In der Gunst der Kaiserin Elisabeth

So viel ist gewiss, dass die Cesarevna nicht so bald den Thron ihres glorreichen Vaters bestiegen hatte und Kaiserin Elisabeth geworden war, als sie den Liebling mit Auszeichnungen aller Art und hohen Ehren überhäufte, gleichsam um sich unverzüglich zu ihm vor aller Welt zu bekennen. Schon in den ersten Tagen überreichte sie ihm den Kammerherrenschlüssel und das Großkreuz des Annenordens, und noch vor Ablauf des Jahrs 1741 ward er, mit dem Grade eines Generallieutenants, zum Porutschik der neuerrichteten Leibkompanie ernannt, er der niemals im Felde gewesen und dem Militär ganz fremd war. Sodann im folgenden Jahre, bei Gelegenheit ihrer Krönung (25. April 1742), machte sie ihn sogar zum General-en-Chef, erteilte ihm mit dem Titel des Oberjägermeisters eine der ersten Hofwürden und schmückte ihn mit der Kette des Andreasordens, ihres höchsten außerhalb des Militärfachs. In der Absicht die russische Herrscherin für sich zu gewinnen, erhob 1744 Karl VII., der bayrische Prätendent auf die österreichischen Erblande, den Günstling in den Reichsgrafenstand, und einige Wochen darauf ward Alexis durch Elisabeth auch unter die russischen Grafen aufgenommen. Am gewöhnlichsten wird er als Oberjägermeister (grand-veneur) bezeichnet, jedoch erhielt er noch weitere militärische Grade und Kommandos, und zuletzt (1756) erstieg er auch die höchste Stufe in dem von Peter dem Großen eingeführten russischen Tschin, da er zum Generalfeldmarschall ernannt wurde, was er wohl der Nachgiebigkeit zu verdanken hatte, mit der er sich in den Umstand fügte, an Schuwalov einen vorwiegenden Kollegen in der Gunst der Monarchin zu haben. Schon früher hatte diese Rasumovskis Mutter als Staatsdame in ihre nächste Umgebung gezogen. Keiner seiner Wünsche blieb unerfüllt: er wurde mit großen und einträglichen Ländereien beschenkt, und der Anitschkov'sche Palast, der seitdem an den Fürsten Potemkin überging und später dem Großfürsten Nikolaus bis zu dessen Thronbesteigung zur Wohnung diente, war auch die seinige, ihm zu lebenslänglichem Genusse angewiesen. Nur darin zeigte das Glück auch diesem Überglücklichen seine Tücke, dass es ihm die gütige Herrin schon 1762 entriss, während sein eigenes Dasein noch bis zum 17. Juli 1771 sich verlängerte. Nach diesem Verluste wusste er sich mit einer Würde zu betragen, der wir unsere Anerkennung nicht versagen können. Peter III., der Kaiserin Erbe und Nachfolger, war ihm nicht gewogen, sowie er selbst dem Großfürsten abgeneigt gewesen war; dadurch ward er veranlasst vom Hofe sich zu entfernen. „Unter allen russischen Großen“, sagt der polnische Gesandte in Petersburg, Graf Brühl, in einer kurz nach seinem Abgange von diesem Posten verfassten Denkschrift3), „ist der Feldmarschall Rasumovski derjenige, welcher bei der letzten Veränderung sich am würdigsten benommen hat. Nach dem Tode der Kaiserin legte er alle seine Ämter und Ehrenstellen dem Kaiser zu Füßen, und als einzige Gnade erbat er sich nur. ein Gut in der Ukraine behalten zu können, um daselbst seine letzten Tage zu verleben. Aber der Kaiser nahm seine Entlassung nicht an, sondern bestätigte ihm den Besitz aller der Geschenke, die er von der verstorbenen Kaiserin erhalten hatte. Der Feldmarschall fügte sich. Nach einigen Monaten jedoch gab er dem Kaiser, zu dessen größter Zufriedenheit, ein prächtiges Fest, und am andern Morgen hielt er nochmals um die Genehmigung seines Rücktritts an, der ihm dann auch endlich gestattet wurde.“ In der Folge kam er nach der Hauptstadt zurück und lebte daselbst bis zu seinem dreiundsechzigsten Jahre, wo er im Anitschkov'schen Palaste sein Leben endete, mit der Kaiserin Katharina II. auf gutem Fuße, geehrt und beneidet, aber selber gegen alle Ehren gleichgültig und an allem was vorging wenig Anteil nehmend.4)

Auch der Bruder Alexis Rasumovskis ist wohl bekannt, als Günstling, nicht der Elisabeth, sondern ihrer schlauen Erbin und zweiten Nachfolgerin, Katharina II.


Dieser zweite Rasumovski hieß Cyrill Grigoriewitsch und war den 29. (18.) März 1728, also um 19 Jahre später, in ihrem väterlichen Dorfe Lemeschi geboren. Weniger als sein Bruder mit körperlicher Schönheit begabt, war er mehr als jener mit Geistesfähigkeiten ausgestattet. Persönliches Verdienst erhob ihn nicht minder als die sonderliche Gunst der Umstände, und so finden wir uns einem Brüderpaar gegenüber, das sich aus gleiche Weise desselben würdig zeigte. „Beide Brüder, von so niedrigem Herkommen“, sagt der pseudonyme Graf Almagro, „zogen die Aufmerksamkeit auf sich durch ihren Seelenadel, durch ihre Ehrenhaftigkeit, ihre Großmut, den trefflichen Gebrauch, welchen sie von ihrem unbeschränkten Ansehen und kolossalen Vermögen machten.“

Der ältere hatte den jüngern im ukrainischen Dorfe zurückgelassen, wo er sich zum Bauern- und Schäferleben vorbereitete, jedoch ohne dabei seinerseits den Genuss entbehren zu wollen, den die Musik empfänglichen Gemütern verschafft. Er war kaum über sein zwölftes Jahr hinaus, und hatte schon einige Fertigkeit erlangt die Balalaika, das dreisaitige kleinrussische Volksinstrument, zu spielen, als ganz unerwartet der Ruf an ihn ergingt5), unverzüglich an den Hof zu kommen, der damals noch oft seinen Sitz in Moskau nahm.

