Flagstaff in Arizona, den 6. Oktober 1893.

Nun sind wir 150 deutsche Meilen durch Arizona gefahren, ohne das kleinste Ackerfeld zu erblicken; ist das eine trostlose Landschaft! Anfangs durch die Wüste mit ihren Agaven, verschiedenen Jukka-Arten und den oft mehrere Meter hohen Kakteen, die auch rote Blüten bringen sollen, dann zwischen kahlen, hohen Bergen, Porphyr, roter Sandstein, Basaltfelsen, erloschene Vulkane in eine arme elende Weidefläche! Wohl sahen wir größere und kleinere Herden von Rindvieh, Schafen und Pferden, aber auch unzählige Kadaver von erst kürzlich gefallenen Tieren, oft mit ganz vertrockneter Haut oder als schneeweiße Gerippe. Ein Conducteur sagte uns, die Lokomotive habe die meisten überfahren, das mag ja oft der Fall gewesen sein, aber Hunger und Krankheiten haben gewiss geholfen. Die unabsehbaren Weideflächen waren nicht durch Zäune abgeteilt, der beste Beweis, dass das Land noch unverkauft ist. Auf diesem Eisenbahn- oder Regierungslande lässt jeder Viehbesitzer nach Belieben weiden und zahlt nur die übliche Vermögens-Steuer von 1 ½ Prozent des Wertes seiner Herden. Es soll Leute oder Gesellschaften in Arizona geben, die bis 20.000 Stück Vieh haben; sie sehen dasselbe oft ein ganzes Jahr nicht, nur im Juni oder Juli werden die Tiere an bestimmte Plätze zusammengetrieben, nach den Besitzern getrennt und das Jungvieh mit deren Zeichen gestempelt. In Arizona herrscht auch öfters das Texas-Fieber, welches große Mengen Rindvieh dahinrafft. Tritt diese Krankheit in gewissen Gegenden auf, so dürfen aus diesen keine Tiere auf die östlichen Märkte gebracht werden. Im Süden von Arizona sind größere Flächen durch Bewässerungen der Kultur zugänglich gemacht, auch soll daselbst viel lohnender Bergbau bestehen, wir haben aber von beiden nichts wahrgenommen, und im Allgemeinen gilt das 5.000 deutsche Quadratmeilen große Land schon in Folge seiner außergewöhnlichen Trockenheit für sehr arm, es hat auch nur eine Bevölkerung von 60.000 Einwohnern.

Major Powell, der mutige Entdecker des Colorado Grand Canon, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Leiter der meteorologischen Beobachtungen im Ministerium in Washington, teilt ganz Amerika in eine feuchte und trockene Region, in der ersteren fällt genügend Regen für den Ackerbau, in der trockenen dagegen nicht. Die Ausdehnung beider Regionen ist ziemlich gleich. In der feuchten Region gibt es in Florida, Alabama, Louisiana und Missisippi 1.000 deutsche Quadratmeilen Regierungsland, das größtenteils Morast, nicht benutzbar ist. Im Nordosten von Arkansas, in Michigan, Minnesota, Iowa und im Nordwesten von Washington gibt es ferner 2.000 deutsche Quadratmeilen, die zu steinig sind, um gepflügt werden zu können.


Zur trockenen Region rechnet Major Powell alles Land westlich von der Mitte des Staates Kansas, ausgenommen einen schmalen Streifen an der kalifornischen Küste. Die Regenlosigkeit erklärt sich Major Powell dadurch, dass die Winde vom Stillen und Atlantischen Meere ihre Feuchtigkeit schon lange abgegeben haben, bevor sie die trockene Region erreichen. Das trostloseste Land in dieser Beziehung ist Arizona und das Utah-Bassin, die Heimat der Mormonen, wo es fast gar nicht regnet. 70.000 deutsche Quadratmeilen, zwölfmal so groß als Ungarn, die Hälfte der Vereinigten Staaten liegen in dieser trockenen Region und haben teil weise nur einen zweifelhaften Wert.

