Inhalt

seine Bedeutung für Medizin und Chemie.

Vortrag, 1)


gehalten im Verein für Rostocker Altertümer

von

Professor emer. Dr. G. Dragendorff.


Als im 16. Jahrhundert Luthers Glaubensthat die Welt von den Banden befreite, in welche eine papistische Priesterschaft die Menschheit für Jahrhunderte hineingezwängt hatte, als um dieselbe Zeit die Kunst die Irrwege althergebrachter Tradition verließ und den einzig richtigen Pfad wieder fand, auf dem Gottes sichtbare und hörbare Werke rein und lauter der Menschheit darzustellen sind, als damals auf fast allen Gebieten des Wissens ein neuer Geist erwachte und erstarkte, welcher den Forscher aus der dumpfen Luft der Studierstube hinausführte in das dornen-, aber auch blütenreiche Gefilde der unmittelbaren Beobachtung und freien Forschung, da feierten auch Medizin und Chemie ihre Renaissance. Sie feierten dieselbe gemeinsam, denn im innigsten Wechselverkehr standen sie; die Medizin erschien damals untrennbar von der Chemie und diese undenkbar ohne Medizin. Beide haben sie in ihre Geschichtsbücher dieses Zeitalters der Wiedergeburt als das „iatrochemische“ eingetragen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass dasselbe angebahnt wurde durch die Pflege, welche die Wissenschaften an den Universitäten erfuhren. Seitdem nach dem Vorbilde jener höchst merkwürdigen medizinischen Schule, welche im 10. bis 13. Jahrhundert in Salerno blühte, in Bologna, Montpellier, Paris, Oxford, Cambridge medizinische Facultäten errichtet waren, seitdem diese sich allmählich zu Universitäten erweitert hatten, seitdem auch in Deutschland – Prag, Wien, Heidelberg, Köln, Leipzig, Rostock - solche Hochschulen gegründet waren, kam nun die Zeit, welche die Früchte dieser Schöpfungen zur Reife brachte. Nicht, dass wir sagen dürften, es wären die wichtigsten Fortschritte unserer beiden Wissenschaften an den Universitäten erarbeitet worden - solche reich ausgestatteten Kliniken und Laboratorien, wie heute, gab es ja damals nicht und nur selten begegnen wir in dieser Zeit einer Coryphäe unserer Wissenschaften, welche dauernd einer Universitas litterarum angehörte. - Paracelsus wurde wohl 1526 vom Rate Basels zu einer Professur berufen, aber kaum ein Jahr lang hielt er das Leben dort aus; Johann Baptist von Helmont hatte wohl in Paris und Löwen studiert, aber ein Lehramt dort anzunehmen, konnte er sich nicht entschließen. Unter den bedeutenderen Chemikern macht vorzugsweise Franz de la Boë (Silvius) hiervon eine Ausnahme, der 1658 - 1672 an der Universität Leyden dozierte. Viel häufiger sehen wir, dass die durch die Hochschule erhaltene Anregung erst in späteren Jahren in den Gelehrten nachwirkte, wenn sie als Ärzte sich niedergelassen und mehr oder weniger auf sich selbst und die dürftigen Laboratoriumseinrichtungen, welche sie mit ihren beschränkten Mitteln herstellen konnten, angewiesen waren.

Aber gefördert sehen wir solche Gelehrte häufig durch hochherzige Fürsten, von denen sie materiell unterstützt und an deren Hof sie als Leibärzte berufen werden. Ich will nicht weiter darauf eingehen, dass Raymundus Lullus, der Doctor illuminitissimus der Alchemie, von König Eduard III. von England bei seinen Arbeiten durch Geld unterstützt wurde. Letzterer hat gewiss der Hoffnung gelebt, er werde durch das von Lullus hergestellte Gold - wenn auch nicht den von Lullus gewünschten Kreuzzug unternehmen, so doch - seine Finanzen verbessern können. Aber betonen möchte ich, dass manche hervorragende Gelehrte der Renaissance: Georg Agricola, dem ein Gnadengehalt Moritz- von Sachsen u. A. die Herausgabe seiner „Libri duodecim de re metallica“ möglich machte, Turquet de Mayerne, der Leibarzt bei Jacob I. und II. von England war, Adrian von Mynsicht, der Verfasser des „Thesaurus et armamentarium medico - chymicum“, welcher eine Zeitlang Leibarzt des Herzogs Adolph Friedrich von Mecklenburg-Schwerin gewesen, und Andere, durch fürstliche Munificenz in den Stand gesetzt wurden, wissenschaftlich tätig zu sein.

Auch der Mann, mit dessen Andenken wir uns hier beschäftigen wollen, gehört der letztbezeichneten Klasse von Gelehrten an. Diesmal ist es das Güstrower Fürstenhaus, dessen Herzog Johann Albrecht den Archiater Angelus Sala an seinen Hof zieht und es nicht verschmäht, sich von diesem in die Kenntnis der Medizin und Chemie einführen zu lassen.

Unser Angelus Sala soll in Vicenza im Venetianischen geboren sein; gestorben ist er im Jahre 1637 in Bützow. Man sagt, dass er durch religiöse Drangsal veranlasst wurde, Italien zu verlassen, und berichtet weiter, dass, nachdem 1608 Salas erstes Werk „Tractatus duo de variis tum chymicorum tum galenistarum erroribus in praeparatione medicamentorum commissis“ erschienen, der Verfasser 1609 in Winterthur, später 1613 im Haag als Arzt gewirkt habe. Von dort sei er nach Oldenburg übergesiedelt und als Leibarzt des Grafen Anton Günther von Oldenburg thätig gewesen. Noch am 2. August 1619, in der Vorrede zu seinen Anton Günther gewidmeten „Aphorismen“, nennt er sich Leibarzt desselben. Dann habe Sala von 1620 - 25 in Hamburg practisiert und endlich sei er, zum Leibarzt von Johann Albrecht berufen, am 1. Juli 1625 als solcher in Güstrow vereidigt. Nach kurzem Aufenthalt in letzterer Stadt hat Sala die Verbannung seines von Wallenstein vertriebenen Fürsten getheilt; mit ihm hat er 1628 in Bernburg, von December 1628 bis Juli 1629 in Harzgerode, vom August 1629 bis Juli 1630 in Lübeck gelebt. Die folgenden 6 Jahre bis zum Tode seines Fürsten verbrachte Sala in Güstrow und nachdem er dann in gleicher Eigenschaft, laut Document vom 24. Juni 1636, beim Sohn und Nachfolger des Herzogs, dem minderjährigen Gustav Adolph, angestellt worden, begleitete er diesen nach Bützow. Hier starb Sala am 2. October 1637; seine Gebeine sind am 19. October im Dom zu Güstrow beigesetzt.

