Yosemite-Tal, den 20. September 1893.

So sind wir denn auch glücklich ins Yosemite-Tal gekommen, meine Ladies hatten mir keine Ruhe gelassen. Ich hatte viel von den schrecklichen Wegen und einem unsinnigen Staub auf dieser Tour erzählen gehört, machte dieselbe nur widerwillig, meine Erwartungen sind denn auch gründlich übertroffen worden. Mittwoch Abends hatten wir San Francisco verlassen, waren Donnerstag Früh 7 Uhr per Bahn in Raymond angekommen und bis heute Mittag führen wir nun mit 20 Pferden (fünfmaliger Wechsel) auf einem schauderhaften Omnibus, 6 Zoll im Staube, über Stock und Stein, bergauf, bergab, teils über kahle Berge, teils im herrlichsten Urwalde bis ins Stoneman-Haus am Eingange ins Yosemite-Tal. Das beste war, meine beiden Damen getrauten sich nicht eine Klage laut werden zu lassen, an den Mienen konnte ich ihre Gedanken auch nicht mehr erraten, so entstellt hatte sie der Staub!

Das ganze Gebirge in diesem Teile der Sierra Nevada besteht aus Granit und Gneis, an der Grenze zwischen beiden treten Quarzgänge mit Freigold auf. Wir sind bei mehreren Gruben vorüber gefahren, früher sollen dieselben große Ausbeuten geliefert haben, heute sind die meisten aufgelassen. Wir mussten wohl den halben Tag fahren, bis wir einen ordentlichen Wald zu Gesicht bekamen, überall, so weit das Auge über Täler und Höhen blicken konnte, kahle versengte Flächen, über welche zahlreiche Ketten der so schmackhaften amerikanischen Wachtel (Quails) liefen, Gerölle, Felsen, höchstens kleine Gebüsche, die letzten Überreste der prachtvollsten Waldungen, die die frevelhafte Menschenhand rücksichtslos verwüstet hatte. Ich sage verwüstet, denn nichts war geschehen, um den zum Ackerbau nur selten verwendbaren Boden, dessen Humus jährlich weniger wird, wieder neu aufzuforsten. Eine breite hölzerne Rinne, die wir vom Wagen aus dem Laufe eines kleinen Tales folgen sahen, soll eine Länge von 100 Kilometer haben. Blöcke und Bretter, letztere mit Draht zu einem Bunde vereinigt, werden darin getriftet. Erst nachmittags kamen wir in wunderbare Waldungen von Nadelhölzern, Eichen, roten Zedern und Lebensbäumen, aber wie mancher herrliche Stamm war bereits zwecklos gefällt oder durch das Feuer der Indianer halb verkohlt. Sehr große silbergraue Eichhörnchen in reicher Zahl waren das einzige Merkmal lebender Wesen. Zweimal hielt unser Kutscher seine vier kräftigen Rosse an, er hatte eine Klapperschlange über den Weg, wenn man denselben so nennen darf, laufen gesehen, stieg schnell vom Wagen und klopfte mit einem langen Stocke alle Büsche und Steine ab, um, wenn möglich, des giftigen Tieres habhaft zu werden, aber vergebens! Dann sahen wir an einer Riesentanne, unmittelbar neben dem Wege, ein kleines, offenes Kästchen hängen, aus dem mehrere Papiere hervorschauten, das war das Postamt der benachbarten Farmer, Goldgräber und Waldverwüster. Unser Kutscher stieg abermals ab, nahm die Briefe aus dem Kasten und legte ein Packet Zeitungen hinein, das Postamt war in Ordnung.


