Ansichten der freien Hansestadt Bremen und ihrer Umgebungen

Autor: Dr. A. Storck, Professor in Bremen, Erscheinungsjahr: 1822

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bremen, Hansestadt, Stadtgeschichte, Hansezeit, Reformationszeit, Handel, Sitten- und Gebräuche, Religion, Armenpflege,
Hoher Senat!
Wem anders, als der ersten Behörde des freien und glücklichen Bremen, dürfte ein Werk zugeeignet werden, dessen Inhalt die Bewohner dieser Stadt so nahe angeht.

Denn ist wohl zu verkennen wie hoch verpflichtet letztere den Vätern ihres Staates sind, deren weise Fürsorge sich überall durch festes Halten am Gesetz und durch das unablässige Bemühen wahres Bürgerglück durch alle Stände der Gesellschaft zu verbreiten, so rühmlich ausspricht. Nicht ohne innige Rührung legt daher ein Sohn der glücklichen Freistadt am Weserstrome dies Werk vor einem hohen Senate nieder. Kann er gleich der geliebten Vaterstadt keine wichtigen und wesentlichen Dienste leisten, so gibt er wenigstens was er zu geben hat, und die gute Absicht, der ehrliche Wille, wird in den Augen der Großmut auch der kleinen Gabe einen Wert verleihen, und den entfernten Geber der Huld seiner Gönner von Neuem empfehlen. Wäre der, ach! leider zu früh geschiedene Hauptverfasser dieser Ansichten noch in der Lebenden Reihe; er, der um Bremen so verdiente Fremdling, würde diese aus dem Herzen eines entfernten Bremers sich hervordrängenden Empfindungen, mit inniger Rührung unterschrieben haben.

In tiefer Ehrfurcht, verpflichtet und dankbar unterzeichnet
      Eines hohen Senats
            gehorsamster
                  Friedrich Wilmans.


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Inhaltsverzeichnis
  1. Bremische Geschichten
    1. Boden
    2. Lage und Ursprung der Stadt Bremen
    3. Das Stift
    4. Die Stadt
In dem Wechsel meiner Verhältnisse ist es von jeher meine Maxime gewesen, mich in jeder neuen Lage des Lebens mit der Örtlichkeit und der Geschichte der Gegend vertraut zu machen, in welcher ich zu leben hatte. Selbst tue ich dies wenn ich mich nur einige Wochen auf der Reise an einem Orte aufhalte. Als ich daher um Übernahme des Werks, das ich hiermit dem Leser übergebe, angesprochen wurde, fand mich der Antrag nicht ganz unvorbereitet.

Dennoch machten mich manche Rücksichten bedenklich. Dass ich ein Fremder, ein Rheinländer, dass ich erst seit wenigen Jahren hier wohnte, erschwerte manches, indem manches gelernt und studiert sein wollte, was der hier Geborene mit der Muttermilch einsaugt. Dieses Bedenken wurde aber durch den Vorteil ersetzt, ein Fremder bemerkt manches Interessante, was dem Einheimischen verschwindet, der Fremde spricht ohne Vorurteil.

Ein wichtigeres Bedenken war folgendes: Wem wirst du es zu Dank machen? Gehe ich in die Tiefe, so wird das große Publikum mein Buch gelehrt schelten, und es bei Seite legen; begnüge ich mich mit Schilderungen der Außenseite, gebe nur das längst Vorhandene mit andern Worten, so genüge ich mir selbst nicht und eben so wenig denen, denen ich genügen mögte; der Einheimische, der die Natur einer solchen Arbeit nicht kennt, und ziemlich in den Geschichten und Sitten seiner Stadt zu Hause ist, wird sich manchmal beklagen, dass er nicht viel Neues findet, indes der Ausländer, dem der Inhalt meines Buchs neu ist, sich an diesem Neuen ergötzen mag.

Der strenge Historiker wird mich tadeln, dass ich sorgsamen Untersuchungen malerische Schilderungen der Natur beigemischt; derjenige, der sich unter dem Titel Ansichten nur eine leichte Lektüre gedacht, wird über die Forschungen ungehalten sein. Es war nun einmal die Bestimmung dieses Buchs, dass es so sein sollte und nicht anders; es blieb mir also anders nichts übrig, als es in dieser Form so gut zu machen, als es in meinen Kräften war.

