Los Angeles, 27. September.

War das eine Freude, als wir hier heute Mittag eine Menge Briefe aus der teuren Heimat, die ersten seit unserer Abreise, fanden: Gott sei dank, sie enthielten nur gute Nachrichten! Wohl erschreckte uns der Keuchhusten, unter dem Max und sein Töchterchen zu leiden hatten, aber ein späterer Brief meldete glücklicherweise, dass der Husten nachgelassen. Allen, die uns schrieben, herzlichsten Dank, diese Briefe waren die größte Freude auf unserer Reise!

Wir haben nun den Wendepunkt unserer großen Rundreise erreicht und treten Sonntag den Rückweg an, so dass wir hoffen dürfen, schneller und öfter Nachrichten von allen Lieben zu bekommen. Einer derselben erwähnt, der mitgeteilte Preis von 330 Gulden pro Kopf für die Reise durch den Yellowstone-Park komme Allen sehr teuer vor. Das ist ein Irrtum, für diese Tour zahlten wir inklusive Verpflegung 60 Dollars, d. i. 150 Gulden pro Kopf. Für die Wagen ins Yosemite-Tal ohne Verpflegung 30 Dollars oder 75 Gulden; für die ganze Reise von 10.000 Kilometer, inklusive jener beiden Abstecher 360 Dollars oder 920 Gulden. Überhaupt wird die amerikanische Teuerung stark übertrieben, wir sind nun 50 Tage in den Vereinigten Staaten und haben 1.400 Dollars oder 3.500 Gulden ohne Eisenbahn-Billets ausgelegt, davon noch 100 Dollars für Schlaf-Waggons gezahlt; billiger kann man auch in Europa nicht reisen. Teuer, ja sehr teuer sind die Wagen, aber man braucht sie auch so selten, es gibt überall Tramways für 12 Kreuzer. Hier im Westen ist es überhaupt billiger als im Osten und dabei gar so schön! Alle Menschen sind ungemein gefällig und liebenswürdig, so dass uns die Reise in jeder Weise sehr erleichtert wird. Wir haben selbst in den kleinsten Städten stets sehr gute und so reinliche Hotels gefunden, wie wir sie in den kleineren Orten Europas vergeblich suchen würden. Es ist hier ein wahres Vergnügen, sich ins Bett zu legen und überall vortreffliche Bäder neben den Schlafzimmern zu finden. An die Kost haben wir uns auch gewöhnt und haben stets vortrefflichen Appetit. Wir brachten schon 14 Nächte in Schlaf-Waggons zu, ohne uns ermüdet zu fühlen, die Yosemite-Partie machte allerdings einen großen Anspruch an unsere Knochen und Kehlen.