700.000 engl. QM. (33.000 deutsche QM.) sind Weideland, nur sehr wenig kultiviert.
310.000 engl. QM. (13.000 deutsche QM.) sind Gebirge.
125.000 engl. GM. (6.000 deutsche QM.) sind Wüste.
100.000 engl. QM. (5.000 deutsche QM.) ganz schlechtes (bad) Land.
150.000 engl. QM. (8.000 deutsche QM.) sind Waldboden.
115.000 engl. QM. (5.000 deutsche QM.) Schluchten und Lehmland.

Von den 33.000 Quadratmeilen Weideland sind erst 5 Prozent durch Bewässerungen in Ackerland und Wiesen umgewandelt, der Rest kann nur als Weide verwendet werden.

Von Zeit zu Zeit berührten wir sogenannte Städte, d. h. einzelne hölzerne Buden mit einigen Kaufmannsläden und einem „Saloon", dem Schanklokale; zuweilen auch mit einer kleinen Kirche, aber immer mit großen Haufen leerer Konservenbüchsen, die ich in solchen Mengen noch niemals sah. An einem der Stationsgebäude hing als Reklame für Grundverkauf ein großes Bild mit schönen Gebäuden, Kirchen, Hotels, prächtigen Baumanlagen und allen Zeichen einer blühenden Stadt. Mit solchen Zukunftsplänen werden unglückliche Ansiedler von Unternehmern herbeigelockt und gehen oft genug in die Falle.

In einer dieser Metropole bewunderten wir gerade eine größere Anzahl Indianer, elendes Gesindel, das alle möglichen Kleinigkeiten zum Verkauf anbot, als eine Stimme hinter mir sagte: „Guten Tag, Herr Baron." Als ich mich umwendete, sah ich einen fremden Herrn. „Kennen Sie mich nicht mehr? Ich bin der Hofmann, war 1871 mit Dr. Grünbaum bei ihnen in Kapuvár und kaufte Ihren Raps." Bernhard Hofmann ist seit zwei Jahren als Bauunternehmer in Amerika, scheint aber nicht die besten Geschäfte gemacht zu haben, er war auf der Rückreise in die Heimat und ich gab ihm die herzlichsten Grüße für diese mit auf den Weg.

Nach 24 Stunden Fahrt trafen wir abends in Flagstaff ein, 6.000 Fuß über dem Meeresspiegel. Das ist auch so eine Stadt wie die übrigen in Arizona und dennoch fanden wir in dem Hotel sehr gute reinliche Betten und der chinesische Koch bereitete uns noch schnell ein Beefsteak, das aber zu viel an die Tierleichen des letzten Tages erinnerte, um uns munden zu können.

Am 3. Oktober, Früh 6 Uhr, saßen wir auf dem Wagen zum Grand Canon. Ich habe einmal erwähnt, das Leben in Amerika sei gar nicht so teuer, das ist richtig, wenn man auf der geraden Straße bleibt, sich Morgens selbst rasiert und die Stiefel putzt, seine drei Meats (Mahlzeiten) im Tage verzehrt und nur Eiswasser trinkt. Wehe dem, der sich nicht damit begnügt! Für Rasieren und Haarschneiden ist man sofort seine 2 ½ fl. los, unser elender Wagen für zwei Tage zum Canon kostete 150 fl. und für einen zweistündigen Spazierritt am Rande des Grand Canon zahlten wir 18 fl.! Wohl betrug die Entfernung von Flagstaff 110 Kilometer, die Wege waren schauerlich und wir wechselten viermal die Pferde, aber 150 fl. ist auch viel Geld. Anfangs kamen wir noch an mehreren kleinen Farmen in der Mitte schlechter Föhrenwaldungen vorüber und der nahe, schneebedeckte, 12.000 Fuß hohe San Francisco-Berg bot eine angenehme Abwechslung; aber bald erreichten wir das vollständig kahle, fast leblose, 7.000 Fuß hohe Hochplateau des Colorado. Die weidenden Herden wurden immer spärlicher, schließlich bekamen wir nur noch Präriehunde zu sehen. In der Mitte der Einöde bei einem Pferdewechsel, der natürlich nur in einem Einfange für die Rosse bestand, hatte ein Schweizer mit seiner Schwester ein Zelt aufgeschlagen, in welchem sie uns ein frugales Mittagessen für 3 Dollars bereiteten. Sie erzählten uns, dass es in den benachbarten Gebüschen und Waldungen viele Hirsche, auch Bären und wilde Truthühner gebe. Vor einigen Tagen hätten sechs Indianer in der Nähe gejagt und sechs Hirsche erlegt. Diese Nachbarschaft war auch vielleicht der Grund, warum unser Kutscher immer einen Revolver bei der Hand hatte. Wenn das neu belebende Frühjahr einen frischen grünen Mantel über Arizona deckt, so mag ja auch dieses recht freundlich aussehen, aber im Oktober war es traurig genug, und Pferde, Rindvieh und Schafe entsprechen dem Aussehen des Landes. Unser Kutscher klagte recht über die niedrigen Preise, die jungen Ochsen könnten kaum mit 8 kr. pro Kilogramm verkauft werden, Wolle kostet 25 fl. pro 100 Kilogramm, ein Schaf 3 fl. 60 kr., ein sehr gutes Pferd 70 bis 150 Gulden.