Das Yosemite-Tal ist eine mächtige Schlucht am Westabhange der Sierra Nevada, dieselbe ist 8 Kilometer lang, im Tale nur 1.200 Meter über dem Meeresspiegel, aber von ganz steilen, 1.500 Meter hohen Felswänden eingeschlossen. Durch die Schlucht fließt der Merced-Fluss, von den senkrechten Felsen stürzen Wasserfälle herab — wenn es Wasser gibt, das im September fehlt. Da es seit März nicht geregnet hat, so haben die Fälle leider so gut wie gar kein Wasser, im Mai müssen sie schauerlich schön sein. Der Vernal-Fall stürzt zweimal so hoch wie der Niagara-Fall senkrecht in die Tiefe hinab und über demselben liegt der Nevada-Fall von fast gleicher Höhe.

Gestern trafen wir in Wawona, wo wir übernachten mussten, den jungen Sarg aus Liesing, den wir bereits in San Francisco gesprochen hatten, und heute hier im Stoneman-House Herrn Joan v. Ottlik, Ministerialrat in unserem Ackerbau-Ministerium, Herrn László v. Goger, ebenfalls aus dem Ackerbau-Ministerium, und Dr. Körner aus Berlin. Mimi hatte etwas Kopfschmerzen, so machten meine Damen mit jenen Herren die kleinere Tour zum Mirror-See, während ich ganz allein ohne Führer die Fälle besuchte. Über riesige Granitblöcke, an Abgründen, die nur Schwindelfreie passieren können, stieg ich bis zum Absturz des Vernal-Falles empor. Da stand ich, zu meinen Füssen ein Abgrund, über mir ein kleines Stück blauer Himmel, von den 1500 Meter hohen Felsen eingerahmt, 10.000 Meilen von der teuren Heimat entfernt, kein lebendes Wesen in der Nähe, ein merkwürdiges schauerliches Gefühl ! Morgen reiten wir zu Mimis Freude mit Mauleseln auf einen 1.500 Meter hohen Felsvorsprung, den Gletscher-Point, von dem man in die Tiefe hinabsehen kann und einen großartigen Blick auf das Hochgebirge der Sierra Nevada haben soll. Nachmittags treten wir den Rückweg an, wir sind ohnedies wohl dieses Jahr beinahe die letzten Gäste im Yosemite-Tale. Übrigens soll in den Sommermonaten hier ein sehr reges Leben sein, 500 Pferde und Maulesel sind bereit, die Gäste zu bedienen, in den guten Hotels ist Platz für 200 Menschen.

Telegramm erhalten, Gott sei dank, dass es Euch allen gut geht, auch wir sind frisch und munter und ertragen mit Leichtigkeit alle Strapazen.

Nun ist in Ungarn schon der Spätherbst im Anzüge, während wir hier noch einen ewig blauen Himmel und unter Tags auch eine recht anständige Wärme haben. Die Pürschzeit ist in wenig Tagen vorüber, unser altes Schloss wird wieder leer werden. Auch die Kaisermanöver sind hoffentlich glücklich überstanden, Hansteins werden sich rüsten, in die neue Garnison einzurücken. Wie sich Martha mit meinen lieben Enkelkindern dort fühlen wird? Ob Fräulein Dollinger und der kleine Gustav K. schon verlassen haben? Und die süße kleine Manon, wie mag ihr der Aufenthalt in Steiermark bekommen sein? Morgen ist Liskas, in vier Tagen Dr. Grünbaums Geburtstag, gerne würde ich beiden ein Glückauf telegraphiert haben, aber ich bin gerade knapp bei Cassa, bis Denver müssen wir sparen. Um im Falle eines Räuber-Überfalles nicht zu viel opfern zu müssen, erhob ich in San Francisco so wenig Geld als möglich. Wie werden die Räuber sich ärgern!