Um den Übergang über den Teháchapi-Pass bewundern zu können, hatten wir Fresno Nachts 1 Uhr verlassen und eroberten mit Mühe noch drei obere Betten im Schlaf-Waggon, so überfüllt war derselbe. Die Bahn steigt in zahlreichen Kurven und führt am Ende einer gewaltigen Schleife über dieselbe Stelle, an der sie eben erst 25 Meter tiefer einen langen Tunnel durchfahren hatte, allein das ganze Gebirge hat dort nur kahle Höhen ohne alle Vegetation und bietet einen trostlosen Anblick. Vom Teháchapi-Pass geht es abwärts in die Wüste, eine elende sandige, steinige Ebene mit vielen meterhohen Kakteen, ihr folgt nach einigen Stunden ein felsiges Bergland, und um 2 Uhr Nachmittags waren wir in Los Angeles, „La Puebla de la Reina de Los Angeles" (Stadt der Königin der Engel), Hauptstadt von Süd-Kalifornien. Das ist auch so eine amerikanische Stadt, die aus nichts entstanden! Sie wurde zwar schon 1781 von den Spaniern gegründet, blieb aber bis 1880 ohne alle Bedeutung und ist dann in 13 Jahren von 11.000 auf 65.000 Einwohner gestiegen. Die Straßen sind sehr schön, die Häuser meist aus rotem Sandstein von Arizona und aus Rohziegeln erbaut und die Lage an einem Hügel recht romantisch. Die vielen Villen haben herrliche Gärten mit exotischen Gewächsen, Palmen, Pfefferbäumen, Eukalypten, Limonen, Granatbäumen, Orangen etc., überall ist die stark südliche Lage und Vegetation bemerkbar. In der Bevölkerung erkennt man noch viel spanisches Blut, auch bemerkt man oft Indianer, während der Chinese nur in den Waschanstalten sichtbar wird. Das Klima ist wunderbar, denn im Januar hat man noch 9 Grad Wärme und der Sommer ist in Folge der Meeresnähe nicht zu heiß. Vom November bis März 600 Millimeter Regen und dann ein ewig dunkelblauer Himmel! Stadt und Umgegend sind in Folge des kolossalen Handels mit frischen, getrockneten und eingemachten Südfrüchten, sowie mit Wein sehr reich geworden. Die gegenwärtige Geldnot ist in Kalifornien beinahe spurlos vorübergegangen, die Einlagen in den Banken haben sich sogar etwas vermehrt. Mimi und Miss P. waren etwas ermüdet, wollten auch die Stadt näher besichtigen, die Frau unseres Wirtes, Herrn Bilicke aus Berlin, hat sich als Führerin angeboten, so besuchte ich allein die in der Nachbarschaft gelegene Zuckerfabrik. Süd-Kalifornien ist erst 1846 von Spanien an die Vereinigten Staaten abgetreten, aber man ließ die großen Besitzungen — die Grants — den Spaniern und dieselben gingen erst nach und nach in die Hände von Amerikanern über; so kommt es auch, dass hier Besitzungen bis zu 70.000 Joch bestehen. Ich musste 25 Meilen mit der Bahn bis Ontario, einem kleinen Städtchen, fahren, überall durch herrliche Obstanlagen und Weingärten, in denen mehrere nette Städte liegen. Von Ontario brachte mich eine Schmalspurbahn nach Chino, den großen Ranch des Herrn Richard Gird, dem auch die Bahn gehört. Derselbe war noch vor 12 Jahren ein einfacher Farmer in Arizona, hatte damals das Glück, seinen dortigen, ich glaube Grubenbesitz für eine halbe Million Dollars zu verkaufen, erwarb für die gleiche Summe Chino und wird heute auf 4 Millionen Dollars taxiert. Auf ähnliche Weise sind so viele große Vermögen in Kalifornien entstanden ! Herr Gird besitzt auch noch in Mexico, Provinz Senora 350.000 Joch, er hofft, dass die nördlichen Provinzen von Mexico bald den Vereinigten Staaten zufallen und sein dortiger Besitz dann einen großen Wert erhalten wird. Ich wurde auf das liebenswürdigste empfangen und widmete mir Herr Gird den ganzen Tag, um mir seine Besitzungen zu zeigen. Er ist der richtige Amerikaner, der nur sein Geschäft kennt, in seinem netten aber kleinen Landhause wohnt und viel einfacher als ein Beamter oder Pächter in Ungarn lebt. Als er mich zu Mittag in sein Haus führte, zeigte er mir im Parke