Gegen 6 Uhr abends, als wir uns dem Canon näherten, kamen zwei Reiter herangesprengt: Ministerialrat v. Ottlik und Herr Lászlóv. Goger aus unserem Ackerbau-Ministerium! Wir hatten mit denselben schon in Los Angeles verabredet, den Colorado Canon gemeinschaftlich zu besuchen, durch die Einstellung des Bahnverkehres war aber eine Unordnung in unser Programm gekommen, erwähnte Herren trafen einen Tag früher als wir in Flagstaff ein. Die Herren hatten unser heutiges Erscheinen wohl erwartet und waren uns entgegengeritten. Zwei hochgebildete, liebenswürdige Ungarn, mit denen wir durch Arizona und Colorado weiterreisten und dadurch eine höchst angenehme Reisegesellschaft erhielten. Sie waren vom Grand Colorado Canon so entzückt, dass sie uns noch bei untergehender Sonne an den Rand desselben führten. In der Tat wunderbar, vielleicht das größte Naturwunder der Welt! War es ein mächtiger vulkanischer Druck von unten, war es der reißende Colorado-Strom, der sich aus dem Hochgebirge einen Weg zum Meere suchte? Oder war es nur die Zeit mit ihrem endlosen Wechsel von Wärme und Kälte, Trockenheit und Nässe, die einen 6.000 Fuß tiefen, zickzackartigen Riss auf tausende Kilometer Länge in die Erde furchte, oder hatten sich, wie wir glauben, alle Mächte der Natur zur Aushöhlung derselben vereinigt? Großartig, schauerlich schön, war jedenfalls ihr Werk. Die oberen Ränder dieses Hexenkessels sollen 12 bis 30 Kilometer entfernt sein, uns schien es bei der Tiefe so nahe, fast zum Hinüberspringen! Senkrecht erschienen uns die 6.000 Fuß tiefen Abhänge des Abgrundes, so tief wie unser Schneeberg, in Wirklichkeit sind es Terrassen gleich alten Ruinen, zerstörten Städten von verwittertem Sandstein, Marmor, vulkanischen, kurz allen möglichen Gebilden. Und wie ein mächtiger Baumriese seine Äste nach allen Seiten ausstreckt, so hat auch unser Colorado Canon auf beiden Ufern seine kleineren Canons und Flüsse, die den Colorado-Strom ernähren. Wir lehnten uns über den Rand des Schlundes und sahen in die Tiefe, in dem ein ganz schmaler, in Schlangenwindungen laufender silberner Streifen beide Wände des Canons trennt, das war der mächtige Colorado-Strom, breiter und reißender als der Hudson-River. Kein Lüftchen regte sich, die Sonne senkte sich zum Horizonte und sandte ihre letzten Strahlen auf die roten Sandsteingebilde, und dann kam die Dämmerung und immer schauerlicher wurde unser Gefühl bei dem Blicke in den immer dunkler werdenden bodenlosen Abgrund! Wie lieblich erschien unserer Erinnerung dagegen der rosarot gefärbte Canon des Yellowstone-Parks mit seinen glänzenden Wasserfällen und seiner lebendigen Natur! Der Colorado-Canon ist unbeschreiblich schön, großartig, überwältigend, aber schauerlich. Und doch gibt es auch Leben da unten! Unser Führer Hance, der uns am folgenden Morgen in drei Stunden an die schönsten, wenn auch oft recht gefährlichen Punkte des Canons begleitete, fand vor neun Jahren einen Weg in das Tal, schöne Weideflächen und ein ewig gleiches Klima. So siedelte er sich dort mit einigen Kühen und Pferden an, erwarb vom Staate ¼ Sektion und lebt hier jeden Winter mutterseelenallein. Wie Hance erzählte, verliert er vollständig den Begriff von Zeit, und erst wenn er merkt, dass da oben alles grüner wird, so kommt er hinauf ans Tageslicht, um im Sommer Fremdenführer zu sein. Im Tale sollen auch Hirsche, wilde Schafe und Bären vorkommen. Auch goldführende Quarzgänge entdeckte Hance, aber Gold zeigte er uns nicht.