Auf diese wenigen Notizen, welche von Thomas, Zedler, Kestner, Jöcher, Kopp, Schroeder, Gernet und zuletzt von Blanck in dessen Schrift „Angelus Sala, sein Leben und seine Werke, Schwerin 1883,“ gesammelt wurden, beschränkt sich unsere Kenntnis von Salas Lebenslauf. Trotz der Dürftigkeit finden sich auch hier noch Widersprüche. Blanck, der Einsicht in die Akten des Geheimen und Haupt-Archivs in Schwerin gehabt hat, gibt obigen Todestag des Jahres 1637 an, während ältere Biographen, und mit ihnen Kopp in seiner „Geschichte der Chemie“, behaupten, Sala habe noch 1639 gelebt. Letztere Ansicht wird, wie ich glaube, sich auf die Tatsache stützen, dass eine von Salas Schriften, die „Hydrelaeologia“, in der gewöhnlich zugänglichen Ausgabe das Druckjahr 1639 trägt. Blanck gibt von dieser Schrift an, sie sei 1633 erschienen, und er wird darin Recht haben. Es wird sich in der Rostocker Ausgabe von 1639 dieses Opus, welches gewiss von Ärzten und Apothekern und auch wohl von Kurpfuschern, Liqueurfabrikanten oft benutzt wurde, um einen Wiederabdruck handeln. In der Vorrede der vom 1. Januar (24. Februar) 1637 datierten „Saccharologia“ wird ausdrücklich die „Hydrelaeologia“ als längst erschienen aufgeführt. Auch von der „Spagyrischen Schatzkammer“, welche nach Blanck 1634 in Güstrow erschien, findet sich eine Rostocker Ausgabe von 1637 (Vorrede: Güstrow 7. August 1637 datiert). Vielleicht ließen sich diese Kontroversen erledigen, wenn die letzte Gesamtausgabe von Salas Schriften von 1682 zur Hand wäre. Mir steht, außer einer Anzahl von Einzeldrucken, nur die erste lateinische Gesamtausgabe von 1647 zu Gebot, welche keine Angaben über die Zeit der Publikation der einzelnen Schriften macht und auch die Vorreden nicht immer berücksichtigt. Vielleicht ließen sich auch aus anderen Mecklenburgischen Bibliotheken noch mehr erste Ausgaben der Schriften beschaffen, wie mir bis jetzt zugänglich waren.

Behauptet wird, Sala entstamme einem alten Marchesengeschlechte; jedenfalls erlangte der Sohn, welcher 1640 Kammerpräsident in Güstrow war, die Bestätigung des Adels und wurde ein Urenkel Salas, der Baron Gert Carl von Sala, am 23. Juni 1731 zum Reichsgrafen des heil. Römischen Reiches ernannt. Nichts wissen wir über Salas Geburtsjahr, nichts über seine wissenschaftliche Ausbildung. Dass er den Doctorgrad erworben, ist nicht wahrscheinlich, wahrscheinlich aber, dass er ein guter Christ, ein glaubenstreuer Lutheraner gewesen. Seine fast kindlich christliche Gesinnung tritt uns an den verschiedenen Stellen seiner Werke entgegen. Wäre er kein guter Lutheraner gewesen, so hätte der Vormund des jungen Gustav Adolph, der Schweriner Herzog Adolph Friedrich, Sala nicht der nächsten Umgebung des Prinzen zugeteilt. Denn der Aufenthalt in Bützow hatte den Zweck, Gustav Adolph dem Einfluss seiner reformierten Mutter zu entziehen.

Die 19 Schriften, welche Salas Namen tragen, sind zunächst einzeln im Druck erschienen, später, soweit nöthig, ins Lateinische übersetzt und dann, wie gesagt, unter dem Titel „Opera medicochymica, quae extant omnia“ 1647 und 1682 gesammelt herausgegeben. Schon hier tritt uns der Verfasser als ein recht vielseitiger, auch sprachlich gut geschulter Gelehrter entgegen. Während sein erstes Werk und die „Anatomia Vitrioli“ in italienischer Sprache erschienen, sind die dann folgenden aus der Zeit des Aufenthaltes in Holland lateinisch abgefaßt. Aber schon der „Ternarius ternariorum“und die letzte Schrift der niederländischen Zeit „Traité de la peste“ wurden in französischer Sprache publiziert. Auch nach der Übersiedlung nach Deutschland kehrt Sala zunächst zum Gebrauch des Lateinischen zurück, aber schon 1624 erschien in Wandsbeck die deutsch abgefaßte „Gründliche Erklärung von etlichen kräftigen und hochbewährten spagyrischen Medikamenten“. Auch die späteren Werke „Essentiarum vegetabilium anatome“, „Tartarologia“, „Hydrelaeologia“, „Saccharologia“ und die „Spagyrische Schatzkammer“, welche in den Jahren 1630 - 1637 verfasst sind, waren deutsch geschrieben. Daß hier kein Zufall waltet, beweist wohl der Umstand, dass Sala, ebenso wie sein Fürst, seit 1628 der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ in Weimar angehörte, welche sich die Einführung der hochdeutschen Sprache in Schrift und Rede, ihre Reinhaltung von Fremdworten, zur Aufgabe gemacht hatte.