eine kleine Bretterbude und sagte: „In dieser habe ich zuerst gewohnt," dann machte er mich darauf aufmerksam, dass keine Thür ein Schloss hatte. „So sicher lebt man in Amerika", fügte er mit einem gewissen Stolz hinzu, und es ist wahr, dass man hier durchaus keine Gefahr hat, bestohlen zu werden. Wie sind unsere Effekten, teilweise ganz offen, schon herumgeworfen, aber wir finden sie immer unberührt wieder. In der Mitte der Besitzung ist seit zwei oder drei Jahren die Stadt Chino gegründet, ich glaube kaum, dass dieselbe mehr als 30 Häuser hat, aber sie besitzt drei Kirchen, eine Schule für 500 Kinder und selbst eine Bank! Die Schulen werden gewöhnlich vom Staate erbaut, die in Chino ausnahmsweise von Herrn Gird. Sie hat acht Classen mit fünf Lehrern, die von 60 bis 150 Dollars monatlichen Gehalt bekommen, und wird dort auch spanisch, deutsch und französisch unterrichtet. Auf den Schulunterricht werden überhaupt in Amerika große Summen verwendet; sieht man auf dem Lande ein großes zweistöckiges, oft ganz allein stehendes Gebäude, so ist es sicher eine Schule. Der Chinoer Ranch liegt in einem weiten Tale, von baumlosen, nicht sehr hohen Bergen umgeben. Er hat eine Ausdehnung von circa 40.000 Joch, die Hälfte in einer Ebene so flach wie der Tisch, die andere Hälfte in den Bergen, die nur als Weideland zu verwenden ist. Die Ebene ist überall von gleicher Bodenbeschaffenheit, mir machte sie den Eindruck eines leichten Sandbodens, Herr Gird sagte aber, der Boden sei nur in Folge der langen Trockenheit so leicht, in der Regenzeit sei er viel schwerer und ein tiefgründiges, höchst fruchtbares Ackerland. Von den 29.000 Acres oder 20.000 Joch in der Ebene ist vorläufig nur der dritte Teil in Kultur, während der Rest auch als Weide verwendet wird. Circa 4.000 Acres oder 2.700 Joch werden mit Zuckerrüben, der Rest mit Gerste und Futter bestellt, es findet aber kein Fruchtwechsel statt, R?be folgt auf Rübe und ganz ohne Dünger, wie lange? Herr Gird meinte: „Sehr lange, und wenn es nicht mehr geht, so habe ich ja noch andere Felder, sämtliche 20.000 Joch sind Rübenboden." Die besten Felder in Kalifornien sollen anfangs bis 80 bushels Weizen pro Acre (70 Doppelzentner pro Hektar) liefern und kann man 25 Jahre ohne Dünger arbeiten, nach 10 Jähren geht die Ernte um 50 Prozent zurück, anfangs pflügt man 3 Zoll, zuletzt bis 10 Zoll tief.
Chino hat 1.000 Zugpferde und Maulesel,
1.000 Pferde zur Zucht,
3.000 Stück Rindvieh zur Zucht im Gebirge,
3.000 Einstell-Ochsen,
eine größere Anzahl Merino-Schafe, die aber nicht beliebt sind. Die Zugpferde, sämtlich selbst gezogen, sind groß und stark und ziehen vierspännig ebenso wie vier Maultiere 30 Meterzentner Rüben von den benachbarten Rübenfeldern zur Fabrik. Das Gestüt für Arbeitspferde, Trotter und Vollblut hat 350 Zuchtstuten, die jährlich 160 Fohlen und eine Anzahl Maultiere liefern. Es hat einige Percheron-Hengste für Zucht der Arbeitspferde und für die edleren Pferde sind die Vatertiere aus dem Stanford'schen Gestüte von Palo Alto, auch werden die Pferde ebenso hoch als jene geschätzt. Die einjährigen Trotter- und Vollblut-Fohlen, meistens mit Gerstenschrot gefüttert, waren schön und hatten bereits eine Höhe von 15 bis 15% Faust. Herr Gird schätzte ihren Wert auf 3.000 fl. pro Stück. Die Stallungen sind einfache Holzbuden, in denen aber nur das beste Materiale untergebracht wird, sonst ist alles Vieh, Winter und Sommer, ohne den geringsten Schutz auf der Weide. Das gesamte Gebäude-Inventar hat kaum einen Wert von 10.000 Gulden. Die einjährigen Fohlen werden schon als Trotter eingespannt, Regel ist aber, dass kein Pferd in Amerika vor dem fünften Jahre benützt wird, daher habe ich auch überhaupt noch kein niedergebrochenes oder mit Fehlern behaftetes Pferd gesehen.