Da erneuerte sich denn für diesen zweiten Emporkömmling in der Familie Rasumovski derselbe unerhört schnelle Glückslauf, den schon sein Bruder der Gunst des Schicksals zu verdanken gehabt hatte; und obgleich er diesen jüngern nicht, wie den ältern, bis zum Rande der allerhöchsten Stufe führte, bereitete er ihm doch, dessen größeren Fähigkeiten gemäß, einen nachhaltigen Glanz, der auch von ihm auf Leibeserben überging, ein Vorzug, dessen Graf Alexis sich nicht zu erfreuen hatte. Verfolgen wir ganz kurz die Stufenleiter der Ehren, welche Cyrill in wenig Jahren erstieg, ohne nachher, bei längern, Leben (denn er starb erst 1803), von dem erreichten Gipfel durch jähen Sturz sich wieder entfernt zu sehen.

Da der ukrainische Kosakenknabe noch so jung war, als er seinen vom Fürstenglanz umgebenen Bruder zum ersten mal in der Hauptstadt sah, begriff dieser, dass er vor allem für dessen standesgemäße Erziehung zu sorgen hätte. Mit ihm einverstanden, ließ Elisabeth ohne Verzug den unwissenden, ungebildeten, aber höchst fähigen und lernbegierigen Jüngling ins Ausland reisen, unter Begleitung eines Lehrers, des gewandten Teplov 6), damals Adjunkten der Akademie der Wissenschaften von Petersburg. Dieser führte ihn nach Berlin, wo sie bei dem damals schon berühmten Euler Quartier nahmen, der eben erst (1741) daselbst eine Professur angenommen hatte, welche er bald wieder gegen die Stellung als Petersburger Akademiker vertauschen sollte. Cyrill muss in kurzer Frist sehr bedeutende Fortschritte gemacht haben, da die Kaiserin ihn schon in seinem achtzehnten Jahre (1746) zum Präsidenten ihrer, auch schon zu jener Zeit nicht namenlosen Akademie ernennen konnte, obgleich er kaum viel mehr als ein Jahr abwesend geblieben war. Zuerst nur Kammerjunker, bekleidete er doch schon in jenem Augenblicke das Amt eines Kammernherrn und, war seit 1744, wie der ältere Bruder, mit dem Titel eines russischen Grafen beehrt, auch mit dem großen Bande des Annenordens geschmückt. Dabei blieb es nicht. Denn nachdem die Kaiserin dem Glückskinde ihre eigene Verwandte, Katharina Iwanowna Naryschkin, die alsbald Staatsdame wurde7), zur Frau gegeben hatte (1746), ward es auch mit Ämtern und Geschenken überhäuft, die es, wenn nicht zu dem angesehensten, doch vielleicht zum reichsten Manne in Russland machten. So wurde Cyrill in den drei Jahren, von 1748 — 1751, nacheinander Oberstlieutenant des Ismailov'schen Garderegiments, Senator, Generaladjutant, Hetman der kleinrussischen Kosaken, eine Würde, die seit dem Tode Apostols unbesetzt geblieben, womit reiche Einkünste aller Art verbunden waren und die, was den Rang betrifft, dem eines Generalfeldmarschalls gleichgestellt wurde. Seitdem ward er vorzugsweise der Hetman betitelt, selbst nachdem er schon wieder dieser Stelle, unter Katharina II. (1764), beraubt worden war. Von Elisabeth erhielt er noch außerdem (1751) den Andreasorden und ward mit Ländereien beschenkt, die man aus wenigstens 100.000 Seelen anschlug. Solches lag in der Gewalt und den Befugnissen der russischen Herrscher, und so oft dieselben dem weiblichen Geschlecht angehörten, war eine so verschwenderische Wirtschaft an der Tagesordnung.

Von wirklichen Taten beider Brüder, von einer Teilnahme derselben an den Geschäften der Regierung, wird nicht viel berichtet; der Großkanzler Bestushev-Rümin, ein geschickter und arbeitsamer, aber gemeiner, bestechlicher, ränkevoller und leidenschaftlicher Mann, stand denselben von 1744 — 1758 mit Festigkeit vor, jegliche andere Teilnahme soviel als möglich beseitigend, von der Indolenz der Monarchin allen Nutzen ziehend, ohne sich darum zu bekümmern, dass deren Regierung, beinahe durchaus von Stockrussen verwaltet, kaum eine andere rühmliche Seite gezeigt hatte 8) als den Schutz, welchen der Günstling Schuwalov den Künsten und schönen Wissenschaften, und überhaupt dem öffentlichen Bildungsgange, hatte angedeihen lassen. Nichtsdestoweniger hatten die Gebrüder Rasumovski, als Vertraute der Herrscherin, vollauf zu tun; denn um zu wissen, wie man an ihrem Hoflager sich vor Ränken und Kabalen zu wehren hatte, reicht es hin einige Blicke aus die Berichte der Ausländer aus jener Zeit zu werfen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Andreas Kyrillowilsch Rasumovski