Großfürst Peter von Holstein, Kaiser von Russland

Mit dem Großfürsten Peter von Holstein stand besonders Cyrill in dem besten Vernehmen, das sich auch nachher (von 1745 an) auf seine Gemahlin Katharina ausdehnte, die, wie man weiß, den von Natur gutmütigen, aber soldatischen, schwachköpfigen, beinahe pöbelhaften und alles Anstandes entbehrenden Prinzen 9) (wie hätte er an einem solchen Hofe anders werden können!) bei weitem übersah. Peter nannte ihn Freund und Bruder und begehrte von ihm auf demselben Fuße behandelt zu werden. Dieses Verhältnis dauerte, Elisabeth überlebend, auch dann noch fort als der unverbesserliche und einem harten Schicksal entgegeneilende Holsteiner den kaiserlichen Thron von Russland (den 5. Jan. 1762), freilich nur auf wenige Monate, bestiegen hatte.

Von welcher Beschaffenheit das Verhältnis zwischen Peter und der lange schnöde behandelten deutschen Fürstin war, die Elisabeth mit ihm verbunden hatte, wissen jetzt sehr genau alle die, welche Katharinas II. so naiv — sollten wir nicht sagen zynisch? — aufrichtige Selbstbekenntnisse gelesen haben. Peters Vertraulichkeit mit dem Hetman ging so weit, dass er keinen Anstand nahm selbiges ihm gegenüber auch manchmal zu berühren. Schon früh soll er sich eines Tages darüber folgendermaßen ausgesprochen haben10): „Die geheimen Umtriebe meiner Dame sind mir wohl bekannt; allein bloß eingebildete Übel geben mir das Fieber nicht mehr. Bei den Weibern hängt gar vieles von der Laune ab, und diese Launen, wie oft sind es nicht Liebesblitze? Sieh du selbst! Wenn es gegen ein Übel kein Mittel mehr gibt, muss man sich da nicht darein fügen lernen? Zu der Beweglichkeit, von der ich spreche, kommt bei der Großfürstin die Gewohnheit mich zu hintergehen: das ist alles was ich von ihren Gesinnungen weiß. Sie liebt weder Elisabeth, noch ihren Mann, noch ihre Liebhaber, noch ihren Sohn11) sie liebt einzig und allein sich selbst. Wie kann man sich schmeicheln, eine solche Natur umzuwandeln?“


Als Kaiser blieb Peter auf demselben Fuß mit dem Hetman. Sie scherzten oft miteinander, zumal über ihre Befähigung als Feldherren. Ein eingefleischter Deutscher auch nachdem er Zar geworden, kam er auf den Gedanken, als Herzog von Holstein einen Krieg mit Dänemark anzufangen, und alsobald kündigte er dem Günstling seinen Entschluss an ihn dabei zu beteiligen. „Ich habe dich dazu bestimmt“, redete er ihn an, „mich zu begleiten und den Oberbefehl über mein Heer zu führen.“ — „Wenn dem so ist, Majestät, so erdreiste ich mich derselben einen Rat zu geben.“— „Welchen Rat?“ — „Den, zwei Armeen statt einer zusammenzuziehen.“ — „Und wozu das?“ — „Weil es einer zweiten hinter der meinigen bedürfen möchte, um letztere zur Bewegung vorwärts zu bringen, so sehr hat es Schwierigkeiten mit dieser Unternehmung.“ — Der Kaiser lachte um so lauter, als er in diesen Worten eine Anspielung auf einen Hetman sah, der nie auch die kleinste Truppenabteilung anzuführen die Gelegenheit gehabt hatte. Friedrich der Große war der nämlichen Meinung; denn als einmal Cyrill Rasumovski durch Berlin reiste, wollte er sich die kleine Genugtuung nicht versagen, mit ihm vom Kriege zu sprechen. Der Hetman aber, dem es dabei nicht ganz wohl zu Mute war, beeilte sich den König zu versichern, er sei am Ende nur ein General vom Zivilstande. Peter war auch nicht viel mehr. Als er sich daher eines Tags damit etwas zugute tat, dass ihn der Preußenkönig zum Generalmajor seines Heeres ernannt hatte, machte ihm der witzige Günstling folgende Bemerkung: „Sie können ihm das mit Wucher zurückgeben, wenn Sie ihn zum Feldmarschall der russischen Armee machen wollen.“ 12) sie verstanden einander auf das beste und waren unzertrennlich. „Der Hetman der Ukraine“, schreibt Graf Brühl in der schon angeführten Denkschrift, „ist beständig um den Kaiser. Dem Anschein nach ist er sein bester Gefährte. An alle Verfeinerungen des Luxus und der Wollust gewöhnt, und früher, im Genuss aller möglichen Annehmlichkeiten, nur nach dem Ruhme trachtend als Schlemmer zu glänzen, hat er sich dazu bequemen müssen, wie die übrigen, sich selbst zum besten zu haben, das preußische Exerzitium einzulernen, zu rauchen und auf alle Gemächlichkeiten des Lebens zu verzichten.“ Gleich daraus setzt der scharfsinnige Staatsmann hinzu: „Diejenigen, die am genauesten unterrichtet sind, haben die Überzeugung, dass die entschiedene Abneigung des Kaisers gegen alles was an ein Vizekönigtum erinnert13), der eigentliche Grund ist, warum er den Hetman in seiner unmittelbaren Umgebung festhält; und sie meinen, dass er sich ein besonderes Vergnügen daraus mache, diesen wollüstigen Menschen, der sich wenig zu körperlichen Anstrengungen eignet, in Trab zu setzen.“

Ob dieses Urteil, Rasumovskis Moralität betreffend, nicht übertrieben hart sei, lassen wir dahingestellt, dass derselbe aber einen Groll gegen den Kaiser empfand und in seinem Herzen sich entwickeln ließ, teils wegen der groben Scherze und Anspielungen aller Art, deren Zielscheibe er war, teils wegen der Vorsätzlichkeit, mit der er sich abgewiesen sah, so oft er den Wunsch aussprach, eine Reise ins Kosakenland, sein ihm verliehenes Fürstentum, zu machen, das haben auch andere versichert.14)

Aus diesem geheimen Grolle und wahrscheinlich außerdem aus dem beleidigten Nationalgefühl wird es erklärlich, dass Cyrill Rasumovski, der Wohltaten ungeachtet die ihm zu Teil geworden waren, sich auf die Verschwörung einließ, als deren Anstifter, im Einverständnis mit der Kaiserin Katharina, welche damals mit Verstoßung und Entthronung bedroht war, die beiden Orlov bekannt sind, welche sich jedoch den Anschein gaben, nur als Werkzeuge der rührigen und ehrgeizigen Fürstin Daschkov dabei beteiligt zu sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Andreas Kyrillowilsch Rasumovski