Es sind 800 Kühe vorhanden, aber nur 250 werden gemolken und die Milch verbuttert. Die Butter, welche sehr gut sein soll, wird in der Umgebung mit fl. 1,40 pro Kilogramm verwertet. Die Rasse ist, wie beinahe überall in Amerika, ein Gemisch von Shorthorn und Natives.

Die Einstell-Ochsen, 3.000 Stück pro anno, werden spottbillig mit 10 Gulden pro Meterzentner in den Prärien von Arizona zusammengekauft, drei Monate mit Rübenschnitzeln, Gerstenstroh und Heu oder Klee gefüttert und halbfett mit 15 Gulden pro Meterzentner an die benachbarten Fleischer verkauft. Dünger liefert gar kein Vieh, es steht im Freien und von Streu ist keine Rede, das Gerstenstroh wird verfüttert.

Die Rübenfelder werden nach der Ernte vierspännig und mit einem Dampfpfluge, ich glaube, es ist ein englischer Spatenpflug, den ich aber nicht sehen konnte, 10 Zoll tief geackert. Als Samen wird Vilmorin aus Frankreich bezogen, Reihenentfernung 14 Zoll, in den Reihen 10 Zoll vereinzelt. Der Anbau erfolgt vom 1. Februar bis 1. Mai, die Ernte vom 15. Juli bis in den November hinein und werden die täglich ausgenommenen Rüben sofort verarbeitet. Der lange dreimonatliche Anbau macht es möglich, die Arbeiter sämtlich im Taglohn, verhältnismäßig leicht zu bewältigen. Das Ausnehmen erfolgt mit einem in Chino erfundenen Pfluge, der vorzüglich arbeitet, die Rübe ist in dem ganz trockenen Boden vollkommen rein. Die Ernte wurde mit 200 bis 300 Meterzentner pro Joch angegeben, ich sah jedoch sehr lückenhafte Felder, die gewiss nicht mehr als 80 bis 100 Meterzentner liefern konnten. Die Blätter waren vollkommen grün und hatten, wo der Stand dicht war, den Charakter sehr guter Rüben, die auch ungemein fest und von guten Formen waren. Die ganze Flur samt Rübenfelder sah aber wie unsere Rapsfelder in der Blüte aus, überall 4 bis 5 Fuß hohe, blühende wilde Sonnenblumen, welche die Stelle unseres Hederichs einnehmen. Wie ich mich aus den Büchern selbst überzeugte, polarisieren die Rüben zwischen 14 und 16 Prozent, mit Reinheitsquotienten von 80 bis 84.

Die Fabrik ist, soweit ich es zu beurteilen vermag, vorzüglich eingerichtet, höchst einfache Gebäude, ausgezeichnete Maschinen. Das Wasser wird, wie in dem ganzen Besitz, durch eine Menge artesischer Brunnen von 200 bis 300 Fuß Tiefe für Fabrik und Viehstand reichlich beschafft. Die Rüben werden auf eine Rampe geführt, sie liegen auf den schweren Lastwägen auf Netzen, werden in diesen durch eine sinnreiche maschinelle Vorrichtung gehoben, sehr schnell in zwei trichterartige Vertiefungen gestürzt, unter welchen Riedinger'sche Rüben-Schwemmgräben laufen, die die Rüben in die Fabrik führen. Hier hebt eine eiserne große Schnecke dieselben in die Wäsche. Die Diffusion ist ähnlich wie die unsrige. Die Entladung aber nicht von unten, sondern unpraktischerweise seitlich. Robert-Apparate habe ich nicht bemerkt, dagegen kofferartige große Kessel, in denen die Säfte gekocht wurden, außerdem waren zwei große Vakuums vorhanden. Die Röhrenkessel wurden mit Roh-Petroleum geheizt. Die Zentrifugen waren unbenutzt, der Rohzucker floss direkt in Gefäße von Pappe, circa 1 Meter hoch, 50 Zentimeter Durchmesser und wird in diesen mit 84 Prozent Zuckergehalt in die Raffinerie der Zucker-Trust-Compagnie von San Francisco gesendet.

