Ansichten aus Schwerin – Residenzstadt Mecklenburgs 1879

Unter den norddeutschen Großstädten können sich wohl wenige einer so schönen und malerischen Lage rühmen, wie das anmutige und durch zahlreiche stilvolle Neubauten so sehr verschönerte Schwerin, die Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Großherzogtums Mecklenburg, von welcher wir auf unserem Holzschnitt S. 556 acht verschiedene kleine Ansichten geben. Die freundliche Residenz liegt am südwestlichen Ende des Schweriner Sees, welcher, von teilweise schön bewaldeten Ufern eingerahmt, mit seinem Flächenraum von 64 Quadratkilometern schon ein sehr achtbares Wasserbecken darstellt.

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Die Stadt selbst hat eine liebliche Umgebung, in welcher bewaldete Hügelwellen und Anhöhen und kleine Seen neben dem großen Schweriner See abwechseln, und macht von allen Seilen, namentlich aber vom See her einen gar stattlichen, durch die Konturen des schönen im eigentümlichen Frührenaissance-Style erbauten Schlosses noch bedeutend gehobenen Eindruck. Schwerin trägt jedoch nicht ausschließlich das Gepräge einer Residenzstadt, sondern hat auch eine bemerkenswerte gewerbliche Rührigkeit, denn seine nahezu 28.000 Einwohner haben eine bedeutende Industrie, namentlich in Eisengießerei, in Fabriken von Tabak, Schokolade, Wagen u. s. w. und einen namhaften Zwischenhandel.

Die Stadt selbst ist eine uralte Ansiedelung der Wenden und war von 1170 bis zur Reformation Bischofssitz, später die Residenz der Herzoge des größeren westlichen Teiles von Mecklenburg. Sie ist unter den beiden jüngsten Großherzogen durch eine Menge geschmackvoller Neubauten sehr verschönt worden, und kann sich jetzt in ihren neueren Stadtvierteln an Eleganz vollkommen mit anderen Hauptstädten messen. Betrachtet man die Gesamtansicht der Stadt auf der Skizze 6 unseres Bildes, so treten sogleich mehrere der bedeutendsten Gebäude der Stadt als Augenpunkte aus dem Bilde heraus, nämlich (von links nach rechts gezählt) das Residenzschloss, die Domkirche, die Paulskirche, und noch weiter rechts mehrere monumentale öffentliche Gebäude.

Das prächtig auf einer Insel zwischen dem Schweriner und dem Burgsee gelegene Residenzschloss ist nach einem an das Schloss Chambord an der Loire gemahnenden Plane von Demmler 1844 zu bauen begonnen worden; später ging die Bauleitung an Willebrand unter Stülers Oberleitung über, wobei der ursprüngliche Plan mehrfach geändert wurde, und 1858 wardas prächtige Bauwerk vollendet. Der imposante Bau (siehe unsere Skizze 3) umschließt mit seinen unregelmäßigen, von hohen Türmen flankierten Flügeln einen fünfeckigen Hof, und macht nicht nur von außen eine äußerst malerische Wirkung, sondern enthält auch in seinen fürstlich prächtigen und komfortablen Innenräumen eine Menge von Kunstschätzen.

Südwestlich vom Residenzschloss liegt der sogenannte „alte Garten“ oder Paradeplatz, an welchem das schöne und trefflich geleitete Theater, das Palais der Großherzogin-Mutter und das Regierungs- oder Kollegiengebäude (Skizze 5) stehen. Vor dem Theater erhebt sich das von Rauch modellierte kolossale Erzstandbild der Großherzogs Paul Friedrich und gegenüber die zu Ehren der 1870—1871 gefallenen Mecklenburger errichtete Siegessäule.

In der Nähe des altstädtischen Marktes befindet sich die ehrwürdige Domkirche, ein prächtiges Denkmal des niedersächsischen und baltischen Backsteinbaues, in welches der Turm einer älteren Kirche, in den Jahren 1360—1430 erbaut, eingefügt ist. Dieses schöne, dreischiffige Gotteshaus, ehedem die Mutterkirche des Bistums Schwerin, ist vor zehn oder zwölf Jahren würdig wieder hergestellt worden. Ihr steht an Schönheit und Interesse zur Seite die westlich vom Pfaffenteiche stehende, neue gotische Paulskirche vom Baurat Krüger erbaut (Skizze 4), mit schönen Glasgemälden, Kanzel und Altar.

An dem stattlichen Pfaffenteich, zwischen Ziegelsee und Altstadt gelegen, von welchem unsere Zeichnung 8 eine Ansicht gibt, stehen einige der schönsten Neubauten der Stadt, nämlich das 1844 von Demmler erbaute Arsenal (Skizze 2) und diesem gegenüber das nach Willebrands Entwürfen erbaute neue Gymnasium (Skizze 7), während unter den Kasernen sich namentlich die Artilleriekaserne (Skizze l) auszeichnet.

Hierzu sind in den jüngsten Jahren noch viele andere monumentale Neubauten gekommen, von denen wir nur noch das neue Museum für die vereinigten großherzoglichen Sammlungen erwähnen. Sehenswert ist ferner der geräumige, musterhaft eingerichtete und mit den wertvollsten Rassepferden besetzte Marstall des Großherzogs, die schöne Gemäldesammlung des Großherzogs mit wertvollen Bildern der besten italienischen, niederländischen und deutschen Meister (von Altdeutschen Holbein, Lukas Cranach u. A.), die Sammlung von Gipsabgüssen und plastischen Werken, und das von dem Geheimen Archivrat Lisch trefflich angeordnete Antiquarium mecklenburgischer Altertümer. Hierzu kommen noch die im neuen Residenzschloss aufbewahrte, höchst interessante und wertvolle Waffensammlung des Großherzogs mit vielen in ihrer Art einzigen Kabinettsstücken, sowie der ausgedehnte Schlossgarten mit seinen schönen Anlagen, und die Paläste verschiedener Mitglieder des großherzoglichen Hauses.

Schwerin gilt allgemein für eine der angenehmsten und geselligsten Städte Norddeutschlands und zieht durch seine reizende Lage, durch sein Theater und seine sonstigen geistigen Genüsse, durch den gebildeten und ansprechenden Ton in seiner Gesellschaft etc. immer eine Anzahl von Fremden zu längerem Aufenthalte an, und ist im Winter durch die Anwesenheit der meisten Familien des reichen grundbesitzenden mecklenburgischen Adels ungemein belebt.

Ansichten aus Schwerin. (S. 559.)
Ansichten aus Schwerin 1. Artilleriekaserne.
Ansichten aus Schwerin 2. Arsenal.
Ansichten aus Schwerin 3. Großherzogliches Schloss.
Ansichten aus Schwerin 4. Die Pauls-Kirche.
Ansichten aus Schwerin 5. Regierungsgebäude.
Ansichten aus Schwerin 6. Allgemeine Ansicht der Stadt Schwerin.
Ansichten aus Schwerin 7. Gymnasium.
Ansichten aus Schwerin 8. Pfaffenteich.