Um Salas Bedeutung für die Wissenschaft würdigen zu können, wird es nötig, in kurzen Zügen die Entwicklung der älteren Medizin und Chemie zu skizzieren. Versetzen wir uns in die ferne Vergangenheit, aus welcher uns die ältesten geschriebenen Nachrichten erhalten sind, zurück, so sehen wir, dass die Menschheit im Wechselverkehr mit der sie umgebenden Natur schon früh eine große Zahl von Heilmitteln sich zu eigen gemacht hatte. Ebenso hatte sie auf dem Wege der Empirie eine Menge von Einzelbeobachtungen über die zweckmäßigste Verwendung dieser Medikamente gesammelt. Bei den meisten Völkern - Indern, Babyloniern, Juden, Ägyptern, Griechen - hat sich die Priesterschaft zum Hüter und Pfleger dieser Erfahrungen aufgeworfen und meistens wacht sie mit Eifersucht darüber, dass nur sie die Medizin ausübe. Die Medikamente waren zum großen Teile dem Pflanzenreiche entnommen; ganz bedeutend treten im frühen Altertum die Heilmittel tierischer Abstammung gegen die pflanzlichen zurück, und nur höchst vereinzelt können wir die Verwendung mineralischer Medikamente und künstlich dargestellter Chemikalien nachweisen.

Als in den Tagen der höchsten Blüte der Kunst und Wissenschaft in Griechenland Hippocrates seinen Namen mit unauslöschlichen Zügen eintrug in die Geschichtsbücher der Wissenschaft, da bestand sein Verdienst darin, dass er die vielen zum Teil aus Ägypten importierten, zum Teil im Laufe von Jahrhunderten selbst erworbenen Einzel-Erfahrungen der Priesterschulen von Kos und Knidos sammelte, die bisher ängstlich als Geheimlehre gewahrt, die nur mündlich oder höchstens durch den Priestern verständliche Inschriften im Tempel verbreitet worden; sie bestand weiter darin, dass er die einzelnen Krankheiten nach ihren Ähnlichkeiten gruppierte, aber diese Krankheiten nicht nur nach ihren Symptomen und der Art ihrer Bekämpfung, sondern auch nach ihrer Entstehungsursache beurteilte. Hippocrates also hat die Semiotik in ihre Rechte eingesetzt und auf dieser Grundlage die Aufstellung eines Systems der Medizin erstrebt.

Es ist bekannt, dass dieser Geistesheros, den jede wissenschaftliche Medizin als ihren Begründer verehren muss, in seinem Streben ganz vereinzelt war und für lange blieb. Die Namen „dogmatische“, „empirische“, „methodische“ Schule, mit denen die Geschichtsschreiber der Medizin die nächsten Perioden derselben bezeichnen, sagen uns, worin der Fehler lag. Schon die Söhne und nächsten Schüler des Hippocrates hatten seine Lehren zu Dogmen erhoben, denen sie blindlings ohne jede wissenschaftliche Kritik, folgten, auf jeden Weiterbau des Lehrgebäudes verzichtend. Die Nachfolger dieser aber waren wieder zur Empirie zurückgekehrt, sich bemühend immer mehr Medikamente zu erwerben und zu erproben und so wohl für die Heilung, nicht aber für die Erkenntnis der Krankheiten tätig zu sein.

Und zu solcher Richtung gab es damals mancherlei Anlass. War es doch die Zeit, in welcher Alexanders Heereszüge die Griechen mit den verschiedensten Völkern in Berührung brachten. Eine Fülle neuer Kenntnis häufte sich in Griechenland und später in Alexandria an und die Kenntnis neuer Heilmittel machte einen großen Teil derselben aus.

Dieser Trieb, immer neue Medikamente zu erproben, war so groß, dass selbst, als die Einwirkungen ferner Länder wieder geringer wurden, der einzelne Arzt in seiner nächsten Umgebung, oft in abenteuerlichster und kritiklosester Weise, nach Medizinen suchte. Das ist die Zeit, welche jene Fülle tierischer Medikamente in den Arzneischatz führte, die oft das Allerekelhafteste, Widerlichste, das man sich denken kann, umfasste. Das ist weiter die Zeit, in welcher die komplizierten Arzneimischungen, wie sie uns in den Theriaken eines Mithridates und in anderen Kompositionen erhalten sind, entstanden. Es war ein Wettlauf nach Neuem, der schließlich mehr Alterprobtes vergessen, wie wertvolles Neue erwerben ließ, der mehr die Routine, wie die wissenschaftliche Erkenntnis förderte.

Auch als die Medizin Griechenlands und Alexandrias ihren Weg nach Rom genommen hatte, blieb es so. Ein Glück ist es, dass in der Zeit des 2. Jahrhunderts wenigstens ein Mann erstand, welcher das Missliche dieser Richtung erkannte und, indem er das massenhaft vermehrte Material der Medizin und damit auch der Pharmakologie in seiner Art systematisch zusammenstellte, wenigstens den Versuch machte, die Medizin in die von Hippocrates eröffneten Bahnen zurückzuleiten. Dass nur sein Wille ein guter, dass die Kraft zur Ausführung seiner Tendenzen fehlte, dürfen wir ihm nicht zum Vorwurf machen. Immerhin war schon der Versuch, den der 131 p. Chr. n. in Pergamon geborene Claudius Galenus machte, so imponierend, dass seine Schriften, die besonders auch die Anatomie und Physiologie berücksichtigen und deren pharmakologischer Teil vorzugsweise auf Grundlage der Aristotelischen Elementenlehre zusammengestellt war, während des ganzen Mittelalters Leitfaden der Ärzte blieben.