Die Chinoer Fabrik verarbeitet täglich 550 Tonnen Rüben, doch will es Herr Gird in einigen Jahren auf 1.000 Tonnen bringen, so dass er dann circa 1 Million Meterzentner Rüben verarbeiten würde; ob das möglich ist, liegt außerhalb meiner Beurteilung. Der Preis für Rohzucker ist augenblicklich 25 fl. pro 100 Kilogramm, hierzu kommen noch, je nach Zuckergehalt, 10 fl. Staatsprämie, so dass Herr Gird 35 fl. pro Meterzentner für seinen Zucker erhält und dabei ein gutes Geschäft machen dürfte. Die sämtlichen Steuern seines ganzen Besitzes bestehen nur in einer Vermögenssteuer, und zwar 1 ¼ Prozent vom eingeschätzten Wert. Da derselbe aber nur, wie es in ganz Amerika üblich ist, dem dritten Teile des wirklichen Wertes entspricht, so beträgt die Steuer eigentlich nur 5/12 Prozent Die Arbeitslöhne sind allerdings weit höher als in Ungarn, 70 fl. pro Monat nebst Kost, aber es arbeiten nur starke, wohlgenährte Männer und mit einer erstaunlichen Schnelligkeit und Geschicklichkeit. Da die Staatsprämie von 10 fl. pro 100 Kilogramm noch durch 15 Jahre geleistet werden soll, so meinte Herr Gird, es könnten außer den drei bestehenden, in Kalifornien recht gut noch weitere zehn Fabriken passende Plätze und Gründe finden. Nach den letzten Kongress-Verhandlungen ist die Aufrechterhaltung von 2 Cents pro Pfund Prämie nicht zu erwarten. Die Einfuhr von Zucker nach San Francisco beträgt gegenwärtig 1.400.000 Meterzentner pro anno. Herr Gird hat in seiner Besitzung ein ausgezeichnetes Asphalt-Lager, das mit 2 Millionen Gulden bewertet wird und es ist alle Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass man auch Petroleum und Kohlen finden könnte. Ein Nachbar von Chino, Mr. Fladd, besitzt in Santa Margaretha 75.000 Joch, Mr. Baldwin nicht weit von Los Angeles den Baldwin-Ranch mit 45.000 Joch, und so mag es in Süd-Kalifornien noch eine Menge großer Besitzungen geben! Mr. Baldwin, dessen Ranch ich ebenfalls besucht habe, hat sich mehr auf den Weinbau und Viehzucht geworfen. Er hat 100 englische Vollblut-Stuten und Hengste, z. B. Emperor of Norfolk, der in zwei Jahren 100.000 Dollars gewann. Der wertvollste Hengst in Amerika scheint aber der Ormonte in Palo-Alto zu sein, der, wenn ich nicht irre, einmal nach England verkauft, aber von Stanford für 150.000 Dollars zurückgekauft wurde.