Diejenigen, die gern ins Schwarze malen, werden mich tadeln, dass ich so manche Mängel, die wohl der Republik Bremen wie jedem andern menschlichen Ding ankleben mögen, nicht hervor gezogen habe. Es ist meinem Charakter wie meinen Grundsätzen gemäß, das Böse, so physisch wie moralisch, nur als Ausnahme in der Natur, wie im Menschen, zu betrachten, ich überlasse daher die Tadelsucht gerne denjenigen, die mehr mit der Welt Ursache haben unzufrieden zu sein, als ich. Dieses Buch überhaupt zur schwarzen Tafel unsrer Staat- und gesellschaftlichen Gebrechen zu machen war vollends unpassend. Ich rühme das Horazische: ubi plurima nitent etc.

Die geschichtliche Abhandlung in diesem Buch ist das Resultat mühsamer Forschung und langen Nachdenkens. Der Leser im Allgemeinen, und wie viele gelehrte Leser nicht auch, die sich nicht besonders mit der nämlichen Specialgeschiente beschäftigt haben, sehen selten einer geschichtlichen Arbeit die Mühe an, die sie gekostet, wenn nicht die Zitate fast den Text verschlingen. Nun bin ich aber der Meinung, dass die meisten Zitate nur eine literarische Pralerei sind und weiter nichts, und dass ein Zitat nur da mitgeteilt werden müsste, wo die Ausbeute oder die Folgerungen und Resultate neu sind und allerdings die Frage: Woher weißt du das? aufgeworfen werden muss. Denn dass durch Zitate auch beim Bekannten die Glaubwürdigkeit des Geschichtsschreibers gewinne, ist nur eine Selbsttäuschung, die sich auf Leichtgläubigkeit gründet; denn wie viele sind es, welche die Richtigkeit der Zitate, ihre richtige Anwendung, ja auch nur ihr Verständnis, und ob sie auch wirklich im Original gelesen worden, beurteilen können? Wer wollte z. B. Johannes Müllers Quellen alle nachschlagen?

Dass nun in einem Buch, wie dieses, vollends keine Quellenzitate mitgeteilt worden, geht aus der Natur des Buchs hervor. Indessen, so gern ich zugeben mag, dass auch ich irren kann, stehe ich gern Jedem Rede, der in dem geschichtlichen Teile dieses Buchs etwas zu finden glaubt, das mit dem, was Roller und die Chronisten sagen, nicht ganz übereinstimmt; denn wenn auch dieses Buch keine Zitaten hat, so ist doch meine erste Handschrift ziemlich vollgespickt davon. Das berühmte Diplom, das Kaiser Karl der Große zu Gunsten der Stadt dem H. Willhad gegeben haben soll, und wenn man gleich eine Beziehung darauf in einem Diplom Friedrich des I. findet, kommt bei mir nicht in Betracht, wie sehr und wie oft auch Roller und Andere als auf eine entschiedene Sache sich darauf beziehen. Das Wort Rempublicam nobis restituit des Adamus Bremensis, und was einige Zeilen weiter darüber steht, habe ich auch nicht beachtet, da das Diplom Otto des Großen hier mehr gilt und analogisch richtiger angewandt werden kann. Auch das berühmte privilegium Henricianum hat mich ungerührt gelassen. Doch ich sage zu viel für eine Vorrede und setze nur so viel hinzu: dass ich zu allem, was ich in den ersten Bogen dieses Buchs gesagt und nicht gesagt, meine sehr wohl erwogenen Gründe hatte. Und nun möge dieses Büchlein, so wie es ist, als ein Gemälde, so treu ich es in meinem Standpunkt entwerfen konnte, von den biedern Bewohnern der Stadt, die mir eine zweite Heimat geworden, eben so herzlich aufgenommen werden, als ich es mit ganzem Herzen und mit Liebe auszuführen im Stande war.

Ich wünsche, dass dieses Buch seinem Zwecke gemäß den Leser unterhalte, dem Kenner aber probehaltig und tüchtig erscheinen möge. An gewissenhaftem Fleiß in den Untersuchungen habe ich es nicht fehlen lassen.

                        Nachschrift zu Obigem.

Der Verfasser des größten Teils der vorliegenden Blätter hat die Vollendung seines Werks nicht erlebt. Eine langwierige Krankheit, die zuletzt in eine Luftröhrenschwindsucht überging, entriss ihn den Seinigen und der deutschen Gelehrtenrepublik am 19. April 1822 viel zu früh für beide. Auch seine Mitbürger haben schmerzlich um ihn getrauert.