Bis in das 4. Jahrhundert nach Chr. ist von Chemie wenig die Rede. Dass man einzelne chemische Operationen beherrschte, lehren uns die Schriften der indischen Ärzte, namentlich Susrutas, lehrt uns Aristoteles und der größte naturhistorische Encyclopädist der römischen Zeit, Plinius. Namentlich verwerteten manche Völker - insbesondere die Ägypter -- metallurgische Erfahrungen, die doch auch auf chemischen Prozessen beruhen. Erst nach Christi Geburt treten uns die ersten Spuren der Wissenschaft entgegen, welche später so große Bedeutung gewann, der Chemie. Erst aus dem 4. Jahrhundert haben wir zusammenhängende Werke, die wir mit der Bezeichnung der Araber, „alchimistische“ nennen können. Sie beschäftigen sich zunächst ausschließlich mit Metallurgie, haben gar keine Beziehungen zur Medizin. Fußend auf den Anschauungen, welche in der griechischen Philosophie über die Natur der Materie allmählich sich ausgebildet hatten, besonders auf des Leukippos, Heraklit und Aristoteles Atomen- und Elementenlehre, entsteht allmählich die Überzeugung, dass die Metalle nicht Elemente in unserem Sinne, also einfach, sondern dass sie zusammengesetzt, dass ihre Verschiedenheiten durch ungleiche Mischung bedingt seien, dass eine Umwandlung eines Metalls in das andere möglich. Wie leicht verständlich, lockte die Überzeugung, Gold könne aus Kupfer oder Silber dargestellt werden, viele zu Versuchen an, dass aber über kurz oder lang die nüchterne Anschauung, welche diesen Prozess als einen natürlichen hinstellte, sich änderte, dass der Chemiker, nachdem er eine natürliche Umwandlung des Metalls vergeblich erstrebt, sich mehr und mehr dem Mystizismus in die Arme warf, dafür müssen wir die Zeitverhältnisse, welche dem Wunderglauben Vorschub leisteten, die philosophischen Anschauungen, welche aus Griechenlands Blütezeit in das Mittelalter gerettet waren, dafür vor Allem den berühmten Stagyriten Aristoteles, der trotzdem der größte Naturforscher des Altertums, einer der größten aller Zeiten bleibt, verantwortlich machen. Denn im Vollbewusstsein dessen, daß man durch seine 4 Elemente: Feuer, Luft, Wasser, Erde, nicht jede Verschiedenheit, nicht jede Veränderung der geschaffenen Materie erklären könne, hatte Aristoteles selbst noch ein fünftes vollkommen bewegliches, mehr geistiges Element aufgestellt, das den Stoff vollkommen durchdringt, ihn gewissermaßen durchgeistigt und belebt. Handelte es sich hier, wie überhaupt bei den Elementen des Aristoteles, zunächst nicht um materielle Gebilde im Sinne unserer Chemie, sondern um abstrakte Bezeichnungen gewisser physikalischer Eigenschaften, so war dies allmählich von den Alchimisten vergessen. Namentlich seitdem abendländische Gelehrte und Christen die Fortführung der Alchemie übernommen hatten, trat der Zeitpunkt ein, wo, nach unzähligen Bemühungen, durch chemische Versuche die Mischung der 4 Elemente aufzufinden. welche Gold zu Gold macht, man dieses 5. Aristotelische Element in das Experiment einführte. Jetzt galt es zunächst solche Substanzen aufzufinden, welche reich an dieser „quinta essentia“ zu sein schienen und, das Ideal der Alchemisten war, diese womöglich rein aus ihren Kombinationen abzuscheiden. Das Forschen nach ihr nannte man und nennt man heute noch in der Geschichte der Chemie „Suchen nach dem Stein der Weisen.“

Bis zum 9. Jahrhundert gehen Alchimie und Medizin unbeeinflusst nebeneinander her. Letztere war inzwischen in die Hände der Araber gelangt, welche nach Möglichkeit sich an das Vorbild der Griechen, besonders Galens, hielten. Sie haben das ihnen anvertraute Gut fast unverändert den Händen der Salernitaner überliefert.

Auch bei Geber, dem größten Alchimisten des arabischen Zeitalters, der übrigens nicht Arzt war, wird das Wort „Medizin“ nur bildlich gebraucht. Medizinen erster Ordnung nennt er die Rohmaterialien, Medizinen zweiter Ordnung die durch chemische Operationen - Destillation, Sublimation, Fällung, Krystallisation - aus ihnen gewonnenen Produkte. Durch ein chemisches Meisterstück hofft er aus diesen das große Elixier, den Stein der Philosophen und Weisen, herzustellen. Noch fast 2 Jahrhunderte vergehen bis ein anderer arabischer Alchimist, Al Rasi oder Rhazes, den Versuch wagt, die alchimistisch gewonnenen Präparate als Arznei zu verwenden. Indem er dann angeblich die letzten Konsequenzen der Elementenlehre für die Alchimie zieht, muss er zu der Einsicht gelangen, daß, was schon Galen angedeutet hatte, dieselben Theorien, denen zufolge das unedle Material krank ist und zu Gold und Silber gesunden muss, auch auf den menschlichen Körper, sein Krank- und Gesundsein, angewendet werden sollten. Und wenn es wiederum nicht gelang, durch Zuführung solcher Medikamente überall Gesundheit zu erringen, in denen die dem kranken Organismus fehlenden der 4 gewöhnlichen Elementarqualitäten reichlich vorhanden sein sollten, so musste auch hier ein Zeitpunkt eintreten, wo man sich bestrebte das 5. aristotelische Element in der Medizin zu verwenden. Die quinta essentia, das große Elixier, der Stein der Weisen wird Universalmedizin und der Mensch Versuchstier der Alchimisten. Denn wie hätte dieser es bequemer haben können, als indem er, was er als Stein der Weisen chemisch ausnutzen wollte, zuvor physiologisch sich als solchen betätigen ließ. Die größten Alchimisten des 13. und 14. Jahrhunderts - Roger Baco, den Humboldt den wichtigsten Förderer der Naturforschung, den tüchtigsten Experimentator des Mittelalters nennt, ferner Arnold Bachmone, bekannter unter dem Namen Villanovanus, Raymundus Lullus u. A. - sind fest davon überzeugt, daß man das Leben Jahrhunderte lang durch den Stein der Weisen werde erhalten können, d. h. „si Deus voluerit.“ Letzterer Reservation zufolge waren sie überzeugt, nur durch ein Wunder könne die Panacee in ihre Hände gelangen, nur die Innigkeit und Inbrunst ihres Gebetes könne die Darstellung gelingen lassen. Für Basilius Valentinus, der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte, ist der chemische Versuch Gottesdienst; nur dem unsterblichen Teile der Menschen kann er den Stein der Weisen gleichsetzen. Schon der Besitz dieses Steines genügt: „keine Armut wird der Inhaber spüren, keine Krankheit ihn rühren, kein Gebreste ihm Schaden bringen, bis zu dem gesetzten Ziel des Todes, so ihm von seinen Himmelskönige gesetzt ist.“

So war denn nun der strebsame Arzt gezwungen, den durch chemische Arbeit gewonnenen Produkten seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und wer konnte leugnen, dass manche derselben sehr energisch wirkende Medikamente darstellen. Schon früh hatte man begonnen mit einer gewissen Vorliebe Präparate des Quecksilbers Bleis, Kupfers, Antimons, Schwefels, ferner Alaun, Salpeter und andere in der Alchimie anzuwenden und später, als Zink und Wißmut bekannt wurden, sind auch diese zu Versuchen herbeigezogen. Jetzt werden die alchimistischen Medizinen zu Heilmitteln im wahren Sinne des Wortes. Das ist die Zeit, in welcher eine neue medizinische Schule - wir können sie mit Sala und Andern die „spagyrische“ nennen - entstand, aber auch die Zeit, wo die alte Schule der Ärzte, welche treu an den durch Salerno verbreiteten Lehren Galens festhielt, mit größter Energie sich gegen solches Gebaren auflehnte.