Das Hotel am Canon bestand aus einem Dutzend kleiner und einem größeren Zelte, welch letzteres als Speisesalon und Küche benützt wurde. Jeder von uns okkupierte eines der Zelte, aber in der dunklen Nacht wehte über die Hochebene ein Sturm, der die Zelte in ihren Grundfesten erschütterte. Am Tage auf der Reise hatte die Sonne tüchtig gebrannt, in der Nacht war es bitterlich kalt und das Waschen am frühen Morgen mit dem eiskalten Wasser war ein zweifelhaftes Vergnügen. Trotzdem haben sich meine Ladies brav gehalten, ob sie in dem einsamen Zelte viel geschlafen, möchte ich nicht behaupten. Gerne wären wir einige Tage am Abgrund des Colorado-Canon gestanden, aber das Übrige! Auch wünschten unsere Landsleute weiter zu kommen, so brachen wir nach einer Zeltnacht am frühen Morgen wieder auf und waren abends 8 Uhr bei unserem chinesischen Koch in Flagstaff. Wir verließen dasselbe zeitlich am folgenden Morgen und kamen um 10 Uhr in die Station Holbrook, nachdem wir noch kurz vorher die großen Verwüstungen sahen, welche das Hochwasser nach zweitägigem Regen im Gebirge an dem Bahnkörper verursacht hatte, und die Energie bewundern konnten, mit der unsere Bahn wieder so schnell in Betrieb gesetzt war.

In Holbrook nahmen wir uns einen Wagen für fünf Personen und erreichten nach einer vierstündigen Fahrt eine weite, baumlose, versengte Hochebene, 5.000 Fuß über dem Meere, und die Sonne brannte auf unsere Köpfe wie noch niemals auf unserer Reise. Unter der verwitterten, humuslosen, mit Sandstein bedeckten Erde sehen wir plötzlich eine massige Senkung des Bodens, vielleicht 20 bis 30 Fuß tief, Hunderte von englischen Quadratmeilen groß und in dieser Mulde einen wie durch Sturm oder die Axt des Holzfällers niedergelegten Wald, Riesentannen, welche die allmächtige Natur in lauter Agat, Opal, selbst Amethyst und Topase verwandelt hatte, das war „der versteinerte Wald". Stämme, den Riesenbäumen im Mariposa-Walde gleich, liegen ganz oder wie zersägt am Boden, Stöcke mächtiger Pinien mit ihren sämtlichen Wurzeln stehen noch am Orte ihres Wachstumes, ja selbst das angefaulte Holz ist versteinert und an jedem Stamme, jedem Zweige ist die Rinde und sämtliche Jahresringe deutlich zu unterscheiden; alles was Holz war, ist in Stein, mit den wunderlichsten Farben verwandelt. Mit Staunen und Bewunderung blicken wir auf dieses Naturwunder zu unseren Füßen! In längst vergangenen, unmessbaren Zeiten war hier ein Hochland mit üppigster Vegetation, aber unterirdische Mächte senkten den Boden, die herrlichen Bäume fielen zur Erde und das kommende Wasser durch die Dämpfe emporsteigender Geysire, die man noch heute erkennt, mit Mineralien geschwängert, verwandelte den Wald nach und nach in wertvolle, in reichen Farben glänzende Steine. Und später bedeckte eine solide Schicht von Sandstein den versteinerten Wald, aber mächtige Ströme oder Gletscher der Eiszeit schoben die schwere Decke und mit ihr so manchen versteinerten Stamm wieder beiseite und eröffneten dem neugierigen Menschenauge einen verwunderten Blick in die dunkle Vergangenheit. Unsere ganze Gesellschaft eilte hinab zum Wald und lief zwischen den Holz-, jetzt Steinblöcken, herum und sammelte besonders schöne Splitter, um später unseren Lieben in der Heimat zeigen zu können, was wir gesehen, und voll Befriedigung dankten wir unserem Führer, Herrn v. Ottlik, der uns diesen verwunschenen steinernen Wald zu besuchen bestimmt hatte.