Sein Geburtsort war Trarbach an der Mosel. Erst seitdem Jahre 1817, wo er zum Professor an der Bremischen Handelsschule berufen ward, hatte er Bremen zu seinem bleibenden Wohnsitze erwählt. Wie heimisch er sich hier fühlte, mit welcher entschiedenen Neigung , mit welchem mühsamen Fleiße er sich hier vollends einzubürgern strebte, davon geben seine früheren schriftstellerischen Arbeiten, so wie die gegenwärtige, das ruhmvollste Zeugnis. Dennoch erwartete er selbst nicht, dass dieselbe ohne vorgängige Prüfung und Revision mehrerer seiner Bremischen, mit dem Detail der hiesigen Lokalitäten und Begebenheiten teils von Jugend an durch eigene Anschauung und lebendige Tradition , teils durch ein längeres und vollständigeres Quellenstudium vertrauter gewordenen Freunde, die letzte Feile würde erhalten können.

Mit einigen derselben hatte er wiederholt die Abrede getroffen, dieser Revision besondere gesellige Zusammenkünfte mit ihnen zu widmen. Anstrengungen dieser Art wurden ihm während seiner langen Krankheit, die sowohl lautes Reden, als jede lebhafte Unterhaltung zu vermeiden gebot, von seinem Arzte gänzlich untersagt.

Es blieb seinen nachgelassenen Freunden zur Erfüllung jenes Versprechens daher nichts anders übrig, als die noch unbearbeitet gebliebene letzte kleinere Hälfte dieser Schrift, unter Benutzung der von dem Verstorbenen gesammelten Materialien und hinterlassenen Skizzen vollends auszuarbeiten, und dem Werke anzuschließen. Die so behandelten Aufsätze sind mit einem † bezeichnet.

Dem ersten und größeren, schon völlig bearbeiteten Teile, glaubten sie dagegen aus Achtung für ihren verstorbenen Freund und für das Publikum, dem seine Arbeit versprochen war, nur, soweit beschränkter Raum und beschränkte Zeit es gestatteten, in einem Anhange einige der Berichtigungen und Ergänzungen nachtragen zu dürfen, womit sie den Verfasser unterstützt haben würden, wenn die Revision, zu der er sie aufgefordert hatte, gemeinschaftlich mit ihm hätte Statt finden können.
                  Bremen, im November 1822.

                        Inhalts-Verzeichnis

I. Bremische Geschichten.       Lage und Ursprung der Stadt Bremen - Das Stift - Die Stadt - Die freie Gemeine - Bremen zur See und im Auslande - Stadt und Erzbischof - Stedinger Krieg - Die Hanse - Bremen in der Hanse - Der Rat - Die Kasalsbrüder - Krieg mit dem Dom - Dechant Moritz -Krieg mit dem Grafen von Hoya - Die grande Compagnie - Gefahren der Freiheit - Kriege - Die Gebrüder Dado und Gerold - Rüstringer Krieg - Unglück der Zeiten - Der Neue Rat - Johann Vasmer - Heinrich Vasmer - Beruhigung - Stellung nach Außen - Die Reformation - Innere Unruhen - Rudolph von Bardewisch, Komtur des deutschen - Ordens - Die Hundert und Vier - Rückkunft der Ausgewichenen - Die neue Eintracht - Rechenschaft - Krieg mit Junker Balthasar von Esens und Wittmund - Bremen im Schmalkaldischen Bunde - Religions Unruhen - Ältermänner Kollegium - Der Kurzrockische Vergleich - Reichsunmittelbarkeit Bremens - Der siebenjährige Krieg - Das neunzehnte Jahrhundert - Reform der Verfassung - Der Elsflether Zoll
II. Die Stadt. - Allgemeine Ansicht der Stadt - Der Markt - Das Rathaus - Die Börse - Der Roland - Der Domshof - Das Stadthaus - Der Schütting - Das Museum - Der Wall
III. Kirchen, Kapellen und Klöster, die einst bestandenen und noch bestehenden. - Der Dom - Die Liebfrauenkirche - Die St. Martinikirche - Die St. Ansgariikirche - Die St. Stephanikirche - Die St. Paulikirche in der Neustadt - Die St. Rembertikirche in der Vorstadt - Die St. Michaeliskirche in der Vorstadt - Die Willehadikirche - Die Heilige Geistkirche - Die St. Veitskirche - Das St. Paulskloster - Das St. Catharinenkloster - Das St. Johanniskloster
IV. Milde Stiftungen und wohltätige Anstalten der altern und neueren Zeit - Das St. Jürgengasthaus - Das St. Gertrudengasthaus - Das St. Ilsabeengasthaus - Das Beguinenhaus - Das Altemannhaus - Das Nicolai Witwenhaus - Das Gasthaus für Pilger - Das Petri Witwenhaus - Das Haus Seefahrt - Das Armenhaus - Das Krankenhaus - Die Armenanstalt - Die Waisenhäuser
V. Bremens neuere und neueste Zeit. Sitten. Gewerbe. Wissenschaft. Kunst. Verfassung. Neustadt. Stadtgebiet. Umgebungen.
      Gegeneinanderstellung des Zustandes der Sittlichkeit
      der alten und neuen Zeit
      Handel und Schifffahrt
      Wehrstand der Bürger
      Kirchliche Verfassung
      Schul- und Gelehrtengeschichte Bremens
      Kunst in Bremen
      Musik in Bremen
      Das Theater
      Gerichtswesen
      Staatshaushaltung
      Die Neustadt.
            1. Entstehung
            2. Jetziger Zustand
      Stadtgebiet von Bremen
      Vegesack
      Bremens Umgebungen
Anlage A.
      zu Seite 556
Anlage B.
      zu Seite 559
Anhang.
      Berichtigungen, Erläuterungen und Zusätze