Ein furchtbarer Kampf entstand; hie Galeniker, hie Spagyriker! Mit jugendlichem Ungestüm sendet Basilius Valentinus seinen „Currus triumphalis Antimonii“ in die Welt; mit Spott und Hohn redet er von den nach Galens Vorschrift durch Mischung zahlreicher pflanzlicher und tierischer Droguen angefertigten Theriaken, mit Verachtung gedenkt er der Corrigentien, durch welche die Galeniker die Wirkung ihrer Medikamente mildern und rektifizieren wollen. „Durch das Feuer“, er meint Chemie, „muß die Korrectur gehen, sonst ist es keine“, so donnert er sie an.

Nur noch kurze Zeit dauert es nun und Theophrastus Paracelsus von Hohenheim (1493 - 1541) erklärt, nicht Gold sondern Arzneien zu machen, sei die Aufgabe der Chemie. Auch die heftigst wirkenden Chemikalien könne man äußerlich und innerlich zu Heilzwecken anwenden. Man brauche dieserhalb noch nicht die Medikamente der Pflanzenwelt zu verwerfen; aber man solle den wirksamen Teil dieser von den unwirksamen Bestandteilen scheiden und ausschließlich erstere - die Quintessenz der einzelnen Droge - verordnen.

Aber nicht nur zur Darstellung der Heilmittel brauche der Arzt die Chemie, ebenso sehr sei sie ihm nötig, um die Ursache der Krankheit zu ergründen, die Wirkung des Medikaments zu verfolgen und zu kontrollieren. Auch der menschliche Organismus gleiche einem chemischen Laboratorium, die wichtigsten Lebensvorgänge beruhten auf chemischer Umsetzung, die der Körper durch starkwirkende Stoffwechselprodukte - Säuren, Basen - bewerkstellige und in die der Arzt mit Chemikalien in höchst erfolgreicher Weise eingreifen könne. Und wenn auch von allen Seiten die Galeniker über ihn herfallen, ihm vorwerfen, daß er mit diesen Chemikalien seine Patienten morde, siegreich behauptet er den Gegnern gegenüber das Feld. Zwar glaubt auch er noch an die Möglichkeit Gold aus diesem ungleichen Material herstellen zu können, aber mehr und mehr verliert diese Aufgabe der Chemie an Bedeutung.

Paracelsus gilt als der Schöpfer der Jatrochemie, die nicht nur mit Chemikalien heilen, sondern durch die Chemie die Erkrankungsursache auffinden, die wichtigsten Lebensvorgänge im menschlichen Organismus erklären wollte. Zahlreiche begeisterte Anhänger helfen dazu ihr Ansehen zu erhöhen und Paracelsus als neuen Hippokrates zu verherrlichen. Was in seinem Übereifer Paracelsus übertrieben und wo er über das Ziel hinausgegangen, das fand bei Beginn des 17. Jahrhunderts durch Johann Baptist van Helmont, den geistvollen Begründer der pneumatischen Chemie, den ersten Erforscher der gasförmigen Substanzen, zum Teil schon seine Berichtigung. Wo Paracelsus, wie zum Verständnis der Verdauung, die Chemie herangezogen hatte, da ergänzte van Helmont in sehr glückicher Weise den Meister. Und mit größtem Erfolge trat Franz de la Boö (Silvius) - 1614 bis 1672 - für die neue Lehre ein, die er in möglichst consequenter Weise auszubauen suchte. Auch Paracelsus und van Helmont hatten sich noch nicht ganz von der Annahme spiritualistischer Kraft, wie des Archeus, der die Verdauung regelt, loszusagen vermocht; da war es Silvius, der nachwies, daß neben der Acidität des Magensaftes und der Alcalescenz des Darmsaftes vor Allem die Anwesenheit und Tätigkeit gewisser Fermente wie Speichel, Pepsin, Pankreatin zur Verdauung notwendig sei. Formente, die chemisch wirken, für deren fast wunderbare Wirkung aber, nicht nur damals sondern noch bis vor Kurzem, das rechte Verständnis fehlte.

Mehrfach war versucht, die neue und alte Schule der Ärzte einander zu nähern. Namentlich Sennert (1572 - 1637) unternahm es, den Galenikern die spagyrischen Medikamente zu empfehlen, die durch Croll, Quercetanus, Libavius, Mynsicht und viele Andere vermehrt und verbessert wurden. In diesen Zeitpunkt fällt die Wirksamkeit Angelus Salas. Auch er ist bemüht zu vermitteln, die Spagyriker vor zu einseitiger Ausnutzung der Chemikalien zu warnen, die Galeniker zur Annahme der nach ihrer Art weiter verarbeiteten Chemikalien zu bewegen.

