Chicago, den 30. August.

New-York mit 2 Millionen Einwohner ist der erste Handelsplatz der Welt, es hat den größten und schönsten Hafen, an der Mündung des Hudsons als Fortsetzung des Erie-Kanales, der mit den kanadischen Seen in Verbindung ist, eine Wasserstraße von unendlicher Länge nach allen Richtungen. Zahlreiche Eisenbahnen aus den entferntesten Punkten der Unionstaaten enden in New-York, dem Herzen Nordamerikas. Wenn New-York aber das Herz, so ist Chicago die Seele der United States. Die Lage an dem kanadischen Seegebiete, aus dem jährlich über 20.000 Schiffe mit 7 Millionen Tonnengehalt in den Hafen der Stadt einlaufen, der Endpunkt von 41 Bahnlinien, die mit 80.000 Kilometer Länge sämtliche Staaten bis in deren äußerste Grenzen durchlaufen, das Felsengebirge überschreiten und den Stillen Ozean erreichen. Zweimal brannte Chicago total nieder, zuletzt am 9. Oktober 1871, wo 20.000 Häuser der Macht des verheerenden Elementes zum Opfer fielen, aber wie der Phönix stieg es aus der Asche und wurde jedes mal schöner, großartiger, mächtiger im Kampfe mit New-York, um der erste Handelsplatz der Union zu werden.

Das Auditorium ist das richtige Mammothhotel mit 6.000 Quadratmeter Baugrund und 18 Stockwerken, von denen aber, wie uns gesagt wurde, nur 10 Etagen als Hotel benützt werden. Die Erbauung kostete 5 Millionen Dollars. Das Hotel, welches aus zwei Riesengebäuden neben dem Michigan-See besteht, hat auch ein eigenes Theater mit 4.000 Plätzen, das wir auf der Rückreise besuchten. Wie hoch die Zimmer gelegen sind, ob im 2. oder 10. Stock, ist ganz gleichgültig, die vortrefflichen Aufzüge legen 2 Meter pro Sekunde zurück, in Wien dürfen sie gesetzlich nur ½ Meter laufen. Ein Aufzug in einem guten amerikanischen Hotel ist ein kleiner elektrisch beleuchteter Salon mit bequemen Sofas und Eilzugs-Geschwindigkeit, in dem nur nicht geraucht werden darf und Gentlemen beim Erscheinen der Damen den Hut abnehmen. In den neuen Wiener Palais ist der Aufzug ein enges dunkles Loch, in dem man ausgeraubt werden kann und der zur Verzweiflung langsam geht. O schönes Wien, wie bist du noch zurück! Außer dem gewölbten Speisesaale im 8. Stocke gibt es auch im Parterre ein großes, sehr gutes Restaurant. Eine ganz eigentümliche Einrichtung in allen großen und kleinen Hotels sind die Bar-Rooms, meist sehr elegante, oft mit dem Billardzimmer verbundene Räume, in denen an großen Büffets alle denkbaren Getränke, vom Champagner bis zum Pilsner Bier, ausgeschenkt werden und kleinere Delikatessen zu bekommen sind. In manchen berühmten Bars besteht auch die Einrichtung, dass ein- oder zweimal die Woche jeder Gast, der irgend ein Getränk, und sei es für 5 Cents, bezahlt, nach Belieben Sandwiches, Wurst, Käse etc. gratis verzehren kann. Einige Bars gehen in Chicago sogar schon so weit, um jeder Konkurrenz den Hals abzuschneiden, einen Teller Suppe oder eine warme Fleischspeise gratis zu servieren. Ein in Amerika wohnender Österreicher erzählte mir, er habe einen ganzen Monat an den diversen Bars für täglich 10 Cents zwei Mahlzeiten bekommen und so äußerst billig gelebt. Dort in den Bars sind die Amerikaner zu finden, die einen Frühschoppen trinken wollen oder Abends nach dem Diner eine ausgiebige Stärkung bedürfen, denn in den Speisesälen der eleganten Hotels wird bei allen drei Mahlzeiten beinahe ausschließlich Eiswasser konsumiert. Man sagt, zu viel geistige Getränke verbietet das Klima. Trunksucht kommt bei den gebildeten Ständen überhaupt nicht vor, meist nur unter den Negern, Irländern und den Neu-Eingewanderten.