Am folgenden Tage machten wir eine wunderhübsche Wagentour mit zwei jungen Herren aus Dresden und Köln nach Pasadena, fast eine Vorstadt von Los Angeles, ein allerliebster Ort in hügeliger Lage, der beinahe aus lauter reizenden Villen, mit den herrlichsten Obst- und Ziergärten besteht. Auf einer Anhöhe liegt das Raymond-Hotel mit einigen hundert Zimmern für Wintergäste. Der dortige Gärtner ist ein Holsteiner, seit fünf Jahren in Kalifornien. Ich fragte ihn, ob er hier zufrieden sei und er erwiderte: „Na das will ich meinen." Und so sprechen sie Alle und haben recht, Kalifornien ist ein reizendes Land und dessen Bewohner brave, angenehme und tüchtige Menschen. Der Osten sieht immer mit einem gewissen Mitleid auf den „wilden Westen“ mit Unrecht, der Westen ist wunderbar. Jeder Amerikaner, der einem zum ersten Male die Hand schüttelt, fragt sofort: „Wie gefällt Ihnen unser Land?" In Kalifornien fragt man dagegen: „Wie gefällt Ihnen unser Klima?" und sie haben recht, ein wunderbareres Klima ist nicht zu finden.

Wir waren auch auf dem 3.500 Fuß hohen Lowe-Berge, auf den eine elektrische Seilbahn kühnster Konstruktion führt und von dem man eine herrliche Aussicht auf das Tal des Los-Angeles-Flusses hat. Wir sind wegen unserer Weiterfahrt recht in Sorgen, die Santa-Fe-Linie ist irgendwo unterbrochen und wir wissen nicht recht, wie wir weiter kommen sollen. Unser Zug geht zwar morgen Früh 7 Uhr ab, aber wie weit wissen die Götter!

Bevor wir aber ins Unbekannte hinein fahren, noch einige Worte über die amerikanische Rübenzuckerindustrie. Kalifornien besitzt also drei Zuckerfabriken mit einer vorläufigen jährlichen Zucker-Erzeugung von circa 12.000 Tonnen, denen ein Verbrauch von 140.000 Tonnen gegenübersteht. Es unterliegt für mich keinem Zweifel, die bestehenden Fabriken sind noch einer Erweiterung fähig, die klimatischen Verhältnisse sind, trotz der totalen Regenlosigkeit während der Wachsperiode äußerst günstige, es gibt in den Tälern des großen Staates genug rübenfähigen Boden, die Arbeiterfrage ist durch die Chinesen gelöst, der Zuckerpreis um 1 Cent pro Meterzentner (5 fl. pro 100 Kilogramm) höher als im Osten, und die Union leistet, wenigstens vorläufig, eine Prämie von 10 fl. pro 100 Kilogramm. Schwierig ist nur die Kohlenfrage. Kalifornien hat keine Kohle, dennoch ist eine Erweiterung der Zuckerindustrie dort möglich, sogar wahrscheinlich, bis sie aber den stets wachsenden Bedarf decken kann, wird wohl noch viel Wasser durch die Donau fließen.

Aber auch in zwei anderen Staaten der Union, Utah und Nebraska, versuchen die Amerikaner den Rübenbau einzubürgern, leider liegen beide zu sehr außerhalb unserer Reiseroute, um sie ebenfalls besuchen zu können. Professor F. Wohltmann und Dr. H. Paasche haben aber die dortigen drei Fabriken besucht und entnehme ich ihren Mitteilungen einige Daten zur Vervollständigung meines Berichtes über die amerikanische Zuckerrüben-Industrie. Die eine Fabrik liegt in Utah, im Lande der Mormonen, in Lehi, wo es fast niemals regnet und die Rübe nur mit Hilfe der Bewässerung aus Flüssen und artesischen Brunnen wächst, für große Flächen aber nicht genügend. Wasser vorhanden ist. Die Rübenernte beträgt 25 Tonnen pro Hektar, die Zuckerausbeute 9 Prozent, die Chinesen fehlen, der Arbeitslohn ist 2 Dollars pro Tag, Kohle aus den Rocky Mountains kostet 2,60 Dollars pro Tonne , wie soll da billig Zucker erzeugt werden können! Allein die Union zahlt 2 Cents, der Staat Utah noch 1 Cent Prämie, die Zuckerfracht von New -York nach Lehi beläuft sich auf 1,25 Cents, so haben die mormonischen Zuckerkönige eine Prämie von 4,25 Cents pro Pfund oder 21 fl. pro 100 Kilogramm, da kann man am Ende auch wohl unter ungünstigen Verhältnissen Zucker sieden. Dennoch betrug die jährliche Produktion in Lehi nicht mehr als 1.000 Tonnen, die sich, wenn die Prämien aufrecht erhalten werden sollten, wohl nach und nach erhöhen, aber zur Anlage neuer Fabriken im Staate Utah kaum führen wird.