Schon in dem ersten Traktat, welches ich oben erwähnte, bespricht Sala verschiedene Irrtümer der Chemiker und Galeniker bei Herstellung ihrer Medikamente. Den Alchimisten - Pseudochemikern - macht er z. B. Vorstellungen über die von ihnen als „aurum potabile“ angepriesene Universalmedizin, von der behauptet wurde, das Gold sei in ihr in einem subtilen und geistigen Zustand versetzt und könne deshalb nicht mehr erkannt und wieder abgeschieden werden. Sala beweist daß man gewiss sehr wirksame lösliche Goldpräparate gewinnen könne, daß aber aus allen durch geeignete Bearbeitung auch nach Jahren das Gold wieder als solches frei gemacht werden müsse. Wenn das mit ihrem aurum potabile nicht der Fall sei, so enthalte es eben kein Gold. Damit ist aber die Theorie von der Fortexistenz der Metalle, d. h. unserer jetzigen Elemente, in Verbindungen ausgesprochen, die erst die spätere Chemie zur Anerkennung gebracht hat. Manchen Lichtblick finden wir in dem Abschnitt über Antimon, von dessen Verunreinigung mit Kupfer, Gold und namentlich Arsen, von dessen Gehalt an Schwefel Sala schon eine Vorstellung hat. Da unreine und namentlich arsenhaltige Antimonialia viel stärker als reine wirkten, müßten erstere durchaus vermieden werden. Interessant sind auch die Abschnitte über Talk, über Quintessenz des Weines, d. i. Weingeist, über den Weinstein, dessen Verhalten bei der trockenen Destillation gut geschildert und dessen Rückstand bei dieser als Pottasche, die wohl an der Luft zerfließen, aber kein Öl geben könne, erkannt wird. Allerdings laufen hier und in den übrigen Schriften auch schwere Irrtümer mit unter, so daß man die Goldkörner mühsam sich zusammenlesen muß. Man muß sich oft durch einen Wust von Phrasen, Wiederholungen, unwichtigen Dingen, auch bei den Experimenten durch viel Nebensächliches, vieles, welches den Versuch unnötig compliciert, hindurchquälen, aber staunen muß man doch über die scharfe Beobachtungsgabe Salas und die nüchterne Art der Deutung seiner Erfolge. Den Galenikern macht Sala im 2. Abschnitt desselben Buches es klar, es sei unlogisch immer auf die coustischen Wirkungen der spagyrischen Medicamente hinzuweisen.

Was sei nicht alles ätzend? Auch durch Erhitzen von Zucker und Honig bekomme man ein Destillat, welches Kupfer und Eisen löse, auch Kochsalz, das wir täglich zu uns nehmen, könne Eisen, Kupfer, Zinn angreifen, Quecksilber aus Lösungen niederschlagen; auch Weinstein des Weines könne man so caustisch machen, daß Kupfer afficiert werde. Daß auch Galens Kompositionen stark caustische Bestandteile enthielten, beweist er durch Beispiele.

Aus dem dann folgenden Traktat von 1608 „Anatomia Vitrioli“ sehen wir, daß Sala schon gelegentlich wasserfreie Schwefelsäure beobachtet hat. In der 1617 in Amsterdam herausgegebenen „Septem planetarum terrestrium recensio“ werden Darstellung, Eigenschaften, Präparate der damals bekannten 7 Metalle, welche schon von den alten Astrologen je einem Planeten zugewiesen worden, besprochen. Hier finden wir zuerst die Bereitung des Höllensteins beschrieben, die medizinische Anwendung des gesüßten Quecksilbersublimates, d. h. des Calomel, warm befürwortet. Weil Sala im Reagenzglas die Fällung des Quecksilbersublimates durch Pottasche beobachtet, wird diese als Antidot bei Quecksilbervergiftung empfohlen. Damit ist gesagt daß man das im Laboratorium ausgeführte Experiment direkt auf Vorgänge im lebenden Körper übertragen dürfe - jedenfalls für die Pharmacologie eine höchst bedeutungsvolle Leistung. Hochinteressant ist auch, was Sala über Resorption der Quecksilbersalbe, über chronische Quecksilbervergiftungen, namentlich aber über Fällung des Kupfers aus Vitriollösungen durch Eisen sagt. Hier sei nicht, wie die Alchimisten glaubten, Kupfer geschaffen, es sei im blauen Victriol schon präformiert gewesen.

Es folgen drei Traktate, welche später mit dem Namen „Ternarius triplex Hemeticorum, Bezoardicorum et Laudanorum“ zusammengefaßt werden. Ersterer, den man gelegentlich als Tract. Hermeticorum falsch citiert findet, kam 1613 in Delft heraus und enthält eine Zusammenstellung der von Galenikern und Spagyrikern wie Quercetanus und Villanovanus gemachten Beobachtungen über Brechmittel. Der zweite beschreibt die Herstellung von 3 Bezoarmischungen, um Vergiftungen vorzubeugen und solche zu heilen (1616 in Leyden verlegt). Der dritte (1614 im Haag ediert) ist eine monographische Arbeit über Opium und seine Präparate. Vereint erschienen die 3 Schriften in einer Ausgabe vom Jahre 1630 (Erfurt, durch Andr. Tentzel aus dem Französischen ins Lateinische übersetzt).

Gleichfalls in Leyden erschien 1617 die „Anatomia Antimonii“, welche manches in der ersten Schrift Salas Gesagte wiederholt, aber auch viele neue Antimonpräparate wie Crocus, Vitrum und Flores Antimonii, desgl. das Antimonium diaphoreticum beschreibt.

Warm empfiehlt Sala die Benutzung dieser in der Medicin, warnt aber nachdrücklichst vor unvorsichtigem Gebrauch. Bekannt ist Sala, daß Wein Antimonblüthe (Oxyd) lösen könne: daraus folgt, daß er schon Brechweinstein angewendet hat, wenn auch erst sein College Mynsicht dieses Präparat fest und rein darstellen lehrte. Daß aber, wie behauptet wird, Sala den Goldschwefel benutzt habe, dafür finde ich in dieser Schrift keinen rechten Beweis. Es ist wohl von einem durch Sublimation gewonnenen roten Schwefelantimon, dessen Farbe sogar mit der der Orangen verglichen wird, die Rede, aber als Sulfur auratum oder Stibium sulfuratum aurantiacium dürfen wir dieses oxydhaltige und brechenerregend wirkende Präparat wohl kaum anerkennen.

Der schon früher erwähnte „Traité de la peste, Leyden 1617“ ist eine gute medicinische Abhandlung über Vorbeugung und Behandlung der Pest. Interessant sind physiologische Bemerkungen über Herz und Lunge und ihre Bedeutung für das Leben. Auch die Abschnitte über reine und verdorbene Luft und Verbreitung der Pest durch diese sind lesenswert.

Eine Menge guter Gedanken enthält auch die Schrift „Synopsis Aphorismorum chymiatricorum“ (Bremen 1620). Gesunde Art zu philosophieren, vorzügliche Kenntniß der damaligen Chemie und ihrer Arbeitsweise, manche eigene Beobachtung, z B. diejenige über die Entstehung des Salmiaks, tritt uns hier entgegen.

