Stadt von Außen

Ehrwürdig erscheinen, bereits aus einer Entfernung von drei bis vier Meilen, die hohen Turmspitzen Lübecks, in einer ansehnlichen Breite neben einander, oder nach Veränderung des Standpunktes, in mannigfaltig abwechselnden Gruppen. Wegen der meistens flachen Umgebungen durch nichts gehindert, überschaut der Blick eine weite Ebene, doch überall angebaut, und von herrlichen Waldungen umkränzt. Lieblich mischen sich darunter die spiegelnden Wasserflächen, welche zahlreich den Grund verschönern. Hier sind es gröbere und kleinere Seen, dort schlängelnde Bäche, und weiterhin durchschneiden diese Fläche die beiden Flüsse, mit ihren ruhigen und klaren Gewässern, umgeben von üppig grünenden Wiesen voll bunter Blumen. Überall schimmern zwischen Obstgärten und Gebüschen zahlreiche Dörfer und Hufe hervor, und beleben das Gemälde. Fehlen dieser Gegend gleich die Reihen majestätischer Bergrücken, so entschädigt dafür die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, welche sich dem Auge darbieten. Wellenförmig durchziehen sanftabwallende Hügel, mit Saatfeldern und Gebüschen bekränzt, die Ebene, und unterbrechen die Einförmigkeit des Gesichtskreises. Die hiesige Art der Koppelwirtschaft umgibt alle Felder mit hohen Hecken, aus Haselsträuchern und mannigfaltigem Buschwerk zusammengesetzt. Diese durchkreuzen mit ihrem Grün, und im Frühling mit ihren Blütenästen, die reichen Saaten, und verleihen der Flur ein gartenähnliches Ansehen, in deren Mitte die Gebäude sich erheben. Großartig und erhaben darf man unsre Gegenden nicht nennen, wie sie sich im mittleren und südlichen Deutschland finden. Aber sie erscheinen lieblich und mannigfaltig genug, um dem Auge überall angenehme Ruhepunkte darzubieten. Und an den meisten Stellen schliefst im Hintergrunde der Anblick der Stadt selbst das bunte ländliche Gemälde. Die Gegend liefert ein Bild der Ruhe, ohne gerade tot zu erscheinen. Wohl mag der Reisende, wenn er von Hamburg kommt, und ihm das lärmende Gewühl noch vor seinem Auge und Ohre schwebt, hier einen Unterschied und bedeutenden Abstand von andern großen und volkreicheren Orten finden. Doch herrscht auch hier Leben und Treiben genug, um ihm die Nähe einer nicht unbedeutenden Stadt anzukündigen.

Nur klagen darf er mit vollem Recht über die Landstraßen, welche ihn nach Lübeck führen. Auf dem schlechten Pflaster des Hamburger Steindamms fühlt er seine Glieder ermüdet und zerstoßen, und zittert oft für seinen Wagen, der nur für geebnete Kunststraßen gebaut ist. Das tüchtige Hin- und Herschaukeln auf den hier gebräuchlichen Reisefuhrwerken, den sogenannten Stuhlwagen, vermag auch selbst dem Geduldigen manchen Seufzer der Unzufriedenheit auszupressen *). Bei der Abwechslung des leichten und lehmigen Bodens drohen die ausgefahrnen Wege auf schwerem Grunde ihm mannigfaltige Beschwerde, selbst Gefahren, besonders im Winter und während der nassen Jahreszeiten; oder tiefer Sand hemmt die Schnelligkeit seiner Fahrt. Feste, regelmäßige Kunststraßen müssen hier, leider! fehlen, da unser Boden nur Kieselsteine darbietet, und so aus Mangel des erforderlichen Materials ihre Anlegung unmöglich ist.


Auf dreien der vorzüglich befahrenen Landstraßen nähert man sich Lübeck. Aus dem südlichen Deutschland kommt man über Hamburg und Schönberg, oder auch über Lauenburg, Mölln und Ratzeburg; von den beiden andern Seiten führen sie aus Holstein und Mecklenburg hierher.

*) Ungeachtet der beständigen Fahrt auf diesem Wege lässt sich die Beschaffenheit desselben nur daraus erklären, dass er durch mehrerer Herren Gebiet führt, die, ungeachtet des häufigen Zolls und Weggeldes, nicht genug dafür sorgten. Doch hat die neuere Zeit schon vieles gebessert, und besonders auf Lübeckischem Gebiete ist geschehen, so viel möglich war. Allein die schwerbeladenen Frachtwagen mit ihren schmalen Rädern vereiteln den besten Willen, und zerstören durch die tiefen Geleise bald wieder alle Ausbesserungen.