Nicht viel günstiger sollen die Verhältnisse in Nebraska sein, was mir auch später in der chemischen Versuchsstation in New-Orleans bekräftigt wurde. In dem Staate Nebraska gibt es zwei Zuckerfabriken, in Norfolk und Grand-Island, die vor vier Jahren von der Oxnard Zuckerrüben-Gesellschaft gebaut wurden. Grand-Island kann täglich 300 Tonnen Rüben verarbeiten. Norfolk ist kleiner angelegt, beide erzeugten 1892 zusammen 1.500 Tonnen Zucker. In Grand-Island machte die Wasserfrage große Schwierigkeiten, denn es mussten 80 Brunnen gegraben werden, jetzt gibt es Wasser genug. Noch größere Schwierigkeit bietet aber die Beschaffung der nötigen Rüben. Der Boden von Nebraska gehört durchaus nicht zu einem reichen schwarzen Löss, er besteht vielmehr aus den Verwitterungs-Produkten der Tertiär-Formation, arm an Kali und Phosphorsäure. Die Witterungs-Verhältnisse sind extrem, die gesamte Regenmenge soll wohl 600 Millimeter betragen, aber von Ende Juni bis Oktober, in der Wachstumsperiode der Rübe, fällt gar kein Niederschlag, Raupen, scharfe Winde und Hagel machen viel Schaden, Nebraska ist waldlos und eben. Der Rübenanbau muss den kleineren Farmern überlassen werden, da Großgrundbesitz wenig vorhanden ist ; einen ordentlichen Viehstand gibt es nicht, die Arbeitskraft kaum zu beschaffen, die Arbeiter werden aus der Ferne herangezogen, in Zelten untergebracht und mit 1,25 Dollars pro Tag (3 fl. 12 kr.) bezahlt, gegen Feldarbeit der Frauen herrscht außerdem eine starke Abneigung. Bei solchen Umständen ist eine Massen-Produktion nicht zu erwarten und wird die Zuckerindustrie in Nebraska von meinen Gewährsmännern nicht günstig beurteilt. Auch in der Nähe von Washington in Riverdale bei Wilmington sollen Anbauversuche mit Zuckerrüben gemacht sein, jedoch ist mir der Erfolg unbekannt geblieben.