Nicht weit davon, an der äußersten Ostecke von Arizona, bei Zuni-Pueblo, gibt es noch ein ähnliches Wunder, das aufzusuchen uns leider die Zeit fehlte. Ein großer, sehr seichter Salzsee, in dessen Mitte ein mehrere hundert Fuß tiefes Becken, das 5 Kilometer im Umfang hat. Weiße, glänzende Salzkristalle umrahmen den Rand des Beckens und in der Mitte desselben erhebt sich eine kleine schwarze vulkanische Spitze mit einem ausgesprochenen Krater und in demselben das schönste, reine, frische Quellwasser, mitten im Salzsee!

Arizona, halb tropisch, halb Wüste, ist überhaupt das Land der Wunder. Nach den in der Ausstellung gesehenen Modellen und nach den Mitteilungen des berühmten Reisenden Ernst Hesse v. Wartegg findet man in jenem Lande noch eine Menge Ruinen, wir sahen am Grand Canon selbst die letzten Reste einer solchen, die von Städten längst vergangener Zeiten herrühren, aus Zeiten lange vor Amerikas Entdeckung. Heute sind sie vom Wüstensande halb vergraben oder an Felswänden angeklebt, die jetzigen Bewohner des Landes aber, die Moqui- und Zuni-Indianer, haben über jene Zeiten ihren eigenen Sagenkreis, der über 1.000 Jahre zurückgreift. Auch in den Tälern des Mississippi sind Spuren einer früheren Zivilisation gefunden, die von den Mound-Builders stammen, sowie in Mexico die Ruinen ganzer Städte, die aus einer Zeit vor den Azteken, also vor 800 Jahren, herrühren. Die Ruinen in Arizona sind den heutigen Wohnungen der Pueblo-Indianer in New-Mexico am ähnlichsten, einige von ihnen sind noch von Moqui-Indianern bewohnt, und mehrere sehen wir auf der Reise durch New-Mexico. Jede dieser Städte hat einen ganz unabhängigen Häuptling. Die Moquis sind reinlich, friedlich und gastfreundlich und beten die Sonne an.

Nach Hesse-Wartegg muss bei den Indianern unterschieden werden, ob sie zu den Gebirgsbewohnern oder zu den Präriestämmen gehören, ob sie feste Wohnungen haben oder Nomaden sind; die einen unterscheiden sich von den anderen wie der Skandinavier von den Türken. In den Vereinigten Staaten leben heute noch 300.000 Indianer, die zu 150 verschiedenen Nationen und 400 Stämmen gehören, in Kanada gibt es noch 120.000 Indianer. Zu den Sioux, einem Nomadenstamme, gehören 60.000 Seelen, sie allein sind noch nicht unterworfen und leben in Dakota, Montana, Wyoming und Idaho. Einige verwandte Stämme, die Arrapahoes und andere, zählen 15.000 Seelen, das sind wilde, nomadisierende Horden am Arkansas-Fluss. Dann gibt es in Texas, Arizona und New-Mexico noch die 25.000 Köpfe starken, wilden Navajos und Apaches, die nach den Sioux die gefürchtetsten sind. Alle übrigen Nomadenstämme haben sich in die Reservation bei Arkansas und an den Red-River zurückgezogen.