Von Hamburg aus bietet der Weg wenig Mannigfaltigkeit dar, er geht einförmig durch Dörfer und zwischen Feldern. Nur einige Holzungen gewähren zuweilen Abwechslung des Anblicks. Desto lebhafter aber machen ihn die überall sich begegnenden Fuhren und Frachtwagen. Ungefähr drei Stunden von Lübeck, an der Grenze des zwischen uns und Lauenburg geteilten Kirchdorfes Crumesse, in dessen Mitte eine Brücke über die Steknitz führt, betritt man das Gebiet der Stadt. Langweilig ist der Sandweg von hier bis an den Crumesser Baum, wofür nur die Blicke über die sich schlängelnden Windungen des Flüsschens, und die Umgebungen von Wiesen und Holzungen an seinen Ufern, einigermaßen entschädigen. Um jenen zu vermeiden, wählt man häufig für leichte Wagen einen Nebenweg am andern Ufer über den Crumesser Hof und Cronsforde. Beide Straßen vereinigen sich wieder bei dem erwähnten Baume, wo noch vor wenigen Jahren ein hoher Turm stand, aus dessen Öffnungen dünne Kanonen, als Verteidiger des Weichbildes, hervorblickten. Noch eine gute Stunde lang wird die Geduld geprüft durch die Fahrt im Sande, wo hohe Hecken selbst das Umschauen verschließen, bis endlich bei Rothebeck sich eine freie Aussicht öffnet. Die Stadt erscheint in ihrer ganzen Breite, mit ihren nächsten freundlichen Umgebungen, und der Blick verliert sich in den holzreichen Gegenden am jenseitigen Ufer der Trave. Von hier aus führt ein guter, neu angelegter Steindamm durch üppige Korn- und Gemüsefelder, zuletzt zwischen Gärten, durch eine schattige Allee, bis ans Mühlentor.

Hier vereinigt sich mit dieser Straße der Weg von Ratzeburg. Schon in diesem freundlichen Städtchen, das auf einer Insel mitten im gleichnamigen See, mit einem Kranze von Bäumen umgeben, erbaut ist, zeigen sich über das Wasser hin am nördlichen Horizont die Türme Lübecks. Angenehm ist der Weg längs den sanftabwallenden, von Waldungen und Kornfeldern belebten, Ufern, welche mannigfaltig abwechselnde, malerische Ansichten darbieten. Einförmiger wird er, wo dieser See sich endigt und einsamer auf der Grünauer Heide. Doch ist diese nicht mehr, wie vor Jahren, ein öder Landstrich. Vielmehr fehlt es ihr, seit der Verdoppelung und dem schnell fortschreitenden Anbau, nicht an Mannigfaltigkeit, besonders durch die grünenden Wälder, welche sie an beiden Seiten umgeben. An ihrem Ende erreicht man bei Streknitz und dem Grünauer Baum, einem Wirtshause dicht neben diesem Landgut, das Lübeckische Gebiet. Bleibt gleich der fernere Weg noch eine Strecke sandig, mit kleinen grünbewachsenen Hügeln durchzogen, so vergisst man ihn gerne bei dem reizenden Anblick der weiten Aussicht über die Wakenitz, die sich mit ihrem ruhigen Laufe durch ein lachendes Tal neben den drei Fischerbuden schlängelnd hinwindet. Bald beginnt, eine halbe Stunde vor der Stadt, eine lange Lindenallee, die ununterbrochen bis an das Tor führt, zwischen Feldern und Gartenhäusern, welche in dichten Reihen einen großen Rasenplatz begrenzen. Bei ihrer letzten Wendung zeigt sich der Turm der Petri-Kirche, als eine hohe Schlusspyramide hinter den Bäumen des Walles.

Dicht vor der Stadt führt ein Seitenweg ins Hüxtertor; die Wut der Zerstörung beraubte ihn im Jahr 1813 seines dichten Schattenganges, des ältesten unter allen. Allein eine neue Anpflanzung wird auch diesen Verlust nach Jahren wieder ersetzen.

Aus Holstein bringen drei Landstraßen ins westliche, darnach benannte, Tor. Durch schweren, mit Sandstrecken abwechselnden, Boden zieht sich der Weg von Eutin. Vom Riesebusch an, einem großen Gehölze bei Schwartau, wird er sehr angenehm, durch diesen freundlichen, meist neuerbauten Flecken selbst und seine holzreichen Umgebungen. Sich an der Trave hinziehend, gibt er dem Auge reizende Aussichten auf das jenseitige rechte Ufer, an welchem grünende Wiesen, abwechselnde Baumgruppen, bebaute Felder und die Gartenhäuser des Burgtors den Blick fortwährend an sich ziehen. Bei Trems und Vorwerk beginnt die Grenze Lübecks. — Einfacher wegen des flachen Landes, aber von zahlreichen Dörfern, gesegneten Kornfeldern und Waldungen belebt, kommt die Straße von Plön über Ahrensboeck. Schon bei Stockelsdorf, einem herrschaftlichen Gute, noch weiter und reicher gleich diesseits Fackenburg, wo durch einen Bach sich die Gebiete scheiden, hat man den Anblick der Stadt, die, von den Bäumen des Walles verborgen, nur die darüber einzeln hervorragenden hohen Turmspitzen dem Auge darbietet. Links, so weit das Auge reicht, öffnet sich eine weite Gegend nach Rensefeld und über die erwähnten Traveufer, rechts auf Mory, und vor sich hat man Krempelsdorf zwischen Obstgärten. Hier empfängt uns eine lange, bis an die Stadt fortgehende, Allee, die sich nahe bei der Lorenz-Kirche mit der Schwartauer vereinigt. Die gedrängt stehenden Häuser dieses Kirchspiels, das alte, stark mit Türmen befestigte Tor, das sich über die Bäume des Weges und die Anpflanzungen des Walls hervorhebt, so wie die neue Brücke über den Stadtgraben, geben dieser Gegend malerischen Reiz. — Dicht vor den Gittern dieses Holsteintores vereinigt sich mit dieser die dritte Landstraße von Oldesloe, Moisling vorbei, in dessen Nähe bei Hohenstiege die Grenze beginnt. Angenehm fühlt sich das Auge angezogen von dem Blick auf Moisling und das nahe Kirchdorf Genin, von den tief im Grunde liegenden Wiesen, durch welche die Steknitz sich in die Trave ergießt, von einem kleinen Eichengehölze und den Feldern und Gebäuden des jenseitigen Mühlentors und des diesseitigen Finkenberges.