Bremen 022 Rathaus, Roland und Marktplatz

Bremen 022 Rathaus, Roland und Marktplatz

Bremen 002 Westfront des Doms nach der Wiederherstellung 1897

Bremen 002 Westfront des Doms nach der Wiederherstellung 1897

Bremen 003 Die Liebfrauenkirche mit dem Küster-Haus von 1621

Bremen 003 Die Liebfrauenkirche mit dem Küster-Haus von 1621

Bremen 004 Gotische Giebelfront und Turm der Martinikirche, 13. Jahrhundert

Bremen 004 Gotische Giebelfront und Turm der Martinikirche, 13. Jahrhundert

Bremen 005 Alte Ansicht des Marktes mit Rpland und Schütting vor Erbauung der Börse

Bremen 005 Alte Ansicht des Marktes mit Rpland und Schütting vor Erbauung der Börse

Bremen 006 Der Roland

Bremen 006 Der Roland

Bremen 007 Ostseite des Rathauses mit dem Blick auf de Obernstraße und den Ansgarikirchturm

Bremen 007 Ostseite des Rathauses mit dem Blick auf de Obernstraße und den Ansgarikirchturm

Bremen 009 Die obere Rathaushalle mit der Güldenkammer vor der Restauration von 1903

Bremen 009 Die obere Rathaushalle mit der Güldenkammer vor der Restauration von 1903

Bremen 010 Lüder von Bentheim, Arkade mit Fries und Balustrade des Renaissancebaus von 1610-12

Bremen 010 Lüder von Bentheim, Arkade mit Fries und Balustrade des Renaissancebaus von 1610-12

Bremen 012 Wendeltreppe zum alten Archiv in der oberen Rathaushalle. 1616

Bremen 012 Wendeltreppe zum alten Archiv in der oberen Rathaushalle. 1616

Bremen 013 Innenseite der Tür im alten Archiv in der oberen Rathaushalle um 1616

Bremen 013 Innenseite der Tür im alten Archiv in der oberen Rathaushalle um 1616

Bremen 014 Giebelfront des Schellhaasschen Hauses in der Wachtstraße. Frührenaissancebau um 1550.

Bremen 014 Giebelfront des Schellhaasschen Hauses in der Wachtstraße. Frührenaissancebau um 1550.

Bremen 015 Die Waage an der Langen Straße, von Lüder von Bentheim 1587 errichtet

Bremen 015 Die Waage an der Langen Straße, von Lüder von Bentheim 1587 errichtet

Bremen 016 Fassade des Essighauses in der Langen Straße, 1618

Bremen 016 Fassade des Essighauses in der Langen Straße, 1618

Bremen 017 Portal des ehemaligen Krameramthaus (jetzt Gewerbehaus) am Ansgarikirchhof, 1620

Bremen 017 Portal des ehemaligen Krameramthaus (jetzt Gewerbehaus) am Ansgarikirchhof, 1620

Bremen 018 Aus der Hankenstraße. Gruppe einfacher Handwerkerhäuser mit Diele und Ausluchten. Anfang des 17. Jahrhunderts

Bremen 018 Aus der Hankenstraße. Gruppe einfacher Handwerkerhäuser mit Diele und Ausluchten. Anfang des 17. Jahrhunderts

Bremen 019 Fassade des Schröderschen Hauses an der Langen Straße um 1750

Bremen 019 Fassade des Schröderschen Hauses an der Langen Straße um 1750

Bremen 020 Torhaus der Empirezeit am Hohentor. Von J. Polzin um 1820

Bremen 020 Torhaus der Empirezeit am Hohentor. Von J. Polzin um 1820

Bremen 021 Tuaillon. Reiterstandbild Kaiser Friedrichs

Bremen 021 Tuaillon. Reiterstandbild Kaiser Friedrichs