Unter den Gebirgsstämmen sind die Utes mit 30.000 Seelen die mächtigsten, sie leben in den Felsengebirgen des Colorado, andere Stämme gibt es in Montana, Idaho und Oregon.

Sämtliche Indianer, mit Ausnahme der Nomaden, stehen unter Aufsicht des Indianer-Bureaux in Washington und hat sich Carl Schurz als Staatsminister sehr große Verdienste um dasselbe erworben. Man hofft im Vereine mit den christlichen Missionaren bald sämtliche Stämme zu stabilisieren.

Die erwähnte Indianer-Reservation neben Arkansas hat jetzt noch eine Größe von 1.000 deutschen Quadratmeilen. Der östliche Teil gehört den sogenannten zivilisierten Indianerstämmen, die schon durch verschiedene Verträge von 1820 bis 1840 in der Reservation wohnen, den westlichen Teil aber nehmen noch sehr wilde Stämme ein, aber schon geht die Missouri-Texas-Bahn durch die Reservation und die St. Louis-San Francisco-Bahn berühren das Territorium. Unter den zivilisierten Indianern sind die Cherokees die ersten, sie besitzen bereits 200.000 Pferde, die doppelte Zahl Rindvieh und Schweine und haben Land über 40.000 Hektar unter Kultur. Die Hauptstadt Tatequah hat ihr Capitol, die Cherokees haben 75 Schulen, 2 Seminare, sogar eine Taubstummenanstalt. Auch die unzivilisierten Stämme können sich dem Einfluss ihrer Nachbarn nicht mehr entziehen und vermehren nach und nach ihre Schulen. Der Union gegenüber ist die Reservation fast ein selbstständiger Staat, ohne dessen Zustimmung kein Weißer das Gebiet betreten darf; aber noch 50 Jahre weiter und die Indianer sind seltener in Amerika als die Zigeuner in Ungarn.

Wir kamen noch gerade zu rechter Zeit nach Holbrook zurück, um etwas essen und in den Schlafwaggon steigen zu können; am folgenden Morgen brachte uns von der Station Lamy eine Zweigbahn in einer Stunde nach Santa-Fé, von wo ich Euch Lieben unser Wohlbefinden meldete. Wenn wir es auch nicht aus der Landkarte wüssten, alles müsste uns sagen, dass wir uns in Mexico befinden, und ich glaube, dieses sieht überall wie Santa-Fé aus. Die Stadt ist die älteste in Amerika, da die Spanier sich dort schon 1605 niederließen, und heute gibt es dort noch 70 Prozent Mexikaner. Dieselben haben größerenteils elende Wohnungen aus ungebrannten Ziegeln (Adobe) mit ganz flachem Dach, die Stadt liegt 6.000 Fuß hoch und in einer unwirtschaftlichen Gebirgsgegend, so dass die wenigen besseren Gebäude nicht genügen, den ungünstigen Eindruck, den die Hauptstadt von New-Mexico auf uns machte, zu verwischen. Das vorhandene Museum mexikanischer und indianischer Altertümer war auch bald besichtigt, so fuhren wir Nachmittags in ein benachbartes Indianerdorf. Ich weiß nicht, zu welchem Stamme die Bewohner desselben gehören, aber sie müssen schon viel von den Sitten der Mexikaner angenommen haben und sollen sich auch nicht selten mit diesen vermischen. Die Wohnungen sind beinahe die der Mexikaner, zuweilen besteht sogar ein erster Stock, den man mit einer Leiter ersteigen muss. In den Wohnzimmern sind absolut keine Möbel, nichts als einige Töpferwaren, etwas Weizen oder Mais, eine Kornquetsche, einige Heiligenbilder und Waffen. Am meisten fällt der Haarwuchs auf, ein Rossschweif ist nichts dagegen, auch haben alle Indianer sehr schöne Augen, sonst entsprechen sie wenig unseren Anforderungen an Schönheit. Die anwesenden Männer machten gar nichts. Die Frauen mahlten schwarzen Mais, kämmten sich gegenseitig die Haare und eine alte Matrone verscheuchte die Fliegen von dem Lager eines schwer kranken Mädchens. Außer einigen Hunden waren keine Tiere zu sehen, auf dem großen Hofe, der auch eine kleine total leere Kirche hatte, spielte ein Haufen Kinder jeden Alters, die unseren Zigeunern so ähnlich sehen wie ein Ei dem anderen, und unseren Wagen neugierig lange verfolgten, wohl hauptsächlich um einige 5 Centsstücke zu erhalten. Die Erwachsenen nahmen uns zwar nicht unfreundlich auf, ignorierten uns aber beinahe vollständig. Auf der Santa-Fé-Bahn begleitete uns ein freundlicher Lehrer mit einem Haufen indianischer Kinder, die er in ein Erziehungshaus nach Santa-Fé brachte. Es ist dies die Remona-Schule zu Ehren der verstorbenen Helena Hunt-Jackson, der Verfasserin indianischer Geschichten unter dem Titel „Remona". Der Staat zahlt für jedes Kind 120 Dollars, außerdem kommen noch 2.000 Dollars milde Beiträge zusammen, so dass sich die gewiss sehr wohltätige Schule erhalten kann.