Der gestrige Tag in Chicago war für mich von großem Interesse. Mimi und Miss P. besuchten die World’s Fair, ich die Vieh-Ausstellung. Sie ist musterhaft organisiert, hat gute, aber etwas zu wenig Stallungen und ein großes Amphitheater für 10.000 Personen; in der Mitte desselben findet die Beschau der Tiere und die Arbeiten der Jury unter Kontrolle des großen Publikums statt. Vor Schluss der Ausstellung werden täglich sämtliche Tiere in Parade vorgeführt, geritten und gefahren, so dass man sich leicht eine gute Übersicht verschaffen konnte. Bis zum 9. September waren nur Pferde und Rinder ausgestellt, dann sollten Schafe und Schweine, später Pferde-Gespanne und am 18. Oktober Trotters, Vollblut und fettes Vieh an die Reihe kommen. Die letzte Ausstellung hoffte ich auf der Heimkehr aus dem fernen Westen sehen zu können, kam jedoch zu spät.

Die Ausstellung umfasste 1.200 Rinder und 1.000 Pferde. Es waren Shorthorns, Herefords, Jerseys, Holländer, Aberdeen-Angus, Galloways, Red-Polls, Schwyzer und einige untergeordnete Rassen vertreten, größtenteils sehr schön, vorzüglich gepflegt, aber fetter als unsere besten Masttiere, zur Zucht daher ungeeignet. Sehr schwierig war es auch zu konstatieren, ob die Tiere in Amerika gezogen oder importiert waren, gar so viele Aussteller nannten sich „Importeure und Züchter". Die Süd- und Weststaaten hatten gar kein Rindvieh ausgestellt. Besonders hervorragend war dagegen Kanada, mit circa 20 Prozent, an der Ausstellung beteiligt, und in Shorthorns, Herefords, Aberdeen-Angus und Galloways gut vertreten. Letztere beiden schottischen Rassen sind ganz schwarz, hornlos, langhaarig und wegen ihres vorzüglichen Fleisches sehr beliebt. Stark vertreten waren Jerseys, sie sind in den östlichen Provinzen überall zu finden, wo es sich um Milch und besonders um Butter handelt. In Chicago hat auch eine 90tägige Butterprüfung stattgefunden, von den 75 Kühen waren die acht Sieger Jerseys; die beste Brown Bessie lieferte 1.800 Kilogramm Milch und aus diesen 108 Kilogramm Butter in 90 Tagen. Nach Jerseys sind die Holsteiner als Milchkühe in Amerika am meisten beliebt, und gibt es in Boston eine eigene Zuchtgesellschaft für diese Rasse. Aus Pennsylvanien hatte Mr. Richards von der Avonafarm einige Exemplare des holländischen Lakenviehs ausgestellt, welche ganz schwarz sind, aber hinter den Schultern einen schneeweißen, 60 Zentimeter breiten Gürtel um den ganzen Körper haben. Im Allgemeinen kann ich nur wiederholen, dass die Rindvieh-Ausstellung sehr befriedigend war und man in jeder Richtung die Wahrnehmung machen konnte, dass die amerikanischen Züchter sehr gut wissen, was sie wollen, und auch gar kein Opfer scheuen, um ihre Ziele zu erreichen.

Bei der Pferde-Ausstellung hatten sich besonders die Chicago am nächsten gelegenen Staaten Michigan, Iowa, Wisconsin und Illinois beteiligt, die allein mehr als die Hälfte der Pferde geschickt hatten, leider waren auch hier so viele „Importeurs und Züchter" als Aussteller genannt. Auch der Norden von Deutschland hatte durch vier Gesellschaften circa 80 Pferde ausgestellt, und Großfürst Demetrius Orloff Trotter und Kreuzungen mit Arabern von allen Farben. Unter den amerikanischen Pferden waren besonders Ctydesdale, Percherons und Morgans, ein leichter Schlag, unseren Pferden ähnlich, auch Ardennen besonders reich vertreten. Sehr interessant und neu für mich waren die vielen Maultiere, oft größer wie die größten Wagenpferde, auch viele Shetlands Ponies wurden vorgefahren. Amerikanische Trotter und Vollblut-Pferde werden wir erst im Oktober sehen können. Schon jetzt die ganze Worlds Fair zu besuchen, lag nicht in unserer Absicht, wir hatten dies für eine kühlere Jahreszeit bestimmt. Chicago zu besichtigen, schien wenig verführerisch, so eilten wir am Abend auf den schmutzigsten Bahnhof in der Welt, und saßen um 7 Uhr Abends in einem höchst eleganten, aber recht besetzten Waggon. Derselbe war elektrisch beleuchtet und die Glühlichter waren so verteilt, dass jeder Reisende wie am hellen Tage lesen konnte. Unsere Schlafstellen hatten wir natürlich früher in einem Ticket Office gelöst, und um 9 Uhr lagen wir ganz gemütlich in unseren ausgezeichneten Eisenbahnbetten.