Von Mecklenburg her kommen, außer dem über Ratzeburg, zwei Hauptwege; der eine aus dem Strelitzischen Fürstentum Ratzeburg durch die Grenzpässe von Schwarzmühlen, oder Schlutup und Wesseloe. Nach seiner Vereinigung mit dem Wege von Herenburg über das Gehöfte Brandenbaum, berührt er die Ufer der Wakenitz bei Marly. Der Blick über den breiten Wasserspiegel auf die Stadt, welche sich hier in ihrer größten Breite darstellt, folgt ihm bis an das Burgtor. — Mehr von der nordöstlichen Seite zieht sich die Straße von Travemünde über die Herrenfähre, neben Israelsdorf vorbei, von wo aus eine Allee, eine Stunde Weges lang, bis an die Stadt die Fahrt sehr angenehm macht. Mit ihr verbindet, gleich anfangs, sich ein andrer Weg, von Schlutup durchs Lauerholz. Eine Tannenanpflanzung gewährt dem Wandrer einen lieblichen Ruhepunkt; und über einen weiten Rasenplatz, von Gartengebäuden umgeben, erreicht er, stets im Schatten fortgehend, das genannte Tor.

Eben durch diese zahlreichen Baumgänge, welche unmittelbar von den Mauern der Stadt sich nach allen Richtungen hinziehen, ist Lübecks Lage, nach dem Zeugnis aller Reisenden, ausgezeichnet, wo nicht einzig in ihrer Art. Nicht durch lange Vorstädte darf man sich, wie an vielen Orten, ermüden. Unmittelbar aus den Gassen tritt man in die Umgebungen der freien Natur, in mannigfaltige Anpflanzungen, die in ihren sich schlängelnden Wegen überall ganz nahe Spaziergänge zwischen blühenden Gesträuchen darbieten. In diesen Anlagen, welche im Jahr 1817 begannen und noch immer erweitert werden, stiftete sich durch seine sorgsame Leitung der verdienstvolle Ratsherr, Doktor Mentze, ein ehrenvolles Denkmal bei seinen Mitbürgern und der Nachwelt. Sie geben der Stadt ein freundliches Ansehen, als läge sie in einem Garten, besonders bei der Annäherung vom Mühlen- und Burgtore. Überall angebrachte Bänke laden den Lustwandelnden ein zum Verweilen, und bezeichnen zum Teil die Punkte der vorzüglichsten Ansichten. Wer freute sich nicht unter andern am Burgtore des weiten und lieblichen Blicks über beide Flüsse zugleich, über den Wall und in das lebendige Gewühl des inneren Hafens, auf die alten Zwinger und in die entfernte Umgebung, so wie auf die belebte Landstraße!

Gleich nahe liegen unmittelbar vor der Stadt die Gärten, welche man ohne Ermüdung, zum Teil in wenigen Minuten, erreichen kann. Das Burgfeld zeichnet sich besonders aus durch einen geräumigen und freien Rasenplatz, um dessen Grün sich die Landhäuser in einem weiten Halbkreise herumziehen. Eben so nahe umschließen sie das Mühlentor in einer freien Lage. Dichter gedrängt, mit Gärtnerwohnungen gemischt, stehen sie am Holsteintore, wo sich durch ihre Zahl eine eigene Gemeine bildet.

Eigentliche Vorstädte hat Lübeck nicht. Die Lage zwischen beiden Flüssen bestimmte genau und durch die Natur selbst ihren Umfang und ihre Begrenzung. Die Wohnhäuser beschränken sich insgesamt auf den Raum innerhalb der Ringmauern. Kein Bedürfnis forderte ihre Erweiterung. Sie genügen völlig für die jetzige Bevölkerung, und haben selbst Platz genug eine viel größere aufzunehmen, die sich auch in früheren blühenden Zeiten hier vereinigte.