Auf dem Rückwege aus dem Indianerdorfe berührten wir ein nettes Häuschen mit der Aufschrift: „Obst zu verkaufen", und trafen in demselben einen ehrlichen Sachsen, der schon seit 40 Jahren unter den Indianern hauste und hier einen großen Obstgarten angelegt hatte, der aber nichts von sächsischer Ordnung zeigte. Auf meine Frage, ob er nicht nach Sachsen zurückkehren möchte, meinte er: „Was sollte ich da wohl machen, ich bleibe hier." Der folgende Morgen fand uns wieder auf der Bahn und am 8. Oktober, Früh 5 Uhr, waren wir, nachdem wir von Los Angeles 2.200 Kilometer in zwei Tagen und drei Nächten zurückgelegt hatten, in Denver. Auf der Bahn von Santa-Fé verlor die Lokomotive unseren Eisenbahnzug und rannte wie besessen allein davon, wir sahen sie in der Ferne davon rasen. Später besann sie sich eines Besseren, kehrte zurück und nahm uns wieder mit.

Denver ist am Fuße des Felsengebirges hübsch gelegen und eine nette amerikanische Stadt mit 150.000 Einwohner, aber bis auf einige elende Pappeln ganz ohne Bäume. Die elektrische Bahn geht schon 9 Kilometer über die Grenze der Stadt ins freie Feld, weil man eine solche Vergrößerung der ersteren bald erwartet. Amerika ist das Land der Schablone, alles ist schablonenmäßig eingerichtet: Eisenbahnen, Städte, Hotels, Wohnungen etc. etc. Man hat etwas für gut und praktisch befunden und sofort wird es in dem großen einheitlichen Staate überall nachgeahmt. So ist es auch fast ohne Ausnahme mit der Erbauung aller amerikanischen Städte. Durch bestehende Eisenbahnen, Flüsse, Häfen war das Zentrum derselben meist gegeben, hier entstanden Handel, Verkehr, Banken, öffentliche Ämter und Anstalten, dem entsprechend große, himmelhohe Gebäude, um Platz zu sparen, hier konzentriert sich das ganze Geschäft der betreffenden Stadt. Je nach der Lage hat eine Stadt mehrere Straßen der Länge nach und auf diesen rechtwinklige Querstraßen, die sämtlich nummeriert sind. In allen Hauptstraßen gibt es sehr billige Verkehrsmittel. Sobald man jenes Zentrum, das Geschäfts-Viertel mit der elektrischen Bahn, auf irgend einer Längenstraße verlässt, kommt man in Straßen mit kleinen, einzelnen Wohnhäusern, die aneinander geschlossen sind, oder in solche, wo jedes Häuschen in einem kleinen Garten allein steht. Hier wohnt die Bevölkerung der Stadt. Die Reichen haben die besseren Lagen benützt, schöne, oft massive Villen erbaut und oft wunderbare Gärten angelegt, die Arbeiter begnügen sich mit bescheideneren Plätzen, bauen ihr Häuschen von Holz und haben in den Gärten höchstens einige Rosenstöcke. Im Allgemeinen sind aber, namentlich in den westlichen Städten, selbst in San Francisco, für Wohnhäuser Holzkonstruktionen vorherrschend und hat sich in dieser Richtung oft ein ganz einnehmender Holz-Baustil herausgebildet. Wir sahen gerade in San Francisco große hölzerne Villen der kalifornischen Goldkönige, denen man ihr Holz absolut nicht ansehen konnte.