Sonntag, den 24. d. M., habe ich im Stoneman-House im Yosemite-Thale zum ersten Male auf unserer Reise keine mitleidige Menschenseele finden können, die so freundlich gewesen wäre, mir für 25 kr. meine staubigen Schuhe zu putzen und mein schöner Putzkasten war mit dem Frachtkoffer bereits in Los Angeles! So bestiegen wir ungeputzt unsere Mules und waren, immer neben Abgründen von einigen tausend Fuß reitend, in drei Stunden auf dem Gletscher Point, von dem wir, auf einem überhängenden Granitblock stehend, eine wunderbare Aussicht auf die teils mit Schnee bedeckte Sierra Nevada und unter uns in das 3.000 Fuß tiefere Yosemite-Tal hatten. Wollten wir aber noch den Omnibus nach Raymond erreichen, so durften wir nicht lange Halt machen. Kein angenehmer Ritt in die Tiefe, aber auch er wurde glücklich überstanden und um 1 Uhr hatten wir wieder unsere alten Plätze im Wagen eingenommen, um uns zum zweiten Male durch 1 ½ Tage in einer Staubwolke tüchtig durchschütteln zu lassen. Unsere Reisegesellschaft bestand aus einem jungen Wiener, Herrn Siegfried Trebitsch, der recht viel Angst zu haben scheint, von Räubern überfallen zu werden. Unser Kutscher meinte zwar, die Reisenden würden immer nur auf dem Wege ins Yosemite-Tal, aber niemals, wenn sie dasselbe verlassen, ausgeraubt, da mag er recht haben. Auf dem Gletscher Point musste ich für einige Pflaumen und ein kleines Stück Brot 3 fl. 60 kr. zahlen und für das Bestellen eines Wagens, der uns von Wawona entgegenkommen sollte, um den Weg abzukürzen, den wir aber nicht benutzten, 12 fl. Die Räuber spielen jetzt überhaupt wieder eine große Rolle in dem gesegneten Amerika, Überfälle auf den Eisenbahnzügen wiederholen sich in erschreckender Weise und in allen Zeitungen spricht man von Toten und Verwundeten. So auch unser redseliger Kutscher, der uns erzählte, dass auch sein Omnibus voriges Jahr überfallen worden sei, aber die Räuber begnügten sich mit einer gefüllten Geldkiste aus dem Stoneman-House und ließen die Reisenden, welche nur beide Hände hochhalten mussten, um nicht schießen zu können, in Ruhe. Noch eine andere nette Geschichte wusste er uns mitzuteilen. Vor einigen Jahren war ein Preis von 10.000 Dollars auf das Ergreifen von zwei gefährlichen Räubern ausgesetzt. Ein paar kühne Männer verfolgten dieselben, es kam im Gebirge zu einem regelrechten Kampfe, in dem auf beiden Seiten ein Mann tödlich verwundet wurde. Der eine Räuber schleppte nun seinen Kameraden bis in die Hütte eines Verwandten, der mit Einwilligung des sterbenden Räubers denselben dem Gerichte übergab, um die 10.000 Dollars zu verdienen, während die beiden Verfolger, von denen der eine ein Bein verlor, leer ausgehen sollten. Wie das Gericht schließlich entschieden, wusste unser Kutscher nicht zu sagen.

In Wawona wurde zum zweiten Male übernachtet, Montag Früh 6 Uhr saßen wir wieder auf unserer Folterbank und erreichten in wenigen Stunden bei 6.000 Fuß Höhe den Mariposa-Wald mit den Riesenbäumen. Derselbe ist in einer Größe von circa 2.000 Joch als Staatspark reserviert, um die 2.000 bis 4.000 Jahre alten Bäume, welche jedenfalls lange vor Christi Geburt aus dem Samenkörnchen keimten, besser schützen zu können. Diese 360 Riesen sind nicht die gleichen wie bei Santa Cruz, sondern Sequoia gigantea, Wellingtonia genannt und viel stärker und höher, bis zu einem Durchmesser von 9 Meter und einer Höhe von circa 90 Meter. Es ist erstaunlich, wie die Mehrzahl dieser Bäume alle Verwundungen durch Feuer und der rohen Menschenhand so lange überleben konnten! Einer derselben ist wie ein hoher Schornstein, durch den der Himmel sichtbar ist, total ausgebrannt und wächst dennoch weiter, durch einen anderen in der Mitte ausgebauten Kiesen fuhren wir mit unserem Viererzuge und auch dieser Baum wächst ruhig weiter, vielleicht abermals noch viele tausend Jahre! Der Besuch dieses Riesenhains wird uns unvergesslich bleiben.