Das folgende kleine Traktat „Descriptio brevis antidoti pretiosi“ (Marburg 1620) entzieht sich im Wesentlichen unserer Beurteilung, weil, worüber Sala sich übrigens beim Leser entschuldigt, die Zusammensetzung des Antidots geheimgehalten wird. Beiläufig finden wir aber doch auch hier eine wichtige Notiz über die Verhältnisse, unter welchem Knallgold entsteht.

In der „Chrysologia“ (Hamburg 1622) wiederholt Sala seine Angriffe gegen das aurum potabile; in der 1624 in Wandsbek verlegten „Gründlichen Erklärung von etlichen kräftigen und hochgewährten spagyrischen Medikamenten“ behandelt er, unter Einschaltung von Abbildungen mehrerer von ihm erfundener Apparate, solche Chemikalien und pharmazeutische Präparate, welche durch Destillation und Sublimation gewonnen werden können. Auf ein weiteres Eingehen auf dieses Buch verzichte ich, weil mir der Originaldruck bisher nicht zugänglich war, der Übersetzer aber in der 1630 zugleich mit dem „Ternarius“ edierten Ausgabe und der Gesamtausgabe von 1647 mehrfach andeutet, er bringe z. Th. auch seine eigenen Erfahrungen hier vor. Daß die Sache verdächtig, beweist wohl der Umstand, daß der Herausgeber Andreas Tentzelius seine Vorrede in der Gesammtausgabe von 1617 datiert, also 7 Jahre vor dem Erscheinen des Werkes selbst.

Wiederum in Hamburg erscheint dann 1625 die Schrift „De Natura, proprietatibus et usu spiritus Vitrioli fundamentalis dissertatio“. Sala hat die wichtige Entdeckung gemacht, daß Schwefelsäure, mag sie nun durch Erhitzen von Kupfer- oder Eisenvitriol, oder durch Oxydation von Schwefel entstanden sein, stets gleiche Eigenschaften besitze. Er hebt ferner hervor, daß diese Säure bei Einwirkung auf Salpeter die Salpetersäure, die er für sehr giftig erklärt, frei mache. Deshalb müsse man vermeiden Salpeter und Schwefelsäure mit oder kurz nacheinander in den Körper zu bringen.

Nun tritt eine längere Pause in Salas schriftstellerischer Tätigkeit ein; dieser ist gerade an den Güstrower Hof gekommen, muß aber bald darauf mit seinen Fürsten in die Verbannung gehen. Aber gleich nach der Rückkehr tritt Sala mit 2 Schriften, die z. Th. auf der Reise vorbereitet sind, hervor, dem „Processus de auro potabili novo“ (Straßburg 1631), in welchem er nun nach Vorführung vieler Recepte Anderer selbst zeigt, wie man Gold lösen und ein in Wasser lösliches sehr starkwirkendes Goldpräparat herstellen könne. Wir finden in diesem Werke auch die wichtigte Beobachtung erwähnt, wie man dem Knallgold seine explosiven Eigenschaften nehmen könne. Schon etwas vorher (Rostock 1630) erschien die „Essentiarum vegetabilium anatome“, deren Vorrede noch in Harzgerode am 1. Juli 1629 geschrieben ist. Es ist ein Werk im Sinne der Galeniker, von dem ich schon früher gesprochen. Die mit ihm deutsch verfaßten und eine besondere Gruppe bildenden Schriften „Tartarologia“, „Hydrelaeologia“, „Saccharologia“ - Sala faßt sie einmal mit dem Namen „Botanochymia“ zusammen - sind sämmtlich in Rostock in den Jahren 1632, 1633 und 1637 verlegt. Erstere behandelt den Weinstein und seine Präparate, gebraucht aber die Bezeichnung „Weinstein“, wie auch Paracelsus es thut, als Gruppennamen für viele leicht fällbare Substanzen. So macht es denn den Eindruck als habe Sala z. B. auch das Sauerkleesalz, welches er als Erster aus Sauerampfer abschied, für Weinstein gehalten. Die Hydrelaeologie beschreibt die Bereitung der destillierten und aromatischen Wässer, flüchtiger Oele, des Weingeistes, der aromatischen Spiritus und vieler Aquavitae-Mischungen. Die Saccharologie aber ist den Zuckern, ihrer Reinigung (mit Eiweiß und Kalk), ihrer Verwendung in der Chemie und Medicin gewidmet.

Was nun endlich die nach Blanck 1643 in Güstrow edierte „Spagyrische Schatzkammer“ angeht, so sind in ihr zahlreiche Chemikalien, je nach der Wirkungsweise geordnet, uns vorgeführt. Wir finden hier z. B den Eisenweinstein, der später oft benutzt wurde, angeführt. Auch hier kommt Sala auf die Goldlösungen zurück, welche nicht in silberne, oder zinnerne, oder schlecht vergoldete Löffel gebracht werden sollen, weil ein Metall das andere niederschlage und so die Lösung ihren Gehalt an wirksamer Substanz einbüße. In einem Anhang hat Sala viele Vorschriften zu Syrup- und Honigmischungen, stärkenden Tränken und die Besprechung seines „Pulvis rosae vitae“ angeschlossen. Letzteres hat er in vielen Krankheiten bewährt gefunden, aber er fügt, getreu seinen Alchemisten-Vorbildern resigniert hinzu - „Contra vim mortis non est medicamentum in hortis.“ -

Zwischen dem Erscheinen dieser Schrift und dem der „Saccharologia“ ruhte die Feder Salas für einige Jahre. Es ist dies die Zeit, in welcher sein von schwerem Leberleiden heimgesuchter Fürst langsam dem Tode entgegengeht.

Möge diese kurze Aufzählung der Schriften Salas und einiger wichtigerer Ergebnisse derselben für heute genügen. Sie, meine Herren, werden daraus den Eindruck gewonnen haben, daß in Sala auf das Glücklichste der Galeniker mit dem Spagyriker vereinigt, also das Ideal erreicht war, welches für den Mediziner erstrebt werden mußte. Weit überragt Sala die meisten Ärzte seiner Zeit aber auch den Chemikern hat er in Manchem den Weg gewiesen. Paracelsus stellt die Aufgabe, daß die wirksame Ouintessenz der Pflanzen- und Thier-Droguen aufgesucht werden solle, Sala zeigt oft, wie das gemacht werden muß. Die Regeln, welche er giebt, um das Wirksame der Droguen vom Unwirksamen zu trennen, die Verwendung, welche er dabei von den möglichst indifferenten Lösungsmitteln macht, sind noch heute für den Chemiker maßgebend.