Als wir gestern Abends das recht hübsche Theater, in dem aber besser gepfiffen als gespielt wurde, verließen, redete mich ein netter junger Mann an: Sigmund Kohn aus Kapuvár, der vor einigen Jahren in unserer Bürgerschule war, hier seit zwei Jahren mit seiner Mutter lebt, in einer Fabrik als erster Zeichner arbeitet und wöchentlich 33 Gulden verdient, er war sehr zufrieden, wir recht erfreut, einen Landsmann in Denver zu finden. Das Palace-Hotel in Denver ist vorzüglich, aber für seine vielen Zimmer, ich hatte Nr. 636, doch zu wenig besucht, und habe ich die gleiche Beobachtung bei sehr vielen Riesen-Hotels gemacht; kein Wunder, dass dieselben oft den Besitzer wechseln. Aus Versehen nahm ich meinen Zimmerschlüssel mit nach Colorado Springs, ich klebte einfach eine 3 Centsmarke an die Nummernplatte desselben und gab ihn so zur Post. Denver hat im Zentrum eine große Anzahl meist geschmackloser Prachtbauten aus rotem Sandstein und Ziegeln, unter ihnen viele Lehranstalten. Für die Schulbildung wird in Amerika so unendlich viel getan, für die Erziehung der Kinder aber sehr wenig, man überlässt sie einfach sich selbst. Wir sahen einen kleinen Buben von höchstens fünf Jahren ganz allein 6 Kilometer von Denver in der elektrischen Bahn fahren; in den großen Speisesaal des Palace-Hotels kam ein Junge von kaum acht Jahren mit seiner viel jüngeren Schwester, nahm Platz, bestellte gebackene Austern und eine Menge schöner Dinge, die sie mit bestem Appetite verzehrten, und das fiel niemandem wie uns auf. Denver ist die Hauptstadt des Minenstaates. Colorado, fast so groß wie Ungarn, über die Hälfte vom Felsengebirge bedeckt, mit seinen Schneebergen und großartigen Canons, aber auch mit seinen reichen Silberschätzen, von denen jährlich für 20 Millionen Dollars ausgebeutet werden. Die andere Hälfte des Staates besteht größtenteils aus Weideland der trockenen Region. Der Ackerbau ist im Verhältnis zur Größe des Staates in Folge des Regenmangels kaum nennenswert, allein man schenkt den Bewässerungen große Aufmerksamkeit. Der Staat ist in vier Wasserdivisionen eingeteilt, jedem steht ein Superintendent vor. Jede Division hat wieder kleinere Districte, die von Kommissären überwacht werden, welche das Wasser zu verteilen haben. Eine Achtel-Sektion, mithin 32 Hektare, bekommen 1 ½ Kubikfuß Wasser pro Sekunde. Auf diese Weise wurden bereits 300 deutsche Quadratmeilen mit 11 Millionen Dollars zur Bewässerung eingerichtet, deren Gräben eine Länge von 10.000 Kilometer haben. Auch artesische Brunnen werden gebohrt, da Wassermangel befürchtet wird.

In der ganzen Union sind bereits 2.000 deutsche Quadratmeilen mit Bewässerungen versehen und noch größere Flächen sind bewässerungsfähig. Nach einer Denkschrift des Generals Hazen vom Jahre 1875 soll in Texas, New-Mexico, Arizona, Colorado, Utah, Wyoming, Idaho, Montana mit einem Flächeninhalt von 50.000 deutschen Quadratmeilen, fast dem dritten Teile der Union, achtmal so groß wie Ungarn, nur 1 Prozent kulturfähig sein. Diese Annahme hat sich wohl nicht bestätigt, aber gewiss bleibt es, dass nur ein verhältnismäßig geringer Teil jener Staaten und auch nur mit großen Kosten für den Ackerbau gewonnen werden kann.