Zu unserer Gesellschaft hatten sich in Wawona noch zwei Herren mit einer Anzahl großer leerer Blechkannen gesellt. Es waren Beamte der kalifornischen Fisch-Kommission, welche bei Sisson in Nord-Kalifornien eine künstliche Zucht von Forellen und Lachsen hat und die jungen Fische in den verschiedenen Gebirgswässern aussetzt. Unsere Mitreisenden hatten gerade 50.000 Forellen in das Yosemite-Tal gebracht. Im Jahre 1872 hat der Kongress in Washington eine Zentral-Fischkommission gegründet, die im Laufe der Jahre zu einem großartigen Institute geworden ist. Sie hat ihr eigenes Gebäude mit Aquarien, Brutapparaten, Versandkisten etc., die auch auf der Ausstellung in Chicago waren. Die jährlichen Kosten dieser Kommission betragen 300.000 Dollars, sie hat eigene Eisenbahnwaggons, die ausgezeichnet eingerichtet sind und in denen auch der Begleiter Wohnung findet. Die Zentralanstalt steht in fortwährender Verbindung mit den Kommissionen, die in jedem Staate errichtet sind, und geschieht alles Mögliche, um die Fischzucht zu lieben. So dürfen auch die Forellen nur vom 1. März bis 1. November, Lachse vom 1. März bis 1. Oktober geangelt und gefangen werden. Forellen und Lachse kosten in San Francisco 1 fl. 10 kr. bis 2 fl. 80 kr. das Kilogramm, Seefische 30 kr. bis 1 fl. 10 kr. Auch für das Wild besteht eine Schonzeit, Hirsche dürfen nur jedes zweite Jahr durch sechs Wochen erlegt werden und ist jedem Staate die Bestimmung überlassen, wann jene sechs Wochen zu beginnen haben. Noch erwähnen möchte ich, dass im Norden der Weststaaten, sowie in Alaska die konservierten Lachse einer der wichtigsten Handelsartikel sind; aus dem Columbia-Fluss allein werden jährlich circa 2.000 Meterzentner Lachse gefangen und konserviert versendet.

Auf unserer Reise ins Yosemite-Tal hatte uns ein Advokat aus San Jose begleitet, der in die benachbarten Bergwerke reiste.

Auf dem Rückwege fanden wir in der Mittagsstation von jenem liebenswürdigen Herrn ein Päckchen mit Golderzen, die er Miss P. versprochen hatte. Dieselben werden gewöhnlich bei 200 bis 300 Fuß Tiefe an der Grenze der Urgesteine in Quarzgängen oder im Gneise gefunden, aber eine große Ausdehnung scheint der Goldbergbau an diesen westlichen Abhängen der Sierra Nevada nicht mehr zu haben. Wenn in den uns geschenkten Erzen so viel Gold ist, als die guten Leute meinten, so kommen wir als reiche Herren nach Hause!

Ganz verstaubt und gerädert kamen wir am 25., Abends 8 Uhr, wieder in Berenda an und mussten dort bis 12 Uhr auf den Zug nach Fresno warten, wo wir Morgens 2 Uhr eintrafen. In Berenda war es noch möglich, den Rückweg zum Osten durch Utah auf der South-Pacific und Union-Pacific über Salt-Lake, der Hauptstadt der Mormonen, zu nehmen, allein Graf Bela Szechenyi, der diese Tour gemacht, hatte mir entschieden abgeraten, da wir sonst Süd-Kalifornien und Arizona opfern mussten, wir haben auch nicht bereut, seinen Rat befolgt zu haben.