In Sala-s Schriften finden wir eine große Anzahl von Einzelversuchen und Einzelerfahrungen zerstreut. Unsere Zeit, welche bei allem Eifer für das Einzelexperiment den Trieb hat, das Errungene zusammenzufassen und im Gesamtüberblick über dasselbe den Gesetzen, welche das Geschaffene regieren, nachzugehen, vermisst dies Bedürfniß bei Sala. Aber ganz abgesehen davon, daß er in der Vorrede zur „Saccharologia“ den Plan andeutet, er wolle,sofern der Allmächtige Gott Leben und Leibesgesundheit ihm verleihe, Alles dasjenige, „so er in den (botanischen), animalischen und mineralischen zu der Arztnei dienstlichen Substanzen von Jugend auf laborirt und geobserviert habe, fundamentaliter in einem corpore an den Tag geben,“ dürfen wir wir ihm aus dem Fehlen einer solchen Verarbeitung seiner Erfahrungen einen Vorwurf machen? War er darin nicht voll und ganz ein Kind seiner Zeit, daß er in der Freude am Einzelnen das befriedigende Gefühl nicht entbehrte, welches uns erfüllt, wenn wir auch nur in enger Grenze ein abgeschlossenes Ganze zu überblicken glauben? Die ganze Zeitrichtung war eine andere und das mahnende Wort, welches der 10 Jahre vor Sala verstorbene Francis Bacon von Verulam der Welt zugerufen, hatte damals noch keine Resonanz auf dem Boden der Naturforschung gefunden. Ich meine das Wort, welches jetzt durch alle Welt tönt, daß Beobachtung und Experiment dann als Basis wahrer Forschung - Naturforschung - dienen, wenn aus ihnen Theorien abstrahiert, nicht aber wenn von allgemeinen Philosophemen aus Ideen in die Wissenschaft gebracht werden.

Nicht uninteressant ist es, daß, während Sala am Güstrower Hofe in Ansehen steht, am Schweriner der mehrmals erwähnte Adrian von Mynsicht als Leibarzt tätig ist. Hat zwischen Beiden ein Verkehr bestanden? Es wäre mir lieb, darüber etwas Genaueres zu erfahren. Zitate kommen bei beiden Schriftstellern selten vor, und ich habe keine Stelle gefunden, wo einer den anderen zitierte. Unter den vielen Lobgedichten, welche nach der Sitte der Zeit Mynsicht in seinem „Thesaurus“ abdruckt, finde ich keines aus Salas Feder, wohl aber in der Adolph Friedrich gewidmeten Saccharologia Salas ein Lobgedicht Mynsichts.

Über 250 Jahre sind seit Salas Tode vergangen. Längst hat die Jatrochemie im Sinne Paracelsus sich überlebt. Schon Lefèbre († 1674) hatte eine Trennung der reinen oder philosophischen Chemie von der medicischen verlangt. Riesengroß sind die Fortschritte der ersteren, seitdem sie um ihrer selbst Willen betrieben wurde. Keiner derselben ist spurlos an der medicinischen und pharmaceutischen Chemie vorübergegangen. Indem wir seit 1804 viele Alkaloide, Glycoside und ähnliche Stoffe aus organisierten Wesen als „Quintessenz“ abgeschieden, haben wir voll und ganz der Forderung des Paracelsus entsprochen. Wir haben dem Arzt die Möglichkeit gegeben, statt ganzer Pflanzen- und Tierteile, die heute reich, morgen arm an wirksamer Substanz sein können, diese letztere selbst zu verwenden und das Ideal der Arzneimittellehre - genaue Dosierung der Medikamente - zu erreichen.

Basilius Valentinus aber sind wir gerecht geworden durch die Entdeckung, daß man in schon bestehender Verbindung durch Fortnahme resp. Einführung von Atomgruppen die Wirkungsweise ändern kann, so daß die Korrektur, welche die Galeniker verlangten, tatsächlich „durch das Feuer geht.“

Indem wir, wie die Lebensvorgänge selbst, so die Einwirkung vieler der meist starkwirkenden Mittel, Schritt für Schritt im Körper chemisch verfolgt, indem wir auch die im Organismus bei Eingriffen schädlicher Faktoren entstehenden Gifte und Heilsubstanzen erkannt und mit berücksichtigt haben, indem wir nicht nur starkwirkende giftige und heilkräftige Substanzen, die der lebende Körper der Pflanze und des Tieres erzeugt hat, durch Analyse isolieren, sondern selbst neue Gifte und Medikamente durch Symthese herstellen lernten, haben wir viel mehr getan, als Paracelsus erwarten konnte. Wir können stolz sein auf das, was die Medizin im Zusammenwirken mit der Chemie erreicht hat, aber wir wollen nicht vergessen, welchen Anteil Männer wie Angelus Sala durch scheinbar zusammenhangslose Einzeluntersuchungen an dieser Arbeit genommen. Freuen wollen wir uns auch, daß unser Mecklenburg und sein Fürstenhaus, indem es Sala und anderen tüchtigen Gelehrten eine Heim- und Arbeitsstätte bot, bei der Förderung zweier der wichtigsten Wissenschaften sich verdient gemacht haben, zweier Wissenschaften, deren eine nicht nur den Organismus heilen, sondern in allen seinen Teilen erforschen, deren andere nicht nur Mischungen und Verbindungen zerlegen, sondern auch neue nutzbare Verbindungen aufbauen soll. Mit Vorliebe braucht Sala für die Chemie seiner Zeit die Bezeichnung „Spagyrische Kunst“, hier ist mit einem Worte angedeutet, was aus der Chemie seitdem geworden ist. Erst wir haben, insofern der Name die beiden Tätigkeiten der wissenschaftlichen Chemie - zerreißen, zersetzen, sammeln, aufbauen andeutet, ein Recht unserer Chemie diesen Namen beizulegen.