Die Union erzeugte 1892 circa 14.000 Tonnen Rübenzucker, eine Produktion, die sich aber schon vermehrt haben wird, immer jedoch eine verschwindende Menge gegen einen Bedarf von 1 1/2 Millionen Tonnen Zucker ist. An verschiedenen Punkten erkundigte ich mich auch nach der Fabrikation des Zuckers aus dem chinesischen Zuckerrohr und dem Zuckerahorn, ohne verlässliche Daten erhalten zu haben. Die Sorghumpflanze wurde vor 50 Jahren nach Amerika importiert, sie besitzt, wie bekannt, einen sehr zuckerreichen Saft, und 1880 gelang es endlich nach langen vergeblichen Versuchen den Professoren Weber und Scoville in Illinois, ein praktisches Verfahren für die Zuckergewinnung aus Sorghum zu erfinden, allein dasselbe scheint sich in der größeren Praxis bisher nicht bewährt zu haben. Anfangs entstanden überall Anbauversuche mit Sorghum und die Farmer bauten gemeinschaftlich kleine Mühlen, aber der Zucker wollte nicht kristallisieren und hatte einen ranzigen Geschmack, so kam der Anbau von Sorghum mehr in Vergessenheit. Gleichzeitig mit der Erfindung von Scoville baute eine Gesellschaft in New-Jersey eine Fabrik für Sorghum-Zucker, ob dieselbe noch besteht, ist mir nicht bekannt. Die einst erwartete Ausdehnung hat die Zuckererzeugung aus dem chinesischen Zuckerrohre jedenfalls nicht genommen. Herr G. Garvels aus Güttingen erzählt, in Florida auf einer Farm des Mr. Claussen eine Sorghummühle gesehen zu haben. Die Stengel werden zwischen stehenden Holzrollen ausgepresst und der grünliche Saft in eisernen Pfannen zu Sirup verkocht, der ein Lieblingsgericht der Neger ist. Vorteilhafter soll die Zuckergewinnung aus dem Zuckerrohre betrieben werden, aber auch hierüber fehlen mir nähere Daten. Man sieht den Zuckerahorn in allen Laubwaldungen der Union, besonders in den steilen, mehr hochgelegenen Abhängen in gutem feuchten Boden, ein herrlicher Baum, der 50 bis 80 Fuß hoch und 1 bis 2 Fuß stark wird, und namentlich für Wagenachsen und Räder sehr gesucht ist. Noch ein letztes Verfahren, Zucker in der Union zu erzeugen, muss erwähnt werden. Die Zucker-Raffinerie in Chicago verarbeitet seit kurzem nach einer geheimen Methode Mais, und erzeugt Zucker, Stärke, Öl, Ölkuchen und Glutenmehl mit 32 Prozent Protein und 8 Prozent Fett. Das Öl geruchlos zu machen, soll aber bisher noch nicht gelungen sein; die Produkte waren in Chicago ausgestellt.

Ich möchte das schöne Kalifornien nicht verlassen, ohne auch den Panama-Kanal erwähnt zu haben. Alle Kalifornier sind darüber einig, dass eine direkte Seeverbindung zwischen dem Westen und Osten für die Vereinigten Staaten von unberechenbarer Wichtigkeit sei und über kurz oder lang kommen müsse. Ebenso überzeugt ist man aber auch, dass der Panama-Kanal undurchführbar und das darauf verwendete französische Capital verloren sei. Es gibt aber noch zwei andere amerikanische Projekte, welche Aussicht auf Erfolg haben. Das vom verstorbenen Kapitän Eads, dem Erbauer der Missisippi-Brücke in St. Louis, entworfene bezweckt eine Schiffseisenbahn über die Tehuantepec Landenge zu legen, das würde der kürzeste Weg zwischen San Francisco und New-York werden. Das zweite Projekt will einen Kanal etwas nördlich von der Panama-Landenge durch den Nicaragua-See legen und besteht bereits eine amerikanische Gesellschaft, welche die Ausführung dieses Planes ganz energisch verfolgt. Der Weg über Tehuantepec ist allerdings um 1.400 englische Meilen kürzer als durch den Panama-Kanal oder Nicaragua-See, allein die großen Ozeanfahrer auf eine Eisenbahn zu laden und auf 162 Meilen mit diesen über die Tehuantepec-Landenge zu transportieren, ist ein Projekt, das nur in dem Kopfe eines Amerikaners entstehen konnte. Die Kosten dieser Bahn sind mit 75 Millionen Dollars, die des Nicaragua-Kanales mit 100 Millionen Dollars präliminiert. Der Panama-Kanal hat bereits mehr als 200 Millionen Dollars verschlungen. Die Entfernung von San Francisco um das Cap Horn bis New-York beträgt 14.000 englische Meilen, durch den Panama-Kanal circa 6.000 Meilen, auf der Tehuantepec-Route nur 3.400 Meilen, und zweifle ich keinen Augenblick, dass der Durchstich des Isthmus über kurz oder lang von den tatendurstigen Amerikanern durchgeführt werden wird.